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Veröffentlicht am 08.11.2017

Ein tiefgründiger Krimi in der Weihnachtszeit

Tannenglühen
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"Wer sich einmal in den Fängen der Justiz befand, blieb verdächtig. Das war ein Makel, der dem Menschen anhaftete wie eine chronische Krankheit." Zitat Seite 126


Die Autorin ist promovierte Juristin ...

"Wer sich einmal in den Fängen der Justiz befand, blieb verdächtig. Das war ein Makel, der dem Menschen anhaftete wie eine chronische Krankheit." Zitat Seite 126


Die Autorin ist promovierte Juristin und so bringt sie auch über ihre Protagonistin Franziska Ferstl einiges an Fachwissen in die Handlung ein. Die Strafverteidigerin Ferstl informiert während ihrer Ermittlungen mehrfach über das Strafmaß, bestimmte Holding-Grundsätze und diverse juristische Fachbegriffe und das gibt dem Krimi ein sehr authentisches Bild.

Franziska ist fast 60, fährt eine Harley und ist eine starke Persönlichkeit, resolut und nicht besonders sympathisch. Sie ist eine Frau, die es gewohnt ist, sich zu behaupten und nicht schnell klein beigibt. Manchmal ist sie ein wenig arrogant und von oben herab. Doch das mag daran liegen, dass sie sich seit über 30 Jahren in dieser Männerdomäne behaupten musste. Auf jeden Fall setzt sie sich für ihren Kompagnon und langjährigen Freund Max aufopfernd ein. Auch zu ihrer Nichte und ihrem Neffen hat sie ein freundschaftliches Verhältnis.


Die Charaktere sind gut beschrieben, es gibt auch Figuren, denen man nicht über den Weg trauen würde und einige, die ihre eigenen Vorteile und Interessen rigoros durchsetzen wie Bianca oder der russische Mafia-Chef. Ich konnte besonders mit Gerti und Tinchen gut mitfühlen.


Vom Schreibstil her liest sich alles sehr flüssig, es gibt unterhaltsame Passagen aus dem Privatleben Franzis und einige schwierige Tathintergründe, die tief in kriminelle Offshore-Geschäfte hinein gehen, aber gut verständlich gemacht werden.


Ich habe die Ermittlungen interessiert mitverfolgt, die Spannungskurve bleibt auf einem mittelmäßigen Level, es ist nicht unbedingt ein Nervenkitzel zu spüren.

Was ich besonders vermisst habe, ist die weihnachtliche Atmosphäre, die diesen Krimi untermalen sollte. Bis auf die Tatwaffe, eine Tannenbaum-Lichterkette und einige weihnachtlich anmutende Getränke wie Glühwein und Punsch, sowie die Spitzbuben von Gerti und Eierlikörkugeln, zu denen es übrigens in Anhang die passenden Rezepte gibt, fehlt mir hier der Bezug zum Fest. Das hätte man etwas stimmungsvoller einbauen können.



Diesen Krimi kann ich jedem weiterempfehlen, der tiefgründige und spannende Geschichten mag.

Veröffentlicht am 05.11.2017

Zeitgeist, Sprache und Boxerszene wirken authentisch

Fat City
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"An El Dorado...standen an den warmen Sommerabenden Hunderte von Erntehelfern und Arbeitslosen herum. Sie unterhielten sich, schauten herum, ließen sich von einer Bar in die nächste treiben, in Spielhallen, ...

"An El Dorado...standen an den warmen Sommerabenden Hunderte von Erntehelfern und Arbeitslosen herum. Sie unterhielten sich, schauten herum, ließen sich von einer Bar in die nächste treiben, in Spielhallen, Imbissbuden, Billardsalons, Schnapsläden und Kinos..." Zitat Seite 105

Billy Tully ist einer von vielen, die ihrem Wunsch nach dem großen Glück hinterherrennen. Fat City ist sein Ziel. Er versucht es mit Boxen, hat Erfolg, dann aber wieder eine Durststrecke von Niederlagen zu überstehen. Auch seine Beziehungen zu Frauen sind nicht von Dauer. Die große Liebe erkennt er erst, als es dafür zu spät ist.

Das Buch ist in einer melancholisch klingenden Sprache verfasst und es liest sich dem Zeitgeist entsprechend sehr stimmig, am Beispiel einiger junger Männer werden die Probleme von Tagelöhnern und Erntehelfern spürbar deutlich gemacht. Sie brauchen Geld, nehmen jede Arbeit auf, um über die Runden zu kommen und versaufen dann ihr hart verdientes Geld oder gehen in den Spielsalon. Ein wahrer Teufelskreislauf für den, der sich hier nicht im Griff hat.

