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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.08.2024

Witzig, mit mehr Tiefgang als anfänglich erwartet

Pi mal Daumen
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Long story short: Oscar, 16 Jahre, Graf von Ebersdorff und Moni, 53 Jahre, Großmutter mit mehreren Jobs, lernen sich beim Mathe-Studium kennen. Die Geschichte wird ausschließlich aus Oscars Sichtweise ...

Long story short: Oscar, 16 Jahre, Graf von Ebersdorff und Moni, 53 Jahre, Großmutter mit mehreren Jobs, lernen sich beim Mathe-Studium kennen. Die Geschichte wird ausschließlich aus Oscars Sichtweise erzählt, sodass von Anfang an klar ist, dass Moni für ihn hier völlig fehl am Platze ist. Aus der anfänglichen Skepsis entwickelt sich dann allerdings schnell eine Freundschaft.

Es gibt sicherlich viele Ebenen, auf denen man die Charakterentwicklung Oscars beurteilen kann. Ich habe mal wieder die feministische Brille auf und damit sieht man vor allem eines: Dass Oscar als 16-jähriger upper class Angehöriger, das Gedankengut und Machtstreben der weißen Männer und patriarchale Strukturen im 21. Jahrhundert (und leider wahrscheinlich darüber hinaus) aufrecht hält. Er kommt gar nicht auf den Gedanken, dass Moni ein Mathematik-Studium wuppen kann, nur weil sie drei Enkel, drei Jobs, eine Püppi und einen Pit hat. Dass sie ihn, Oscar, defacto locker in die Tasche stecken kann. Während Oscar nun innerhalb der Geschichte eine soziale Entwicklung durchläuft, bleibt diese Frage bis zuletzt bestehen: Werden privilegierte Männer jemals einsehen, dass Frauen ihnen in jeder Hinsicht gleichrangig sind?

Ich glaube ich muss nach diesem Plädoyer gar nicht extra erwähnen, dass Moni hingegen mein Herz von Anfang an erobert hat. Ihr musst du nicht erklären wie das Leben funktioniert (okay, vielleicht wie man die Mensa-Karte auflädt) und trotz ihres wahnsinnig anstrengenden Lebens hat sie gute Laune, ein offenes Ohr und ein Händchen fürs Zwischenmenschliche.

Der Schluss kam mir persönlich etwas zu plötzlich und lässt einige Fragen offen. Ich hätte mir hier eine stärkere Positionierung Oscars gewünscht, die seine Entwicklung abgeschlossen hätte. So bliebt wieder einmal die große Frage wo wir Frauen zur heutigen Zeit in den MINT Bereichen (naja, eigentlich auch nicht nur da) stehen. Das Buch schafft es aber mit Witz und Leichtigkeit eine nicht erwartete Tiefe zu schaffen, was mir sehr gut gefallen hat. Klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 27.07.2024

Wichtiges Thema, interessant aufgearbeitet

Süß
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Kurzum: richtig gutes Buch, wenn man sich ein Sache klar vor Augen hält: Dieser Text ist eine wissenschaftliche Abhandlung!

Es geht um veraltete Frauenbilder und inwiefern diese aus feministischer Sicht ...

Kurzum: richtig gutes Buch, wenn man sich ein Sache klar vor Augen hält: Dieser Text ist eine wissenschaftliche Abhandlung!

Es geht um veraltete Frauenbilder und inwiefern diese aus feministischer Sicht zu kritisieren sind. Deutliche Lösungsansätze gibt es nicht, aber wenn es so einfach wäre mit jahrhundertealten Strukturen zu brechen, dann müssten wir jetzt nicht mehr drüber reden. Von daher darf man das auch nicht erwarten finde ich. Vielmehr bietet es ein paar weibliche Vorbilder, die sich eingefahrenen Machtstrukturen widersetzen oder widersetzt haben, von denen wir lernen dürfen (und vielleicht auch sollten).

