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Veröffentlicht am 04.11.2017

Sommerlicher leichter Roman, der mich mit Chaos, Humor, Liebe und Rezepten wunderbar unterhalten hat!

Frühlingsglück und Mandelküsse
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Charlie lebt mit zwei Frauen in einer WG in Wien, ihr Lebensmittelpunkt ist ihre Backstube im Hotel. Dort zaubert sie unverdrossen und mit viel Liebe beim Zubereiten Apfelstrudel, Linzer Torten, Bisquitrollen ...

Charlie lebt mit zwei Frauen in einer WG in Wien, ihr Lebensmittelpunkt ist ihre Backstube im Hotel. Dort zaubert sie unverdrossen und mit viel Liebe beim Zubereiten Apfelstrudel, Linzer Torten, Bisquitrollen und ihre berühmten Mandelküsse. Ihr Freund Eddie kommt aus einer vornehmen Familie, dort ist Charlie nicht die erste Wahl und das wird ihr deutlich gezeigt. Eigentlich ist ihr Kollege Alex ihr Seelenverwandter, er ist ihr Stütze im Job und tröstet sie bei Kummer.
Mit ihrem neuen Chef Daniel gerät Charlie gleich am ersten Tag aneinander und von da an versucht sie ihm aus dem Weg zu gehen. Was natürlich erst recht nicht klappt und es kommt zu vielen amüsant-chaotischen Begegnungen, die mich als Leser wunderbar unterhalten haben.

Dieses Debüt ist total gelungen, der Roman hat mich angenehm überrascht und ich habe ihn richtig genossen. Er ist locker und lebensnah geschrieben, hatte eine Handlung, die zwar etwas vorhersehbar war, aber die Charaktere und Vorfälle haben so richtig Spaß gemacht und ich habe den Roman kaum weglegen können.

Als Leser taucht man ein in die Wiener Patisserie und Caféwelt, erliegt dem flotten Schreibstil und humorvollen Erlebnissen der Protagonistin Charlie und erlebt eine rundum kurzweilige Lesezeit.

Die beigefügten Rezepte sind aus der österreichischen Backstube und enthalten häufig Nüsse oder Mandeln. Allergiker sollten hier mit den Nussspezialitäten aufpassen.

Diese frühlingshafte Wohlfühl-Geschichte kommt mit allerlei Kalorienbomben in Form von Kuchen, Torten und Petit Fours daher und sie sorgt für eine stimmungsvolle Unterhaltung mit Wiener Flair. Dieses Debüt sollte man sich näher ansehen!

Veröffentlicht am 04.11.2017

Was macht ein Okapi im Westerwald?

Was man von hier aus sehen kann
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"Dass mein Großvater gestorben war, hatte ich mir selbst erschlossen, keiner hatte das ausdrücklich gesagt. Selma hatte behauptet, er sei im Krieg gefallen, was in meinen Ohren hieß, dass er gestolpert ...

"Dass mein Großvater gestorben war, hatte ich mir selbst erschlossen, keiner hatte das ausdrücklich gesagt. Selma hatte behauptet, er sei im Krieg gefallen, was in meinen Ohren hieß, dass er gestolpert war, und mein Vater hatte gesagt, er sei im Krieg geblieben, was in meinen Ohren hieß, dass der Krieg etwas war, in dem man sich irgendwann im Leben länger aufgehalten hatte." Zitat Seite 72

Etwas abstrus und philosophisch kommt der Roman am Anfang daher, aber dann kommt Bewegung in die Geschichte und man versteht die Zusammenhänge und die Menschen besser. Außergewöhnlich ist der spezielle Erzählstil von Mariana Leky, der durch seine Lebensbetrachtung interessant wirkt, mal humorvoll, mal schwermütig, so wie das Leben selbst.

Die Geschichte erscheint zuerst etwas ungewöhnlich, wenn man sich ihr allerdings widmet, lernt man viele wunderbare Figuren kennen und erfährt viel über die Liebe, das Leben und das Sterben.

Man sieht die Welt aus Kindersicht der kleinen Luise, die als Protagonistin in einem kleinen Dorf im Westerwald bei ihrer Großmutter aufwächst. Ihre Eltern haben sich getrennt und sind beide weggezogen. Luise erlebt mit den Nachbarjungen Martin eine wunderbare Kindheit, bis ein Unglück passiert. Die Geschichte spielt bis zu Luises Erwachsenenalter, dabei ist die Entwicklung ihres Charakters glaubhaft und sehr schön nachzuvollziehen.

