Profilbild von easymarkt3

easymarkt3

Lesejury Star
offline

easymarkt3 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit easymarkt3 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.08.2024

Rumänien - nicht nur für politisch Interessierte lesenswert

Vaterländer
0

In drei Teilen geht es um mehr als nur um die rumänisch-ungarische Familiengeschichte dreier Generationen von Vätern. Auch das Alltagsleben in Rumänien während des Ceauceșcu-Regimes mit all ihren Entbehrungen ...

In drei Teilen geht es um mehr als nur um die rumänisch-ungarische Familiengeschichte dreier Generationen von Vätern. Auch das Alltagsleben in Rumänien während des Ceauceșcu-Regimes mit all ihren Entbehrungen wird besonders im zweiten Teil beschrieben, wo der Großvater Horea Sava als junger Mann ab 1949 in die politischen Intrigen dieses gnadenlosen Systems unverschuldet gerät. Die Lebensgeschichte von Sabins Vater Bela Tambrea erfährt mit seiner Entscheidung im Jahre 1985 eine wichtige Wende: Während einer Konzertreise in Frankreich flieht er mit einem Freund nach Deutschland, holt nach zwei Jahren voller Einsamkeit und Entbehrungen im Rahmen der Familienzusammenführung Ehefrau und Kinder nach. Ab vier Jahren bis zu seinem Stimmbruch erzählt der Autor Sabin Tambrea, 1984 in Rumänien geboren, über sein Familienleben in Marl. Sowohl der politische Wandel in Rumänien während dieser Zeit wird detailliert beschrieben, als auch die Sehnsucht nach Freiheit, nach Selbstbestimmung wird herausgestellt. Der Familienzusammenhalt insgesamt über einen langen Zeitraum und über einige Ländergrenzen hinweg ist beeindruckend. Die Schilderung der romantischen Liebesgeschichte von Sabins Eltern bringt positive, menschliche Momente in diese Beschreibung des doch politisch harschen Systems Rumäniens ohne Hoffnung auf Liberalisierung. Die frühe Vergangenheit Rumäniens wird auch angerissen. Das angehängte Familienverzeichnis ist besonders im ersten Teil hilfreich. Mit großer Willensstärke, mit Disziplin und langem Durchhaltevermögen – so werden die Hauptpersonen porträtiert. Der Schreibstil gefällt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.08.2024

Liebe mit einem Verfallsdatum

Wir sehen uns am Meer
0

Die problematische Liebesgeschichte zwischen einer Israelin und einem Palästinenser beginnt 2003 in New York, zwei Jahre nach 9/11. In drei Teilen entsprechend den Jahreszeiten Herbst bis Frühling beschreibt ...

Die problematische Liebesgeschichte zwischen einer Israelin und einem Palästinenser beginnt 2003 in New York, zwei Jahre nach 9/11. In drei Teilen entsprechend den Jahreszeiten Herbst bis Frühling beschreibt die Israelin Liat ihr Leben in N.Y. mit Rückblenden zu ihrer Familie und ihrem bisherigen Leben in Tel Aviv. Ihr Visum läuft zum 20. Mai 2003 aus. Durch Zufall lernt sie den Maler Chimra aus Ramallah, Westjordanien kennen, der seit 1999 in N.Y. lebt. Die politische Brisanz zwischen diesen beiden Ländern wird mit simplen Methapern mit Symbolgehalt angerissen.
Im zweiten Teil zur sehr kalten, anhaltenden Winterzeit trösten sich beide ineinander geschmiegt und liebessatt gegen Kälte und Einsamkeit, ohne dass Eltern und Freunde im Heimatland in ihre politisch untersagte Beziehung eingeweiht werden. Beide genießen nicht nur Gefühle der Freiheit und Unabhängigkeit weit ab von der reglementierten Heimat, sondern auch z.B. in U-Bahnen unterwegs in N.Y. fehlt besonders Liat der Mut vor Israelis, zu ihrer Beziehung mit ihrem heimlichen, arabischen Geliebten zu stehen. Chilmi und seine Familie werden mit Rückblenden und mittels einer DVD vorgestellt. Sein älterer Bruder Wassim entfacht mit Liat einen politischen Streit um einen zukünftigen binationalen Staat.
Im dritten Teil fliegt Liat zurück nach Tel Aviv nach Ablauf ihres Visums. Auch Chimli kehrt für zwei Monate heim nach Ramallah. Per Telefon halten beide weiterhin Kontakt und richten sich getrennt neu ein. Doch schließlich passiert ein Unglück!
Der Sprachstil gefällt, auch wenn der Satzbau etwas ungewöhnlich ist durch Aneinanderreihung unvollständiger Sätze. Die bildliche Wortwahl und die detaillierte Erzählweise lassen die Atmosphäre an den jeweiligen Standorten lebendig werden. Die politische Brisanz in dieser persönlichen Liebesbeziehung ist klar heraus gearbeitet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.07.2024

Was für eine seltsame Dorfidylle!

Finster
0

Das Cover zeigt einen Fahrrad fahrenden Jungen, der im Mondschein in Richtung Wald fährt. Farblich passt das grelle Gelb auf schwarzer Umgebung ebenso gut zum Buchinhalt wie das Gegenständliche. Die ländliche, ...

