Platzhalter für Profilbild

mabuerele

Lesejury Star
offline

mabuerele ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit mabuerele über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.11.2017

Vertauschtes Kind?

Kärntner Wiegenlied
0

„...Aber in unserer Gesellschaft ist für Menschen mit Problemen keine Zeit vorhanden...“

Rosner plagt sich seit Wochen damit herum, einen Einbrecher zu fassen. Der aber spielt mit der Polizei. Doch dann ...

„...Aber in unserer Gesellschaft ist für Menschen mit Problemen keine Zeit vorhanden...“

Rosner plagt sich seit Wochen damit herum, einen Einbrecher zu fassen. Der aber spielt mit der Polizei. Doch dann teilt ihm seine Freundin Alice mit, dass sie schwanger ist. Das gibt Rosner Hoffnung für seine private Zukunft.
In der Kinderklinik hat Helene ihren Sohn Max bekommen. Ihr Freund Sven ist Musiker und nimmt Drogen. Dass belastet Helene.Außerdem hat sie Angst, ihr Baby im Säuglingszimmer nicht wiederzuerkennen. Sie zählt immer die Betten ab. Die Marotte ist Gespräch im Schwesternzimmer. Wenige Tage später behauptet sie, das Kind, das man ihr gebracht habe, sei nicht Max. Keiner glaubt ihr. Die zuständige Säuglingsschwester, die Max kennt, hat gerade ein paar Tage Urlaub. Die anderen Schwestern haben den Jungen vorher nie gesehen.
Die Autorin hat einen spannenden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Der hohe Spannungsbogen wird nicht allein durch die abwechslungsreiche Handlung und den schnellen Wechsel der beiden miteinander verknüpften Handlungsstränge erzeugt, sondern vor allem durch die psychischen Aspekte der Handlung. Ein Handlungsstrang erzählt Helenes Geschichte in der Klinik, im zweiten steht Rosner im Mittelpunkt. Er hängt bei seinen Ermittlungen fest und hat Angst um Alice und das Kind, denn es droht eine Frühgeburt. Alice, die bis zum Geburtstermin in der Klinik bleiben muss, lernt dort Helene kennen.
Der Schriftstil unterstützt das fesselnde Geschehen. Rückblicke in Helenes Vergangenheit lassen erahnen, woher ihre Ängste kommen. Der zur Hilfe gerufenen Psychiater zeichnet sich nicht gerade durch viel Kompetenz aus. Er bescheinigt Helen einen Baby-Blues oder eine Schwangerschaftsdepression. Nach einem schwerwiegenden Vorfall lässt er sie in die Psychiatrie überweisen. Keiner auf der Station ist bereit, ihr zu glauben. Als Leser hatte ich schnell den Eindruck, dass die Klinik nach der Devise handelt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Doch Helene zeigt Größe. Sie nimmt das ihrer Meinung nach fremde Kind an und kümmert sich um den Jungen.
Mit Sven, Helenes Freund, hat die Autorin ebenfalls einen Protagonisten geschaffen, der psychische Probleme hat. Er zeigt für Helene kaum Verständnis, hat aber ein erstaunlich gutes Verhältnis zu seiner Oma. Schnell wird klar, dass er eigentlich an dem Kind kein Interesse hat. Er ist nie richtig erwachsen geworden.
Der Besuch von Rosner in der Klinik reißt alte Wunden auf. Er hat (in einem Vorgängerband) schon ein Kind verloren. Allein Alice gibt ihn Halt und verhindert, dass er erneut nach der Flasche greift.
Obiges Zitat bringt die Grundaussage des Buches auf den Punkt.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie zeigt, wie schnell man abgestempelt wird. Gut, dass Helene eine Kämpferin ist.

Veröffentlicht am 12.11.2017

Schatten der Vergangenheit

Der Zerberus-Schlüssel
0

„...Gehen Sie ganz rauf, da spielt die Musik. Bergner dirigiert, Dr. Sternberg spielt die erste Geige, und das Fußvolk versucht, das Tempo zu halten...“

Wir schreiben das Jahr 1989. Harald Gärtner erlebt ...

