Bücherclub
Der Club der BücherfreundinnenZusammenfassung:
„Menschen brauchen Geschichten, weil sie unser unbewusstes Bedürfnis nach Liebe, Gerechtigkeit, Neuem etc. stillen.“ (S.124)
„Der Club der Bücherfreundinnen“ von Amy Lynn Green ist im ...
Zusammenfassung:
„Menschen brauchen Geschichten, weil sie unser unbewusstes Bedürfnis nach Liebe, Gerechtigkeit, Neuem etc. stillen.“ (S.124)
„Der Club der Bücherfreundinnen“ von Amy Lynn Green ist im Juli 2024 im Francke-Verlag erschienen. Es handelt sich hierbei um ihren ersten ins Deutsche übersetzten Roman.
Die Geschichte spielt während des zweiten Weltkriegs in New England in Amerika. Green hat sich für eine fiktive Kleinstadt an der Ostküste in Maine entschieden und erzählt aus der Sicht verschiedener Protagonisten, die aufgrund ihres Hintergrundes und Charakters niemals zueinandergefunden hätten, wenn es den Buchclub und die gelesenen Bücher nicht gegeben hätte.
Die Bewohner von Derby lieben die Bücherei, was man von ihrer Besitzerin, Louise Cavendish jedoch nicht behaupten kann. Sie möchte diese schließen und zu einem Kindergarten umbauen lassen. Die Leiterin Avis möchte ihren Bruder nicht enttäuschen und setzt alles daran, die Schließung aufzuhalten – weshalb es zu einer Spontangründung eines Buchclubs kommt.
Rezension:
Avis Montgomery ist eine junge Frau, die notgedrungen die Leitung der privaten Bibliothek von ihrem Bruder übernommen hat, nachdem dieser in den Krieg zog. Ihr Bestreben ist es, eine perfekte Ehefrau zu sein, weshalb sie sich ihr ganzes Wissen aus Zeitschriften anliest. Doch die Ehe mit Russel läuft nicht immer glatt, besonders da er mit der Ausmusterung vom Wehrdienst kämpft.
Avis Verhalten war für mich etwas befremdlich, auch wenn ich glaube, dass die Autorin es sehr gut geschafft hat das Bild von einer Frau und der Ansprüche an sie, in den 1940er Jahren, zu zeichnen. Dass Russel, ihr Ehemann oftmals so egoistisch und sich im Selbstmitleid suhlend beschrieben wurde, ließ mich mehrmals ärgerlich den Kopf schütteln. Ich mochte ihn lange nicht. Konnte ihn nicht verstehen und andererseits doch. Denn die Kriegspropaganda lief und wer nicht seinen Teil zum Gewinn beitrug, empfand das Gefühl von Versagen. Ein Mann, der nur nach seinen eigenen Wünschen ging, um sich selbst zu verwirklichen. Eine Ehefrau, die ihren Lebensinhalt nur in dem sah, dass sie ihren Ehemann glücklich macht. Das führte zu Fehlkommunikation und viel Streit und Schmerz. Umso mehr habe ich mich dann am Ende gefreut, dass es bei den beiden eine positive Wende gab.
Martina Bianchini, eine Italienerin, ist mit ihren zwei Kindern seit kurzem in der Stadt und versteckt sich vor ihrem irischen Ehemann. Die Arbeit in der Gießerei, die Anfeindungen aus der Bevölkerung und die Kinder bringen sie ans Ende ihrer Kräfte. Das Lesen von Büchern ist ihre Flucht aus der Realität und im Buchclub lernt sie ihren Mund zu öffnen, ihre Meinung kundzutun und mehr und mehr Selbstvertrauen zu entwickeln, sodass sie in der entscheidenden Situation für den Kampf bereit ist.
Ginny Atkins ist noch sehr jung. Nachdem ihre Familie enteignet wurde, ist sie nicht mit ihnen gezogen, sondern hat sich in Derby Arbeit in der Gießerei gesucht. Sie spart jeden Cent, um sich eines Tages ihr Land zurückkaufen und zur Hummerfischerei zurückkehren zu können. Lesen ist nicht ihr Hobby, doch um Avis bei der Rettung der Bibliothek zu helfen, ist sie bereit ihren Beitrag zu leisten. Ginny hat einen Freund in der Armee, doch ist sie sich nicht sicher, warum Freddy bei ihr Gefühle weckt, die sie bisher nicht kennt. Geheimnisse kann Ginny riechen und Freddy hat definitiv eines - weshalb sie es sich zum Ziel gesetzt hat, dahinterzukommen. Um Geld zu sparen, futtert sich Ginny durch alle Gemeindeessen. Mit viel Humor begleitet man sie bei diesen Unternehmungen und erfährt so nebenbei auch mehr über den Glauben der einzelnen Personen.
