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Veröffentlicht am 27.07.2024

Zu recht ein Klassiker

Farm der Tiere
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George Orwell ist meine Neuentdeckung des Jahres, seit ich vor ein paar Monaten mit großer Begeisterung „1984“ in der Übersetzung von Gisbert Haefs (und überhaupt zum ersten Mal) las. Nun habe ich endlich ...

George Orwell ist meine Neuentdeckung des Jahres, seit ich vor ein paar Monaten mit großer Begeisterung „1984“ in der Übersetzung von Gisbert Haefs (und überhaupt zum ersten Mal) las. Nun habe ich endlich auch diesen zeitlosen Klassiker kennengelernt und bin erneut schwer beeindruckt von Orwells Weitblick und Klugheit. Zum Inhalt von „Farm der Tiere“ möchte ich gar nicht viele Worte verlieren, jede/r wird die grobe Story kennen oder zumindest das berühmte Zitat „Alle Tiere sind gleich, aber manche Tiere sind gleicher als andere“, welches die Kernthese der Geschichte erfasst und eine dermaßen explizite Kritik am Kommunismus und an der Stalin-Diktatur darstellt, dass es mich unwillkürlich schaudert - und mir Bewunderung abringt, bedenkt man das Jahr der (Erst)Veröffentlichung, 1945. Orwells Märchen zeigt auf wenigen Seiten die Unmöglichkeit der absoluten Gleichheit auf, beschreibt, wie menschliche Triebe wie Machthunger und Unterdrückung die Idee pervertieren, schnöde Schmeicheleien den Menschen manipulieren und jedes rationale Denken ausradieren, die Wahrnehmung bis aufs Äußerste verzerren. Die metaphorische, mitunter an Übertreibung grenzende Übertragung menschlicher Eigenschaften auf die Tiere brachte mich während des Lesens häufig zum Schmunzeln oder Schlucken, der große Aha-Effekt blieb jedoch aus. Ich hatte nicht das Gefühl, etwas grundlegend Neues zu entdecken; die ungeheuerliche Brisanz des Themas damals hat sich durch Bildung und Aufklärung bis heute doch etwas verloren, wenn die Geschichte auch nichts an Kraft und Genialität eingebüßt hat.

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Urlaubslektüre par excellence

Mitten im August
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nselpolizist Enrico Rizzi, normalerweise „hauptsächlich wegen Verstößen gegen die Parkordnung und weil jemand ein Mäuerchen versetzt hat“ im Einsatz, wird mit seinem ersten Mordfall betraut. Ein junger ...

nselpolizist Enrico Rizzi, normalerweise „hauptsächlich wegen Verstößen gegen die Parkordnung und weil jemand ein Mäuerchen versetzt hat“ im Einsatz, wird mit seinem ersten Mordfall betraut. Ein junger Industriellenspross und Weltverbesserer wird vor der Küste Capris erstochen aufgefunden und Rizzi sowie seine neue Kollegin Antonia Cirillo, nicht Willens, den Fall den Großmäulern der Mordkommission Neapel zu überlassen, ermitteln bald auf eigene Faust. Die Fährte führt die beiden über die Insel Capri hinaus auf das italienische Festland und recht zügig auf die Spur von Umweltschützern und in die Abgründe der menschlichen Habgier.

Der Kriminalfall plätschert leise vor sich hin, wendet sich einmal in die eine und dann wieder in eine ganz andere Richtung, ohne dabei einen allzu großen Spannungsbogen zu erzeugen. Darüber hinaus gelingt es dem Autor jedoch, um den Fall herum eine interessante, ziemlich unterhaltsame Geschichte mit viel mediterranem Flair und privaten Einblicken in das Leben der authentischen, sympathischen Ermittler auf der Insel zu erzählen; verfeinert mit ein paar lokalen Genüssen, die mich beim Lesen leider immer etwas hungrig gemacht haben. Das Thema Klimaschutz und die Zukunft der Weltmeere spielt eine zentrale Rolle, was mir außerordentlich gut gefallen hat. Für mich Urlaubslektüre par excellence und ich freue mich nun schon auf den zweiten Teil!

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Berührend und inspirierend

Der Salzpfad
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„Der Salzpfad“ von Raynor Winn ist ein besonderer Reisebericht, spiegelt er doch neben der Wanderung entlang des South West Coast Path auch das Leben und die alltäglichen Sorgen Obdachloser wieder. Raynor ...

„Der Salzpfad“ von Raynor Winn ist ein besonderer Reisebericht, spiegelt er doch neben der Wanderung entlang des South West Coast Path auch das Leben und die alltäglichen Sorgen Obdachloser wieder. Raynor und Moth verloren durch eine unkluge Investition und den anschließenden Verrat eines guten Freundes ihre Farm, die Heim und Einkommen bedeutete, ihr Vermögen, einfach jede Sicherheit und Existenzgrundlage. Die CBD-Diagnose Moths bringt das Leben beider zusätzlich ins Wanken und mehr einer inneren Eingebung als dem klaren Verstand folgend brechen sie, mit nichts als einem kleinen Rucksack auf dem Rücken und einer gehörigen Portion Optimismus im Gepäck auf, Englands längsten Wanderweg zu beschreiten, dem Ungewissen entgegen.

Es handelt sich hierbei nicht um ein Wohlfühl-Reise-Tagebuch. Die Autorin schildert mitunter wirklich schwierige Umstände, die mich, in Anbetracht der Erkrankung ihres Mannes, das eine oder andere Mal an dem Sinn der ganzen Aktion haben zweifeln lassen und mein Verständnis dafür durchaus (über)strapazierten. Es wird gehungert und nach Medikamenten gegen körperliche Schmerzen gelechzt, Essen gestohlen und heimlich auf Campingplätzen übernachtet, leicht verächtlich über unsympathische Mitmenschen und unfreundliche Hundehalter gesprochen, denen sie unterwegs begegnen. Diese Dinge lesen sich unbequem und schaffen doch eine gewisse Nähe zu der Geschichte, fühlen sich wenn auch nicht angenehm doch authentisch an.

