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Veröffentlicht am 18.08.2024

Spannung, die nach Provence und Lavendel riecht

Madame le Commissaire und das geheime Dossier
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Wir sind zurück in Fragolin. Eigentlich ist nicht viel zu tun, bis Maurice Balancourt Isabelle und Apollinaire auf einen besonderen Fall ansetzt. Im Haus eines Staatssekretärs an der Südküste Frankreichs ...

Wir sind zurück in Fragolin. Eigentlich ist nicht viel zu tun, bis Maurice Balancourt Isabelle und Apollinaire auf einen besonderen Fall ansetzt. Im Haus eines Staatssekretärs an der Südküste Frankreichs ist eingebrochen worden, bei ihm wurde neben Schmuck ein brisantes Dossier des Außenministeriums gestohlen.

Eigentlich hätte dieses Dossier das Außenministerium gar nicht verlassen dürfen, es war als Geheimsache eingestuft. Madame le Commissaire ist auf andere Straftaten spezialisiert, hier geht es zunächst nur um Einbruch. Das ändert sich, als nach ersten Ermittlungen der Staatssekretär erschossen in seiner Wohnung aufgefunden wird.

In gewohnt professioneller Weise kommt Isabelle der Lösung näher, wobei man sich auf ihre Intuition wirklich verlassen kann. Allerdings greift sie in letzter Zeit bei brenzligen Situationen lieber auf die Kollegen aus Toulon zurück, Apollinaire ist eher der Garant für das Chaos.

Wie üblich handelt es sich um einen flotten, aber auch regionaltypischen Krimi von Pierre Martin. Das französische Lebensgefühl kommt auf keinen Fall zu kurz und vom Croissant am Morgen bis zum Rosé auf der Dachterrasse am Abend ist wieder alles dabei. Auch Clodine darf nicht fehlen und sie hat sich auch noch nicht geändert, immer noch auf der Suche nach dem Richtigen und dieses Mal kommt sie ihrem Ziel näher.

Apollinaire hat wieder einige Sternstunden, ohne ihn und seine schrulligen Eigenarten würde den Krimis etwas fehlen. Vom Mustang ist Madame le Commissaire mittlerweile auf eine Harley umgestiegen, das beschleunigt die Verfolgungsjagden ungemein.

Privat scheint Isabelle an einem Scheideweg angekommen zu sein, ich hatte aber das Gefühl, dass auf dem nächsten Weingut schon jemand auf sie wartet. Da bin ich dann mal auf den nächsten Krimi gespannt.

Ich entscheide mich für 4,5 von 5 Sternen. So ein bisschen ist bei mir nach 11 Bänden die Luft raus, aber trotzdem kehre ich immer wieder gerne nach Fragolin zurück.

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Veröffentlicht am 13.08.2024

Einer schwimmt immer gegen den Strom

Vorstandssitzung im Paradies
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Der Autor des Buchs ist Arto Paasilinna, ein Finne, der in Finnland einer der populärsten zeitgenössischen Schriftsteller war. Er ist 2018 mit 76 Jahren verstorben. Dieses Buch ist bereits 1974 erschienen, ...

Der Autor des Buchs ist Arto Paasilinna, ein Finne, der in Finnland einer der populärsten zeitgenössischen Schriftsteller war. Er ist 2018 mit 76 Jahren verstorben. Dieses Buch ist bereits 1974 erschienen, es handelt sich hier um eine Neuauflage, wobei das Thema auch nichts an Aktualität verloren hat.

Ein von der UN gechartertes Flugzeug verunglückt über dem Pazifik. Dem Piloten gelingt es, das Flugzeug in einem Korallenriff nicht weit von einer Insel entfernt notzulanden und so überleben die meisten Passagiere. Hierbei handelt es sich um finnische Waldarbeiter, schwedische Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen und das britische Personal des Fliegers sowie einen finnischen Journalisten. Aus seiner Sicht ist das Buch geschrieben. Leider bleibt er namenlos, selbst, als er nach der Notlandung einer der Krankenschwestern das Leben rettet, stellt er sich nicht vor.

