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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.08.2018

Wunderbares Kopfkino

Die wundersame Erkundung der Farbe Moll
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Über das Äußere eines Buches verliere ich eher selten ein paar Worte. In diesem Fall allerdings ist es mir wichtig.

Der Acabus Verlag hat hier wirklich ein Kleinod geschaffen. Ein zartes, kleines Buch, ...

Über das Äußere eines Buches verliere ich eher selten ein paar Worte. In diesem Fall allerdings ist es mir wichtig.

Der Acabus Verlag hat hier wirklich ein Kleinod geschaffen. Ein zartes, kleines Buch, ein Handschmeichler wie ich finde. Passend zum Inhalt ist der Einband mit einer Aquarell Landschaft gestaltet, die ebenfalls den Schutzumschlag ziert. Ein Buch das man gern zur Hand nimmt, durchblättert und sich einzelne Textpassagen mit dem Lesebändchen markiert.

Die Kunst, die man auf dem Cover schon entdeckt, zieht sich als wichtiger Bestandteil durch die Geschichte. Die Vermischung zweier künstlerischer Ausdrucksformen, der Literatur und der Malerei, ist der Autorin ausgesprochen gut gelungen. Das Werk eines real existierenden Malers ist gekonnt in die Geschichte um ihre fiktiven Figuren eingesponnen.

Der Leser hangelt sich mit den beiden Protagonisten Ben und Mona anhand der Gemälde durch die Handlung und die wunderbar plastisch beschriebenen Orte. Die Autorin beschreibt sie eindrücklich und macht Lust darauf sie zu entdecken. Ich kannte den Maler Ferdinand Holder nicht und habe mich während der Lektüre mit seinen eindrucksvollen Bildern beschäftigt. Ich kann die Faszination nachspüren, die Mona und Ben zu ihrer Reise inspiriert hat.

Die Autorin schafft zwei völlig unterschiedliche Hauptfiguren, die sich über das gleiche Problem finden. Unzufrieden im Beruf und gefangen im Alltagstrott stehen sie kurz vor einem Burn Out und suchen ihr Heil in der gemeinsamen Flucht. Der Leser erfährt wie schwer es ihnen fällt loszulassen und alte Verhaltensmuster zu durchbrechen, und begleitet sie auf ihrer Reise durch eine von der Autorin in bunten und bildhaften Worten beschriebene Landschaft.

Herrliche Wortgebilde bauen kraftvolle Bilder, man hat das Gefühl den Figuren direkt über die Schulter zu schauen und kann ihr Staunen über die neuen Eindrücke quasi fühlen. Ich empfehle allen Stressgeplagten eine solche Tour als Therapie, oder zumindest die Lektüre dieses Buches.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Ewige Liebe

Ein Fiebelkorn
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Eine große Liebe, eine Ehe die mehr als ein halbes Jahrhundert dauert. Unvorstellbar am Tag der Hochzeit, so weit in der Zukunft.

Johanna und Wilfried sind nun schon so lange ein Paar, miteinander verbunden ...


Eine große Liebe, eine Ehe die mehr als ein halbes Jahrhundert dauert. Unvorstellbar am Tag der Hochzeit, so weit in der Zukunft.

Johanna und Wilfried sind nun schon so lange ein Paar, miteinander verbunden in Zeiten der Kriegsgefangenschaft, des Sozialismus, des Mauerfalls, in Zeiten der Freude und der Trauer. Die Beiden verstehen sich ohne Worte in ihrem kleinen Zuhause, kennen die Macken des Anderen, kommen zurecht mit ihrer Aufgabenverteilung, kümmern sich umeinander, ergänzen sich im Alltag um auch keinem, vor allem nicht den Kindern, zur Last zu fallen, oder den Nachbarn Grund zum Tratsch zu geben.

Das dieses Leben, dieser liebevolle Umgang miteinander, den der Autor mit so leichten, leisen Worten beschreibt, gar nicht so leicht funktioniert merkt der Leser schnell. Die körperlichen Gebrechen erschweren den Alltag und gerade in den sprunghaften Gedankengängen der Beiden, denen der Leser folgt, wird klar, dass das Alter seine Spuren hinterlassen hat..
Die Gedanken purzeln nur so durch den Kopf, springen durch die Zeit und durch die Erinnerungen, manchmal konfus, ohne Sinn, ohne Anlass. Für die Beiden völlig normal, für den Leser erste Anzeichen vom Verfall, von einer beginnenden Demenz- oder Alzheimererkrankung.