Sehr schöne, bildhafte Naturbeschreibungen katapultierten mich direkt an die raue Küste Cornwalls und in den Rhythmus der Gezeiten; die kleinen Glücksmomente einer überraschenden Mahlzeit oder einfachen Geste freundlicher Menschen, des klaren Lichts eines neuen Tages habe ich im eigenen Leib spüren können, haben auch meine Stimmung ein wenig aufgehellt. Mein Fazit: Nach anfänglicher Skepsis (sicher auch verstärkt durch einige kritische Rezensionen) bot sich mir eine wirklich lesenswerte Geschichte, die mich berühren und inspirieren konnte.

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Atmosphärische Geschichte

Piz Palü
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„Piz Palü“ war nach „Wolf“ mein zweiter Roman Marie Brunntalers und erneut hat mich der besondere, atmosphärische Stil überzeugen können. Der Autorin gelingt es, auf wenigen Seiten eine komplexe, spannende ...

„Piz Palü“ war nach „Wolf“ mein zweiter Roman Marie Brunntalers und erneut hat mich der besondere, atmosphärische Stil überzeugen können. Der Autorin gelingt es, auf wenigen Seiten eine komplexe, spannende Geschichte zu erzählen, die ihren ganz eigenen charakteristischen Klang hat. Dabei beweist sie abermals ein gutes Händchen und feines Gespür für das Setting - bereits nach wenigen Seiten fand ich mich mitten im Geschehen wieder. Im Schweizer Traditionshotel „Grand Arnold“ treffen im Sommer 1957 die unterschiedlichsten Persönlichkeiten aufeinander; illustre Gäste, wie der berühmte Schauspieler Fischer und der etwas zwielichtige Hellseher Ostia ebenso wie die von Hoppes (sie eine gebürtige Arnold, er Staatssekretär mit brauner Vergangenheit, beide recht gelangweilt voneinander) samt der jungen Gesellschafterin Corinne. Innerhalb kürzester Zeit werden die verworrenen, undurchsichtigen Familienverhältnisse deutlich und als erst zwei Kinder verschwinden und kurz darauf ein Mord geschieht ist klar, dass in dieser Familie nichts ist, wie es scheint; jeder sein eigenes Ziel vor Augen hat, Intrigen spinnt und eigene Motive verfolgt.

Ich musste beim Lesen sofort an den Film „Knives Out“ denken, der mir auch sehr gut gefallen hat. Die Aufklärung eines Mordfalles innerhalb kurzer Zeit als Handlungs-rahmen, ein opulentes Haus als nahezu einziger Schauplatz, eine große Familie, in der keine/r und gleichzeitig jede/r ein Motiv hat - kurzum eine ziemlich klassische Kriminalgeschichte. Mit feinen Antennen für die menschlichen Eigenschaften entwickelt Brunntaler neben dieser auch die Persönlichkeiten der Figuren, die mir zuerst etwas nebensächlich erschienen, am Ende aber ein rundes, sehr stimmiges Bild ergaben.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Schlicht schön

Die Frau auf der Treppe
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Das Bild einer nackten Frau und drei Männer mit sehr unterschiedlichen Interessen, doch vereint in dem Wunsch, etwas ihr Eigen zu nennen - das Bild selbst oder Irene, die Frau darauf. Bernhard Schlinks ...

Das Bild einer nackten Frau und drei Männer mit sehr unterschiedlichen Interessen, doch vereint in dem Wunsch, etwas ihr Eigen zu nennen - das Bild selbst oder Irene, die Frau darauf. Bernhard Schlinks Roman „Die Frau auf der Treppe“ kann sich trotz seiner Kürze nicht ganz entscheiden, ob er eher Gangster oder Romantiker ist; vereint er doch Attribute von beidem in sich. Was wie ein Krimi mit einem Rechtsstreit um künstlerisches Eigentum (und menschliche Werte) beginnt, spannt dann einen großen Bogen in die weitere Zukunft, um auf einer winzigen Insel vor der Küste Australiens zum Showdown zu kommen.

Der Ich-Erzähler ist die zentrale Figur des Romans; sie macht eine starke Entwicklung durch und muss rückblickend erkennen, wie sehr sie sich selbst zum Statisten im eigenen Leben degradiert hat. Das unverhoffte Wiedersehen des Erzählers mit Irene und die Frage, die sicher jeden Menschen irgendwann einmal bewegt, „Was wäre gewesen, wenn?“ bricht die (Gefühls)Starre auf und in der Schönheit der letzten, der einzigen gemeinsamen Tage spiegelt sich sein ganzes Leben wieder, gelebt und doch wieder nicht.

Schlinks Roman birgt in seiner für den Autor typischen Schlichtheit etwas sehr Schönes, Hoffnungsvolles in sich - die Möglichkeit eines Aufbruchs in ein neues Leben, für den es nie zu spät ist. Dem Ende könnte man sicher Kitsch und ein gewisses Pathos vorwerfen aber irgendwie mochte ich es, wohingegen mich im Mittelteil die leicht ausufernden (Alt)Männer-Dialoge etwas ermüdeten.

Alles in allem eine empfehlenswerte Geschichte, die zum Nachdenken anregt und mich gut unterhalten hat; wenngleich sie für mich auch kein Highlight war.

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