„...Gehen Sie ganz rauf, da spielt die Musik. Bergner dirigiert, Dr. Sternberg spielt die erste Geige, und das Fußvolk versucht, das Tempo zu halten...“

Wir schreiben das Jahr 1989. Harald Gärtner erlebt in Westberlin den Fall der Berliner Mauer. Dann erhält er einen Anruf. Er soll bleiben, wo er ist. Es fällt ein Satz, den damals sicher viele gedacht haben:
„...Auf diesen Fall hatte ihn niemand vorbereitet...“
Dann wechseln wir ins Jahr 2010. Alexander Reiter steigt in ein Haus in Wien ein. Er findet hunderte wertvolle Gemälde. Eins nimmt er mit, um es der Besitzerin zurück zu geben.
Es geht noch weiter zurück in die Vergangenheit. Der deutsche Kreuzer „Komet“ war auf den Weg durch die Nordost-Passage. An Bord ist SS-Hauptsturmführer Werner Reichelt. Er führt die schriftliche Order für das Ziel der Fahrt mit sich, macht sich aber bei der Crew sehr unbeliebt.
Ich könnte noch weitere Episoden vom Beginn des Buches anführen. In kurzen Abschnitten führt mich der Autor rund um die Welt. Alles wird am Ende für das Geschehen in der Gegenwart seine Berechtigung haben.
Die Gegenwart führt mich nach Berlin. Bei einer Routinekontrolle findet eine junge Frau eine mumifizierte Leiche in einem leeren Berliner Mietshaus. Der Zeitungsartikel darüber scheucht plötzlich verschiedene Leute auf, die sich bisher ruhig verhielten. Außerdem sorgt eine Liste, die aus geschredderten Stasiakten rekonstruiert wurde, für hektische Aktivitäten von Compton, dem alten Mann des englischen Geheimdienstes.
Auch der vierte Thriller der Serie ist an Spannung nicht zu überbieten. Ich kenne zwar alle Teile, aber man kann ihn durchaus auch verstehen, ohne die Vorgängerbände gelesen zu haben. Alle wichtigen Informationen sind in der Handlung integriert. Selbst kurze Rückblicke auf den einen oder anderen Lebenslauf finden sich im Text.
Der Schriftstil des Buches ist abwechslungsreich. Fesselnde und temporeiche Szenen werden dadurch unterstützt. Ein schneller Wechsel von Handlungsort und Protagonisten erhöht den Spannungsbogen, zumal häufig an einer entscheidenden Stelle abgebrochen wird.
Vielfältige humorvolle Teile, häufig eingebettet in präzise ausgearbeitete Gespräche, sorgen für kurze Ruhepunkte. Mit obiges Zitat wird Kommissar Calis zum Tatort und zur Spurensicherung geschickt. Die Krönung war für mich das Telefongespräch von John mit zwei jungen Franzosen. Zum Zitieren wäre es – leider – zu lang.
Das Buch verfügt aber nicht nur über komplex aufgebaute Handlungsstränge. Der Autor legt Wert darauf, dass seine Handlungsorte in Wirklichkeit existieren und beschreibt sie deshalb hinreichend. Außerdem werde ich als Leser mit einer Menge historischem Wissen konfrontiert, dass für den Handlungsablauf von Bedeutung ist. In diesem Buch sind es insbesondere die dunklen Kapitel der britischen Kolonialgeschichte in Asien.
Ab und an gibt es fast poetische Sätze, wie das folgende Beispiel zeigt. Gleichzeitig sieht man darin, wie gut der Autor das Spiel mit Worten beherrscht.
„...Meine Mitarbeiter … meinten, Sie seien mehr oder weniger ein Phantom auf der Flucht, ein Schatten zwischen den Welten, ein Nebel, der sich in den ersten Strahlen der Morgensonne auflöst, Sand, der haltlos zwischen den fingern durchrieselt...“
Wer damit gemeint ist? Das wird hier nicht verraten.
Während nach dem anfänglichen Blicken in die Vergangenheit die Handlung dann schnell in der Gegenwart bleibt, gibt es bewusst eine Ausnahme. Die Reise der „Komet“ darf ich längere Zeit zwischendurch begleiten. Immer wieder gibt es kurze Episoden über die Fahrt.
Die Geheimdienste kommen im Buch gar nicht gut weg – und das mit Recht, denn Menschen sind für sie nur Spielfiguren in deren Schachspiel des Lebens.
Ein kurzes Nachwort gibt Informationen zur Entstehung des Buches.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Der Autor versteht es, reale Geschehen, historische Fakten und eigene Ideen zu einer komplexen Handlung zu verknüpfen. Mit einem chinesischen Sprichwort aus dem Buch möchte ich meine Rezension beenden:
„...Wenn der Brunnen trocken ist, erkennt man den Wert des Wassers...“