Dieser Roman zeigt das unglaubliche Sprachvermögen der Autorin. Sie spielt mit der Sprache, zeichnet Bilder mit einfachen Worten, die man so nie zuvor gelesen hat. Dadurch erschafft sie Beschreibungen, die nicht immer direkt greifbar sind, sie schafft eine symbolische Bedeutung und dieser Stil zieht sich durch das ganze Buch.

"Es geht im Leben darum, eine Intimität mit der Welt herzustellen." Seite 237
Solche Sätze lassen mich nachdenklich zurück.

Auch wenn dieser Roman nicht immer deutlich wird, sich etwas in Andeutungen und Wortspielereien verliert, so bringt die besondere Sprache eine unnachahmliche Stimmung in die Geschichte, der man gebannt folgt.

Es ist eine Geschichte, in der die Liebe eine große Rolle spielt. Es beginnt mit der Liebe der Enkelin Luise zu ihrer Großmutter Selma. Dann gibt es die unausgesprochene Liebe zwischen dem Optiker und der Großmutter. Weitere folgen und nicht immer kommen die Liebenden zusammen. Manchmal stehen ihre Lebenswege ihrer Liebe im Weg oder sie suchen nach dem Sinn des Lebens, dabei begegnen sie dem eigentlichen Leben und auch dem Tod.

Mir haben die vielen lebensnahen Passagen in Luises Leben und auch die Reaktion der Dorfbewohner auf Selmas Okapi-Träume sehr gefallen.
Ein Buch mit Gefühlen, die es im wahren Leben auch gibt: Liebe und Freude, Trauer und Leid und eine Prise Humor, die das Leben würzt.

Mariana Leky schafft es, mich in die Welt von Luise zu ziehen und mich mit ihren Lebensweisheiten zu überraschen und nachdenklich zu machen. Ein erstaunliches Buch, das ich ausdrücklich und gern empfehle.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Ein schönes Buch bei dem man in naturheilkundliche Behandlung eintaucht

Der Duft von Honig und Lavendel
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"Für den Verlust einer großen Liebe gibt es kein Heilmittel, Viola! Die Leere, die ein geliebter Mensch hinterläßt, kann nie mehr ausgefüllt werden. Wir können nur versuchen, sie zu überwinden, indem wir ...

"Für den Verlust einer großen Liebe gibt es kein Heilmittel, Viola! Die Leere, die ein geliebter Mensch hinterläßt, kann nie mehr ausgefüllt werden. Wir können nur versuchen, sie zu überwinden, indem wir sie ...zu einem Teil von uns machen." Zitat S. 53


Donatella Rizzati lässt den Leser eintauchen in eine Welt der wohlriechenden Heilkräuter und aromatischen Duftöle. Sie beschreibt in ihrem Roman die naturkundliche Anwendung von Tees und Bachblüten und deren Wirkungsweise und sie schlägt Rezepte vor für die besondere Zubereitung von selbst herzustellenden Cremes, Peelings, Gesichtswasser und Duschöl. Wenn man von Gisèles Kräuterladen liest, meint man den wunderbaren Duft und die besondere Stimmung selbst mitzuerleben.
Man bekommt hier auf unterhaltsame Art Fachwissen für Körper und Seele mitgeteilt und man wird auch in die sonderbare Welt der Iridologie eingeführt, bei der man aufgrund der Iris im Auge des Menschen Krankheiten, Stimmungen und sogar die Probleme der Psyche sehen kann.

Vordergründig geht es um Viola, die sich von Gisèle und ihrer Leidenschaft für die Naturheilkunde wieder anderen Menschen annähert und ihnen helfen möchte. So gelingt es ihr allmählich, die Trauer um ihren verstorbenen Mann mit Tatendrang und einer neuen Lebensaufgabe zu überwinden. Sogar seine Studien der Iridologie führen sie auf neue Wege, so führt sie einen Teil von ihm weiter.

Zu Beginn des Buches brauchte ich ein wenig, mir erschien die Story zunächst etwas schleppend, aber dann zog mich die Story um Violas Leben und ihre persönliche Entwicklung immer mehr in ihren Bann und ich wich ihr nicht von der Seite, sondern begleitete sie auf ihren Ausflügen durch die Straßen von Paris.

Die Charaktere und ihre Sorgen, Probleme und Eigenarten sind vielfältig und werden von der Autorin recht lebendig und realistisch dargestellt. Die unterschiedlichen Lebensgeschichten ergreifen, erfreuen und begeistern, besonders wenn es Viola gelingt, ihnen mit ihrer Heilkunde zu helfen.
Natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte, die zum Flair von Paris als Stadt der Liebe unbedingt dazugehört und Violas Leben schliesslich ordentlich durcheinanderwirbelt.

