Profilbild von walli007

walli007

Lesejury Star
offline

walli007 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit walli007 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.09.2024

Ankommen

Vaterländer
0

Auf dem Bahnhof in Köln wartet Béla auf seine Frau und seine Kinder. Zwei Jahre ist es her, das der Geiger von einer Konzertreise nicht nach Rumänien zurückgekehrt ist. Das war 1985. Seine Frau fühlt sich ...

Auf dem Bahnhof in Köln wartet Béla auf seine Frau und seine Kinder. Zwei Jahre ist es her, das der Geiger von einer Konzertreise nicht nach Rumänien zurückgekehrt ist. Das war 1985. Seine Frau fühlt sich zunächst nicht wohl in dem fremden Land, sie musste Eltern und Freunde zurücklassen. Sie ist Musikerin wie ihr Mann. Auch die beiden Kinder, die ältere Alina und Sabin erhalten eine musikalische Bildung. Bèla hat in Deutschland eine Anstellung in einem Orchester, in dem er seine Frau auch gerne unterbringen möchte. Ihr wird jedoch von den Kollegen mit Ressentiments begegnet. Ein ethnischer Konflikt, der aus der Heimat herübergeschwappt ist.

Nicht nur von seinen eigenen Beobachtungen und Empfindungen erzählt der Autor Sabin Tambrea. Auch sein Großvater und sein Vater kommen zu Wort. Jede Erzählung für sich beleuchtet eine andere Ara. Der Großvater ist geprägt von seinen Erlebnissen kurz nach dem zweiten Weltkrieg als sich das Regime bildete auf Kosten des Volkes. Zu Bélas Zeit in den 1970ern war es nicht besser. Das Regime wirkte in die Familien hinein, presste ihnen beinahe eine unmögliche Arbeitsleistung ab, rationierte lebensnotwendige Leistungen. Die Staatspolizei hatte überall Zugriff. Das Alles zum Wohle des Regenten oder Diktators Ceauceșcu.

In einem Interview erzählte der eigentlich als Schauspieler bekannte Sabin Tambrea von seinem ersten schriftstellerischen Werk. Das klang so interessant, dass die Gelegenheit, das vom Autor selbst gelesene Hörbuch zu genießen, sofort ergriffen wurde. Mit feiner sanfter Stimme erzählt er von Ereignissen, die insbesondere dem Großvater widerfahren sind, welche alles andere als sanft zu nennen sind. Da geht es um Repressalien, gar Folter und keine Möglichkeit zur Flucht. Doch die Zeiten wandeln sich und Béla der Sohn findet den Mut, nach einer Konzertreise einfach in Deutschland zu bleiben. Doch auch die im Rahmen der Familienzusammenführung nachkommenden Frau und die zwei gemeinsamen Kinder, müssen feststellen, dass in Deutschland auch nicht alles einfach ist, auch wenn die Möglichkeiten größer sind und diese besonders den Kindern offensten. Es schaudert einen, wenn man hört, wie da Staaten mit den Mitgliedern ihre Volkes umgehen. Denkt man an die eigenen Vorfahren und dem Glück, dass diese eher zufällig (es waren schon welche da) in Westdeutschland gelandet sind. Man fragt sich nach der Lektüre, wie jemand auf die Idee kommen kann, ein totalitäres System sei zu bevorzugen. Da ist selbst die schlechte Politik derzeit noch besser als das, was zu erwarten wäre. Und doch geht es auch um eine tolle Familie, die durch ihren Zusammenhalt besticht und ihre wunderbare Musikalität. Ein lesens- und hörenswertes Buch.


Veröffentlicht am 06.09.2024

Eine Bewältigung

Knife
0

Der Schriftsteller Salman Rushdie fällt während einer Lesung im Amphitheater in Chautauqua im August 2022 beinahe einem Messerattentat zum Opfer. Mit vielfachen Stichwunden kommt er schwerstverletzt ins ...