Veröffentlicht am 05.11.2017

Beeindruckende Biografie

Und die Erde wird zittern
0

„...Meine arme Schwiegertochter begreift nicht, dass sie die Dynastie und sich selbst ruiniert. Sie glaubt aufrichtig an die Heiligkeit eines Abenteurers, und wir sind ohnmächtig, das Unglück abzuwenden, ...

„...Meine arme Schwiegertochter begreift nicht, dass sie die Dynastie und sich selbst ruiniert. Sie glaubt aufrichtig an die Heiligkeit eines Abenteurers, und wir sind ohnmächtig, das Unglück abzuwenden, das unvermeidlich sein wird...“


Grigori.Jefimowitsch Rasputin – wer war der Mann, der die russische Gesellschaft und Kirche gespalten hat, der Zugang zum Palast des Zaren hatte, obwohl er nicht aus dem Adel stammte, und über den eine Menge an Mythen und Geschichten kursierten? Der Autor Douglas Smith, Historiker und Russland-Spezialist, hat eine Annäherung an die vielschichtige Persönlichkeit von Rasputin versucht. Gleichzeitig zeichnet er ein Zeitgemälde der russischen Oberschicht in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts.

Der Autor hat die Biografie in sieben Teile gegliedert.

Im ersten Teil fragt er nach Rasputins Vorfahren. Er beschreibt, so weit bekannt, seine Kindheit und Jugend als Sohn eines Bauern im sibirischen Dorf Pokrowskoje, seine Pilgerschaft und sein Leben bis zu seiner Reise nach St. Petersburg im Jahre 1904.

Der zweiten Teil beschäftigt sich mit den zunehmenden Kontakten von Rasputin zum Zarenhaus und endet 1909.

Die Jahre 1910 und 1911 lassen Rasputin immer mehr in die öffentliche Wahrnehmung gelangen. Die Gesellschaft trennt sich in Bewunderer und Gegner.

Der vierte Teil widmet sich den Untersuchungen gegen Rasputin, dem ersten Attentat und seinem Verhalten bis Juni 1914.

Danach setzt sich der Autor mit dem Leben des Protagonisten in den ersten beiden Kriegsjahren auseinander. Sein Verhalten gegenüber Frauen und sein Alkoholismus werden ebenso thematisiert wie seine politischen und religiösen Ansichten. Ein Zitat aus einem seiner Briefe zeigt, dass er sich anfangs gegen die Kriegsteilnahme Russlands ausgesprochen hat:;

„...Ich weiß, sie alle wollen den Krieg von Dir und begreifen offenbar nicht, dass er den Ruin bedeutet...“

Der sechste Teil spannt den Bogen bis zur Ermordung Rasputins und beleuchtet die darauf folgenden Untersuchungen.

Der letzte Teil endet mit dem Tode des Zaren und seiner Familie.

Der Schriftstil des Buches ist sehr sachlich gehalten. Trotzdem lesen sich manche Teile wie ein Roman, denn der Autor versteht es, trockene Themen anschaulich darzustellen.

