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Veröffentlicht am 31.07.2024

Späte Suche

Seinetwegen
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Die Autorin war gerade mal acht Monate alt, als ein rücksichtsloser Fahrer einen Unfall verursachte, bei dem ihr Vater zu Tode kam. Ihre Mutter sprach so gut wie nie darüber, und Zora stellte auch keine ...

Die Autorin war gerade mal acht Monate alt, als ein rücksichtsloser Fahrer einen Unfall verursachte, bei dem ihr Vater zu Tode kam. Ihre Mutter sprach so gut wie nie darüber, und Zora stellte auch keine Fragen, obwohl sie den Vater vermisste. Jetzt sind sechzig Jahre vergangen und plötzlich möchte Zora mehr über ihren Vater, den Unfall und den Unfallverursacher erfahren. Mutter ist inzwischen dement und lebt im Altenheim, kann ihr also nicht mehr helfen. So ist sie mit ihren Nachforschungen, die sich schwieriger erweisen als gedacht, auf sich alleine gestellt …

Zora del Buono, geb. 1962 in Zürich, ist eine Schweizer Schriftstellerin, Architektin und Journalistin. Sie ist die Tochter eines italienischen Arztes, der früh bei einem Autounfall starb, und einer Schweizerin. Sie wuchs in Zürich und Bari auf, studierte in Zürich und Berlin Architektur, wo sie bis 1995 als Architektin tätig war. Del Bouno schrieb bereits mehrere erfolgreiche Romane, ist Mitglied des Schweizer PEN und lebt heute in Zürich.

Die autobiographische Geschichte ist in kurze Kapitel aufgeteilt, in denen die Autorin hauptsächlich über Belangloses berichtet und dabei von einem Thema zum anderen springt. Sie erzählt von ihrer Studienzeit in Berlin, schweift ab in die Historie Schweizer Dörfer, führt Gespräche mit Freunden, lässt Kindheitserinnerungen wach werden, führt Unfallstatistiken auf, erwähnt die AIDS-Krise und Rassismus und informiert uns über schöne Urlaube in Bari bei den italienischen Großeltern. Es wird nicht wirklich erklärt, warum über den toten Vater nicht geredet wurde. Nach 20, 30 oder mehr Jahren konnte der Schmerz nicht mehr so groß gewesen sein, dass man nicht über das Geschehene sprechen konnte. Dass man sich auch in Bari bei den Großeltern nicht darüber unterhalten hat finde ich äußerst seltsam, ja beinahe unglaubwürdig. Warum hat es die Autorin nicht früher interessiert, wer der Unfallverursacher war und wie er damit umgeht, am Tod eines Menschen schuldig zu sein? Sechzig Jahre ist eine unendlich lange Zeit, nach der man m.E. das Geschehen auf sich beruhen lassen sollte.

Fazit: Mich hat das Buch enttäuscht. Viele belanglose Themen, kaum Emotionen und eine Suche nach dem Unfallverursacher, die für mich Jahrzehnte zu spät erfolgt. Eine Empfehlung kann ich hier nicht aussprechen.

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Veröffentlicht am 13.07.2024

Wer schläft, sündigt nicht – oder doch?

Anna O.
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Als der Psychologe und Schlafforscher Dr. Benedict Prince an die Klinik The Abbey abberufen wird, schläft die 29jährige Schriftstellerin Anna Ogilvy bereits vier Jahre. Sie recherchierte damals zu einem ...

Als der Psychologe und Schlafforscher Dr. Benedict Prince an die Klinik The Abbey abberufen wird, schläft die 29jährige Schriftstellerin Anna Ogilvy bereits vier Jahre. Sie recherchierte damals zu einem zwanzig Jahre zurückliegendem Fall, in dem eine Frau namens Sally Turner ihre beiden Stiefsöhne ermordet haben soll. Das Ergebnis dieser Recherche sollte in der Zeitschrift Elementary, die sie zusammen mit ihren Freunden Indy und Doug gegründet hatte, veröffentlicht werden. Man fand Anna in einer Waldhütte im komaähnlichen Tiefschlaf neben den erstochenen Leichen dieser beiden Freunde, das blutverschmierte Messer hielt sie noch in der Hand. Ben soll Anna O. nun aufwecken, damit man ihr endlich den Prozess wegen Mordes machen kann …

Matthew Blake ist ein in London lebender Autor, der Anglistik an der Durham University und am Merton College in Oxford studiert hat. Er arbeitete als Drehbuchautor für die BBC und andere britische Medien und befasst sich mit Recherchen und als Redeschreiber für das britische Parlament. Er lebt in London.

