Starke Erzählung über Vertrauen und Verbundenheit
Blue SistersWas geschieht mit dir, wenn plötzlich ein Mensch, dem du sehr nahestandest sein Leben verliert? - Im Falle der ehemals vier Blue Schwestern entwickeln sich die Lebenswege der drei verbliebenen Schwestern ...
Was geschieht mit dir, wenn plötzlich ein Mensch, dem du sehr nahestandest sein Leben verliert? - Im Falle der ehemals vier Blue Schwestern entwickeln sich die Lebenswege der drei verbliebenen Schwestern im Angesicht von Schuld und Scham in teils kaum fassbare Abgründe.
Coco Mellors Buch "Blue Sisters" musste zunächst Überzeugungsarbeit leisten: Es dauerte etliche Wochen, bis aus dem Überlegen, ob ich das Buch wirklich lesen wolle, Gewissheit wurde. Die optisch wunderschön gestaltete 1. Auflage mit dem Farbschnitt und perfekt darauf abgestimmter Farbgebung von Cover und Fonts hat dabei definitiv ihren Beitrag geleistet!
In das Buch einzusteigen, fiel dann sehr leicht. Die Charaktere, aus deren verschiedenen Perspektiven und Lebenswelten die einzelnen Kapitel geschrieben sind, sind dicht und authentisch, die unterschiedlichen Ängste, Schwächen und Untiefen werden schonungslos ins Bild gesetzt. Es ist immer wieder Thema, wie die Eltern der vier Schwestern deren Leben und Blick darauf maßgeblich beeinflusst haben - er alkoholabhängig und sie nie in der Mutterrolle angekommen. Avery, die älteste der Schwestern, übernimmt die Rolle der Mutter und ihre Schwestern finden jeweils ihren Platz in diesem Gefüge.
Wie ein roter Faden zieht sich das Thema Sucht und Abhängigkeit durch das Buch. In irgendeiner Form sind alle Familienmitglieder betroffen und es ist nicht immer angenehm, die krassen Eskapaden und für Außenstehende kaum nachvollziehbaren Entscheidungen zu verdauen.
Zum letzten Drittel des Buches findet dann eine Wendung statt. Anders als zuvor, versuchen die drei Schwestern nicht mehr, ihre individuellen Süchte kleinzureden oder zu leugnen, sondern finden einen anderen Weg, der ungeahnte Möglichkeitsräume für sie öffnet.
Der Schreibstil ist über weite Teile des Buches hinweg sehr angenehm, hier und da mit kleinem Verbesserungspotenzial. Die Geschichte als solche hätte ggfs. gekürzt erzählt werden können - aber das ist Geschmackssache.
Der sehr idealisierte Schluss in Form des Epilogs hat mich leider nicht mehr überzeugt. In der Gesamtschau aber dennoch eine wunderbare und empfehlenswerte Lektüre!