London 1940: Um ihre elfjährige Tochter vor Luftangriffen zu schützen, beschließen die Thompsons schweren Herzens, Beatrix für ungewisse Zeit zu einer Gastfamilie in die USA zu schicken. Nach der langen Schiffspassage trifft Bea wütend und verängstigt in Boston ein, aber schon bald fühlt sie sich bei den Gregorys zu Hause, während ihre Erinnerungen an das Leben in England langsam verblassen. Mit ihren Gasteltern und deren Söhnen William und Gerald teilt Bea nicht nur ihren neuen Alltag, sondern verbringt auch unvergessliche Sommer im Ferienhaus der Familie in Maine. Doch ausgerechnet als Bea sich zu fragen beginnt, ob William mehr für sie sein könnte als ein Bruder, kommt der Tag, an dem sie nach London zurückkehren muss ...
Erzählt wird die Geschichte der anfangs elfjährigen Beatrix. Wegen der Fliegerangriffe der Deutschen auf das britische Festland und der Sorge der Eltern vor einer Invasion des Feindes wird die Tochter ...
Erzählt wird die Geschichte der anfangs elfjährigen Beatrix. Wegen der Fliegerangriffe der Deutschen auf das britische Festland und der Sorge der Eltern vor einer Invasion des Feindes wird die Tochter in eine Gastfamilie in den USA "verschickt". Da der Krieg um einiges länger als erwartet dauert bleibt das Mädchen fünf lange Jahre in der Fremde. Mit der Zeit wird sie zu einem Mitglied der fremden Familie, zur Ziehschwester der halbwüchsigen Söhne. Nur durch Briefe hält sie Kontakt zur Mutter, der es schwer fällt, die Tochter so weit weg bei einer anderen Familie zu wissen.
Das Buch verfolgt die Darsteller über viele Jahre. Wechselnde Perspektiven geben Einblick in die Gefühlswelt der Menschen und man kann gut nachvollziehen, wie sich sie sich mit der Situation erst abfinden mussten und es dann dem Mädchen und den Familien schwer fällt, als der Krieg zu Ende ist und Beatrix wieder zurück nach England reist.
Eine berührend erzählte Geschichte, die mir gut gefallen hat.
Als im September 1940 die Deutsche Luftwaffe die ersten Luftangriffe gegen London fliegt, beschließen zahlreiche englische Familien ihre Kinder nicht nur innerhalb des Vereinigten Königreiche sondern ...
Als im September 1940 die Deutsche Luftwaffe die ersten Luftangriffe gegen London fliegt, beschließen zahlreiche englische Familien ihre Kinder nicht nur innerhalb des Vereinigten Königreiche sondern auch in die sicheren USA zu evakuieren.
Die 11-jährige Beatrix Thompson ist eines davon, obwohl sich ihre Eltern Millie und Reginald nicht ganz einig sind. Nach einer aufregenden Schiffsreise wird Beatrix von der Familie Gregory in Boston aufgenommen. Das Mädchen ist in bescheidenen Verhältnissen in London aufgewachsen und findet nun bei ihrer Gastfamilie unbekannten Luxus vor. Sie darf täglich baden, hat ein eigenes Zimmer für sich und bekommt reichlich zu essen. Im Sommer fährt man nach Maine, wo die Familie ein Sommerhaus auf einer kleinen Insel besitzt. Die Gregorys, allen voran die Brüder William und Gerald werden zu einer zweiten Familie.
Aus dem ursprünglich für wenige Monate gedachten Aufenthalt werden 5 Jahre, in denen die Erinnerung an London manchmal verblasst. Der Krieg in Europa, der Tod des Vaters - als das ist weit weg, obwohl Bea und ihre Mutter in regem Briefkontakt stehen.
Die lange Trennung ist weder an Bea noch an ihrer Mutter Millie spurlos vorübergegangen. Denn Bea kann es ihrer Mutter nicht verzeihen, sie zu Beginn des Krieges in die unbekannte Fremde abgeschoben zu haben.
