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Veröffentlicht am 28.08.2024

Wenn der Staat zum Monster wird

Das Lied des Propheten
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Eilish Stack, Mikrobiologin und vierfache Mutter, ist verzweifelt: Ihr Mann Larry, ein ranghoher Lehrergewerkschafter, ist im Umfeld einer Demonstration verhaftet worden und seither verschwunden. Sie muss ...

Eilish Stack, Mikrobiologin und vierfache Mutter, ist verzweifelt: Ihr Mann Larry, ein ranghoher Lehrergewerkschafter, ist im Umfeld einer Demonstration verhaftet worden und seither verschwunden. Sie muss sich nun alleine um ihre Kinder Mark, Molly, Bailey und Ben kümmern - und um ihren dementen Vater Simon. Derweil wird das autoritäre, nationalistische Regime in Irland immer radikaler und tyrannischer, was Eilish den Alltag zusätzlich erschwert…

„Das Lied des Propheten“ ist ein Roman von Paul Lynch. Er wurde mit dem Booker Prize 2023 ausgezeichnet.

Der Roman umfasst neun Kapitel. Erzählt wird im Präsens in chronologischer Reihenfolge aus der Perspektive von Eilish. Die Handlung ereignet sich über einen Zeitraum von etlichen Monaten.

Vor allem seine poetische Sprache macht den Roman ungewöhnlich und besonders. Neologismen und Metaphern schaffen viel Atmosphäre und einen unverwechselbaren Stil, der sich nur schwer ins Deutsche übertragen lässt. Angesichts dieser großen Herausforderung ist die Arbeit von Übersetzer Eike Schönfeld dennoch an den meisten Stellen gelungen.

Die Geschichte bleibt sehr nahe bei Protagonistin Eilish, deren Gedanken und Gefühlswelt zwar einerseits deutlich wird, deren langes Zaudern für mich andererseits aber nur schwer zu ertragen war. Ihr teils etwas widersprüchliches, teils inkonsequentes und wenig heldenhaftes Verhalten wirkt auf mich dennoch zutiefst menschlich und realistisch. Auch die übrigen Figuren erscheinen lebensnah.

Inhaltlich beleuchtet der Roman, wie eine autoritäre und faschistische Regierung mehr und mehr Freiheiten und Rechte einschränkt, wie sie manipuliert, lügt und kontrolliert, wie die Unterdrückung immer engere Kreise zieht und zunehmend Leib und Leben der Menschen bedroht. Die Geschichte fasst die Methoden solcher Regime zusammen, verdichtet deren Vorgehensweise auf eine kurze Zeitspanne und zeigt die äußersten Konsequenzen auf. Damit rüttelt die Lektüre auf und bietet reichlich Stoff zum Nachdenken.

Auf den rund 300 Seiten ist die Geschichte spannend und beklemmend zugleich. Sie schont die Leserschaft nicht und hält mehrere Grausamkeiten bereit. Dem Sog der Story konnte ich mich nicht entziehen.

Der deutsche Titel ist nahe am englischsprachigen Original („Prophet Song“). Das künstlerisch anmutende Cover, das ebenfalls übertragen wurde, passt nach meiner Ansicht ebenfalls hervorragend.

Mein Fazit:
Sowohl in sprachlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht ist „Das Lied des Propheten“ eine Lektüre, die einiges abverlangt und nicht leicht verdaulich ist. Mit seinem preisgekrönten und empfehlenswerten Roman hat mich Paul Lynch dennoch überzeugt.

Veröffentlicht am 29.07.2024

Der allerletzte Roman

Die Hochstapler
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Dora Frenhofer (73), eine Autorin mit niederländischen Wurzeln, ist lebensmüde. Ihre fortschreitende Vergesslichkeit bereitet ihr Sorge. Auf ihren Abgang bereitet sie schon vor. Doch einen allerletzten ...

Dora Frenhofer (73), eine Autorin mit niederländischen Wurzeln, ist lebensmüde. Ihre fortschreitende Vergesslichkeit bereitet ihr Sorge. Auf ihren Abgang bereitet sie schon vor. Doch einen allerletzten Roman möchte die zuletzt erfolglose und alleinstehende Schriftstellerin noch vor ihrem Tod schreiben…

„Die Hochstapler“ ist ein Episodenroman von Tom Rachman.

Die Struktur des Romans ist gut überschaubar, jedoch geschickt komponiert. Erzählt wird im Präsens aus wechselnden Perspektiven: zweimal aus der Sicht der Autorin, nämlich zu Beginn und am Schluss, sowie jeweils aus der von sieben weiteren Figuren. Zwischen den neun Kapiteln sind Tagebucheinträge eingefügt. Die Handlung spielt an unterschiedlichen Orten auf der Welt und in verschiedenen Jahren.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman ebenfalls überzeugt. Rachman gelingt es, unterschiedliche Erzählstimmen zu schaffen und dabei jedes Mal seine schriftstellerische Kunstfertigkeit und sprachliche Raffinesse zu beweisen.