Es ist großartig, was die knapp 50 Personen starke Truppe aus dem Wenigen machen kann, das sie noch aus dem Flieger retten können. Zunächst überlegt man sich, wie man die Lunchpakete aus dem Flieger retten kann und baut sich aus selbst gefällten Bäumen Ruder, um das Rettungsboot navigieren zu können. Später lebt man dann von dem, was die Insel zu bieten hat. Selbst Verhütungsspiralen eignen sich vorzüglich als Angelhaken und so bleibt der Tisch reich gedeckt. Toll ist auch der Rettungsplan, der endlich die Außenwelt auf die Gestrandeten aufmerksam machen soll. Er nimmt zwar viel Zeit in Anspruch, aber die meisten arbeiten begeistert mit, weil er ihnen Hoffnung auf ein Ende ihres Robinson Crusoe-Daseins macht.

Aber es gibt auch andere Stimmen. Auf ihrer einsamen Insel gibt es keinen Konsumzwang, alle Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Ganz ohne Strafen und Repressionen geht es zwar nicht immer, aber die meisten empfinden das Leben als paradiesisch.

Ein tieferer Sinn der Handlung ist, dass die Inselbewohner in friedlichem Sozialismus miteinander leben. Es entsteht der Kontrast zwischen der zivilisierten Welt, die voll von Kriegen und Leid ist, und dem idyllischen Inselleben, bei dem alle gleich sind und man keine Verpflichtungen hat. Und trotzdem: auch auf unserer idyllischen Insel gibt es Menschen, die aktiv sind und solche, die es auch den ganzen Tag in der Hängematte aushalten können.
Und es gibt wie überall Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen. Neid und Eifersucht sind Gefühle, die wir nicht immer unterdrücken können.

Wir beobachten unsere Gruppe ein knappes Jahr, wären sie noch länger zusammengeblieben, wären womöglich auch schon größere Unterschiede zutage getreten. Dem trägt auch bereits das Cover Rechnung, einer schwimmt immer gegen den Strom. Die Idee des Sozialismus ist wunderbar, nur leider entspricht sie nicht dem Wesen des Menschen.

Das Buch ist mit 173 Seiten recht kurz und übersichtlich und liest sich flüssig. Manche Ideen sind skurril und komisch, anderes regt aber durchaus auch zum Nachdenken an.


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Veröffentlicht am 23.07.2024

Sieben Wochen Einsamkeit

Solito
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Javier ist neun Jahre alt und lebt bei seinen Großeltern in El Salvador. Seine Eltern sind schon vor Jahren in die USA geflüchtet, der Vater aus politischen Gründen, die aber nicht näher erläutert werden, ...

Javier ist neun Jahre alt und lebt bei seinen Großeltern in El Salvador. Seine Eltern sind schon vor Jahren in die USA geflüchtet, der Vater aus politischen Gründen, die aber nicht näher erläutert werden, die Mutter, weil sie irgendwann bei ihrem Mann sein wollte. Nun soll auch Javier sich auf die lange Reise machen, das Geld für die Schlepper ist endlich beisammen und der Junge scheint alt genug, den Weg allein anzutreten.

Das Buch ist auch Sicht Javiers geschrieben. Es beginnt mit der Schilderung seines Lebens in Mittelamerika, der Geborgenheit bei den Großeltern und seiner Tante, seiner Erfolge in der Schule, dem Umgang mit seinen Freunden und seinen Tieren. Aber die Sehnsucht nach seinen Eltern wird durch wöchentliche Telefonate wachgehalten, seine Eltern schicken Pakete mit Spielzeug und Javier malt sich das Leben in den USA in den tollsten Farben aus.

Irgendwann ist es soweit. Niemand darf etwas wissen, von seinen Freunden und seinen Lehrern darf er sich nicht verabschieden, das könnte die Ausreise noch gefährden. Sein Großvater begleitet ihn noch bis Guatemala, ab dort reist er allein. Javier schließt sich einer Mutter mit Tochter an und später werden die gefälschten Papiere ihn auch als Sohn dieser Frau ausgeben, insgesamt ist es eine Gruppe von 6 Personen, die die Flucht gemeinsam unternimmt.

Für die Schlepper ist es ein Geschäft, der Mensch ist eine Ware, die auf irgendeine Weise von A nach B transportiert wird. Schon die ersten Pläne platzen und ganz oft muss die Reise umgeplant werden. Irgendwann reißt jeglicher Kontakt zu seiner Familie ab, er darf auch nicht mehr telefonieren. Zusätzlich verdienen auch immer die Grenzbeamten an jedem Ausreisewilligen. Sobald jemand als Flüchtling identifiziert wird, drücken sie nur gegen zusätzliches Geld alle Augen zu.