Frederick Keats ist als Pilot im Krieg gewesen und verwundet worden. Nun arbeitet er als Gärtner für die Wohlhabende Louise Cavendish. Doch irgendwas stimmt mit ihm nicht. Er scheint mehr zu verstecken als bloß seine Verwundung. Im Buchclub erweist er sich als wahrer Kenner der Literatur und wortgewandter Schauspieler.
Louise Cavendish ist eine Frau in ihren 50ern und hat eine Bücherei von ihrem Vater geerbt. Durch verschiedene Lebensumstände ist sie eine verschlossene und verbitterte alleinstehende Frau geworden, die mit allen Mitteln versucht ihr Erbe loszuwerden. Denn ihr Vater hat die Figuren aus seinen geliebten Büchern den realen Personen in seinem Leben vorgezogen und damit großen Schaden angerichtet. Unter dem Deckmantel der christlichen Nächstenliebe, versucht Louise ihre Entscheidungen für die Bevölkerung und sich selbst schön zu reden. Doch wie ihre Köchin ihr immer wieder vermittelt: „Die Vergangenheit bleibt nicht begraben. Das ist die schlichte, schmerzhafte Wahrheit, Louise. Die frage ist nur, wer sie wieder ausgräbt.“ (S.302)
Die Geschichte startet direkt und ich habe am Anfang ein paar Mal zurückblättern müssen, um mit den verschiedenen Personen klarzukommen. Denn es wird aus der Perspektive der vier Frauen geschrieben.
Sie erleben teilweise dieselben Situationen und der Blick aus den unterschiedlichen Augen darauf, hat mir gefallen. Auch gibt es Rückblicke in die Vergangenheit. Besonders interessant fand ich Louises Geschichte, da von Anfang an klar war, dass etwas Gravierendes der Auslöser für ihr jetziges Verhalten sein musste.
Der Meinungsaustausch im Buchclub ist erhellend, humorvoll, nachdenklich. Die Protagonisten sind greifbar. Ich kann sie sehen, wie sie auf ihren Stühlen sitzen und mehr oder weniger lautstark ihre Meinung herausposaunen und verteidigen. Es gibt auch immer wieder humorvolle Szenen oder interessante Diskussionen. Die verschiedenen Meinungen zu derselben Geschichte zu lesen, hat die Sichtweite der Protagonisten erweitert – und auch meine.
Die Geschichte zeigt schön den Zusammenhalt und die Freundschaft auf, die sich innerhalb der Gruppe entwickeln. Denn Bücher haben die Macht Menschen aus allen Hintergründen miteinander zu verbinden.
Die Entwicklung der vier Frauen war sehr gut herausgearbeitet. Die Wahrheit, die man oftmals nicht sehen oder hören will, wird klar und doch liebevoll immer und immer wieder gesprochen, bis sie durchbricht und Veränderung bewirkt. Auch wenn ich den Glauben eher als subtil eingebaut empfand, mochte ich es sehr zu lesen, wie die einzelnen Personen diesen lebten oder wieder neu entdeckten. Martina ist Katholikin, Louise und Freddy findet man bei den Methodisten und Ginny kommt von einer Insel, auf der es nur eine Kirche gab, und die hatte kein „Etikett“, sodass sie nicht weiß, was sie denn ist. Gerade dieses fehlende Etikett ist für mich sehr groß geworden, denn der Glaube hängt nicht von der Zugehörigkeit zu einer ganz bestimmten Kirche ab.
Der Schreibstil ist sanft und leise. Und trotzdem empfand ich es nicht als langweilig, sondern konnte eine durchgängige Spannung fühlen. Weshalb sich dieses Buch mit der Zeit immer mehr in mein Herz schlich und meine Leseliste um einige Bücher länger gemacht hat. Gut ist daher die Leseliste des Buchclubs, die sich am Ende der Geschichte findet.
Fazit:
Der Club der Bücherfreundinnen ist ein Roman, der sich mit den Herausforderungen der amerikanischen Küstenbewohner während des zweiten Weltkriegs beschäftigt. Die Hauptpersonen lernen sich kennen – tiefer und ehrlicher als sie anfangs gedachten hätten, dass es jemals möglich wäre, und entwickeln eine tiefe Freundschaft, die sich in den schwierigen Situationen erst zur Gänze bewährt. Stürme und Kämpfe kommen in jedem Leben vor und „so wie Ginny es sah, konnte man entweder zulassen, dass der Sturm einen gegen die Felsen schleuderte, oder man entschied sich dazu, auf den Wellen zu reiten.“ (S.277)
Die Protagonisten auf ihren Wellenritten zu begleiten war mir eine Freude und ich möchte dieses Buch jedem empfehlen, der historisch gerne zur Zeit des Zweiten Weltkriegs unterwegs ist und mal den Blick auf die andere Seite des großen Teichs wagen möchte.