Was mir gut gefällt und was ich auch schon positiv bei „Beklaute Frauen“ hervorgehoben habe ist, dass der weiße Oberschichten-Feminismus kritisch betrachtet wird. Genau bei diesem Thema kommt allerdings das große Manko des Buches raus: die Formulierung und Sprache. Weißer Feminismus bringt der Reinigungskraft aus Gelsenkirchen mit gerade so Hauptschulabschluss nichts, ist richtig, nur wird in diesem Buch ÜBER diese Frauen geredet, anstatt sich an sie zu wenden. Warum? Weil es teilweise echt kein Vergnügen ist diesen Text zu lesen! Wetten, dass ich es schaffe ein Maximum an Fachausdrücken in einem kleinen Text unterzubringen? Tlusty: Hold my beer!
Kleines Beispiel gefällig?
„Durch die Infragestellung vielfältiger Normen, der Norm der Heterosexualität, der Monogamie, des Vorrangs männlicher Lust, Besitzanspruchs auf eine Partnerin, der Doppelmoral der bürgerlichen Zweierbeziehung, hat sich unsere Kultur im vergangenen Jahrhundert nachhaltig liberalisiert, und diese Auseinandersetzungen kulminierten zweifelsohne in den Umbrüchen um 1968 herum - jedoch fanden sie statt, ohne die Idee des Patriarchats auflösen zu können.“ (Seite 73)
Boah! So geht das 167 Seiten lang. Da muss man schon richtig Bock auf Feminismus haben. Etwas umgangssprachlicher hätte es hier wirklich sein dürfen.

Veröffentlicht am 27.07.2024

Name ist Programm

Romantic Comedy
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Sally ist Autorin für eine Late Night Comedy Show und lernt in dieser Position den Musiker Noah kennen, der als Gastmoderator in eben jener Sendung einen Auftritt hat. Nachdem es zwischen den beiden etwas ...

Sally ist Autorin für eine Late Night Comedy Show und lernt in dieser Position den Musiker Noah kennen, der als Gastmoderator in eben jener Sendung einen Auftritt hat. Nachdem es zwischen den beiden etwas geknistert hat, kommt aber das Leben und eine Pandemie dazwischen und die beiden verlieren sich aus den Augen. Wie es zwischen den beiden weiter geht müsstet ihr jetzt selbst herausfinden, da will ich gar nicht mehr erzählen, aber seid euch gewiss: es ist eine einfach schöne, aber nicht schnulzige, Romanze zwischen einer Frau, in der ich mich in ein paar Punkten auch tatsächlich wiedererkannt habe, und (ja, okay hier wird es jetzt Nexflix RomCom mäßig stereotypisch) einem millionenschweren Promi.

Was diese Geschichte hier besonders macht: Sally ist Ende 30, weiß was sie vom Leben will und verdient gutes Geld. Dementsprechend verfällt sie Noah auch nicht augenblicklich oder rennt ihm hinterher wie in einem schlechten Film. Toll ist auch das Setting mit der Late Night Show; was ein krasser Blick hinter die Kulissen! Das fand ich super spannend und hier gibt es auch einige Lacher (Achtung: wenn man auf diese Art von teils derben Humor steht!).

Der versprochene feministische Einschlag muss man mit der Lupe suchen, das bleibt mir dann doch etwas zu oberflächlich. Das war es letztendlich auch, was mich auf das Buch aufmerksam gemacht hat, daher schade drum. Ohne diesen Hinweis aber wäre mir eine wirklich, ich sag mal altersgerechte, und tolle RomCom durch die Lappen gegangen. Wer also wie ich zur Mitte 30 und aufwärts gehört und wem dieses Genre sonst zu schnulzig und klischeehaft ist, der liegt hier goldrichtig. Eine leichte Lektüre fürs Herz, die einfach Spaß macht!

