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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.08.2024

Ein Roman der leisen Töne

Am Meer
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Elizabeth Strout ist eine brillante Erzählerin, was sie auch wieder in ihrem Roman 'Am Meer', dem vierten Teil der Lucy Barton Reihe unter Beweis stellt. Sie packt das Thema Corona-Pandemie, welches uns ...

Elizabeth Strout ist eine brillante Erzählerin, was sie auch wieder in ihrem Roman 'Am Meer', dem vierten Teil der Lucy Barton Reihe unter Beweis stellt. Sie packt das Thema Corona-Pandemie, welches uns alle auf eine unendliche Geduldsprobe gestellt hat, in eine Geschichte mit empathischen Protagonisten und pittoresken Landschaften. Doch auch kritische Töne wie das Dulden von Fremden in der heimatlichen Umgebung schlägt sie an und zeigt damit Grenzen der Toleranz auf. Ihre scharfe Beobachtungsgabe und ihr feines Gespür für die Handlungen der Menschen verleihen dem Buch eine ganz besondere Note, die den Lesegenuss zum Erblühen bringen.
Lucy ist Schriftstellerin, lebt in New York allein in ihrer Wohnung, nachdem sie von ihrem ersten Ehemann William geschieden wurde und ihr zweiter Ehemann verstorben ist. Zu William pflegt sie ein freundschaftliches, zu ihren beiden Töchtern ein entspannt mütterliches Verhältnis. Als die stark infektiöse Bedrohung des Corana-Virus auch die Millionenstadt New York droht in die Knie zu zwingen, packt William Lucy kurzerhand in sein Auto und bringt beide aus der unmittelbaren Gefahrenzone. Sie richten sich ein in einem leerstehenden wunderschönen Haus am Meer, im malerischen Crosby (Maine). Welche Wandlungen sie in der Abgeschiedenheit durchleben, wie sich ihre Gedankenwelt verändert, aber auch wie Sorge und Ängste sie plagen, erzählt dieses bezaubernde Buch in leisen Tönen.
Es braucht keine Vorerfahrung vorangegangener Romanteile, um in die Geschichte eintauchen zu können. Ich gebe sehr gern meine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 12.08.2024

Genetische Vorbestimmung

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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Valerie ist die Tochter von Christina und Christina liegt wegen einer Krebserkrankung im Krankenhaus. Es ist schwierig, ihr auch nur irgendeine Sache recht zu machen. Die Beziehung zwischen Tochter und ...

Valerie ist die Tochter von Christina und Christina liegt wegen einer Krebserkrankung im Krankenhaus. Es ist schwierig, ihr auch nur irgendeine Sache recht zu machen. Die Beziehung zwischen Tochter und Mutter war zu keinem Zeitpunkt harmonisch, ganz im Gegenteil. Aber auch das Verhältnis zwischen Christina und ihrer Mutter Martha war äußerst problematisch, weil Martha keine Kinder haben wollte und aus diesem Grund den ersten beiden ablehnend gegenüberstand. Nur der Letztgeborene mit schwierigem Charakter erreicht ihre Aufmerksamkeit. Dieses Desinteresse am Familiennachwuchs wird über Generationen weitergegeben. Doch Valerie will dieses Muster durchbrechen, denn sie hat in ihrer Jugend sehr unter der Lieblosigkeit gelitten. Aber nun will ihr sechzehnjähriger Sohn Tobi hinaus in die Welt zum Schüleraustausch, was der Helikoptermutter so gar nicht ins Konzept passt. Baut sich da ein neuer, aber andersartiger Konflikt auf?
Felicitas Prokopetz beschenkt uns mit ihrem Debütroman 'Wir sitzen im Dickicht und weinen' durch ihre wunderschöne, feinfühlige Art ein Thema anzugehen, dass sogleich berührend als auch erschütternd ist. Das Buch stellt sich der Frage wieviel Kraft es kostet, sich aus dem Korsett der familiären Prägung der Unfähigkeit menschliche Nähe zu geben, die über viele Jahrzehnte aufgebaut wurde, zu befreien.
Ich wünsche dem Roman eine interessierte und diskussionsfreudige Leserschaft.

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Veröffentlicht am 05.08.2024

Portrait einer Künstlerin

Artemisia Gentileschi und Der Zorn der Frauen
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Gabriela Jaskulla gelingt es, mit ihrer Romanbiografie 'Artemisia Gentileschi und der Zorn der Frauen' ein bemerkenswertes Portrait einer Künstlerin aus der Zeit des Barocks wiederzubeleben und vor dem ...

