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Veröffentlicht am 12.08.2024

So gut! Ein typischer Russo

Diese gottverdammten Träume
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DIESE GOTTVERDAMMTEN TRÄUME
Richard Russo


Empire Falls ist eine Kleinstadt in Maine, die in den 60er-Jahren florierte. Heute bestimmen Arbeitslosigkeit und Depression das Leben der Bürger.
Miles Roby, ...

DIESE GOTTVERDAMMTEN TRÄUME
Richard Russo


Empire Falls ist eine Kleinstadt in Maine, die in den 60er-Jahren florierte. Heute bestimmen Arbeitslosigkeit und Depression das Leben der Bürger.
Miles Roby, unser Hauptprotagonist, betreibt hier einen Diner, der seine besten Jahre hinter sich hat. Doch diese Tatsache stört Miles nicht. Überhaupt stört ihn wenig. Er ist gelassen und ruht nicht nur in sich, sondern nimmt es auch als gegeben hin, dass es gerade nicht so gut für ihn läuft:
Seine Frau Janine ist mit einem aufgeblasenen Muskelprotz durchgebrannt. Sein Haus wurde von genau diesem Mann als dessen Eigentum annektiert. Der neue Freund seiner Tochter ist ausgerechnet der Sohn des Dorfpolizisten und ehemaligen Nachbarn, dem er seit Jahren versucht, aus dem Wege zu gehen - er ist hinterlistig und weist misogyne Züge auf. Seine Jugendliebe Charlene hält ihn geflissentlich auf Abstand und sein eigenes Libido scheint im Keller verschwunden zu sein.
Und zu allem Überfluss klaut sein ewig klammer Vater die letzten Dollars aus seinem Handschuhfach.
Was das alles miteinander zu tun hat und was das zur Folge haben wird, müsst ihr selber herausfinden.

Ach was ist das wieder für ein typischer Russo. So wie John Irving sein New Hampshire und den Bären braucht, geht es bei Russo nicht ohne eine heruntergekommene Kleinstadt und eine Bar mit seinen schrulligen Stammgästen. Ich liebe diese verlässlichen Komponenten.
Während man sich wie so oft zu Beginn ein wenig durch die Seiten kämpfen muss, kann man zum Ende nicht aufhören zu lesen.
Es ist dieser minutiöse Schreibstil, der mich einfängt, diese Fäden, die Russo spinnt und sie später zu einem großen Ganzen verwebt - gepaart mit feinem Humor und ironischen Anekdoten.

Ich habe mich wieder einmal köstlich unterhalten gefühlt und empfehle euch dieses Buch, welches mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde.
Herzlichen Glückwunsch von mir lieber Richard Russo.
4½ / 5

Die Originalausgabe erschien 2001 unter dem Titel „Empire Falls“ bei Alfred A. Knopf, New York.
Die deutsche Erstausgabe erschien 2016 im DuMont Buchverlag.

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Veröffentlicht am 09.08.2024

So toll gesprochen!

Am Himmel die Flüsse
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Im letzten Monat durfte ich das Buch (erschienen im CarlHanser Verlag) lesen.

AM HIMMEL DIE FLÜSSE
Elif Shafak

Aber irgendwie ließ mich die Geschichte nicht los: diese Ungerechtigkeit und das ganze Leid, ...

Im letzten Monat durfte ich das Buch (erschienen im CarlHanser Verlag) lesen.

AM HIMMEL DIE FLÜSSE
Elif Shafak

Aber irgendwie ließ mich die Geschichte nicht los: diese Ungerechtigkeit und das ganze Leid, was den Jesiden widerfahren ist - und dann wollte ich eigentlich nur mal ins Hörbuch reinhören, aber die Stimme der Sprecherin Pegah Ferydoni, ihr Erzähltempo und die Aussprache der eher ungewöhnlichen Namen faszinierte mich dann so sehr, dass ich einfach weiterhören musste. Herzlichen Dank an dieser Stelle an den @argon und @netgalle . Das Hörbuch hat mich fast noch mehr bewegt als das Buch.


Kann sich Wasser erinnern? Hat Wasser ein Gedächtnis?
In diesem Buch gibt es einen Wassertropfen, der in unterschiedlichen Aggregatzuständen auftritt, an die verschiedensten Orte reist, dort Personen besucht und unsere Handlungsstränge verknüpft.

In der Urzeit ist Assurbanipal der Herrscher von Mesopotamien, dem Land, wo die Zivilisation entsteht. Er ist der stolze Besitzer einer großen Bibliothek, wo er diverse Ton- und Lehmtafeln hütet. Sein größter Schatz ist eine Lapislazuliplatte. Hier in Mesopotamien schreibt man in der nicht sehr verbreiteten Keilschrift.

1850: Arthur wird als Sohn der Müllsammlerin, einer sogenannten "Tosher" und einem Taugenichts im Londoner Elendsviertel geboren.
Er ist ein hochbegabter Junge, der einige Talente und ein hervorragendes Gedächtnis besitzt.
Später stellt sich heraus, dass er die Keilschrift der alten assyrischen Kultur entziffern kann.