In jeder Zeile ist die exakte und umfangreiche Recherche des Autors spürbar. Er hat eine Vielzahl an Originaldokumenten studiert und verwendet. Eingerückt im Text wird häufig aus diesem Dokumenten, seien es Zeitungsartikel, Briefe oder Bücher, zitiert. Dabei werden die verwendeten Aussagen aus verschiedenen Blickwinkel beleuchtet, unterschiedliche Quellen miteinander verglichen und dann kritisch der Wahrheitsgehalt überprüft. Viele Aussagen verweist der Autor dabei ins Reich der Mythen und Legenden, weil sie persönliche Standpunkte wiedergeben und einer Überprüfung an der gesellschaftlichen Realität nicht standhalten.

Obiges Zitat stammt aus einem Brief von Maria Fjodorowna, der Mutter des Zaren. Sie muss ohnmächtig zusehen, wie Alexandra den Zaren dominiert.

Doch der Autor hat es nicht nur bei der Biografie von Rasputin belassen. Er erzählt dessen Leben im Lichte der politischen Verhältnisse im zaristischen Russland. Am Zarenhof trifft man auf eine Gesellschaft, die die Bodenhaftung verloren hat und sich an Dekadenz überbietet. Zar Nikolaus ist nicht sehr entscheidungsfreudig und hat keinen Blick für die Nöte seines Volkes. Die Frauen der gehobenen Gesellschaft frönen dem Okkultismus. Da kommt ihnen ein sibirischer Bauer gerade recht, der geschickt mit Worten umzugehen weiß. Alexandra, die Zarin, macht dabei keine Ausnahme. Hinzu kommt, dass sie in Rasputin den Retter ihres kranken Sohnes Alexei sieht.

Die russisch-orthodoxe Kirche ist ebenfalls vorwiegend mit sich beschäftigt. Rasputin polarisiert. Für die einen ist er ein Altgläubiger, andere verehren ihn. Exakt beschreibt der Autor die Lebensläufe etliche Personen, die Rasputins Weg gekreuzt haben, seine es Freunde oder Feinde. Insbesondere Iliodor sind dabei umfangreiche Abschnitte gewidmet. Als geschworener Feind Rasputins hat er versucht, sein Wissen nicht nur in Russland zu Geld zu machen. Mit seinem Buch „Der heilige Teufel“ hat er seine Version von Rasputins Leben dargelegt. Der Autor Douglas Smith weist allerdings nach, dass der Wahrheitsgehalt eher minimal ist. Das Buch enthält mehr Phantasien als Tatsachen.

Deutlich wird herausgearbeitet, wie sich die Situation zuspitzt. Geheimdienst, Presse und Duma interessieren sich zunehmend für den Mann, dem man eine aktive Rolle bei politischen Entscheidungen zuspricht. Die Zeit verändert aber auch Rasputin, je mehr er zum einzigen Feind hochstilisiert wird. Die wahren Gefahren für die russische Gesellschaft werden nicht gesehen. Dieses Zwiespalt stellt der Autor ausgezeichnet dar. Auch das folgende Zitat bringt dies zum Ausdruck:

„...Fast kein Russe sah mehr realistisch, was mit seinem Land geschah, wer dafür verantwortlich war und wie Russland gerettet werden könnte...Für die meisten Menschen musste Rasputin sterben, damit Russland leben konnte. Bald sollten sie erkennen, wie sehr sie sich geirrt hatten...“

Eine Karte Russlands und ein Stadtplan von ST. Petersburg ergänzen das Buch. Im Anhang befinden sich ein umfassende Anmerkungen, eine Bibliografie, Bildnachweise und ein Register. Eingebettet in die Biografie wurden an zwei Stellen insgesamt 102 Fotos.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Ein Toter auf dem Friedhof

Umkehrschuss
0

„...Eine Leiche auf nüchternen Magen ist sicher schwer zu verdauen...“

Wir befinden uns in der Schnee-Eifel. Hier treffen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Belgien aufeinander. Katja Klein leitet ...

