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Veröffentlicht am 09.09.2024

Ein bewegender Roman über den Mut zum Neubeginn, die menschliche Stärke und die Kraft der Liebe

Vaterländer
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1985: Um seiner Familie eine bessere Zukunft zu ermöglichen kehrt der rumänische Violinist Béla Tambrea nach einer Konzertreise nicht in sein Heimatland zurück und versucht sich in Deutschland eine Existenz ...

1985: Um seiner Familie eine bessere Zukunft zu ermöglichen kehrt der rumänische Violinist Béla Tambrea nach einer Konzertreise nicht in sein Heimatland zurück und versucht sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen. Erst zwei Jahre später dürfen die Ehefrau Rodica und die Kinder Sabin und Alina nachkommen. Die Wiedersehensfreude ist riesig, doch der gemeinsame Neustart im fremden Land ist alles andere als einfach. Hinzu kommt die Sehnsucht nach den weiteren Familienmitgliedern, die in Rumänien geblieben sind, wo immer noch der gefürchtete Diktator Ceauceșcu an der Macht ist...

Bis vor kurzem wusste ich gar nicht, dass Sabin Tambrea, den ich für einen brillianten Schauspieler halte, auch Bücher schreibt. So wurde ich sehr neugierig, als ich "Vaterländer" entdeckt habe. Der Klappentext hat meine Neugier noch gesteigert. Ich habe auf eine bewegende und interessante Lektüre gehofft und wurde nicht enttäuscht. Sabin Tambreas Schreibstil weisst Eigenschaften aus, die ihn auch als Schauspieler auszeichnen: unglaubliche Sensibilität, Warmherzigkeit und Einfühlungsvermögen. Ich habe ihm sehr gerne zugehört und war tief bewegt von den Schicksalen der Protagonisten, in die ich mich oft hineinversetzen konnte. Auch ich habe einen Migrationshintergrund und so konnte ich nachvollziehen, wie schwierig es für Tambreas Familie war, alles hinter sich zu lassen und ein neues Leben in Deutschland zu beginnen. Wobei ich das große Glück hatte, in meinem Heimatland keine politischen Repressalien erfahren zu haben. Die Passagen, in denen das Leid von Horea Sava und anderen rumänischen Bürger geschildert wird, stehen in einem harten Kontrast zu der ersten Hälfte des Buches. Statt mit dem hoffnungsvollen Neubeginn sehen wir uns mit einem sehr düsteren Kapitel der rumänischen Geschichte konfrontiert. Ich gestehe, ich wusste wenig davon und so ich war ich beim Lesen erschüttert, schockiert und voller Mitgefühl für dieses Volk, das so viel erdulden musste.

Besonders eindrucksvoll fand ich den letzten Teil des Buches, in dem der Autor die Geschichte seiner Eltern erzählt. Erneut wunderbar einfühlsam und berührend, zum Mitfiebern! Die Schicksale von Béla und Rodica gehen unter die Haut, mit diesem Buch setzt Sabin Tambrea der unerschütterlichen Liebe der beiden ein Denkmal. Überhaupt ist der Roman in meinen Augen eine wunderschöne Liebeserklärung an seine Familie.

Fazit: Fesselnd, lebendig und mit viel Herzwärme – Sabin Tambrea ist ein Mann vieler Talente, das Schreiben gehört definitiv dazu!

Veröffentlicht am 06.08.2024

Ein bewegender und kraftvoller Roman, der lange nachhallt

Von hier bis zum Anfang
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Duchess Radley lebt in der kalifornischen Kleinstadt Cape Haven. Sie ist erst dreizehn Jahre alt, doch die sorglose Kindheit hat sie bereits hinter sich. Sie kümmert sich nicht nur fast alleine um ihren ...

Duchess Radley lebt in der kalifornischen Kleinstadt Cape Haven. Sie ist erst dreizehn Jahre alt, doch die sorglose Kindheit hat sie bereits hinter sich. Sie kümmert sich nicht nur fast alleine um ihren jüngeren Bruder Robin, sondern auch um ihre psychisch labile Mutter Star, die seit einer Familientragödie ihr Leben nicht in den Griff bekommt. Vor dreißig Jahren ist Stars Schwester ermordet worden. Als der Schuldige Vincent King nach der verbüßten Gefängnisstrafe in den Ort zurückkehrt, spitzt sich die Lage schnell zu. Und schon bald geschieht wieder ein schreckliches Unglück...