Wir begleiten die junge 9-jährige ezidische (jesiden) Narin, die 2014 in der Türkei lebt und am Tigris nach traditionellen Riten getauft werden soll. Des Öfteren wird ihr Stamm, der eine Minderheit darstellt, als Teufelsanbeter beschimpft. Der Bau des Ilisu-Staudamms bedroht ihre Familie und zwingt die ezidische Gemeinschaft, deren Zuhause zu verlassen.

Und dann ist da noch die Hydrologin Zaleekah, die Tochter einer Einwanderin aus dem Nahen Osten. Wegen des frühen Todes ihrer Eltern war sie gezwungen, bei dem patriarchalischen Onkel zu wohnen. Aus dieser Zeit ist sie schwer traumatisiert.

In poetischer Sprache, gespickt mit historischen Ereignissen, verwebt Elif Shafak geschickt wichtige Themen:
Es geht um Vertreibung der Eziden und um die Verschmutzung der Flüsse.

Nicht jeder Erzählstrang konnte mich gleichermaßen fesseln, dennoch war es ein gelungenes Leseerlebnis. Ganz besonders berührt hat mich das IS-Massaker an der jesidischen Glaubensgemeinschaft im Jahr 2014. Für mich war es das erste Buch der preisgekrönten Autorin und sicherlich nicht das letzte.
4½ / 5

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Veröffentlicht am 01.08.2024

Skurril und ganz anders - aber toll!

Bleib
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BLEIB
Adeline Dieudonné

Gerade bekam ich einen Brief von ihr. Sie erzählte mir, dass sie die Geliebte meines Mannes, M., sei - ihn liebt - eigentlich liebte, denn er ist tot.
Sie waren übers Wochenende ...

BLEIB
Adeline Dieudonné

Gerade bekam ich einen Brief von ihr. Sie erzählte mir, dass sie die Geliebte meines Mannes, M., sei - ihn liebt - eigentlich liebte, denn er ist tot.
Sie waren übers Wochenende gemeinsam im Chalet in den französischen Alpen, hatten sich den Abend zuvor geliebt und Wein getrunken - ohne zu wissen, dass es ihr letztes Mal war.
Sie sagte, M. hätte immer gut von mir gesprochen, liebevoll, aber irgendwann hätte sich unsere Beziehung verändert.
Jetzt war sie seit acht Jahren an seiner Seite, hatten sich hinter meinem Rücken getroffen, wann immer es passte. Meistens am Nachmittag, selten verbrachten sie eine gemeinsame Nacht.
Heute Morgen machte sie ihm Frühstück, spülte die Weingläser von gestern Abend ab, während er im See schwamm und sie nicht wusste, dass sie die letzten Spuren seiner Lippen an dem Weinglas entfernte.
Erst dann guckte sie aus dem Fenster und sah seinen leblosen Körper im See treiben, mit dem Gesicht nach unten.

Die Geliebte, unsere Protagonistin, kann sich nicht von ihm trennen, wäscht ihn, zieht ihn an und fährt mit ihm ohne ein Ziel vor Augen los - schläft neben ihm, streichelt und liebkost ihn.
In Rückblicken erfahren wir, wie sie ihn kennenlernte und wie ihr Leben zuvor verlief. Nebenbei schreibt sie zwei Briefe an seine Frau.

Was für eine eigenwillige Liebesgeschichte. Auch wenn alles ein wenig skurril war, konnte mich die Geschichte voll in seinen Bann ziehen.
Es war mein erstes Buch der Autorin - angezogen von diesem wunderschönen Cover bin ich ganz unbedarft zu diesem Buch gekommen und wurde nicht enttäuscht.
Es ist die Geschichte einer Frau, die Angst vor dem Alleinsein hat und nur durch die Anwesenheit eines Mannes sich als Ganzes fühlt.

„Man vergisst immer, Danke zu sagen, man sagt „ich liebe dich“, und glaubt, das genügt.“ (S.244)

Von mir gibt es eine Leseempfehlung.
4½/ 5

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Veröffentlicht am 31.07.2024

Sehr berührend!

Die Geschichten in uns
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DIE GESCHICHTE IN UNS: VOM SCHREIBEN UND VOM LEBEN
Bendict Wells

In dem ersten Teil seines neuesten Buches erzählt Benedict Wells uns von seiner schwierigen Kindheit: von seinem Vater, der nie Geld besaß, ...

DIE GESCHICHTE IN UNS: VOM SCHREIBEN UND VOM LEBEN
Bendict Wells

In dem ersten Teil seines neuesten Buches erzählt Benedict Wells uns von seiner schwierigen Kindheit: von seinem Vater, der nie Geld besaß, es aber stets mit vollen Händen ausgab und von seiner bipolaren Mutter, die des Öfteren in die Psychiatrie eingewiesen werden musste. Von der frühen Trennung der Eltern, von dem Umzug in die Schweiz und wieder zurück nach Deutschland und von den diversen Heimen, in denen der Autor aufwuchs.
Wells wusste früh, dass er Bücher schreiben möchte. Und so lehnte er es nach dem Abitur ab, zu studieren, zog nach Berlin und widmete sich fortan der Schreibkunst.

