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Veröffentlicht am 23.07.2024

Meister der Verwandlung

Krähentage
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Der erste Tag der „Krähentage“ beginnt in „zwölf Stockwerken gestapelter Trostlosigkeit.“ Der 42-jährige Jakob Krogh, der nach einer Auszeit wieder einsteigt, und die 37-jährige Polizeikommissarin Mila ...

Der erste Tag der „Krähentage“ beginnt in „zwölf Stockwerken gestapelter Trostlosigkeit.“ Der 42-jährige Jakob Krogh, der nach einer Auszeit wieder einsteigt, und die 37-jährige Polizeikommissarin Mila Weiss, die gerade aus Wien versetzt wurde, werden gemeinsam die neu gegründete Gruppe 4, bestehend aus sechs Mitarbeitern einer Sondereinheit für komplexe Serienstraftaten, leiten. Der Mordfall ist ungewöhnlich: Eine alte Frau, die tot auf ihrem Sofa liegt, verstümmelt von einer Krähe, die eine Botschaft am Fuss hat, während der Täter sich für kurze Zeit als sein Opfer ausgab, weshalb mehrere Zeugen die alte Frau nach ihrem Tod gesehen haben. Das Imitieren der Stimmen ist dabei seine wohl größte Kunst. Und es bleibt nicht bei einem Mord - der Wahnsinn geht weiter. Angesichts der Tatorte fehlen nicht nur den Ermittlern die Worte. Auch die Sicht des Täters hat es in sich und wird dem Genre „Psychothriller“ gerecht. Elias, der in einem Callcenter arbeitet und zuständig für die Akquise von Neukunden ist, wirkt erst harmlos, beinahe unsichtbar und damit nähern wir uns bereits den psychologischen Hintergründen. Die erste Hälfte des Buches ist somit in groben Zügen zusammengefasst. Die Gruppe 4 steckt fest, denn sie finden keine Verbindungen zwischen den Opfern. Im zweiten Teil, vier Wochen später, gibt es mehr „Krähenleichen“, das Tempo steigt stetig, die Kapitel werden kürzer und das Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Bis zur letzten Seite ist es so spannend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. Zum Schluss gab es eine Wendung, die niemand hätte erahnen können und mit diesem Cliffhanger hätte ich auch nicht gerechtet. Den schlechten Ruf der Kolkraben bzw. Krähen anzufeuern, hat mir allerdings nicht gefallen, da keine Gelegenheit ausgelassen wurde, diese abzuwerten, ohne einen Ausgleich zu schaffen. Dabei hätte es Möglichkeiten gegeben, zu informieren, auch „Crowbuster“ als Tötungsgrund mit einzubeziehen und auf die herausragende Intelligenz und Schutzbedürftigkeit der Tiere hinzuweisen.

Fazit: Spannende Unterhaltung und ein echtes Vergnügen, wenn Benjamin Cars träumerische Metaphern, beinah poetischen Beschreibungen und psychologischen Abgründen sammelt, die auch vor den Ermittlern nicht halt machen. «Krähentage» lässt einen nicht so schnell los. Beste Serienkiller-Unterhaltung.

Veröffentlicht am 23.07.2024

Carla Seidels erster Wendland-Mord

Die Sehenden und die Toten
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»Die Sehenden und die Toten« ist Auftakt der im Wendland angesiedelten Kriminalromanreihe um die Ermittlerin Carla Seidel von der Kripo Lüneburg. Der achtzehnjährige Justus Libermann aus Satemin bei Lüchow ...

»Die Sehenden und die Toten« ist Auftakt der im Wendland angesiedelten Kriminalromanreihe um die Ermittlerin Carla Seidel von der Kripo Lüneburg. Der achtzehnjährige Justus Libermann aus Satemin bei Lüchow wird im August tot auf einer Bank in den Jeetzelauen aufgefunden. In seinen Augen stecken Scherben.
Aus Hamburg weggezogen, leben Carla und ihre siebzehnjährige Tochter Lana in einem Haus in Penkefitz. Doch Carlas gewalttätige Ehe verfolgt sie bis heute. Als Ermittlerin mit Alkoholproblem und Traumata stellt nicht nur die Aufklärung dieses Mordes Carla vor Herausforderungen, sondern auch kaltschnäuzige Vorgesetzte und persönliche Bedrohungen. Lana zeigt Interesse an dem Fall ihrer Mutter und beginnt selbst zu recherchieren. Dabei steckt beiden immer noch die Angst in den Knochen.