Chris Whitaker hat einen Roman von ungeheuer Intensität geschrieben, der man sich nicht entziehen kann. Die packende Story hat mich von den ersten Seiten an gefesselt und ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Zugegeben, es ist eine sehr harte Kost und definitiv nichts für Leser, die auf der Suche nach leichter Urlaubslektüre sind. Die Schicksale der Protagonisten (wunderbar lebendige und facettenreiche Charaktere, die man nicht so leicht vergisst) sind unendlich tragisch und gehen unter die Haut. Und doch war ich am Ende angekommen zwar traurig und nachdenklich, fühlte mich zugleich aber auch gestärkt. Denn trotz der ganzen Tragik spendet der Roman Hoffnung und erinnert an die große Kraft, die wir Menschen in uns haben. Die Kraft, die es ermöglicht, auch die schlimmsten Erlebnisse hinter uns zu lassen und nach vorne zu schauen.

Fazit: Packend und berührend! Wer keine Angst vor starken Gefühlen hat und nicht allzu zartbesaitet ist sollte sich unbedingt von Whitaker nach Cape Haven entführen lassen – es lohnt sich!

Veröffentlicht am 05.08.2024

Kluge und herzerwärmende Lektüre

Der Buchspazierer
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Der alte Buchhändler Carl Kollhoff lebt ein einfaches und einsames Leben. Seine Familie sind Bücher, von denen er zu Hause eine Menge hat. Zwar arbeitet Carl nicht mehr im Laden, versorgt aber immer noch ...

Der alte Buchhändler Carl Kollhoff lebt ein einfaches und einsames Leben. Seine Familie sind Bücher, von denen er zu Hause eine Menge hat. Zwar arbeitet Carl nicht mehr im Laden, versorgt aber immer noch Menschen mit Büchern, und zwar indem er sie einigen Stammkunden regelmäßig nach Hause bringt. Die persönliche Zustellung und der damit verbundene Gang durch seine Heimatstadt wird zum festen Bestandteil seines Alltags und verleiht seinem Leben mehr Sinn. Carl liebt diese Routine und freut sich immer wieder auf seine Kunden, denen er insgeheim passende literarische Namen verpasst. Doch eines Tages taucht plötzlich an seiner Seite die 9-jährige Schascha auf, die ihn unbedingt begleiten möchte. Das passt Carl zuerst gar nicht. Erstens möchte er seine Aufträge wie gewohnt alleine verrichten und zweitens sind Kinder für ihn eine fremde Spezies. Doch das kluge und neugierige Mädchen gibt nicht so leicht auf...

Was für ein kluges und berührendes Buch! Ich habe jede Seite genossen und kann die begeisterten Kritiken zu dem Roman absolut nachvollziehen. Eine schöne Geschichte und liebenswerte Charaktere, die man ins Herz schließt. Ein Hoch auf die Freundschaft, den Zauber des Lesens und auf die fast schon magischen Kräfte, die in vielen Büchern stecken, notabene auch in diesem. „Der Buchspazierer“ ist ein Roman für Herz und Seele, der beides wärmt und zu trösten vermag, man könnte es aufs Rezept verschreiben Also bitte unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 15.07.2024

Düster, wendungsreich und absolut fesselnd!

Marta schläft
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Mit 15 Jahren wurde Nadja für einen grausamen Mord, den sie begangen haben soll, zu sieben Jahren Jugendhaft verurteilt. Inzwischen ist sie wieder auf freiem Fuß und längst eine erwachsene Frau, doch die ...

Mit 15 Jahren wurde Nadja für einen grausamen Mord, den sie begangen haben soll, zu sieben Jahren Jugendhaft verurteilt. Inzwischen ist sie wieder auf freiem Fuß und längst eine erwachsene Frau, doch die schlimmen Erinnerungen hindern sie daran, ein normales Leben zu führen. Doch als ihre ehemalige Arbeitskollegin Laura in eine absolute Notsituation gerät, ist Nadja für sie da und beschließt ihr zu helfen. Eine verhängnisvolle Entscheidung, denn schon bald steckt Nadja mitten in einem Alptraum und wird nicht nur mit den Schrecken der Vergangenheit konfrontiert, sondern muss auch um ihr Leben bangen...