Doch wie schafft es ein Benedict Wells, solche ergreifenden Bücher zu schreiben?
Hat er es im Blut? Oder hat auch ein Wells Schreibblockaden?

„Doch mein wichtigster Schlüssel beim Schreiben ist Musik. Die traurige Wahrheit ist, dass ich derartig verkopft bin, dass ich stundenlang über Gefühle reden könnte, ohne wirklich zu fühlen, erst Musik stellt diese emotionale Verbindung her."

Im zweiten Teil erzählt uns der Autor über seine Schreibprozesse:
Wie es von dem ersten Funken einer Idee bis zu der Veröffentlichung eines Buches kommt. Dazwischen liegen bei ihm allerdings ein paar Jahre. Jahre des Umformulierens, des Überarbeitens und des Streichens vieler Textpassagen. Schnell kann aus einem ersten Entwurf mit 1500 Seiten ein Buch mit gerade einmal 200 Seiten werden.
„Das Einzige, was man selbst in der Hand hatte, war das Durchhalten.“

Beim Lesen höre ich immer wieder heraus, wie sich der Autor zurücknimmt. Wie er sich am liebsten für seinen Erfolg entschuldigen möchte, denn zum Erfolg gehört auch Glück - Glück von einem Verlag entdeckt und verlegt zu werden.

Dieses Buch ist kein Schreibratgeber, aber er regt zum Schreiben an und motiviert diejenigen zum Durchhalten, die es gerade versuchen.
Mit Humor verweist er auf Texte und Filme von anderen Autoren, die ihn inspirierten. Zitate lassen uns schmunzeln und ganz nebenbei stelle ich fest, dass Wells und ich dieselben Bücher mögen (inklusive The Breakfast Club, der damals unser Kult-Film war).
Ich habe dieses ehrliche und sympathische Buch unglaublich gerne gelesen!
Solltet ihr seine Bücher allerdings noch nicht kennen, empfehle ich euch, erst mit einem seiner früheren Werke zu beginnen, da er sich sehr oft auf diese bezieht.
Große Leseempfehlung und ein MUSS für alle #buchnerds
4½/ 5

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Veröffentlicht am 27.06.2024

Guter Auftakt einer fantasievollen Buchreihe ...

Dragon Girls – Azmina, der Golddrache
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DRAGON GIRLS
Azmina, der Golddrache
Maddy Mara

Azmina ist gerade aus der Stadt hierher gezogen - in ein Haus mit Garten und Wald.
Eigentlich ist sie ja ein richtiges Stadtmädchen und würde normalerweise ...

DRAGON GIRLS
Azmina, der Golddrache
Maddy Mara

Azmina ist gerade aus der Stadt hierher gezogen - in ein Haus mit Garten und Wald.
Eigentlich ist sie ja ein richtiges Stadtmädchen und würde normalerweise nicht im Garten im Gras liegen. Dafür hätte sie nie und nimmer Zeit gehabt, aber hier hat sie noch keine Freundinnen.
Auf einmal hört sie in weiter Ferne einen Reim. Magisch angezogen von diesen immer wiederkehrenden Worten, findet sie sich auf einmal im Wald wieder, wo sie den Reim mitspricht und sich in einen wunderschönen goldfarbenen Drachen verwandelt.
Im Wald trifft sie auf zwei weitere Drachen. Einer ist wunderschön silberfarben und der andere hat die Farben eines Regenbogens. Erfreut stellt Azima fest, dass diese zwei Drachen Willa und Naomi, zwei Mädchen aus ihrer neuen Klasse sind.

Azima erfährt von den anderen Mädchen, dass sie, die Dragon Girls von der Baumkönigin in den Zauberwald gerufen wurden. Sie sollen ihr bei einer Mission helfen: Schattenkobolde wollen den Sonnenschein, das Mondlicht und sämtliche Farben stehlen - sie wollen den Wald in einen grauen Ort verwandeln.
Nur ein Zaubertrank kann den Wald vor den Schattenkobolden retten.
Ob die Dragon Girls es schaffen, die Zutaten für den Zaubertrank zu finden und was für Abenteuer sie dabei erleben, müsst ihre allerdings selber herausfinden.

Was für eine fantasievolle Geschichte!
Azmina gefiel mir als Protagonistin sehr gut. Der freundliche und zurückhaltende Charakter wurde sehr gut herausgearbeitet. Der Spannungsbogen hätte ein wenig mehr sein dürfen, aber ist dem Lesealter ab 7 Jahren bestimmt angepasst.
Ein liebes Buch, wo ich mich auf die Fortsetzung freue und ganz große #coverliebe
4½/ 5

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