Das Buch ist sehr eindrücklich geschrieben. Die langen Zeiten des Nichtstuns, des Wartens, das Eingesperrtsein in Wohnungen, die langen Wege im Bus und später zu Fuß - das wird sehr plastisch beschrieben. In der Wüste habe ich mit gedurstet, in der Enge der Zelle mitgelitten und jeden Fehlversuch über die mexikanische Grenze zutiefst bedauert.

Ich habe aber nicht nur Schlechtes auf dieser Reise kennengelernt sondern auch Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit. Pati hat sich wie selbstverständlich des Jungen angenommen, die Nonnen an der Grenze haben den Flüchtlingen eine Unterkunft und Essen geboten und Chino war für mich ein wahrer Held.

Javier Zamora arbeitet mit diesem Buch seine Flucht auf, selbst nach so langer Zeit leidet er noch unter den Erfahrungen und Entbehrungen, die er damals erlebt hat. Ich frage mich, ob die Eltern nicht besser ausführlicher mit ihm darüber geredet hätten. Sie haben es einfach totgeschwiegen, er war endlich angekommen und damit war dieses Kapitel für sie beendet.

Ich wünsche ihm, dass er mit diesem Buch seine Reisegefährten von damals wiederfinden kann, auf jeden Fall ist das Buch eine Hommage an alle, die ihm damals hilfreich zur Seite standen.

Drei Kritikpunkte, die schon mehrfach genannt wurden, schränken den sehr positiven Eindruck zum Buch etwas ein:

eine Karte mit den Fluchtpunkten wäre hilfreich gewesen
die zahlreichen spanischen Ausdrücke und Sätze, die auch noch von Land zu Land unterschiedlich sein können, erschweren den Lesefluss
zusätzliche Information zu den politischen Hintergründen in El Salvador hätte ich mir ebenfalls gewünscht

Trotzdem, das Buch ist eine Bereicherung und wird hoffentlich viele begeisterte Leser finden.

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Veröffentlicht am 26.05.2024

Ein Buch wie ein Puzzle

Der Trommelwächter
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Das Buch ist der dritte Teil einer Serie über mehrere Familien und ihre Geschichte, die Generationen und Kontinente überspannt.

Im ersten Buch „Das Hochzeitszimmer“ begleitet der Leser die Londoner Journalistin ...

Das Buch ist der dritte Teil einer Serie über mehrere Familien und ihre Geschichte, die Generationen und Kontinente überspannt.

Im ersten Buch „Das Hochzeitszimmer“ begleitet der Leser die Londoner Journalistin Sally Wheeler auf der Suche nach den Geheimnissen ihrer Familiengeschichte. Ausgehend vom Ende des 19. Jh. gelangt sie über das damalige Deutsch Südwestafrika an die Wurzeln der deutsch-holländischen Familien von Odenfeldt und van der Meer, die durch eine internationale Hotelkette sowie eine Diamantenmine miteinander verstrickt sind. Sie gelangt aber auch an die Geschichte ihrer Bediensteten, die als rechtlose Arbeiter ausgebeutet wurden.

Das zweite Buch „Die Aisbergh-Akte“ scheint für den Verlauf des dritten Teils der Serie nicht diese Bedeutung zu haben.

Im dritten Teil „Der Trommelwächter“ wird nun die Geschichte zusammengeführt. Zwischen all diesen bereits vorgestellten Personen und Familien gab es Verbindungen.

160 Jahre nachdem Randy Armsteads afrikanische Vorfahren mit dem letzten Sklavenschiff nach Amerika kamen, begibt sich dieser mit Sally Wheeler auf seine familiären Spuren. Und findet heraus, dass eine Djembe-Trommel Schlüssel zur Auflösung seiner Familiengeschichte ist.

Natürlich ist es faszinierend, einer solchen Familiengeschichte zu folgen, bei der sich immer neue Spuren ergeben und sich der Großfamilienkreis immer mehr erweitert.

Die Großfamilie mit all ihren Verzweigungen war in viele politische Entwicklungen der letzten beiden Jahrhunderte involviert oder diese hatten ihre Auswirkungen auf sie. Das Autorenehepaar hat hier gut recherchiert und öffnet uns den Blickwinkel von der Seite derer, die von diesen Entscheidungen direkt betroffen waren, sei es als Nutznießer oder als Leidtragender.