Die Übersetzung finde ich super gelungen, man spürt nicht nur den Zeitgeist, sondern hört auch die einfache und grobe Sprache der Kalifornischen Arbeiter. Man sieht die Tagelöhner in großen Pulks nach Jobs anstehen und erlebt die schwere körperliche Arbeit authentisch mit. Besonders die Boxszenen wirken sehr realistisch und man meint, direkt am Ring dem Kampf zuzuschauen. Jedoch erscheint mir die gesamte Story als zu trist. Der Traum vom Glück zerplatzt wie eine Seifenblase, der Protagonist bleibt mit seinen Träumen auf der Strecke. So hart schlägt das Leben zu, die Suche nach dem persönlichem Glück verliert sich irgendwo zwischen Boxring, Hilfsarbeiterjobs und Sauftouren. Auch mit den Frauen hat er kein Glück, zu unstet ist sein Charakter, zu wage sein Gefühl für eine dauerhafte Bindung.

Es ist nicht nur ein amerikanischer Traum, von ganz unten nach oben zu gelangen. Vom Tellerwäscher zum Millionär, dieses Ziel ist zu schaffen. Wie aktuell diese Thematik ist, das merkt man gerade in der heutigen Zeit wieder nur allzu deutlich.
Für bildungsarme Schichten bieten sich gerade im Sport viele Chancen, den Sprung nach oben zu gewinnen. Wer hier Erfolge zeigt, kann es schaffen, sich seinen sicheren Platz im Leben zu erkämpfen. Aber auch wer einmal oben war, kann umso tiefer wieder fallen. Jedoch, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Diese interessante Milieustudie aus Amerika zeigt Menschen mit der Hoffnung auf das persönliche Glück, sie wollen den Weg von ganz unten nach oben zu schaffen.

Veröffentlicht am 05.11.2017

Sehr unterhaltsamer Urlaubskrimi aus der Normandie, der Küche, Land und Leute vorstellt

Kein Tag für Jakobsmuscheln
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Nachdem mir die Lektüre des dritten Bandes "Bitterer Calvados" so gut gefallen hat, habe ich nun den ersten Band gelesen. Schliesslich möchte ich doch wissen, wie Kommissar Lebland und Marie den ersten ...

Nachdem mir die Lektüre des dritten Bandes "Bitterer Calvados" so gut gefallen hat, habe ich nun den ersten Band gelesen. Schliesslich möchte ich doch wissen, wie Kommissar Lebland und Marie den ersten Fall gemeinsam angingen. Die Autorin zeigt die Normandie mit atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen und auch die legendäre Küche der Gegend. Ich fühle mich wie im Urlaub und lese begeistert was so an Köstlichkeiten auf den Tisch kommt.

Der flüssige Schreibstil der Autorin führt angenehm erzählend durch die Gegend und neben der, zugegeben etwas unterschwellig agierenden Krimispannung, sind es die Personen, die hier besonders hervorstechen. Der Kommissar ist ein Fillou, ein Weiberheld, jedoch leidet er an einem Trauma, dass ihm gerade nachts schwer zu schaffen macht.

Gut zum inhaltlichen Kontext passen ausserdem die Informationen über Fischfang, Überfischung der Meere, Fischzucht und die Geschäftemacherei der großen Konzerne, denn es erwischt einen Fischindustriellen, der seinen Reichtum in Saus und Braus verlebt.
Dieser Krimi ist genau das Richtige für Normandie-Fans oder für einen unterhaltsamen Urlaubstag am Meer. Man erfährt nebenbei, was alles aus dem Meer auf den Tisch kommt und die Krimihintergründe sind zwar eher schmückendes Beiwerk, aber sie runden das Ganze ab.

Veröffentlicht am 05.11.2017

Eine weitere Folge der Ostfrieslandkrimiserie, die mich gut unterhalten hat.

Mordskuss. Ostfrieslandkrimi
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Nach dem ersten Band "Tod am Deich" war ich gespannt, wie es mit dem Ermittlerteam Anders und Stern weitergeht.

Wieder gefällt mir Fenna Stern mit ihrer ruhigen Art recht gut, sie ist einfühlsam und ...

Nach dem ersten Band "Tod am Deich" war ich gespannt, wie es mit dem Ermittlerteam Anders und Stern weitergeht.

Wieder gefällt mir Fenna Stern mit ihrer ruhigen Art recht gut, sie ist einfühlsam und geht bei ihren Befragungen sensibel vor. Sie verlässt sich aber auch auf den, wenn es sein muss, derben Ton ihres Kollegen Tammo, der schon mal ein Machtwort spricht und rüde Personen in die Schranken weist. Man merkt, wie sie sich privat immer sympathischer werden und näher zusammenwachsen. Tammo ist dabei schon etwas zurückhaltend, der Ostfriese in ihm ist halt nicht so feurig. Dazu passt gut der Hund Buddy, sozusagen als Dritter im Bunde.