Mit diesem Krimi lernt man auch das Wendland und seine Umgebung ein bisschen kennen, während man Carla dabei begleitet, wie sie geradlinig Justus Leben durchleuchtet oder Lana, wie sie der Spur eines Tattoos folgt. Dabei werden auch überraschende Wendungen und Enthüllungen geboten. Die Ermittlungen sind allerdings authentisch und bringen erst im Laufe der Zeit Ermittlungserfolge, die zur Spannung beitragen. Die Charaktere wirken nahbar und besonders Carla geht ihrer Arbeit durchdacht und engagiert nach, sodass man ihrem Erkenntnisfaden gern folgt. Die Traumata haben es allerdings in sich und vermutlich wird es erst in den Fortsetzungen Entwicklungspotenzial geben. Bisher erfüllt Carla die Klischees einer gebeutelten Ermittlerin, die als Mutter von Schuldgefühlen geplagt wird. Ingesamt aber eine unterhaltsame Krimireise in das Wendland und eine Empfehlung wert.

Veröffentlicht am 23.07.2024

Drei Frauen und ihre Geschichten

Unter dem Moor
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Die Ärztin Nina ist völlig ausgebrannt und sucht Erholung im Stettiner Haff, eine Region in Mecklenburg Vorpommern. Doch der Ort ist ganz und gar nicht das, was sie erwartet hat. Der Waldmann jagt ihr ...

Die Ärztin Nina ist völlig ausgebrannt und sucht Erholung im Stettiner Haff, eine Region in Mecklenburg Vorpommern. Doch der Ort ist ganz und gar nicht das, was sie erwartet hat. Der Waldmann jagt ihr Angst ein und sie erkennt, wie viele Geschichten das Moor zu erzählen hat, nachdem ihre Hündin dort Knochen findet. Zwei weitere Handlungsstränge erzählen von der vierzehnjährigen Gine, die 1936 unfreiwillig ein Landjahr im Stettiner Haff verbringen muss und die zwanzigjährige Sigrun, die 1979 mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Region lebt und ihre beste Freundin für ihr unangepasstes Verhalten bewundert. Die Einblicke in diese Zeit sind einnehmend und stets von Ungerechtigkeit und Unterdrückung geprägt, während sich die Frauen nach Selbstbestimmung und Freiheit sehnen. Nina steht dabei für Veränderung und die Hoffnung und Chancen der Zukunft.

Leider verrät der Klappentext mir zu viel und nimmt damit die meiste Spannung raus. Am interessantesten waren für mich die Rückblenden um Gine, dessen Kindheit im Landjahr verloren geht. Ich habe aber auch gern mit Nina und Marco Wölfe beobachtet oder gemeinsam mit Sigrun Rostock in der DDR besucht, während die Zusammenhänge immer klarer werden.

Anders als erwartet, zeigt diese Geschichte, wie wir alle miteinander verbunden sind, und wie geschichtsträchtig manche Orte sind. Der angenehme Schreibstil trägt einen durch die bildhaft geschilderten Szenen. Ingesamt fühlte ich mich gut unterhalten, während mich das Buch nicht losgelassen hat.

Veröffentlicht am 23.07.2024

Feinfühlige Coming-of-Age-Story über den Umgang mit Demenz

Der Bademeister ohne Himmel
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Die zu Beginn des Buches noch fünfzehnjährige Linda nennt zwei Menschen in ihrem Leben, die ihr wichtig sind: ihren besten Freund Kevin und den dementen Nachbarn Hubert. Während Hubert sich nicht mehr ...