Donatella Rizzatis schöner Erzählstil besticht durch sehr malerische Beschreibungen von Düften, Stimmungen und Schauplätzen in Paris.
Violas Weg durch die Straßen in Montmartre erweckt die Autorin in malerischen Bildern zum Leben.

Mit den Rezepten zur Herstellung von Creme, Badezusätzen und Gesichtswasser aus natürlichen Zutaten kann man kleine Geschenke selbst herstellen. Die Idee finde ich gelungen, auch wenn mich die kurze Haltbarkeit der Kosmetik eher abschreckt.



Mit Rezepten und Infos über Iridologie überrascht dieser Roman und zeigt zugleich die Geschichte eines Neuanfangs und eine neue Liebe! Ein interessantes und auch kurzweilig zu lesendes Buch!

Veröffentlicht am 04.11.2017

Herrlich klischeefrei dargestelltes Landleben!

Altes Land
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"Das Haus ist meins und doch nicht meins, der nach mir kommt, nennt´s auch noch sein." Zitat Seite 258


Dörte Hansens Buch ist in gewisser Weise ein Heimatroman, sie stellt ein altes Fachwerkhaus im Alten ...

"Das Haus ist meins und doch nicht meins, der nach mir kommt, nennt´s auch noch sein." Zitat Seite 258


Dörte Hansens Buch ist in gewisser Weise ein Heimatroman, sie stellt ein altes Fachwerkhaus im Alten Land in den Mittelpunkt der Geschichte. Das alte Bauernhaus bietet die Möglichkeit, heimisch zu werden, immer wieder kommen hier Flüchtlingsschicksale an. Erst strandet dort nach dem Zweiten Weltkrieg die ostpreußische Adelige Hildegard von Kamcke mit ihrer Tochter Vera, Hildegard zieht wieder weg und später erbt Vera das Haus. Vera bleibt lange eine Fremde, die Alteingesessenen gewöhnen sich nur langsam an Neulinge und sie lässt den einst so schönen Hof verloddern. Erben für die es sich lohnen könnte, sind nicht in Sicht. Doch dann erscheint ihre Nichte Anne, sozusagen ein Großstadtflüchtling aus Hamburg, die genug hat von der abgehobenen gediegenen Lebensart der Großstädter und von ihrem sie betrügenden Mann. Anne ergreift ihre Chance vom Landleben, sie renoviert und packt an, der Hof darf nicht verfallen. Auch ihr Sohn Leon gefällt es hier gut, er ist der Enkel, den Vera nie hatte.


Bei diesem Roman wird der Blick aufs Landleben durch die Generationenkonflikte gelenkt. Es stellt sich mir in erster Linie die Frage nach Heimat und Verbundenheit. Wann schlägt ein Mensch Wurzeln und fühlt sich heimisch? Vera hat damit ihre Probleme und sie braucht Jahrzehnte, um endlich anzukommen und diese Heimat annehmen zu können. Erst die neue Familie gibt ihr Frieden und Ruhe.

Die Autorin nimmt aber auch den gegenwärtigen Hype vom Landleben auf die Schippe. Viele Großstädter ziehen am Wochenende in Scharen aufs Land: Frischluft schnuppern, die Kinder dürfen im Matsch spielen und Bioobst und - Gemüse sind "in", jeder geniesst die Freiheit auf dem Land. Doch nur wenige bleiben und werden hier heimisch. Viele Städter schauen ein wenig mit Verachtung auf die arbeitenden Bauern und wollen alles besser machen. Bio statt konventionelle Landwirtschaft, manche wollen aber auch nur dem Großstadtlärm entfliehen, merken aber dann den Traktorenlärm, der keine Wochentage kennt.

Die Menschen im Alten Land sind Bauern, manche etwas knorrig, alle jedoch arbeitssam und sie kleben an ihrer Scholle. Was im Besitz der Familie ist, muss Besitz bleiben.

Mir hat schon lange kein Buch mehr so gut gefallen wie "Altes Land". Sprachlich ein absolutes Leseerlebnis mit Humor, Ironie und Plattdeutschem Dialekt. Aber trotz der Situationskomik, kommt Dörte Hansen ihren Figuren gefühlsmäßig sehr nahe. Sie erzählt die Geschichte von Flüchtlingen aus Ostpreußen, die sich im Alten Land angesiedelt haben und doch nie heimisch wurden. Es sind Schicksale, die von einer vergessenen Generation erzählt und doch so den Blick auf heutige Flüchtige freimacht. Wer flieht, kann die Vergangenheit nicht aus seinem Kopf verbannen. Schreckliche Bilder verfolgen, Heimatgefühle ebenfalls. So ergeht es auch Vera, die als Kind mit ihrer Mutter aus Ostpreußen auf dem Obstbauernhof bei Ida Eckhoff landete.

