„Der Silberbaum – Die siebente Tugend“ von Sabine Ebert ist ein opulentes Festmahl für alle Freunde historischer Romane, gewürzt mit einer großzügigen Portion Mittelalter-Flair. In diesem Roman schnappt sich Ebert die Taschenlampe der Geschichte und leuchtet in die dunklen Ecken des 13. Jahrhunderts, wobei sie uns auf eine Reise durch das Leben von Heinrich dem Erlauchten, dem Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen, mitnimmt.
Das Buch beginnt mit einem Knaller – oder eher mit einem Kind: Heinrich ist gerade mal drei Jahre alt, als er in die großen Ritterstiefel seines Vaters treten muss. Die ersten 400 Seiten des Romans gleichen einem mittelalterlichen „Kevin allein zu Haus“, nur dass Kevin ein kleiner Markgraf ist und statt Einbrechern mit ehrgeizigen Onkeln und machthungrigen Adligen fertig werden muss. Ebert webt eine fesselnde Erzählung, die sowohl historische Persönlichkeiten wie die heilige Elisabeth von Thüringen, als auch fiktive Figuren einschließt, die dem Ganzen eine herzhafte Prise Unterhaltung hinzufügen.
Eberts Stil ist wie ein guter Minnesang: eingängig, manchmal etwas pathetisch, aber stets faszinierend. Sie zeichnet ihre Charaktere mit einer solchen Liebe zum Detail, dass man fast erwarten würde, ihnen beim nächsten Mittelaltermarkt persönlich zu begegnen. Besonders interessant ist der Umgang der Autorin mit den weiblichen Figuren. In einer Zeit, in der Frauen meistens als Randfiguren der Geschichte auftauchen, gibt Ebert ihnen eine Stimme – und was für eine!
Allerdings, und hier kommt der kleine Wermutstropfen ins mittelalterliche Bier, hat das Buch auch seine Längen. Bei fast 500 Seiten scheint es, als wäre Ebert manchmal selbst in den verwinkelten Gängen ihrer Erzählungen verloren gegangen. Einige Nebenstränge wirken überladen und könnten ein wenig Straffung vertragen. Doch diese kleinen Schwächen werden durch den Reichtum der Erzählung mehr als ausgeglichen.
„Der Silberbaum“ ist nicht nur ein historischer Roman, es ist auch ein Abenteuer, das uns durch die Höhen und Tiefen des mittelalterlichen Lebens führt. Eberts Fähigkeit, historische Fakten mit fiktiven Erzählungen zu verweben, ist beeindruckend. Sie hat ein Händchen dafür, die Geschichte lebendig und zugänglich zu machen, selbst für diejenigen, die normalerweise nicht mit historischen Romanen liebäugeln.
Insgesamt ist „Der Silberbaum – Die siebente Tugend“ ein prächtiges Tapezierstück aus historischer Genauigkeit, spannender Erzählung und charismatischen Charakteren. Sabine Ebert schafft es, den Leser in eine längst vergangene Welt zu entführen, die sowohl fremd als auch seltsam vertraut erscheint. Ein Muss für jeden, der sich für die Komplexität und die Dramatik des Mittelalters interessiert – oder einfach ein gutes Buch sucht, um sich in die Kissen zu kuscheln und in vergangene Zeiten zu träumen.