Die zu Beginn des Buches noch fünfzehnjährige Linda nennt zwei Menschen in ihrem Leben, die ihr wichtig sind: ihren besten Freund Kevin und den dementen Nachbarn Hubert. Während Hubert sich nicht mehr um das Weltgeschehen sorgt, blickt Kevin pessimistisch in die Zukunft der Menschen. Die polnische Pflegerin von Hubert jedoch, hat großes Gottvertrauen und gehört auch zu den Menschen, die Linda Halt geben.

Der Schreibstil wird von kurzen Sätzen und kurzen Kapitel geprägt. Es ist die einseitige Sicht einer Teenagerin, die viel älter wirkt, als sie ist. Es sind Gedanken über Alltägliches, Zukunftszsenarien und Erinnerungen, die Linda beschäftigen. Dabei hat sie einen ganz eigenen Humor, der sich auch in den vielen Dialogen zeigt.

„Wir gleichzeitig Lebenden sind füreinander von geheimnisvoller Bedeutung.“

Der Umgang mit Demenz ist inspirierend. Linda beweist ein feines Gespür und begegnet Hubert einfühlsam, würdevoll und aufrichtig interessiert. Sie nimmt Anteil, versetzt sich in Hubert hinein und richtet keine Erwartungen an diese Freundschaft, deren Gespräche sie sehr genießt. „An solchen Nachmittagen ergibt nichts, was wir tun, einen Sinn und ehrlich gesagt: Ich mag das. Menschen wollen immer ein Ergebnis sehen. Wir nicht.“

Lindas Entwicklung bildet den Rahmen der Geschichte. Der Lebenswille und der Glaube, es zu schaffen, „taucht auf und unter und weg“, während das Leben passiert. Es ist eine unaufgeregt poetische Geschichte, in der gar nicht so viel passiert und trotzdem liest man sie gern.

Veröffentlicht am 12.07.2024

Die Frage von Nietzsches ewiger Wiederkunft

Death. Life. Repeat.
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«Death. Life. Repeat. Die ewigen Leben der Clara Hart» von Louise Finch erzählt von toxischer Männlichkeit, Gewalt gegen Frauen und dessen Verharmlosung, ungewöhnlich verpackt und aus der Sicht eines Jugendlichen, ...

«Death. Life. Repeat. Die ewigen Leben der Clara Hart» von Louise Finch erzählt von toxischer Männlichkeit, Gewalt gegen Frauen und dessen Verharmlosung, ungewöhnlich verpackt und aus der Sicht eines Jugendlichen, der versucht einer Zeitschleife zu entrinnen und Clara Hart, die auf einer Party stirbt, zu retten.

„Die High School ist ein verrücktes soziales Experiment. Wir versuchen alle, einfach nur durchzukommen.“

Erzählt wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive von James Spencer, der den schicksalshaften Freitag immer und immer wieder erlebt, ohne zu wissen, warum und wie er das ändern kann. Das war das Spannende an dem Buch, weil man die Entwicklung von James mitverfolgen konnte, wie er eine Version nach der anderen hinter sich lässt und versucht, die Erlebnisse zu deuten und den „Schlüssel“ zu finden, um der endlosen Wiederholung zu entkommen.

Der Schreibstil war für mich gewöhnungsbedürftig. Gleichzeitig habe ich diesen aber dadurch auch als sehr passend und glaubwürdig wahrgenommen, ebenso wie die Dialoge zwischen den Jugendlichen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich die Zielgruppe damit identifizieren kann. Eine Triggerwarnung würde ich nicht aussprechen, weil Louise Finch sich, aufgrund der Erzählperspektive, nicht in schmerzlichen Details verliert, denn vieles wird nur angedeutet. Mit dem Ende war ich sehr zufrieden. Für mich fügte sich alles zusammen und ich empfinde die Erzählperspektive als richtigen Gamechancer. Insgesamt ein unterhaltsamer Roman; ein interessantes Gedankenexperiment mit bleibendem Wert und wichtigen Ansätzen. Eignet sich gut als Schullektüre oder für Leserunden, weil der Roman sehr dazu einlädt, darüber zu reden.