Der Schriftsteller Salman Rushdie fällt während einer Lesung im Amphitheater in Chautauqua im August 2022 beinahe einem Messerattentat zum Opfer. Mit vielfachen Stichwunden kommt er schwerstverletzt ins Krankenhaus. Seine Frau Eliza reist an sein Krankenlager. Ihr wurde gesagt, Es wäre nicht sicher, dass Salman es schafft. Doch nach der Notoperation ist Salman Rushdie noch da. Es folgt eine lange Zeit der Rekonvaleszenz, in der es bergauf geht, allerdings nicht immer stetig. Zum Glück hat er die Unterstützung seiner Familie. Nach und nach beginnt er, sich mit dem Attentat auseinanderzusetzen. Als es ihm möglich ist, fängt er an, die Erlebnisse und Gedanken in diesem Buch niederzuschreiben.

Leider kommt man heutzutage schneller an Messerattentate heran als in früheren Zeiten. Das muss leidvoll auch der Autor Salman Rushdie erfahren. Sei vielen Jahren lebt er wegen seines Romans „Die satanischen Verse“ unter einer Todesdrohung. Wegen eben dieser langen Zeit, in der nichts geschah, ist der Gedanke an einen Angriff nicht völlig aus dem Kopf, aber natürlich war mit einem Mordversuch auf offener Bühne nicht zu rechnen. Und dann passiert das Unsägliche. Mit viel Glück, eisernem Willen und hervorragender medizinischer Versorgung überlebt der Schriftsteller den Anschlag. Mit diesem Buch verarbeitet er die schockierenden Erlebnisse.

Natürlich kann man sich an die schrecklichen Bilder und Meldungen aus dem August 2022 und wie froh man war, dass der Autor sich nicht unterkriegen ließ. Mit diesem Buch legt er seine sehr persönlichen Gedanken und Gefühle zu dem Attentat vor. Das ist sehr beeindruckend zu lesen. Man fühlt mit, erlebt sein Unverständnis, seine Auseinandersetzung mit dem Attentäter und mit welcher Energie er sich sein Leben zurückerobert. Da möchte und muss man sich verneigen. Auch seine Einstellung zur Religion ist bemerkenswert, Sätze, die aus der Seele sprechen. Diese Gedanken nach einem Mordversuch fordern und regen zum Nachdenken an. Eine Lektüre, die gerne weiter empfohlen wird.

Veröffentlicht am 05.08.2024

Unheimlicher Fund

Der Retter
0

An der englischen Küste finden Urlauber etwas, was zunächst eher wie eine Rettungsweste aussieht. Leider sind in ihr noch die sterblichen Überreste eines Menschen gefangen. Untersuchungen ergeben, dass ...

An der englischen Küste finden Urlauber etwas, was zunächst eher wie eine Rettungsweste aussieht. Leider sind in ihr noch die sterblichen Überreste eines Menschen gefangen. Untersuchungen ergeben, dass es sich möglicherweise um einen niederländischen Schiffsführer handelt, der bei einer Rettungsaktion vor über zwanzig Jahren verschwand. Da schon an dem ursprünglichen Rettungsversuch deutsche und niederländische Seenotretter beteiligt waren, ermitteln nun auch wieder Beamte aus beiden Ländern. Kommissar Liewe Cupido auf deutscher Seite bekommt seinen jungen Kollegen Xander Rimbach an die Seite gestellt. Gewohnt alleine zu arbeiten, ist Cupido nicht ganz glücklich darüber. Er überlässt Xander einen vermeintlich harmlosen Teil der Untersuchungen.

Nun zum dritten Mal soll Kommissar Liewe Cupido einen Fall lösen. Mit dem Kollegen Rimbach hat er in einem anderen Fall gut zusammengearbeitet. Der Gedanke an einen Partner stört ihn aber doch. Doch vielleicht sollten beide einfach auf die vorherigen Erfahrungen vertrauen. Einen so alten Fall neu aufzurollen, erweist sich als schwierig. Die Identifikation des Opfers ist dabei sogar eher weniger schwierig, schließlich gibt es die Rettungsweste mit dem Schiffsnamen darauf. Aber wie kann es sein, dass von fünfzehn Personen, die zu bergen waren, ausgerechnet einer, der Kapitän, es nicht schafft. In der Vergangenheit zu graben kann ganz schön vertrackt sein.

