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Veröffentlicht am 20.08.2024

Interessant

Die Suche nach Heimat
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Diesen Roman hätte ich mir wegen des kitschigen Covers wohl nicht selbst gekauft, trotzdem war er ein durchdachtes Geschenk, denn die überhaupt nicht kitschige Lyrikerin Mascha Kaléko mag ich sehr. ...

Diesen Roman hätte ich mir wegen des kitschigen Covers wohl nicht selbst gekauft, trotzdem war er ein durchdachtes Geschenk, denn die überhaupt nicht kitschige Lyrikerin Mascha Kaléko mag ich sehr. Sie ist eine der wenigen Lyriker:innen, die in meinem Bücherregal stehen.
Die Romanbiographie entspricht dann stellenweise sprachlich auch dem Stil des Covers, allerdings ist sie trotzdem merklich fundiert recherchiert. So schließt ein Literaturverzeichnis den Roman ab. Außerdem hat mir sehr gefallen, dass nach jedem Kapitel ein Gedicht von Kaléko folgt, was den vorherigen Inhalt reflektiert. Das Buch ist also auf jeden Fall etwas für Lyrikliebhaber:innen.
Zusätzlich bekommt man einen guten Einblick in die literarische Szene aus dem Berlin Ende der 20er-Jahre: Kästner, Rowohlt usw. feiern mit Mascha im „Romanischem Café“, solange es noch geht und begleiten ihren Aufstieg der Schriftstellerin in Berlin. Die gebürtige Galizierin fühlt sich bald endlich zugehörig, doch dann zeichnet sich schon ab, dass sie wie viele andere ihre Heimat wieder verlassen muss.
Eine besondere Beziehung hat Mascha zu Franz Hessel. Das Buch „Spazieren durch Berlin“ von Franz Hessel ist daher auch nebenbei auf meine Wunschliste gewandert. Er war als Autor auch Lektor und Vertrauter von Mascha, außerdem ist er Urheber dieses immer noch aktuellen, unheimlich treffenden Zitats: „Heimat ist Geheimnis - nicht Geschrei“.

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Veröffentlicht am 13.08.2024

Intensive Sprache

Ich komme nicht zurück
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Mir hat an diesem Roman vor allem die Sprache gefallen: Man merkt auf jeder Seite eine unheimliche Freude, mit Intensität und Dichte zu spielen und Atmosphäre sowie Beziehungen darzustellen.
Die Geschichte ...

Mir hat an diesem Roman vor allem die Sprache gefallen: Man merkt auf jeder Seite eine unheimliche Freude, mit Intensität und Dichte zu spielen und Atmosphäre sowie Beziehungen darzustellen.
Die Geschichte wird aus der Perspektive von Hanna erzählt, die auf ihre Kindheit in den 80er Jahren zurückblickt, als sie zusammen mit Zeyna und Cem in einer Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet aufwuchs. Infolge des 11. Septembers 2001 treten dann die Unterschiede zwischen Hanna sowie Zeyna und Cem als von Rassismus Betroffene aber immer deutlicher hervor. Die Freundschaft der drei kommt dagegen nicht an. Schließlich verschwindet Zeyna aus Hannas Leben. Dieser Teil der Geschichte hat mich sehr berührt und beschäftigt.

Jahre später kehrt Hanna, inzwischen einsam und allein ohne Familie, in ihre alte Heimat zurück und will Zeyna wiederfinden. Die Beschreibung von Hannas Depression, die sie dazu zwingt, in ihrem Leben zu erstarren und sich nur noch durch die Vergangenheit zu bewegen, fand ich sehr gut beschrieben. Das Ende des Romans kam für mich dann einerseits etwas unvermittelt, andererseits war es dadurch auch überraschend und ohne Klischees.

Es gibt allerdings noch einen Kritikpunkt, der mich wahrscheinlich wie eine Oberlehrerin aussehen lässt: Die Darstellung von Hannas Leben als Lehrerin während der Pandemie wirkt nicht ausreichend recherchiert. Dass sie ihre Wochenenden als freie Zeit wahrnimmt und davon ausgeht, in ihren Fächern müsse man nie aktuelles Material erstellen, mag ihrer Depression und Erstarrung geschuldet sein. Aber die Darstellung von Schulschließungen im Herbst, die es nie gab, und die Vorstellung, dass eine Lehrerin einfach in eine andere Stadt ziehen oder spontan Tage frei nehmen könnte, passen nicht zur Realität des Lehrberufs.

Insgesamt ist „Ich komme nicht zurück“ für mich jedoch wegen der intensiven Sprache und der Darstellung von Freundschaft ein lesenswerter Roman.

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Veröffentlicht am 02.08.2024

Unterhaltsam und aktuell

Juli, August, September
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„Juli, August, September“ ist ein Roman, der auf unterhaltsame und bissige Weise komplexe Themen wie Erinnerung und Identität behandelt. Die Geschichte dreht sich um die Protagonistin Lou, die mit den ...

„Juli, August, September“ ist ein Roman, der auf unterhaltsame und bissige Weise komplexe Themen wie Erinnerung und Identität behandelt. Die Geschichte dreht sich um die Protagonistin Lou, die mit den Eindrücken ihrer Tochter zu ihrer jüdischen Identität konfrontiert wird, obwohl Lou diese selbst gar nicht fassen kann. Lou beginnt, sich mit ihrer eigenen jüdischen Herkunft auseinanderzusetzen - eine Aufgabe, bei der ihr Ehemann, ein vielbeschäftigter Pianist mit ebenfalls jüdischen und sowjetischen Wurzeln, ihr keine Unterstützung bietet.