Die Figuren sind allesamt originell, interessant, lebensnah und mit psychologischer Tiefe ausgestaltet. Neben der Protagonistin Dora sind die übrigen Hauptcharaktere mehrere Personen, denen die Autorin begegnet ist oder die mit ihr in Beziehung stehen: beispielsweise ihr verschollener Bruder Theo und ihre Tochter Beck. Mit Vergnügen habe ich die Verbindungen untereinander entdeckt.

Auf inhaltlicher Ebene geht es vor allem um das Schreiben und die Arbeit von Autoren. Wie entsteht aus Fakten Fiktion? Wie wird erzählt? Wie funktioniert der Literaturbetrieb? Welche Aufgaben haben Schriftsteller außer dem Schreiben an sich? Wie ticken solche Menschen? Mit teils zynischem, teils humorvollen Blick werden die Branche und ihre Vertreter beleuchtet. Auf vielseitige Weise illustriert die Geschichte das literarische Schaffen. Dabei wird klar: Sie alle sind Schwindler, Betrüger oder Wahrheitsverdreher, sowohl in ihrer Selbstdarstellung als auch in ihren Werken. Dieses Hauptthema greift das auffällige Cover auf. Auch aktuelle Themen und Aspekte wie die Pandemie und Diversität greift der Roman auf.

Auf den rund 400 Seiten sind die einzelnen Episoden sehr abwechslungsreich und unterhaltsam. Sie wühlen auf und schockieren, sie berühren emotional, sie überraschen, sie machen nachdenklich und geben ungewöhnliche Einblicke. Kurzum: Sie bieten all das, was gute Literatur leisten kann.

Nur ein kleines Manko weist die deutsche Ausgabe für mich auf: Die zu wörtliche Übersetzung des Originaltitels („The imposters“) ist nach meiner Ansicht nicht ganz glücklich, da es falsche Assoziationen weckt.

Mein Fazit:
Mit seinem neuen, raffinierten Roman hat Tom Rachman wieder einmal meine hohen Erwartungen erfüllt. „Die Hochstapler“ gehört nicht nur zu meinen Lieblingsromanen des aktuellen Lesejahrs, sondern auch darüber hinaus. Unbedingt lesenswert!

Veröffentlicht am 26.07.2024

Wo Leidenschaft aufhört und Gewalt anfängt

Die schönste Version
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Zuerst war mit Yannick Brenner alles wie Himbeerbrause. Nun sitzt Jella Nowak bei der Polizei, um eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt aufnehmen zu lassen. Und sie muss sich fragen: Wie konnte es so weit ...

Zuerst war mit Yannick Brenner alles wie Himbeerbrause. Nun sitzt Jella Nowak bei der Polizei, um eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt aufnehmen zu lassen. Und sie muss sich fragen: Wie konnte es so weit kommen, dass ihr Freund seine Hände um ihren Hals gelegt und sie gewürgt hat?

„Die schönste Version“ ist der Debütroman von Ruth-Maria Thomas.

Der Roman besteht aus 13 kurzen Kapiteln, die jeweils mehrere Abschnitte umfassen. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Jella, chronologisch, aber mit diversen Rückblicken.

Vor allem in sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman beeindruckt: Starke Bilder, viel Atmosphäre und kurze, aber eindringliche Sätze kennzeichnen den Text. Stilistisch präsentiert sich der Roman zudem wandlungsfähig - dank eingefügter Chats, Zitate usw.

Jella und Yannick, die beiden Hauptfiguren, werden mit psychologischer Tiefe dargestellt. Besonders die Gedanken und Gefühle der Protagonistin werden deutlich. Das Verhalten erscheint schlüssig und lebensnah.

Häusliche und sexualisierte Gewalt in Beziehungen, sowohl in verbaler als auch in körperlicher Form, stehen auf inhaltlicher Ebene im Vordergrund. Ein wichtiges Thema, das leider noch zu wenig Aufmerksamkeit erfährt. Darüber hinaus geht es um Liebe, Freundschaft und Weiteres, das ich nicht vorwegnehmen möchte.

Auf den rund 270 Seiten hat mich die Geschichte immer wieder berührt, zum Teil auch schockiert. Die Handlung ist kurzweilig und durchweg plausibel.

Cover und Titel machen neugierig und passen durchaus, obgleich der Kontrast der zarten Farben und positiven Worte zum teils heftigen Inhalt zunächst verwundert.

Mein Fazit:
Mit „Die schönste Version“ legt Ruth-Maria Thomas ein sprachlich wie inhaltlich überzeugendes Debüt im Bereich Roman hin. Eine empfehlenswerte Lektüre, die bewegt und nachdenklich macht.

Veröffentlicht am 01.07.2024

Von einem Piraten und einer Imkerin

In den Farben des Dunkels
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Es ist Hochsommer in der kleinen Stadt Monta Clare (Missouri) in den Vereinigten Staaten, als der 13-jährige Teenager Joseph Macauley, genannt Patch, entführt wird. Seine beste Freundin Saint Brown will ...