Das Thema ist durchaus interessant und der Einstieg ganz gut gelungen. Man stellt sich sofort einige Fragen, die den Schlaf von Anna betreffen und überlegt was wohl mit ihr geschehen wird, wenn es Ben gelingt sie aufzuwecken. Auch dessen zwiespältige Gedanken und Gefühle kann man anfangs gut nachvollziehen. Einerseits ist er vom Ehrgeiz gepackt, das beinahe Unmögliche zu erreichen, andererseits hat er Bedenken, da er die junge Frau nach dem Aufwachen der Justiz übergeben müsste.

Leider geht es im weiteren Handlungsverlauf mehr und mehr um anderes, private Probleme und vom eigentlichen Plot abweichende Nebensächlichkeiten treten in den Vordergrund. Einige für die Handlung bedeutungslose Passagen laufen parallel und die Titelfigur tritt zeitweise ganz in den Hintergrund. Psychologische Probleme werden angerissen aber nicht weiter erörtert, ebenso die juristische Frage nach der Schuldfähigkeit bei einer Tat während des Schlafwandelns. Die Spannung verlor sich für mich zusehends, da die Geschichte immer verworrener wurde. Manches konnte ich nicht einordnen und über einigen Passagen schwebt noch immer ein großes Fragezeichen. Die kurzen ständig wechselnden Perspektiven im Geschehen und die unvermittelten Zeitsprünge zwischen Gegenwart und Vergangenheit trugen auch nicht zum besseren Verständnis bei. Der Schluss war zwar überraschend, damit hätte ich nicht gerechnet, aber dennoch empfand ich die Auflösung ziemlich konstruiert und zu der vorangegangenen Handlung und den Charakteren nicht unbedingt passend.

Fazit: Das Buch hat mich enttäuscht und ich möchte an dieser Stelle auch keine Leseempfehlung abgeben.

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Veröffentlicht am 16.01.2024

Kreuzberger Provinzklamauk

Wiener Straße
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Berlin-Kreuzberg, im November 1980: In die freie Wohnung über dem Café Einfall zieht eine 4er-WG ein, die bisherigen Untermieter von Erwin Kächele, Frank Lehmann, Kächeles Nichte Chrissie und die beiden ...

Berlin-Kreuzberg, im November 1980: In die freie Wohnung über dem Café Einfall zieht eine 4er-WG ein, die bisherigen Untermieter von Erwin Kächele, Frank Lehmann, Kächeles Nichte Chrissie und die beiden Möchtegernkünstler Karl Schmidt und H.R.Ledigt. Ein Nachbar renoviert die Wohnung, Frank übernimmt das Putzen im Café, Chrissie bekommt einen Job hinter der Theke und die beiden Künstler arbeiten an ihren Werken für die große Kunstausstellung „Haut der Stadt“, dessen Kurator Wiemer sich in Chrissies Mutter Kerstin verguckt hat. Das Fernsehen kommt auch in die Wiener Straße. Sie wollen in dem von P.Immel, seinem Kumpel Kacki und der österreichischen Arsch-Art-Gruppe besetzten Haus filmen. Als dann noch ein Kontaktbereichsbeamter, der einen abgesägten Alleebaum sucht, erscheint, kommt Unruhe in der Straße auf …

Sven Regener, geb. 1961 in Bremen, ist ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Musiker, der hauptsächlich durch seine Romane der „Lehmann-Serie“ bekannt wurde. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Berlin-Prenzlauer Berg.

Durch begeisterte Presseberichte wurde ich auf den Autor und das Buch aufmerksam, doch leider konnte es meine Erwartungen nicht erfüllen. Humor und Witz suchte ich in der Geschichte vergeblich, allenfalls etwas Situationskomik blitzte dann und wann durch. Warum ein Autor seinen Protagonisten Namen wie P.Immel oder Kacki gibt und eine Gruppe Arsch-Art und eine Band Dr. Votz nennt, ist mir unerklärlich. Ist das der viel gepriesene Humor? Lobenswert ist allenfalls der Einfallsreichtum Regeners, dem es gelungen ist, die absurdesten Szenen in Slapstick-Manier in die Geschichte einzubauen. Aber ein abgewirtschaftetes Café, ein ehemaliger Intimfriseurladen, ein besetztes Haus, eine Kettensäge, ein abgesägter Baum und ein paar schräge Typen machen noch lange keinen guten Roman.

Fazit: Etwas Situationskomik, ansonsten Klamauk und Albernheiten - für mich enttäuschend.

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Der andere Bruder

Brüderchen
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In einem Bergdorf in den Cevennen wird ein Baby geboren. Nach einem bereits 9jährigen Jungen und einem 7jährigen Mädchen ist es das dritte Kind der Familie. Ein hübscher Junge mit dunkelbraunem Haar und ...