Meine Meinung:
Dass Kinder aus jenen Städten wie Coventry und London, die in der Reichweite der Deutschen Luftwaffe lagen, innerhalb des Vereinigten Königreichs evakuiert worden sind, ist mir bekannt. Unter diesen Kindern waren auch Tausende jüdische Kinder, die mittels der sogenannten Kindertransporte aus Nazi-Deutschland und Österreich gerettet wurden. Nicht gewusst habe ich, dass Kinder aus englischen Familien zu Gasteltern in die USA geschickt worden sind.
Beatrix ist eines dieser Kinder, die mutterseelenallein auf die weite Reise ins Ungewisse geschickt werden. Immer mit dem Gedanken, wie ein Paket abgeschoben zu werden. Fünf Jahre im Leben eines Kindes sind eine sehr lange Zeit. Dass sich auch die erwachsene Bea keiner der beiden Welten so richtig zugehörig fühlt, ist wohl verständlich. Das Verhältnis zu ihrer leiblichen Mutter ist angespannt, da sie in Beas Abwesenheit wieder geheiratet hat. Der Versuch, die verlorenen Jahre aufzuholen, ist von Beginn an zum Scheitern verurteilt.
Die Geschichte wird eher sachlich, aber dennoch sehr liebevoll erzählt. Wir dürfen an Bea aufwachsen sehen, an Gedanken und Zweifel teilhaben. Doch es ist nicht ausschließlich Beas Perspektive sondern auch jene der anderen Beteiligten: Nancy und Ethan Gregory, die Brüder William und Gerald, die sich beide in ihre Ziehschwester verlieben sowie Beas leibliche Eltern Millie und Reginald Thompson. Die Blickwinkel der unterschiedlichen Figuren geben einen umfassenden Eindruck über das Geschehen während des Kriegs und der vielen Jahre danach. Die Zeiträumesind gut gewählt und zeigen die weitere Entwicklung der Personen.
Die Charaktere sind ausgesprochen gut herausgearbeitet. Wir Leser dürfen an ihren Gedanken, Wünschen und Zweifeln teilhaben. Spannend ist der Vergleich zwischen den beiden Müttern: Da ist zum einen Nancy, die US-Mama, die neben ihren beiden Söhnen gerne eine Tochter gehabt hätte, und all ihre Liebe in das einsame Mädchen steckt, und zum anderen Millie, Beas leibliche Mutter, die ihre Tochter mehr liebt, als sie zeigen kann. So wirkt das eine Verhältnis sehr liebevoll, das andere recht reserviert.
Fazit:
Gerne gebe ich diesem Roman, der ein bislang wenig bekanntes Kapitel des Zweiten Weltkriegs behandelt, 4 Sterne.
London 1940: die elfjährige Beatrix und ihre Eltern fürchten sich vor den immer mehr werdenden Bombenangriffen in der Stadt. Deshalb wird beschlossen, dass ihre Tochter in die USA verschickt wird, um dort ...
London 1940: die elfjährige Beatrix und ihre Eltern fürchten sich vor den immer mehr werdenden Bombenangriffen in der Stadt. Deshalb wird beschlossen, dass ihre Tochter in die USA verschickt wird, um dort in Sicherheit das Ende des Krieges abzuwarten. Das Mädchen landet bei den Gregorys, einer mittelständischen Familie mit zwei Söhnen, die sie herzlich aufnimmt. Sie verbringt fünf Jahre bei ihnen und die Zeit prägt sie nachhaltig. Zurück in London wird der Kontakt zu und die Berührungspunkte mit ihrer amerikanischen Gastfamilie immer weniger, doch das Schicksal wird sie wieder zusammenbringen...