Es ist Hochsommer in der kleinen Stadt Monta Clare (Missouri) in den Vereinigten Staaten, als der 13-jährige Teenager Joseph Macauley, genannt Patch, entführt wird. Seine beste Freundin Saint Brown will ihn unbedingt finden und setzt dafür ihre ganze Kraft ein. Endlich wird Patch befreit. Doch ihm geht Grace nicht aus dem Kopf, das Mädchen, das mit ihm in dem stockdunkeln Raum war. Wer ist sie? Und wie ist es ihr ergangen?

„In den Farben des Dunkels“ ist ein Spannungsroman von Chris Whitaker.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 261 kurzen Kapiteln, die sich auf zehn Teile erstrecken. Erzählt wird aus wechselnder Perspektive, aus der Sicht von Saint und Patch. Die Handlung umfasst mehrere Jahrzehnte, beginnend in den 1970er-Jahren, und endet 2001.

Die Sprache des Romans ist ungekünstelt und wenig raffiniert, aber atmosphärisch und eindringlich. Der Schreibstil ist geprägt von vielen Dialogen.

Patch und Saint sind die Hauptfiguren der Geschichte. Ihr Innenleben und ihre persönliche Entwicklung werden sehr gut deutlich. Sie werden mit psychologischer Tiefe dargestellt.

Auf inhaltlicher Ebene geht es um mehrere Themen: Freundschaft und Liebe, aber auch Verbrechen, Traumata und Gewalt, um nur die wichtigsten zu nennen. Auch gesellschaftskritische Aspekte tauchen auf. Dadurch wird weit mehr als nur ein Kriminalfall geschildert.

Trotz der fast 600 Seiten bleibt die Handlung erhalten. Es gibt dank mehrerer Wendungen kaum Längen.

Das Cover ist wenig aussagekräftig, aber durchaus ansprechend. Der deutsche Titel ist erfreulicherweise nahe am englischsprachigen Original („All the Colours of the Dark“).

Mein Fazit:
Auch mit „In den Farben des Dunkels“ hat mich Chris Whitaker überzeugt. Sein Mix aus Krimi, Liebesgeschichte und Entwicklungsroman ist in mehrfacher Hinsicht gelungen und definitiv lesenswert.

Veröffentlicht am 14.05.2024

Mit Sami und Carlotta ins Getümmel

tiptoi® Mein Wimmelbuch
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Im Bahnhof herrscht viel Betrieb. Auch im Wald, im Schwimmbad und im Park ist einiges los. Sami und Carlotta stürzen sich ins Getümmel und erkunden die Stadt…

„Mein Wimmelbuch“ ist ein Bilderbuch für ...

Im Bahnhof herrscht viel Betrieb. Auch im Wald, im Schwimmbad und im Park ist einiges los. Sami und Carlotta stürzen sich ins Getümmel und erkunden die Stadt…

„Mein Wimmelbuch“ ist ein Bilderbuch für Kinder ab drei Jahren und Teil der Tiptoi-Reihe.

Meine Meinung:
Das interaktive Bilderbuch besteht aus sieben Doppelseiten. Auf jeder ist ein großes Wimmelbild zu sehen. Die Illustrationen von Stéffie Becker sind mit Liebe zum Detail erstellt und wirken sowohl zeitgemäß als auch ansprechend. Es gibt sehr viel zu betrachten. Wiederkehrende visuelle Elemente wie ein kleiner Bagger und ein Dino verleihen den Zeichnungen einen besonderen Charme.

Die kurzen Texte von Anja Kiel mit ihrem alltagstauglichen Vokabular sind leicht verständlich und damit passend für die Altersgruppe. Auch die Audioelemente sind in sprachlicher Hinsicht gelungen.

Thematisch bildet das Buch verschiedene Lebenswelten ab: in der Innenstadt, im Kindergarten, im Wald, im Schwimmbad, im Park, auf dem Bahnhof und auf dem Stadtfest. Dadurch sollte jedes Kind für sich interessante Dinge entdecken können. Diversität wird erfreulicherweise berücksichtigt. Zudem verzichtet das Buch auf veraltete Klischees und Rollenbilder.

Die interaktiven Elemente haben mich auch bei diesem Tiptoi-Buch überzeugt. Auf jeder Seite wird ein Suchspiel angeboten, um unter anderem Farben und Zahlen zu üben und die Konzentration zu schulen. Darüber hinaus sind mehrere Lieder integriert, manche versteckt und andere offen. Abgespielt werden zudem verschiedene Geräusche wie Tierstimmen, Fahrzeuglärm, Gesprächsausschnitte und vieles mehr. Diese Vielfalt sorgt für einen langen Wimmelspaß.

Das Cover gefällt mir ebenfalls gut. Die Pappseiten sind nicht so dick wie andere Bände der Reihe, dennoch aber einigermaßen stabil.

Mein Fazit:
„Mein Wimmelbuch“ ist eine sinnvolle und interessante Ergänzung des Tiptoi-Sortiments. Ein interaktives Bilderbuch, mit dem Kinder unterhalten werden und etwas lernen können. Ich kann es wärmstens empfehlen.