Mir persönlich hat das Buch gut gefallen, auch wenn ich die Vorgängerbände noch nicht kannte. Band 1 habe ich mir mittlerweile bestellt. Es wird doch oft darauf Bezug genommen und hier fehlt mir einiges an Wissen. Danach werde ich auch Band 3 noch einmal lesen und die Geschichte wahrscheinlich erst dann in Gänze verstehen.

Wie so oft bei im Eigenverlag erschienenen Büchern gibt es einiges an Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehlern und gewisse Ungenauigkeiten in den Daten. Nur ein Beispiel: Bei der Nennung der Hauptpersonen auf Seite 5 stirbt Adisa einmal 1931 und wenige Zeilen später 1911. Hier hätte man sich ein weiteres Lektorat gewünscht. Stilistisch tat ich mich mit manchen "Halbsätzen" schwer. Der Handlung an sich tut das aber keinen Abbruch.

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Veröffentlicht am 25.04.2024

Rätselhafter Leichenfund in Corniglia

Azzurro mortale
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Azzurro Mortale ist mein zweiter Krimi von Andrea Bonetto und ich fand es zunächst einmal sehr schön, wieder zurück in Ligurien zu sein, auch wenn einen die vielen Stufen hoch und runter schon beim Lesen ...

Azzurro Mortale ist mein zweiter Krimi von Andrea Bonetto und ich fand es zunächst einmal sehr schön, wieder zurück in Ligurien zu sein, auch wenn einen die vielen Stufen hoch und runter schon beim Lesen ins Schwitzen bringen.

Vito Grassi ist seit einigen Monaten an der ligurischen Küste, wo er das Haus seines verstorbenen Vaters mitsamt einer jungen Frau geerbt hat. Toni hatte damals mit seinem Vater zusammengelebt und pflegt Garten und Olivenhain. Außerdem ist sie eine gute Köchin und war ihm im ersten Band eine Brücke zu seinem Vater, mit dem er zu Lebzeiten wenig Kontakt pflegte.

Gerade sind Vitos Frau und Sohn zu Besuch und die drei erkunden die malerischen Dörfer entlang der Küste. Ein Anruf beendet diesen Anruf abrupt, vor Corniglia wurde eine Leiche im Wasser treibend gefunden.

Chiara weiß zwar von Tonis Existenz, hatte aber keine Ahnung, dass die beiden sich das Haus immer noch teilen. Verschnupft reist sie kurzentschlossen ab, als sie Toni in der Nähe des Fundorts der Leiche kennengelernt hat.

Somit kann Vito sich ganz auf den neuen Fall konzentrieren und der gibt Rätsel auf. Weder die Identität des jungen Mannes, noch die Todesursache lassen sich zunächst einfach bestimmen. Erst eine Einladung zu einem Rechtsanwalt nach Genua bringt erstes Licht in das Dunkel. Und diesem Licht folgen Grassi und seine Kollegin Ricci nun konsequent. Es führt sie zu Drogengeschäften, korrupten Baukonzernen und sogar der Mafia und die Ermittlungen sind alles andere als ungefährlich.

Gut fand ich, dass der Krimi auf realen Begebenheiten aufbaut, im Nachwort gibt der Autor dem Leser noch Informationen zu den zugrundeliegenden tatsächlichen Geschehnissen, die Ermittlungen Grassis und Riccis sind natürlich Fiktion.

Ricci und Grassi sind mittlerweile gut aufeinander eingespielt, beharken sich zwar noch hin und wieder ein wenig, aber das ist eher nett gemeint. Schön ist die Szene mit Anton, dem Drogenhund, hier blitzt der Humor des Autors durch, als Anton auch noch die Drogensorte benennen soll.:)

Typisch italienisch scheint mir die Liebe zu schönen Autos zu sein, nur sollte man sie vielleicht nicht gerade Grassi anvertrauen.

Wie in einem Cozy Crime üblich, spielen familiäre Beziehungen mit in die Handlung hinein. Die Zukunft von Vitos und Chiaras Ehe steht auf dem Spiel, Vito wünscht sich, seine platonische Freundin Toni in seiner Nähe zu haben, aber das muss zwischen ihm und Chiara geklärt werden. Vielleicht im nächsten Fall?!

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