„...Eine Leiche auf nüchternen Magen ist sicher schwer zu verdauen...“

Wir befinden uns in der Schnee-Eifel. Hier treffen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Belgien aufeinander. Katja Klein leitet das Restaurant „Einkehr“. Verstört kommt Gudrun, ihre Freundin und Mitarbeiterin, ins Restaurant. Sie hat auf dem Friedhof einen Toten gefunden.
Die Autorin hat einen humorvollen Krimi geschrieben. Es ist mein erstes Buch aus der Reihe, aber ich hatte keinerlei Probleme, der Handlung zu folgen.
Den Toten scheint weder jemand zu kennen, noch zu vermissen. Obwohl sich Katja nicht an sein Gesicht erinnern kann, findet man bei der Obduktion im Magen ein Gericht von ihrer Karte. Aber Katja hat gerade viel Arbeit und keine Zeit, für polizeiliche Ermittlungen. Es gilt, eine Goldene Hochzeit auszurichten.
Der Schriftstil des Buches lässt sich zügig lesen. Ich mag die gekonnten Wortspielereien. Gerade bei den Dialogen wird auf eine Stichwort häufig geschickt gekontert. Obiges Zitat ist ein Beispiel für den oft trockenen Humor. Es gibt aber auch ernste Themen. Das ist nicht nur der Mord, der die Gemüter bewegt. Auffallend ist, dass der Mann keinerlei persönliche Sachen bei sich hatte. Er wurde neu eingekleidet – mit Garderobe eines Werbeflyers.
Beim Treffen in Katjas Restaurant bleibt natürlich die politische Diskussion nicht aus. Dabei habe ich eine Menge über dieses Fleckchen Erde dazugelernt. Hier treffen sich Vertreter zweier Bundesländer mit Belgiern. Manche Begriffe können durchaus zu Missverständnissen führen. Ein Reichsbürger ist in Deutschland etwas völlig anderes als in Belgien. Außerdem gibt es Diskussionen über Ostbelgien. Bei reichlich Alkohol werden ebenfalls die Kriegsjahre und Nachkriegsjahre aufgearbeitet.
Schwieriger ist es für Mathilde. Sie hat einen Teil ihrer jüdischen Familie verloren und muss erleben, dass der Enkel ihrer besten Freundin sich rechtsradikalen Ideen verschreibt. Wie geht man mit einer solchen Situation um, zumal Mathildes 100. Geburtstag in wenigen Tagen ansteht?
Als dann noch ein Fernsehteam auftaucht, braucht Katja Nerven wie Stahlseile.
Nebenbei erzählt die Autorin während der Handlung weitere Lebensgeschichten. Eine davon betrifft Sandra, die Schwiegertochter des Goldenen Hochzeitspaares. Die junge Frau stammt aus Siebenbürgen. Deren Sprache hat erstaunlich viel Ähnlichkeit mit der der Luxemburger.
Doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Gekonnt werden alle Fäden zusammengeführt.
Eine Karte zu Beginn des Buches veranschaulicht alle Handlungsorte. Im Vorwort werden nicht nur die Gegend, sondern auch die wichtigsten Protagonisten des Buches vorgestellt.
Vor jedem Kapitel wird mit wenigen Worten auf den zu erwartenden Inhalt hingewiesen. Außerdem beginnt jedes Kapitel mit einem Rezept, das kursiv gedruckt wurde.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Sympathische Protagonisten, eine abwechslungsreiche Handlung, sehr viel Lokalkolorit und mal humorvolle, mal ernste Gespräche nicht nur am Stammtisch haben dafür gesorgt. Auch mag ich geschickt eingestreute historische Fakten.

Veröffentlicht am 03.11.2017

Spannende Fortsetzung

Die Jahre der Schwalben
0

„...Ich urteile nach Können und nicht nach Rasse...“

Wir schreiben das Jahr 1930. Frederike besucht die Familie in Ostpreußen. Sie braucht Hilfe auf ihrem Gut, denn ihr Mann Ax wird immer noch wegen seiner ...