Der Debutroman von Laura Spence-Ash verspricht eine wohlige Familiengeschichte zwischen England und den USA. Über einen Zeitraum von 37 Jahren lernen wir die verschiedenen Protagonist:innen kennen - neben Beatrix spielen die beiden Gastfamilienbrüder William und Gerald eine wesentliche Rolle, aber auch die Eltern beider Familien sowie in späterer Folge auch die Ehefrau von William. In kurzen Erzählepisoden werden Ereignisse aus der Sicht der verschiedenen Charaktere geschildert, was angenehm und abwechslungsreich zu lesen ist. Die Sprache der Autorin gefällt mir wirklich gut, sie ist kurzweilig mit einem Hauch Melancholie und sie weiß starke Bilder zu erzeugen - besonders gelungen finde ich hier die geschaffene Atmosphäre auf der Sommerinsel in Maine, wo die Familie Gregory regelmäßig ihre Sommerferien verbringt. Ihr literarisches Talent beweist sie immer wieder durch wunderbare stilistische Kniffe, sei es sprachlich oder handwerklich gut gemachte Doppelungen und wiederkehrende Motive, wie beispielsweise das Meer.
Soviel zum Positiven. Leider hat mich der Roman aber enttäuscht. Das Thema, das Setting und der Buchtitel klangen für mich sehr interessant und ansprechend, aber bedauerlicherweise nervte mich das Erzählte über weite Strecken. Das hat vielerlei Gründe. Die Geschichte wird chronologisch erzählt, was ja grundsätzlich nichts schlechtes ist. Da der Roman aber nur 364 Seiten hat, können die 37 Jahre dementsprechend nur sehr peripher abgedeckt werden. Wie das die Autorin macht, hat mir so gar nicht gefallen. Die Zeitsprünge sind vollkommen willkürlich, oft werden den Leser:innen bevorstehende Ereignisse angekündigt, aber dann werden diese - häufig für den Fortgang der Geschichte wesentlichen - Vorkommnisse dann nur in ein oder zwei Sätzen im Rückblick nacherzählt. Zudem werden oft Themen angeschnitten, die dann einfach wieder fallen gelassen werden - man wartet vergebens darauf, eine Erklärung oder eine Auflösung für Geschildertes zu erhalten. Weiters sind gewisse Aussagen über den Handlungsverlauf oder die Charaktere widersprüchlich oder inkonsequent, was vermutlich mit einem akkuraterem Lektorat vermieden hätte werden können.
Schade finde ich auch, dass die Figuren für mich allesamt schwer zu greifen sind, da sie nur sehr oberflächlich beschrieben werden und es meist ausgelassen wurde, Schlüsselszenen direkt zu beschreiben (diese werden, wie oben bereits erwähnt, oft nur kurz im Nachhinein geschildert). Außerdem vollziehen die Personen des Öfteren überraschende und nicht näher erläuterte Charakterwandlungen, die größtenteils unglaubwürdig sind. Besonders zwei Charaktere, nämlich Beatrix Mutter Millie als auch Williams Frau Rose sind sehr schwarz-weiß gezeichnet, doch zum Wohle des harmonischen Ausgangs der Geschichte, vollziehen sie einen plötzlichen Sinneswandel, der aber auch nicht näher begründet wird. Oft blieb ich ratlos ob der unerklärten Handlungen einzelner Figuren zurück. Augenscheinlich ist auch, dass wirklich alle Protagonist:innen sehr in der Vergangenheit verhaftet sind und die "gute alte Zeit" (in diesem Fall wohl die fünf Jahre, die Beatrix bei den Gregorys in den USA verbrachte) zurück sehnen. Interessant wäre es vielleicht, das Buch mit dem englischen Original zu vergleichen in der Hoffnung, dass einige immer wiederkehrende und beinahe lustlos wirkende Wortwiederholungen (z.B. "schön" oder "bezaubernd") ein wenig "lost in translation" sind. Das Happy End stört mich nicht so sehr, auch wenn es durchaus vorhersehbar war.
Mein Fazit: "Und dahinter das Meer" ist ein sprachlich schön formulierter Roman, der etliche erzählerische Schwächen aufweist. Wer eine dahinplätschernde Wohlfühlgeschichte mag und sich nicht daran stört, dass die Stringenz zu wünschen übrig lässt, ist hier gut aufgehoben. Meinen Geschmack konnte das Buch leider nicht treffen.