Die Reihe um Liewe Cupido hat was. Besonders wenn man die norddeutschen oder niederländischen Küsten mag. Die Beschreibungen der nautischen und seemännischen Gegebenheiten sind klasse und wohl nicht so schnell zu übertreffen. Ebenfalls ein Leckerbissen ist der alte Fall, den es zu lösen gilt. Gerade wenn es darum geht, nach so langer Zeit noch Neuigkeiten zu entdecken. Dass Cupido manchmal nicht so richtig bei der Sache ist, liegt an seinen Gedanken, an die letzte Fahrt seines Vaters, der nicht von See zurückgekommen ist. Hier liegt für Liewe ein Geheimnis, welches er noch nicht entschlüsselt hat. Doch wozu braucht er einen Partner? Rimbach, der sich bereits als sympathischer Ermittler erwiesen hat, bekommt seinen Wunsch erfüllt. Und er erweist sich als lernwilliger und gewiefter Ermittler. Mal schauen, was da noch zu erwarten ist. Ein toller Band dieser herausragenden Reihe, gerne mehr davon.

Veröffentlicht am 02.07.2024

Das Video

VIEWS
0

Die 16jährige Lena Palmer ist verschwunden. Ein Fall, mit dem Kommissarin Yasira Saad vom Bundeskriminalamt normalerweise nichts zu tun bekäme. Doch kurz nach dem Verschwinden der jungen Frau taucht ein ...

Die 16jährige Lena Palmer ist verschwunden. Ein Fall, mit dem Kommissarin Yasira Saad vom Bundeskriminalamt normalerweise nichts zu tun bekäme. Doch kurz nach dem Verschwinden der jungen Frau taucht ein Video im Netz auf, das grausame Bilder zeigt. Leider kann der Film nicht so schnell gelöscht werden und die Reaktionen darauf sind heftig. Es spielen sich offensichtlich welche bessere Richter auf. Wegen des Bezugs zum Hintergrund der vermeintlichen Täter, wird Yasira dem Fall zugeteilt. Sie und ihr Team müssen zunächst feststellen, dass sich der Fall irgendwie ihren Ermittlungen entzieht. Und die Reaktionen der Öffentlichkeit werden immer schlimmer. Es scheint als würde sogar Yasira in Gefahr geraten.

Der Autor ist bisher eher von seinen humorvoll satirischen Büchern bekannt. Hier legt er seinen ersten Thriller vor. Kommissarin Yasira Saad muss in einem Fall ermitteln, bei dem die Täter einen Migrationshintergrund haben könnten. Wahrscheinlich meint ihr Chef, sie sei geeignet, weil ihre Eltern selbst eingewandert sind. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Michael versucht sie, näheres über Lena Palmer herauszufinden. Wo ist die junge Frau? Wer sind die Täter? Die ersten Ermittlungen ergeben nichts. Und durch die Berichterstattung ist es Yasira selbst, die in den Fokus gerät. Natürlich weiß sie, dass es in ihrem Job mal gefährlich werden kann, aber dass sie und ihre Tochter direkt bedroht werden könnten, hätte sie nie gedacht.