Der Autor schafft es mit seinem Schreibstil gut dieses Chaos im Kopf darzustellen ohne den Personen ihre Würde zu nehmen. Erinnerungen und Erlebnisse aus der Vergangenheit werden geschickt in's Heute eingebettet und geben den Figuren Tiefe, erklären deren Charakter und Verhalten.

Es gibt nachdenkliche, melancholische, traurige Szenen, aber auch viel leichten, unaufgeregten Humor und Szenen zum Schmunzeln. Man mag die Fiebelkorns sofort und möchte sie am liebsten adoptieren.

Woher der Autor sein Wissen um dieses Thema nimmt ist mir nicht klar, er gehört einer Generation an in der die Fiebelkorns seine Großeltern sein könnten und hat ähnliches vielleicht persönlich erlebt. Er schafft mit seiner Erzählung eine unbeschreibliche Atmosphäre, die Vertrautheit der Hauptfiguren miteinander ist quasi körperlich spürbar beim Lesen.
Ein sehr rühriges Buch mit viel Raum zum Nachdenken über das Leben, das Alter, die Liebe, über Partnerschaft, das Alleinsein, und über Verlust und den Umgang damit.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Tatort Franken

Brunnenleich
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Ein Segelturn während eines Karibikurlaubs entwickelt sich für Walter zum Horrortrip, der sein komplettes Leben verändert.

Ein Szenario wie man es vielleicht schon aus dem ein oder anderen Krimi kennt. ...

Ein Segelturn während eines Karibikurlaubs entwickelt sich für Walter zum Horrortrip, der sein komplettes Leben verändert.

Ein Szenario wie man es vielleicht schon aus dem ein oder anderen Krimi kennt. Nach einer feuchtfröhlichen Nacht und einem heftigen Ehestreit wacht ein Partner am nächsten Morgen auf und der andere Partner ist verschwunden, alles deutet auf ein Verbrechen hin, eine Leiche wird nie gefunden, die Beweise sind erdrückend, was folgt ist eine jahrelange Haft in einem ausländischen Gefängnis.
Als Walter nach der Haft nach Deutschland zurück kommt, will er eigentlich nur alles hinter sich lassen, aber plötzlich taucht seine totgeglaubte Frau auf und diesmal ist sie wirklich tot.

Die Autorin gibt dieser bekannten Geschichte gekonnt ein neues Gesicht. Sie erzählt in den einzelnen Kapiteln jeweils aus der Sicht der gerade handelnden Person, so bekommt der Leser einen Blick auf die Handlung aus den verschiedensten Winkeln. Gefühle, Intentionen, Konflikte werden so für den Leser besser nachvollziehbar, er bekommt Hinweise, die dem Ermittlerduo verborgen bleiben und kann so gut eigene Schlüsse ziehen und kombinieren, wobei die Autorin den Leser trotzdem noch auf eine falsche Fährte lockt.

Die Geschichte ist spannend geschrieben, ganz im Stil eines klassischen Krimis, die Figuren sind sympathisch und gut ausgearbeitet. Bei der Interaktion der beiden Ermittler untereinander war ich teilweise etwas verwirrt, weil die immer wieder thematisierten Differenzen für mich im Dialog oder im Umgang nicht so deutlich zu erkennen waren.

Das Finale hat für mich keine Überraschung gebracht, ich hatte kurz vor Schluss einen Verdacht zum Täter. Wie das Ganze allerdings zur Auflösung gebracht wurde hatte ich so überhaupt nicht auf dem Schirm. Der Show Down war gut inszeniert und bietet genug Raum für eine Fortsetzung, die es für mich gern geben darf. Und vielleicht schafft es die Geschichte ja mal in den Tatort, das Potenzial dazu ist auf jeden Fall da!

Veröffentlicht am 19.07.2018

Sprechstunde

Dr. Knox
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Mit Dr. Knox hat der Autor eine Romanfigur mit Serien-Charakter und Suchtpotenzial geschaffen.

Eine Figur mit Prinzipien, eine Figur die ziemlich kaputt ist und mit mehr als einem Dämon zu kämpfen hat, ...

Mit Dr. Knox hat der Autor eine Romanfigur mit Serien-Charakter und Suchtpotenzial geschaffen.

Eine Figur mit Prinzipien, eine Figur die ziemlich kaputt ist und mit mehr als einem Dämon zu kämpfen hat, die aber trotz aller Widrigkeiten nicht bereit ist den leichten Weg zu gehen. Eine Figur mit Witz, Härte, Gerechtigkeitssinn, Berufsethos. Eine Figur mit dem Drang das Richtige zu tun.