Mein erster Roman von Romy Hausmann hat lange im Regal gewartet. Vor einigen Tagen habe ich endlich danach gegriffen und zu lesen angefangen. Zum Glück! Zuerst fand ich die Handlung etwas verwirrend, doch dann ... eine Wucht! Raffiniert, spannend, überraschend - ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Der Roman bietet aber viel mehr als einige Stunden Nervenkitzel. Die Autorin erweist sich als großartige Beobachterin, die uns Lesern einen tiefen Einblick in die Abgründe de menschlichen Seele gewährt. Sie zeigt, wie schnell selbst ein braver Bürger / brave Bürgerin durch eine Verkettung der Umstände zu Verbrechern werden können, wie fragil die Sicherheit ist, in der wir uns manchmal wiegen. In ihrem Buch setzt sich Romy Hausmann auf eine sehr einfühlsame Art mit so wichtigen Themen wie Schuld, Sühne und Vergebung auseinander und bringt uns zum Nachdenken. Ich habe die Lektüre genossen und bin schon sehr neugierig auf weitere Bücher aus ihrer Feder.

Fazit: Ein sehr gut geschriebener Pageturner, bei dem die Psychothriller-Fans voll auf ihre Kosten kommen, von mir definitiv eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 09.05.2024

Man sieht nur mit dem Herzen gut

Der Wind kennt meinen Namen
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Wien im Jahre 1938: Der jüdische Teil der Bevölkerung wird von den Nazi-Besatzern bedroht und grauenvoll gepeinigt. Der sechsjährige Samuel Adler verliert in der Pogromnacht seinen Vater, die Wohnung der ...

Wien im Jahre 1938: Der jüdische Teil der Bevölkerung wird von den Nazi-Besatzern bedroht und grauenvoll gepeinigt. Der sechsjährige Samuel Adler verliert in der Pogromnacht seinen Vater, die Wohnung der Familie wird zerstört. Um den Jungen zu retten schickt ihn seine Mutter in ihrer Verzweiflung mit einem Kindertransport nach England. Samuel überlebt, aber die schrecklichen Erlebnisse, den Verlust und die Einsamkeit im Exil wird er nie vergessen, sie prägen ihn sein Leben lang.

Ca. 80 Jahre später, die Vereinigten Staaten von Amerika: Die Aktivistin Selena Durán und der Rechtsanwalt Frank Angileri setzen sich für Rechte von illegalen minderjährigen Einwanderern ein, die nach der Festnahme von ihren Familien getrennt wurden. Franks erste Mandantin wird die siebenjährige Anita Díaz aus San Salvador. Das Mädchen, das bereits in ihrer Heimat viel Schlimmes erleben musste und seit einem Unfall blind ist, wird in einem Heim untergebracht und wartet auf eine Anhörung vor Gericht. Sie fühlt sich allein, vermisst schrecklich ihre Mutter, ihre Oma und all die vertrauten Dinge aus ihrem Land...

In ihrem neuesten Roman erzählt Isabel Allende von zwei Menschen, deren Kindheit trotz aller kulturellen, geographischen und zeitlichen Unterschiede deutliche Parallelen aufweist. Die Autorin verwebt die beiden Geschichten zu einer fesselnden Saga, die den Leser von den ersten Seiten an in ihren Bann zieht. Indem sie in ihrer kraftvollen und einfühlsamen Sprache von den traurigen Schicksalen ihrer Protagonisten berichtet erhebt Allende ihre Stimme für all diese, die Ähnliches durchleiden müssen. Sie öffnet unsere Herzen und Augen, damit uns dieses Leid nicht kalt lässt und damit wir die jeden Tag in der Welt geschehenden Ungerechtigkeiten als solche wahrnehmen. Man kann während der Lektüre gar nicht anders, man fühlt und leidet mit. Und man ist fassungslos, dass wir Menschen in all den Jahren offenbar wenig gelernt haben. Dass trotz des ganzen Fortschritts immer noch so viel Krieg und Gewalt in der Welt herrschen und dass sinnlose Gesetze und Machtansprüche von einigen Wenigen oft wichtiger als menschliches Wohl sind. Gleichzeitig gibt uns Allende aber auch Hoffnung, dass sich die Dinge zum Positiven wenden können. Wir müssten nur öfters mit dem Herzen sehen und mehr Courage zeigen, für eine gute Sache auch zu kämpfen wagen.

Mutig ist auf jeden Fall die Autorin, die kein Blatt vor den Mund nimmt, indem sie schonungslos von erschütternden Zuständen in amerikanischen Auffanglagern für illegale Einwanderer berichtet und drastische Folgen des Einwanderungsrechts aufzeigt oder die Männergewalt gegen Frauen und Kinder anprangert.

„Der Wind kennt meinen Namen“ ist ein berührender und wichtiger Roman, dessen Botschaft gerade heutzutage, angesichts des Krieges in der Ukraine und des blutigen Konflikts im Gazastreifen von besonderer Brisanz ist. Von mir definitiv eine Leseempfehlung!