Veröffentlicht am 10.07.2024

Persönlich, witzig, tragisch, liebevoll und wichtig

HERKUNFT
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Bevor ich zum Punkt komme, muss ich kurz ausholen:
Das erste Buch, das ich von Stanišić gelesen habe war das mit dem Satz als Buchtitel (Witwe und Gießkanne und so) und ich fand es absolut großartig und ...

Bevor ich zum Punkt komme, muss ich kurz ausholen:
Das erste Buch, das ich von Stanišić gelesen habe war das mit dem Satz als Buchtitel (Witwe und Gießkanne und so) und ich fand es absolut großartig und ein wahres Highlight, weil ich mich in die Wörter und Sätze, die Formulierungen und den Sprachwitz verliebt habe. Deshalb musste ich jetzt auch dieses Buch lesen, obwohl ich sonst um die Bücher, die Preise gewonnen habe, gerne einen Bogen mache. Will ich doch nicht enttäuscht werden (aha, und das Buch wurde jetzt wegen was genau ausgezeichnet?) oder mich dumm fühlen (muss wohl sehr hohe Literatur sein, weil ich gar nichts kapiere). Beide Fälle konnte ich mir jetzt nach der Witwe mit der Gießkanne einfach nicht vorstellen, sodass ich also dann, das Pferd von hinten aufzäumend, doch bei Herkunft gelandet bin.

Und jetzt kommt der Punkt: alles richtig gemacht!

Ich habe auch hier gelacht und war genauso berührt, wie bei meinem ersten Buch von ihm. Es ist in meinen Augen eine große Kunst über Migration und Demenz mit einer Leichtigkeit und solch positiver Konnotation zu schreiben! Dieses Buch hat jeden literarischen Preis verdient und darf bitte weiterhin von ganz, ganz vielen Menschen gelesen werden!

Veröffentlicht am 09.07.2024

Interessantes Motiv, spannend erzählt

Die Kunst des Verschwindens
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Nico und Ellen, zwei Frauen, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer zufällig gegenüber zu wohnen, freunden sich an, bis Ellen eines Tages plötzlich verschwindet. Ellen ist eine international ...

Nico und Ellen, zwei Frauen, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer zufällig gegenüber zu wohnen, freunden sich an, bis Ellen eines Tages plötzlich verschwindet. Ellen ist eine international gefeierte Schauspielerin und darüber warum und wohin sie abgetaucht ist, rätselt die halbe Welt. Weil Nico sich mit ihr verbunden fühlt, ohne, dass sie genau sagen kann warum, lässt sie Ellens Verschwinden nicht kalt und sie begibt sich auf die Suche nach ihr.

Stück für Stück tauchen wir tiefer in Nicos Gedanken und Vergangenheit ein und erfahren, dass zwei Schicksalsschläge ihre Welt erschüttern. Während Nico nicht nur Ellen sucht, sondern sich durch die gleichzeitige, intensive Auseinandersetzung mit sich selbst auch sich selbst zu finden scheint, nimmt die Geschichte einen leichten Spin in Richtung Thriller. Hier passiert auf einmal unglaublich viel, für mich sogar etwas zu viel (z.B. in Form eines gestrandeten Wals an der Küste Nordfrankreichs). Mir hätte in Bezug auf Nicos Aufarbeitung ihrer persönlichen Katastrophen tatsächlich mehr innere Handlung besser gefallen, auch wenn dadurch nochmal eine Schippe Spannung draufgelegt wird.
Aber jetzt kommt das wirklich Tolle an dem Buch: Die unterschiedlichen Formen des (oder allgemein eines) Verschwindens, das sich wirklich strikt als Leitmotiv durch das gesamte Buch zieht, sind toll ausgearbeitet und machen das Buch zu einem kleinen Kunstwerk. Mir hat es wahnsinnig viel Spaß gemacht an den verschiedensten Stellen über besagtes Verschwinden zu stolpern und zu entdecken, dass jedes auf seine Art ganz individuell daherkommt.

Mir hat die Geschichte, die leichte Erzählweise und dieses besondere Hauptmotiv sehr gut gefallen! Empfehlenswert!