Auch die Geschichte hinter der Figur ist speziell. Ein Arzt, der in einer herruntergekommen Gegend eine Klinik für diejenigen betreibt, die am Rande der Gesellschaft stehen, und der sich das Geld für seine Arbeit dadurch beschafft, dass er vom Filmstar bis zum Bankräuber jeden behandelt, der aus offensichtlichen Gründen nicht in ein Krankenhaus möchte. Explosive Mischung, Komplikationen vorprogrammiert.

Das Buch ist nicht speziell als Actionthriller gekennzeichnet, passt aber für mich durchaus in dieses Genre und hat alles was hierfür nötig ist, angefangen von Menschenhandel, Zwangsprostitution, Geiselnahme, Schießereien bis hin zur russischen Mafia und dem durchgeknallten Sohn eines reichen Konzernchefs, der sich anmaßt durch sein Geld und seine Verbindungen über dem Gesetz zu stehen. Der Autor hat es gut verstanden die Debatte um Richtig und Falsch, Recht haben und Recht bekommen, Macht und deren Missbrauch in eine rasante und spritzige Action-Story zu packen.
Er lenkt die Sympathie und die Antipathie der Leser präzise auf die jeweiligen Figuren. Diese sind so treffend charakterisiert, dass man gar nicht anders kann als sie zu mögen oder zu hassen. Eine emotionale Achterbahnfahrt.

Die Geschichte ist wie ich finde klassisch amerikanisch. Mit Deutschland als Handlungsort hätte sie für mich nicht funktioniert, aber das ist OK.

Während der Lektüre kam mir ziemlich schnell der Gedanke daran, welcher Schauspieler für die Rolle vom Doc und seinem Kumpel Sutter geeignet wäre, ich kann mir die Story gut auf dem Bildschirm vorstellen. Fürs Erste wäre ich aber auch durchaus mit einer Fortsetzung des Romans zufrieden, den am Ende des Buches gibt es schon noch die ein oder andere Baustelle im Leben von Dr. Knox.

Veröffentlicht am 30.07.2024

Viele Verdächtige

Das Sterben in Wychwood
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Ex Polizist Luke Fitzwilliam möchte auf dem Bahnsteig nur kurz nach den Rennergebnissen in der Zeitung schauen und schon ist sein Zug weg. Muss er halt den Nächsten nehmen und in dem trifft er auf eine ...

Ex Polizist Luke Fitzwilliam möchte auf dem Bahnsteig nur kurz nach den Rennergebnissen in der Zeitung schauen und schon ist sein Zug weg. Muss er halt den Nächsten nehmen und in dem trifft er auf eine recht redselige alte Dame, die ihn sehr an seine unzähligen Tanten erinnert. Sie erzählt ihm eine etwas hahnebüchene Geschichte über mehrere Morde in ihrem beschaulichen Städtchen und das sie nun auf dem weg zu Scotland Yard ist. Kurz darauf liest Luke von ihrem Unfalltod in der Zeitung, ebenso von dem einer der Personen, von denen sie während der Zugfahrt erzählt hat.

Der Krimi bietet wieder ein typisches AC Setting, direkt zu Beginn werden wichtige Personen dem Leser vorgestellt und schon gibt es den ersten Todesfall innerhalb einer Dorfgemeinschaft. Die Hauptfigur wird eher zufällig in das Geschehen hineingezogen und beginnt die Ermittlungen. Hier kommt mal keine von ACˋs bewährten Ermittlerfiguren zum Zug, nur Inspector Battle hat ganz am Ende einen kleinen Gastauftritt.

Verdächtige gibt es in dieser Geschichte wie Sand am Meer, was das Mitkriminalisieren für den Leser nicht leichter macht. Da sich die Zeugin Miss Pinkerton vor ihrem Tod recht vage und geheimnisvoll ausgedrückt hat, kann man über Motiv und Täter lange nur spekulieren. Die Autorin schafft es wieder auf ihre ganz spezielle Weise falsche Spuren zu legen und irgendwie jede der Figuren an einem gewissen Punkt der Geschichte verdächtig erscheinen zu lassen, ohne das man konkrete Anhaltspunkte nennen könnte.

Absolut typisch kommt die Auflösung klassisch, als Geständnis des Täters, zum Schluss und man muss einmal mehr den Hut ziehen angesichts dieser Auflösung, die ebenso überraschend, wie schlüssig ist. Immer wieder frage ich mich an diesem Punkt, ob AC direkt zu Beginn des Buches schon genau dieses Ende im Sinn hat und einfach Alles passend "hinbiegt", oder, ob sich die Geschichte im Verlauf verändert und der Täter/die Täterin für die Autorin genauso überraschend kommt wie für den Leser.

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