Ein wunderbar anrührendes Buch, bei dem beim Lesen bei mir ein Film ablief. Das bewirkt besonders der wunderbare Erzählton mit etwas Humor, aber auch mit Wehmut, dazu die eigenwilligen Figuren, die knorrig, unangepasst handeln und trotz aller Schicksalsschläge nie aufgeben. Mal traurig anrührend, mal ironisch, mal amüsant.


Von mir gibt es eine absolute Empfehlung für dieses Buch, bei dem der Blick auf Generationenkonflikt, Flüchtlingsschicksale und Landleben aus unterschiedlichen Blickwinkeln freigegeben wird.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Intensiv erzählt, gut recherchiert und emotional bewegend

Der Hexenschöffe
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Hinter diesem Roman steckt eine wahre Begebenheit aus der Zeit der Hexenverfolgungen, die Person des Schöffen Hermann Löhers ist real belegt. Hermann Löher verfasste mit 80 Jahren eine Klageschrift mit ...


Hinter diesem Roman steckt eine wahre Begebenheit aus der Zeit der Hexenverfolgungen, die Person des Schöffen Hermann Löhers ist real belegt. Hermann Löher verfasste mit 80 Jahren eine Klageschrift mit dem Titel "Hochnötige untertanige wemütige Klage der frommen Unschültige". Auf diese stützt sich die Autorin in ihrem Buch und macht Löher zum Protagonisten des Hexenschöffen.

Löher selbst glaubt nicht an Hexerei und hält die Beschuldigungen der Betroffenen für Unsinn. Häufig werden als Gründe Missernten, Unwetter und Todesfälle in den Familien als Grund für Hexerei angeführt. Doch Löher kann gegen den Hexenkommissar nicht viel ausrichten, da er und seine Familie sonst selbst in Gefahr geraten und zur Zielscheibe für Verleumndungen werden. Eine tragische Situation für alle Beteiligten.
Die Hexenhäscher versuchen mit den Anklagen, Rache zu nehmen, ihre Macht und ihren Einfluss darzustellen und außerdem bringt die Verurteilung auch finanzielle Vorteile mit sich. Denn Hab und Gut der Verbrannten wird enteignet und so füllt sich mancher Hexenankläger die eigene Tasche mit dem grausam erstrittenen Geld. Besonders bei reichen Kaufleute ergibt sich eine erträgliche Summe.

Löher kann nicht verhindern, dass das erste Opfer, die unbescholtene Frau Marta, als Hexe verurteilt wird. Unter Marter und unsäglichen Schmerzen wird ihr Hexengeständnis erzwungen.
Die peinliche Befragung und Folter wird im Buch näher erklärt, man hat die drastischen Mitteln deutlich vor Augen und ist bestützt über so viel Grausamkeit. Doch damit veranschaulicht die Autorin auch realistisch, zu welch entsetzlichen Foltermethoden damals gegriffen wurde. Mit Aberglauben, Dummheit und auch berechnender Missgunst fielen so viele Menschen der Hexenverfolgung zum Opfer.

Petra Schier kann historische Romane mit viel Intensität und Gefühl schreiben. Intrigen, Liebe, Gier und Rachsucht spielen auch in diesem Roman eine große Rolle. Petra Schier zeichnet ihre Charaktere mit großer Ausdrucksstärke und glaubhafter Darstellung, sodass man als Leser ihnen gut und gespannt folgen mag.

Der Roman rüttelt den Leser auf, aber er unterhält auch mit Einblicken aus dem Leben und Handeln der Familie Löher und deren Freunden und Nachbarn. Es zeigt das Alltagsleben in einer vielköpfigen Familie, man erlebt Liebe oder erzwungene Heirat, viel Klatsch und Tratsch und allerhand Brauchtum. Besonders interessant war für mich die Tradition der Reihjungen mit dem Brauch der Mailehen, auch anderswo Schlutgehen genannt. Hierzu gibt Frau Schier in einem Nachwort umfassend Auskunft.

Ein emotional aufwühlender und kurzweiliger Roman zu den Hexenprozessen in Rheinbach, der sich auf wahre Begebenheiten stützt.