„...Ich urteile nach Können und nicht nach Rasse...“

Wir schreiben das Jahr 1930. Frederike besucht die Familie in Ostpreußen. Sie braucht Hilfe auf ihrem Gut, denn ihr Mann Ax wird immer noch wegen seiner Tuberkulose in Davos behandelt. Natürlich sind die Spannungen zwischen Frederike und ihrer Mutter mit den Händen greifbar, denn im Gegensatz zu Frederike wusste ihre Mutter von Ax` Krankheit.
Das Buch ist der zweite Teil einer Familien-Saga. Es schließt sehr zeitnah an den ersten Teil an. Die Geschichte lässt sich zügig lesen und hat mich schnell wieder in ihren Bann gezogen. Ich darf Frederikes Leben bis ins Jahr 1944 verfolgen.
Frederike wurde nach ihrem Hochzeit sinnbildlich ins kalte Wasser geworfen. Sie ist noch nicht volljährig, muss aber ein großes Gut leiten. Glücklicherweise greifen ihr ihr Stiefvater Erik und ihre Tante Edeltraud kurzfristig unter die Arme. Nur Stefanie, ihre Mutter, bleibt selbstherrlich und egoistisch.
Der Schriftstil des Buches ist ausgewogen. Detailgenau wird das Leben auf dem Gut beschrieben. Genauso intensiv werde ich über die politischen Entwicklungen informiert. Der Inspektor auf Ax` Gut ist schon 1930 ein strammer Nazi. Er versucht, Frederike seine Entscheidungen aufzuzwingen. Erik allerdings setzt ihn kurzerhand vor die Tür. Das Überleben eines Gutes ist wichtiger als Politik. Obiges Zitat stammt von dem neuen Inspektor, der aus adligen Haus stammt, aber sich als dritter Sohn eine Arbeitsstelle suchen muss. Seine Frau ist ein konvertierte Jüdin. Dass schränkt seine Arbeitsmöglichkeiten ein. Die unterschiedlichen politischen Ansichten spalten Familien.
Während Erik und Frederike hoffen, dass die NSDAP keine Chance hat, versprechen sich die meisten Gutsbesitzer in Ostpreußen und Schlesien von Hitler eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation. Auf deren Seite steht auch Stefanie.
Ein Besuch bei Thea in Berlin ist für Frederike ein Aufatmen in ihrer schwierigen Lebenslage. 1930 präsentiert sich Berlin noch weltoffen. Das aber sollte sich bald ändern.
Während der Kriegsjahre ist selbst auf den Gütern des Adels das Leben mit Einschränkungen verbunden. Steckrübensuppe gehört zum Alltag. Hinzu kommt, das man sich jedes Wort zweimal überlegen muss, denn Verrat hat Hochkonjunktur. Auch bei der Behandlung von Kriegsgefangenen, die den Gutsbesitzern zugewiesen werden, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Frederike hat in ihren ersten Ehejahren gelernt, schwierige Situationen durchzustehen und selbst Hand anzulegen. Das kommt ihr nun zugute. Menschlichkeit siegt über Hass und Fanatismus.
Vielfältige Informationen sind in der Handlung eingebettet. So werde ich über eine mögliche Impfung gegen Tuberkulose informiert. Für Ax allerdings kommt sie zu spät, denn sie ist nur kurz nach der Infektion wirksam. Durch Caspar zu Mansfeld erhalte ich einen Einblick in die Verschwörung gegen Hitler vor Kriegsausbruch. Außerdem hat er als Diplomat Einsicht in die internationale Politik. Fritz von Fennhusen, Frederikes Halbbruder, lässt sich als Pilot ausbilden. Seine Vorstellung von der Entwicklung der Flugzeugindustrie in Friedenszeiten kommen der Realität sehr nahe.
Der Cliffhanger vor dem dritten Teil ist heftig.
Ein ausführliches Personenverzeichnis und ein sehr informatives Nachwort ergänzen das Buch.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. In einer spannenden Handlung und anhand sehr persönlicher Schicksale wird ein dunkles Stück deutscher Geschichte beleuchtet.