Der Roman entfaltet sich weiter, als Lou auf Gran Canaria ein Familientreffen besucht. Hier erfährt sie von ihrer Großtante eine völlig andere Version ihrer Familiengeschichte als die, die ihre verstorbene Großmutter ihr über das Überleben des Holocausts erzählt hat. Welche Variante stimmt? Und warum macht ihre Großtante das? Was bedeutet das für ihre eigene kleine Familie?Und warum ist Lou das auf einmal so wichtig? Ohne Antworten auf diese Fragen kann Lou nicht nach Hause fahren.

Der Schreibstil des Romans ist erfrischend und oft humorvoll, weshalb ich dieses Buch schnell beendet habe. Die Autorin schafft es, die komplexen Fragen auf eine leichte und zugängliche Weise zu präsentieren, ohne dabei ihre Tiefe zu verlieren. Ein kleines Manko des Buches liegt für mich im letzten Viertel, das im Vergleich zum Rest des Romans etwas an Dynamik verliert. Dennoch finde ich den Roman unbedingt lesenswert, vor allem die jüdische Perspektive auf Erinnerung fand ich sehr interessant.

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Veröffentlicht am 29.07.2024

Fesselndes Familiendrama

So ist das nie passiert
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"So ist das nie passiert" ist ein fesselnder Roman, in dem es einerseits um das Thema Verlust und die unaufhörliche Suche nach Antworten geht, andererseits um eine Familie, die beim Blick hinter die Kulissen ...

"So ist das nie passiert" ist ein fesselnder Roman, in dem es einerseits um das Thema Verlust und die unaufhörliche Suche nach Antworten geht, andererseits um eine Familie, die beim Blick hinter die Kulissen von Schmerz und Gewalt geprägt ist. Der Roman beginnt mit einer Dinnerparty, auf der Willa eine Frau trifft, die sie für ihre verlorene Schwester hält. Willas kleine Schwester Laika verschwand spurlos, als sie ein Teenager war. Seither bestimmt die Suche nach der Schwester Willas gesamte Beziehungen und Lebensentscheidungen.

Die Beschreibung der Dinnerparty aus unterschiedlichen Perspektiven der Gäste zieht sich durch den gesamten Roman, was mir sehr gut gefallen hat. Das Setting des Abendessens erinnert an ein Kammerspiel: Unausgesprochene Konflikte und Spannungen aus Vergangenheit und Gegenwart liegen in der Luft, was die Atmosphäre dicht und intensiv macht. Die Autorin schafft es, die Leser:innen direkt in die Geschichte hineinzuziehen: Die Erzählung entwickelt einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Die klare und gefällige Sprache macht es leicht, immer weiterzulesen. Die Rückblenden, die die Geschehnisse des Abendessens unterbrechen, sind dabei geschickt eingeflochten und führen nach und nach an die Gründe für Laikas Verschwinden heran, die Gewalt und Schmerz in der Familie offenbaren. Dabei gibt es immer wieder überraschende Wendungen, die geschickt ineinandergreifen, sodass der Roman nie langweilig wird.

"So ist das nie passiert" ist ein spannender Roman über Verlust, Hoffnung und die zerstörerische Kraft von unausgesprochenen Wahrheiten. Die Spannung, die durch die ständige Suche nach der Wahrheit entsteht, und die tiefgehenden Charakterstudien machen das Buch zu einer packenden Lektüre, die man in einem Rutsch durchlesen kann.

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Faszinierend

Eve
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Der Roman „Eve“ hat mich positiv überrascht. Auf dem Cover und im Klappentext wird recht wenig über den Roman verraten, sodass ich mich ohne jegliche Erwartungen auf das Buch eingelassen habe. Ich wurde ...

Der Roman „Eve“ hat mich positiv überrascht. Auf dem Cover und im Klappentext wird recht wenig über den Roman verraten, sodass ich mich ohne jegliche Erwartungen auf das Buch eingelassen habe. Ich wurde mit einer unterhaltsamen Mischung aus Gesellschaftsroman, Detektivgeschichte und Heist-Story belohnt!

Im Mittelpunkt der Handlung steht Eve, die im Hollywood der späten 1930er Jahre ankommt. Schnell durchschaut sie die frauenfeindlichen Strukturen der Filmindustrie und wird aktiv, als ihre Freundin und Schauspielerin Olivia wegen Nacktfotos erpresst wird. Die Story wird vor allem aus Sicht ihrer Freund:innen und Gegenspieler erzählt, sodass Eve selbst geheimnisvoll und unnahbar bleibt. In ihren eigenen wenigen Kapiteln wird Eves Hintergrund nur angedeutet, sodass ihr Charakter einerseits etwas blass wirkt, andererseits aber auch faszinierend.

Mir haben besonders die Schilderungen des alten Hollywoods am Ende der 1930er Jahre und die dazugehörigen Hintergrundgeschichten der anderen Figuren gut gefallen. Man taucht dabei ein in eine Welt voller Glamour, Intrigen, dunkler Machenschaften und Sexismus. Außerdem halten zahlreiche Twists and Turns die Spannung konstant hoch und zeigen immer wieder Eves Überlegenheit und Cleverness.

Insgesamt ist „Eve“ ein unterhaltsamer Roman, der geschickt verschiedene Genres miteinander verknüpft. Die Mischung aus historischem Flair und Spannung hat mir gut gefallen.

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