In einem Bergdorf in den Cevennen wird ein Baby geboren. Nach einem bereits 9jährigen Jungen und einem 7jährigen Mädchen ist es das dritte Kind der Familie. Ein hübscher Junge mit dunkelbraunem Haar und schwarzen Augen, wie die geladenen Freunde und Nachbarn einstimmig feststellen. Drei Monate später fiel den Eltern auf, dass das Kind nur still dalag, ohne zu brabbeln und ohne sich zu bewegen und seine dunklen Augen blickten ins Leere – das Kind war blind, ein regloser Körper mit offenen Augen. Wie werden die Eltern mit diesem Schicksalsschlag umgehen und wie reagieren die Geschwister auf das mehrfach behinderte Brüderchen?

Clara Dupont-Monod, geb. 1973 in Paris, ist eine französische Schriftstellerin und Journalistin, die beim Radiosender France Inter eine eigene Literatursendung hat. Sie schreibt und veröffentlicht seit 1998. Für „Brüderchen“, das im französischen Original 2021 unter dem Titel „S’adapter“ erschienen ist und lange auf den dortigen Bestsellerlisten stand, erhielt die Autorin neben dem Prix Femina auch den Prix Goncourt des Lycéens.

Mit großen Erwartungen begann ich mit dem Lesen dieses Buches. Die Geschichte eines Kindes, das behindert zur Welt kommt, musste mal erzählt werden. Ich erwartete vom Schmerz der Eltern und ihren Umgang damit zu erfahren, doch davon ist wenig die Rede. Stattdessen schreibt die Autorin über das Verhältnis und die Gefühle der Geschwister zu dem behinderten Kind, die für mein Empfinden doch sehr seltsam sind. Ja selbst ein viele Jahre später geborenes viertes Kind der Familie redet in seinen Gedanken mit dem bereits verstorbenen behinderten Geschwisterchen, das es nie kennen gelernt hat. Die Geschichte wird neutral und emotionslos erzählt, und zwar von den Steinen (!) am Weg und in der Mauer des Anwesens! Eine wörtliche Rede sucht man vergebens, selbst die Namen der beteiligten Personen werden in diesem Roman nie genannt, stattdessen liest man vom „großen Bruder“, von „der Schwester“ und vom „Nachgeborenen“. Das behinderte Kind selbst wird nur „das Kind“ genannt.

Die im Voraus zu lesenden Lobeshymnen kann ich nicht verstehen. Das Buch bekommt von mir 2 wohlwollende ** dafür, dass das Thema Behinderung endlich einmal Einzug in die Literatur gefunden hat (ich hatte bisher noch nichts darüber gelesen). Die Umsetzung ging jedoch leider für mein Empfinden völlig daneben.

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Veröffentlicht am 27.12.2022

Viel Lokalkolorit – wenig Krimi

Aufblattelt
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Zunächst möchte ich bemerken, dass ich die Österreicher sehr mag und schätze und selbst nahe der österreichischen Grenze wohne. Was mir jedoch hier aufgetischt wurde, war eindeutig zu viel des Guten. Der ...

Zunächst möchte ich bemerken, dass ich die Österreicher sehr mag und schätze und selbst nahe der österreichischen Grenze wohne. Was mir jedoch hier aufgetischt wurde, war eindeutig zu viel des Guten. Der ganze Text wimmelt von speziellen österreichischen (burgenländischen?) Phrasen, Werbung für heimische Produkte und seltsamen Gebräuchen, die selbst mir als Süddeutsche fremd waren. Einige der Redensarten werden zwar übersetzt bzw. eingedeutscht, aber leider erst mehrere Seiten später, was beim Lesen auf dem eReader äußerst umständlich ist.

Die Handlung zieht sich zäh dahin, von Krimi ist erst ab etwa der Hälfte des Buches etwas zu merken, ausschweifende Erklärungen über Wald, Wild und Pflanzen überwiegen. Nicht nur typisch burgenländische Speisen werden erwähnt, sondern auch Orte, Lokale und Hintergründe genannt, die kaum jemand nennenswert findet und die man wohl nie besuchen wird. Für Österreicher bzw. Burgenländer mag das Buch sehr interessant sein, können sie doch anhand der ausführlichen Beschreibungen die Gegend besuchen, für alle anderen ist es einfach nur ermüdend. Es gibt zwar einige Tote - ob Unfall, Selbstmord oder Mord bleibt lange unklar – und die örtliche Polizei (die aus einem Mann und einer Frau besteht) bemüht sich auch redlich um Aufklärung. Der Schluss wartet dann mit einer Überraschung auf, die die Geschichte noch recht spannend macht, die aber nach meinem Empfinden nicht zu dem zuvor geschilderten Charakter der betreffenden Person passen will.

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