Wenn man noch nichts von dem Autor gelesen hat, kann man schon auf die Idee kommen, es mal mit diesem neuen Roman zu versuchen. Wenn dann auf dem Titelblatt steht, der Thriller enthalte sensible Inhalte, kann man darüber hinweglesen. Allerdings wird einem doch schnell bewusst, dass diese Warnung nicht ohne Grund gedruckt wurde. Man bekommt anstelle eines humorigen spannenden Buches einen bitterbösen Thriller, der einen Teil der Wirklichkeit wahrscheinlich besser beschreibt als einem lieb sein kann. Wieso unternehmen die Verantwortlichen nichts, fragt man sich. Muss es erst noch schlimmer werden? Jegliches Lachen bleibt einem hier im Halse stecken und dass man manches so oder so ähnlich schon mal in irgendeinem Zeitungsbericht gelesen hat, macht es auch nicht besser. Man folgt der Handlung mit Widerwillen und doch gespannt, weil man auf ein besseres Ende hofft, Das kommt aber nicht. Schließlich endet der Roman mit einer Überraschung. Teilweise meint man, es hätte lieber etwas früher aufhören sollen, teilweise denkt man, dies und das hätte man gerne noch gewusst.

Das Hörbuch wird vom Autor selbst manchmal auf recht trockene Art und manchmal so eindringlich vorgetragen, dass einem der Atem stockt. Das Buch/Hörbuch kann aufrütteln und zum Lesen empfohlen werden.

Veröffentlicht am 21.06.2024

Legendärer Schatz

Das Dorf der acht Gräber
0

Durch eine Legende ist das Dorf der acht Gräber zu seinem Namen gekommen. Vor langer Zeit wurden acht Samurai grausam getötet. Sie sollen einen Schatz versteckt haben, der in hunderten von Jahren nicht ...

Durch eine Legende ist das Dorf der acht Gräber zu seinem Namen gekommen. Vor langer Zeit wurden acht Samurai grausam getötet. Sie sollen einen Schatz versteckt haben, der in hunderten von Jahren nicht gefunden wurde. Ihre Mörder haben sie verflucht. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg wird ein junger Mann von einem Anwalt aufgesucht. Dieser teilt dem jungen Tatsuya Terada mit, eine Familie im Dorf der acht Gräber suche einen Erben. Wegen einiger Merkmale könne nur er der Gesuchte sein. Sogleich macht sich Tatsuya auf den Weg, um sein unbekanntes Heimatdorf zu besuchen. Noch bevor die Reise richtig losgeht, geschieht ein Mord.

Der berühmte Privatdetektiv Kosuke Kindaichi befasst sich hier mir dem dritten Fall, der in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Aus Sicht des wiedergefundenen Erben werden die Ereignisse im Dorf der acht Gräber berichtet. Zunächst scheint es ein wahrer Segen. Tatsuya, ein junger Mann, dessen Mutter früh verstorben ist, soll plötzlich eine Familie haben und er soll Erbe sein. Doch schon der erste Mord vergällt seine Freude in gewissem Maß. Dennoch macht er sich auf den Weg. Es ist ihm nicht zu verdenken, dass er seine Familie väterlicherseits kennenlernen möchte.

Zum ersten Mal bereits im Jahr 1971 im Original veröffentlicht, besticht dieser japanische Kriminalroman durch seine klare Sprache und die ausgeklügelte Handlung. Man merkt Seishi Yokumizi einfach an, dass er Freude am Fabulieren hatte. Auch als europäischer Leser hat man keine Schwierigkeiten, sich in die Handlung hineinzudenken. Vielleicht sind die Kulturen doch manchmal nicht so unterschiedlich. Nur manchmal kommt der Gedanke auf, es gebe etwas viel Naivität oder Vertrauensseligkeit. Dann wieder überzeugt die Gewitztheit Tatsuyas. Er will hinter die Geheimnisse kommen. Schön, dass Kosuke Kindaichi seinen jungen Freund wirken lässt, ohne selbst die Fäden aus der Hand zu geben. Wenn dann zum Finale noch mal alles genauestens beleuchtet wird, wähnt man sich fast bei Miss Marple am Kamin.

Diese sehr lesenswerte Reihe klassischer japanischer Kriminalromane überzeugt durch die gefühlt gute Übersetzung und auch die durchdachte Covergestaltung lassen die Bücher zu einer Zierde im Regal werden.