Zum Kriminalfall möchte ich anmerken, dass mir die Idee, aus einem Liebeshotel eine Mörderfalle zu machen, ausgesprochen gut gefällt. Da suchen Singles einen Lebenspartner und die große Liebe und finden eher Eifersucht, Zank und Hass.
In diesem Krimi gibt es zwar brutale Tathergänge, diese werden aber ziemlich unblutig geschildert.
Die meisten Charaktere finde ich sehr unterhaltsam und vielseitig, man kann sich gut in sie hineindenken und jeder für sich könnte ein Täter sein, soviel steht schon mal fest. Aber es gibt doch einige geschickte Schachzüge, die dann doch erst zum Ende eindeutig auf den Täter hinweisen.

Ulrike Buschs Schreibstil liest sich angenehm leicht und gängig und ihre Dialoge wirken sehr natürlich und lebensnah. Man kann der Handlung leicht folgen, die Personen sind gut gezeichnet und man kann sie gut einordnen.
Auch das Setting hat man durch einige stimmungsvolle Beschreibungen authentisch und gut vor Augen. Den regionalen Touch erhält die Story durch die tollen Cafés mit Friesentorte, Tee mit Kluntje, sowie den sagenhaften Krabben- und Fischbrötchen der Gegend. Da bekommt man richtig Urlaubssehnsucht nach der Nordsee.
Der Kussabdruck hat mich als einzige Sache etwas verwundert, denn dazu gehört schon etwas Überwindung, dem Opfer noch einen Kuss zu verpassen.

Mit diesem Krimi träumt man sich trotz der Morde nach Ostfriesland. Es ist interessant zu sehen, wie die Ermittler sich auch privat näher kommen und zu welchen Gefühlen Menschen bei der Partnersuche fähig sein können.

Veröffentlicht am 05.11.2017

Witzig, schräg, abwechslungsreich und leicht abgedreht, so unterhält dieser Frauenroman!

Anfang 40 - Ende offen
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"Mit dem Alter ist das so eine Sache... 50 ist die neue 30, 70 ist das neue 50." Zitat Seite 7

Bei diesem Buch musste ich häufig schmunzeln, denn die Protagonistin ist zwar im Alter der beginnenden Wechseljahre, ...

"Mit dem Alter ist das so eine Sache... 50 ist die neue 30, 70 ist das neue 50." Zitat Seite 7

Bei diesem Buch musste ich häufig schmunzeln, denn die Protagonistin ist zwar im Alter der beginnenden Wechseljahre, erlebt die ganze Palette von Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen, aber sie benimmt sich noch lange nicht angepasst und abgeklärt. Sie erlebt einen Neuanfang, den sie sich so nicht gewünscht bzw. in ihren kühnsten Träumen vorgestellt hatte. Sind das jetzt schon die Auswirkungen von Hormonstörungen oder ist Vera einfach nur eine abgedrehte Type, frage ich mich mehrfach.
Doch Veras Leben wird durch einige Veränderungen völlig auf den Kopf gestellt und sie hinterfragt dabei schon ihre weiteren Vorhaben und Lebensziele. Sie macht es sich nicht leicht, ergreift ihre Chance auf ein ganz besonderes Glück und kommt damit nicht bei allen gut an.
Ich kann mich zwar nicht mit Veras Person identifizieren, aber ich bewundere sie für ihren Mut. Wenn die Midlife-Crisis einen Neubeginn auslöst, muss man das Beste draus machen und das tut Vera. Für sie ist das ein chaotischer Lebensabschnitt, für mich als Leserin einfach nur humorvoll und absolut unterhaltsam.

Von allen Charakteren sind besonders die Freundin Ursel und Tochter Greta sehr liebenswert dargestellt und genauso wünscht man sich Freundin und Tochter.

Auch wenn sich die Handlung etwas in die Länge zieht und ich mir so ein Leben nicht persönlich wünsche, so hat mir doch die Umsetzung des Themas ältere Frau mit jüngerem Mann gut gefallen und ich wurde gut unterhalten.
Man erlebt mit Vera ständig neue Katastrophen und dennoch behält sie die Fassung, nimmt ihr Leben und das der anderen Beteiligten in die Hand und zieht es durch, ihren Neuanfang mit neuem Glück.

Dieser Roman soll Frauen nicht nur unterhalten, er soll ihnen auch Mut zusprechen, in Krisensituationen nicht zu verzagen, sondern auf das Glück zu hoffen und es gegebenenfalls auch zu ergreifen.