Gabriela Jaskulla gelingt es, mit ihrer Romanbiografie 'Artemisia Gentileschi und der Zorn der Frauen' ein bemerkenswertes Portrait einer Künstlerin aus der Zeit des Barocks wiederzubeleben und vor dem Vergessen zu bewahren. Der Autorin schafft mit viel Feingefühl und Sachkenntnis zur historischen Epoche, eine starke Frau in Szene zu setzen, die weiß was sie will, die neben malerischem Talent Kraft und Mut besitzt, ihren Weg im Rahmen ihrer Möglichkeiten in der matriarchalisch besetzten Welt zu gehen. Mit sprachlichem Geschick versetzt sie den Leser in das lebhafte italienische Umfeld der blühenden Städte wie Rom, Florenz, Venedig, Neapel, in eine Gesellschaft, die geprägt ist von frauenfeindlichen Werten.
Die Protagonistin Artemisia leidet bereits in sehr jungen Jahren unter männlicher Gewalt, wird zwangsverheiratet, steht immer wieder auf, nimmt sich ihrem Schicksal an und lebt für die Kunst, für ihre Kunst. Eben diese Gemälde werden ausführlich, meisterlich in der Geschichte beschrieben. Es ist einfach ein Genuss dem zu folgen, der Fantasie freien Lauf zu lassen oder die Bilder zu bestaunen. Das Cover gibt einen kleinen Einblick in die bezaubernde Welt der Artemisia.
Ich kann dieses Buch sehr gern weiterempfehlen und wünsche viel Vergnügen beim Lesen.

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Veröffentlicht am 05.08.2024

Fremde Heimat

Und dahinter das Meer
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Die Angst ums nackte Überleben bestimmt die Gefühlswelt der Londoner in den Septembertagen des Jahres 1940, als Teile der Stadt im deutschen Bombenhagel vernichtet werden. Familien bangen um die Sicherheit ...

Die Angst ums nackte Überleben bestimmt die Gefühlswelt der Londoner in den Septembertagen des Jahres 1940, als Teile der Stadt im deutschen Bombenhagel vernichtet werden. Familien bangen um die Sicherheit ihrer Kinder. Dieser Verzweiflung folgend, willigen sie schweren Herzens ein, ihre Kinder auch in Gastfamilien zu geben, die weit entfernt von der Heimat in den Vereinigten Staaten von Amerika ihr zu Hause haben. Eine unsagbar schwere, grausame Entscheidung, die ins Ungewisse führt, die nach dem sich bietenden Strohhalm packt, die Herzen bricht, die das Leben der Heranwachsenden schützen soll. Doch zu welchem Preis?
Die Autorin Laura Spence-Ash greift in ihrem Debütroman 'Und dahinter das Meer, die Idee der Verschickung von Kindern zum Schutz vor feindlichen Übergriffen der Nazis auf und erzählt die Geschichte der elfjährigen Beatrix aus London, die die weite Reise mit dem Schiff über den Atlantik nach Boston antritt. Aus ihrer Sicht und aus der Sicht von Reginald und Millie, den Eltern der kleinen Bea, von Ethan und Nancy, den Gasteltern, von William und Gerald, den Söhnen des amerikanischen Ehepaars, werden in kleinen Absätzen, die Gefühle und Gedanken der Protagonisten beschrieben. Empathisch, herzzerreißend erlebt der Leser gute und schlechte Tage, Tage sehnsüchtiger Erinnerungen, Tage unbeschwerter Freude und Glücks, Tage der Trauer und schließlich Tage der Zerrissenheit. Ein wunderschöner Roman, der trotz seines problembelastenden Inhalts, wertvolle Lesestunden beschert, in einer langsamen und bildhaften Sprache.

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Veröffentlicht am 29.07.2024

Das eiskaltes Lächeln Nordkoreas

Die Schwester
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Es ist in der Tat erschreckend wie Menschen in einer der gefährlichsten Diktaturen unserer Erde leben müssen. Während die Kim-Dynastie bereits über drei Generationen selbstherrlich und rücksichtslos ihre ...

Es ist in der Tat erschreckend wie Menschen in einer der gefährlichsten Diktaturen unserer Erde leben müssen. Während die Kim-Dynastie bereits über drei Generationen selbstherrlich und rücksichtslos ihre Interessen durchsetzt, verhungert das Volk, muss Repressalien unfassbaren Ausmaßes über sich ergehen lassen und ist von einem freien Willen oder einer freien Meinungsäußerung weit entfernt. Alles aber auch wirklich alles ist dem augenblicklichen Gemütszustand des ersten Mannes im Lande Kim Jong Un untergeordnet oder ausgeliefert. Jede Hoffnung auf Annäherung mit dem Bruderstaat Südkorea, die während der Olympischen Spiele scheinbar aufkeimten durch die Präsenz der Schwester des Staatsoberhauptes Nordkoreas Kim Yo Jong sind im nächsten Augenblick wieder vergessen und kehren sich um in Provokation und Distance. Unglaublich was für unsagbare Angstzustände unter der Bevölkerung herrschen müssen. Dazu kommen Hunger und Elend, die durch Dekadenz der Herrscherfamilie ignoriert werden
Der Asienexperte Sung-Yoon Lee schildert in seinem Buch 'Die Schwester' wie Nordkorea seit Ende des Zweiten Weltkrieges funktioniert, wie Versprechen sich in heiße Luft auflösen, sich in wilde Aggression verwandeln.
Ich spreche diesem Buch meine Leseempfehlung aus.

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