Das Cover zeigt einen Fahrrad fahrenden Jungen, der im Mondschein in Richtung Wald fährt. Farblich passt das grelle Gelb auf schwarzer Umgebung ebenso gut zum Buchinhalt wie das Gegenständliche. Die ländliche, langweilige Dorfgemeinde im Odenwald ab 1986 mit ihren sehr seltsamen, älteren Einwohnern wird sehr gut beschrieben. Sowohl die genannten Musiktitel als auch die technischen Geräte im Bereich Fotografie versetzen den Leser passend in diese längst vergangene Zeit. In jeweils kurzen Kapiteln kommt nur Oskar als Ich-Erzähler zu Wort im Gegensatz zu weiteren Charaktere inclusive Hans J. Stahl, Kriminalkommissar a. D. als Ermittler. Mit der Einbeziehung einer örtlichen psychiatrischen Klinik lassen sich neben mysteriösen Geheimnissen der Dorfbewohner auch hier einige ermittlerische Sackgassen einbauen. Die amourösen Bande zwischen Hans J. Stahl und der Wirtin Geli kommen etwas unrealistisch rüber aufgrund des Alters beider Helden. Der ruhige Schreibstil und auch die Wortwahl könnten kreativer gewählt werden, um mehr Spannung zu erzeugen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.07.2024

Eine sehr komplexe Aufklärung vielschichtig verzahnt.

Tode, die wir sterben
0

Der frisch verwitwete Kommissar Jon Nordh und die strafversetzte nordschwedische Polizistin Svea Karhuu ermitteln in einem sehr komplexen Fall. Daneben hadern beide mit ihrer ganz persönlichen, auch emotionalen ...

Der frisch verwitwete Kommissar Jon Nordh und die strafversetzte nordschwedische Polizistin Svea Karhuu ermitteln in einem sehr komplexen Fall. Daneben hadern beide mit ihrer ganz persönlichen, auch emotionalen Befindlichkeit, die ausreichend beschrieben wird. Dabei wird der verschiedene Charakter der beiden Hauptfiguren gut beleuchtet neben ihrer diversen Lebenssituation. Das Lokalkolorit in und um Malmö mit kriminellen Stadtteilen wie z.B. Hermodsdal, mit rivalisierenden Gangs, mit Drogenhandel und ihren gewalttätigen Strukturen stellt die Bühne dar für mehrere Morde und Verhaftungen. Umfassend thematisiert werden Armut, Gettoisierung und zunehmende Gewalt auf den Straßen in Stadtvierteln mit Migrationshintergrund. Daneben finden sich aber auch eingestreute Kapitel in Kursivschrift, die die besondere Freundschaft zwischen Shishi und Taqi beschreiben. Die detailreiche Ermittlungsarbeit ist nachvollziehbar, kommt realistisch rüber. Der Schreibstil könnte jedoch etwas straffer geformt werden, um den Spannungseffekt zu verbessern. Nicht alle Stränge und Fäden sind aufgeklärt. Da hilft vielleicht die Fortsetzung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.07.2024

Unerwartetes Ende ohne eigentliche Aufklärung des Falls Lena Palmer

VIEWS
0

Das Cover zeigt vernebelte, schwache Lichtspielereien auf ansonsten schwarzem Grund – so schwach beleuchtet, wie das viel zu schnelle Ermittlungsende ohne volle Aufklärung im Vermisstenfall Lena Palmer. ...

Das Cover zeigt vernebelte, schwache Lichtspielereien auf ansonsten schwarzem Grund – so schwach beleuchtet, wie das viel zu schnelle Ermittlungsende ohne volle Aufklärung im Vermisstenfall Lena Palmer. Ebenso unklar bleibt, was zum Ende hin mit der BKA-Kommissarin Yasira Saad passiert, schade! Weitere Handlungsstränge wie z.B. um Lenas Freund Justus Schöffler oder die Liste der Erfinder neben Claus Messerschmidt sind nicht abgeschlossen. Erst nach 15 % des Buches, wo es anfangs um die Geschichte und die Räumlichkeiten des Bundeskriminalamtes im Treptower Park geht, erfolgt eine realistische Einführung in den Vermisstenfall. Die Szenerie spielt in Halberstadt, der sechstgrößten Stadt Sachsen-Anhalts. Dass der Rechtsstaat schnell und hart zuschlagen kann und kein Verbrechen ohne Strafe bleibt, scheint bei dem hier auftretenden Phänomen von Deepfakes in Videoqualität in Frage gestellt zu werden. Die Reaktionsvideos des Aktiven Heimatschutzes und ihres Anführers Bär auf das Vergewaltigungsvideo von Lena entfesseln ein glaubhaftes Szenarium mit Demonstrationen, Handgranate etc.. Die Gefahren für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, für unsere Demokratie sind erkannt und regen stark zum Nachdenken an. Wer möchte sich schon von künstlicher Intelligenz (mit anthropomorphem User-Interface eines auf Text-, Sprach- und Bilderkennung sowie Text-, Sprach- und Bildgenerierung spezialisierten neuronalen Netzwerks) in einem kompromittierenden Video auf wechselnden Internetplattformen realitätsnah dargestellt sehen? Woran soll man noch glauben, wenn man seinen eigenen Augen und Ohren nicht mehr trauen kann? Realität ist heute schon, dass solche Videos erstellt und auch im Darknet veröffentlicht werden, die ein Maximum an Aufmerksamkeit generieren, um über viele Views durch vorgeschaltete Werbung Einnahmen zu erzeugen.
Insgesamt ein spannender, gesellschaftskritischer Kriminalfall, nur leider mit offenem Ende.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere