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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.12.2024

Temporeiche Krimikomödie

Wir finden Mörder (Wir finden Mörder-Serie 1)
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Mit Wir finden Mörder beginnt Richard Osman eine neue Krimireihe. Man erkennt den angenehmen, von typisch englisch-trockenem Humor durchzogenen Schreibstil Osmans gleich wieder. Doch anders als im Donnerstagsmordclub ...

Mit Wir finden Mörder beginnt Richard Osman eine neue Krimireihe. Man erkennt den angenehmen, von typisch englisch-trockenem Humor durchzogenen Schreibstil Osmans gleich wieder. Doch anders als im Donnerstagsmordclub ist die Sprache dynamischer und durch das andere Umfeld mit moderneren Aspekten durchsetzt. Durch viele, kurze Kapitel und Perspektivwechsel wird Spannung und Tempo aufgebaut. Stilistisch ist der Roman am ehesten eine actionreiche Krimikomödie, Fans von Blut sind hier fehl am Platz, aber auch Leute, die nur ein Buch zum runterlesen suchen werden hier nicht fündig. Die ermittelnden Protagonisten sind Steve, ein Ex-Bulle der in einem kleinen Kaff vor sich hin pensioniert und gleichzeitig immer Mal wieder kleine Detektivfälle löst, und Amy, die im Personenschutz tätig ist. Amy ist Steves Schwiegertochter und in ihrem Umfeld kommt es zu Todesfällen. Wenn ich mich für eine Figur entscheiden müsste, so wäre mein Lieblingscharakter Amys Schützling Rosie, eine Frau unbestimmten Alters mit herrlich exzentrischem Auftreten und bissigen Sprüchen.
Handlungsmäßig bekommen wir es mit einer Schnitzeljagd um die Welt zu tuen. Neben Spannung ist vor allem die Konstellation der Figuren wie bei Richard Osman typisch ein Highlight. Die Figuren sind gut geschrieben, gleichzeitig merkt man, dass noch Entwicklungspotenzial besteht: innerhalb der Figuren untereinander und hin zum Leser durch angedeutete Backstories.
Alles in allem ein schöner, vielschichtiger und in sich schlüssiger Band, der Lust auf den nächsten Teil macht. Empfehlung an alle Krimifans.

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Veröffentlicht am 19.11.2024

Das typische Chaos eines Familienurlaubs

Gregs Tagebuch 19 - So ein Schlamassel!
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Gregs Tagebuch geht mit „So ein Schlamassel“ in die 19. Runde und bringt wie immer zum Lachen und Schmunzeln. Wie alle Bände kann man ihn ohne Vorwissen der anderen lesen. Aber natürlich hat man mehr Spaß ...

Gregs Tagebuch geht mit „So ein Schlamassel“ in die 19. Runde und bringt wie immer zum Lachen und Schmunzeln. Wie alle Bände kann man ihn ohne Vorwissen der anderen lesen. Aber natürlich hat man mehr Spaß daran, wenn man sie kennt und nun hier bekannte Figuren wiedertrifft. In diesem Teil reist Gregs Familie mit der gesamten mütterlichen Verwandtschaft auf Wunsch der Oma gemeinsam in den Urlaub auf die Insel Knitterfels. Tanten, Cousins, Onkel und Hundeinfluencerin Diva – alle teilen sich einen Sommer lang ein kleines Haus und reißen sich für geplante Ausflüge mehr oder weniger zusammen. Und Greg? Der will eigentlich nur in aller Ruhe in einem schönen Restaurant essen.
Die Zeichnungen sind wie immer witzig und mit liebevollen Details versehen, Greg hat wunderbar unterhaltsame Gedanken und im Laufe der Handlung geht natürlich einiges drunter und drüber. Es ist einfach eine humorvolle, leichte Lektüre die jedes Mal viel zu schnell zu Ende ist.
Alles in allem besonders lesescheuen Personen zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 03.11.2024

Grandioser Roman um Medizin, Recht und Rechtsprechung im Zeitalter der Aufklärung

Die Lungenschwimmprobe
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Wir befinden uns im Zeitalter der Aufklärung, doch die Schrecken des vergangenen Krieges sind fest im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Der Ruf einer Person entscheidet über Gedeih und Verderben der ...

Wir befinden uns im Zeitalter der Aufklärung, doch die Schrecken des vergangenen Krieges sind fest im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Der Ruf einer Person entscheidet über Gedeih und Verderben der gesamten Familie. Die junge Anna wird beschuldigt, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben. Sie selbst schwört, es sei zum Zeitpunkt der Geburt bereits tot gewesen. Persönliche Rivalitäten des Vaters der Beschuldigten, ein neuartiges medizinisches Verfahren und der ehrgeizige junge Verteidigungsanwalt, dessen Neuerungsgedanken nicht jedem behagen, wirken auf den Fall ein und machen aus diesem mehr als einen der vielen vergessenen Kindsmordprozesse jener Zeit.
Es handelt sich bei dem Roman um keinen historischen Krimi. Vielmehr ist es eine Rekonstruktion des Prozesses und der daran beteiligten Personen. Der Autor nimmt dabei eine ambivalente Stellung ein, einerseits weiß er mehr über den Fortgang und die Ereignisse der kommenden Jahre als die Figuren, andererseits gibt er die Grenzen seines Wissens offen zu. Denn viele der Details sind uns heute nicht mehr zugänglich, da sie schlichtweg von den Beteiligten nicht überliefert wurden. Der Autor vermengt deshalb Fakt und Fiktion und steht offen dazu. Spannend und intensiv wird das jahrelange Ringen um das Schicksal der vermuteten Kindsmörderin geschildert. U.a. sprachliche Konstrukte des 17. Jahrhunderts und der Wechsel zwischen langen und kurzen Kapiteln schaffen einen stets fesselnden Lesefluss und tragen zur Vermittlung der beklemmenden Atmosphäre bei. Man bekommt ein gutes Gespür für den historischen Bewegungsraum der Figuren. Die Dialoge und Marotten der Charaktere sprühen demgegenüber vor Leben.
Am Ende des Buches ist ein QR-Code bzw. ein Link, der zu einer Datei führt in der die verwendete Sekundärliteratur, ein Namensverzeichnis historischer Personen und Abbildungen zu finden sind. Angesichts der Länge des Buches ist verständlich, weshalb der Verlag dies nicht mit in den Roman aufgenommen hat und ich finde es wirklich klasse, dass ich und andere Interessierte so einen Blick auf die Quellen werfen können. Außerdem wird meiner Meinung nach zum Verständnis des Romans ohnehin kein Namensverzeichnis benötigt, da die Anzahl der relevanten Personen doch relativ gering ist. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, im Nachwort auf die Fehlerrate der Lungenschwimmprobe genauer einzugehen.
Alles in allem ein einzigartiger Roman, vorbildlich recherchiert und mit Fingerspitzengefühl und Herzblut geschrieben. Sehr zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 11.09.2024

Traumhafte Erzählung um Muranoglas

Das Geheimnis der Glasmacherin
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Die Geschichte dieses alleinstehenden Romans beginnt mit Orsolas Kindheit im 15. Jahrhundert. Sie ist das jüngste Kind einer namenhaften Familie Muraneser Glasmacher. Doch der verfrühte Tod des Vaters ...

Die Geschichte dieses alleinstehenden Romans beginnt mit Orsolas Kindheit im 15. Jahrhundert. Sie ist das jüngste Kind einer namenhaften Familie Muraneser Glasmacher. Doch der verfrühte Tod des Vaters hebt ihre Welt aus den Angeln und plötzlich muss die traditionsreiche Glasschmiede auf neue Art arbeiten um zu überdauern. Obwohl der Familie Orsolas bedeutende Rolle zukommt, wird einzig aus ihrer Perspektive erzählt. Und gleich vorneweg: es handelt sich um einen Roman, in dem große Zeitsprünge vorkommen. Ich meine nicht Jahre, sondern Jahrzehnte. Das Besondere dabei? Die Figuren in Venedig und Murano altern in einem langsameren Tempo als die Welt um sie herum. So erlebt Orsola entscheidende Momente der Geschichte Venedigs mit, vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Das Herzstück bildet natürlich das Glas: der Umgang der Menschen mit ihm, seine Formung und neue Verwendungen aber auch Kontinuität wird durch die Jahrhunderte hinweg verfolgt und beeinflusst Orsolas Leben. Sie und ihre Familie stehen somit für hunderte von historischen Glasmacherfamilien, die sich ihren Weg durch die Umbrüche der Zeit bahnten. Der Erzählstil schafft zusammen mit den Zeitsprüngen eine beinahe magische Atmosphäre. Der Roman ist großartig recherchiert, die handwerklichen Aspekte lebhaft und verständlich beschrieben. Ich kann nur raten, ein paar der erwähnten Glaswerke, bspw. die der Baroviers, zu googeln. Wirklich wunderschöne Stücke. Und Stichwort schön, ich wurde beim Lesen mehrfach auf das Buch angesprochen, der Farbschnitt fällt toll ins Auge. Mein einziger, minimaler Kritikpunkt ist die fehlende Charakterisierung mancher Familienmitglieder, die zwar weniger handlungsrelevant sind, aber Orsola nahestehen und deshalb im Sinne eines Mitempfindens eine bessere Präsenz haben sollten.
Alles in allem ein wundervoller historischer Roman mit einer einmaligen Erzählweise. Definitiv eines der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe.

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Veröffentlicht am 06.08.2024

Starker Roman über Frauenrechte zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Im Nordwind
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1913 findet sich Alice in der Ehe mit einem gewalttätigen Mann gefangen. Für ihre Tochter nimmt sie das Risiko der Scheidung in Kauf, die zu dieser Zeit Männer mehr als bevorzugt. Unterstützung erhält ...

1913 findet sich Alice in der Ehe mit einem gewalttätigen Mann gefangen. Für ihre Tochter nimmt sie das Risiko der Scheidung in Kauf, die zu dieser Zeit Männer mehr als bevorzugt. Unterstützung erhält sie dabei vom Juristen John. Doch Schicksalsschläge in seiner Familie und Alice‘ eigene verheerende Vergangenheit drohen sowohl die Scheidung wie auch die keimende Beziehung zwischen John und Alice zu zerreißen.
Kurze Warnung, ich bin etwas erkältet, hoffentlich ist die Rezension dennoch verständlich.
Zweite Warnung, der Band endet auf eine Art und Weise, dass man unbedingt den nächsten Teil lesen möchte, der aber erst im Oktober erscheint. Jetzt aber erst mal mehr zum ersten Band: über den schönen Schreibstil von Miriam Georg kann ich nicht genug sagen. Einfach sehr bildlich, aber ohne überladen oder kitschig zu sein. Grade beim Thema häusliche Gewalt hat sie hier an mehreren Stellen genau das richtige Maß getroffen. Ich persönlich hätte mir zwar einmal eine Darstellung gewünscht, bei dem es neben Phasen der Aggression auch lovebombing gibt, doch hier ist die Situation in der Hinsicht simpler. Die Nebencharaktere sind gut ausgearbeitet, was auch daran liegt, dass aus mehreren Perspektiven erzählt wird. Hinzu kommen Kapitel, die einem Alice‘ Vergangenheit näherbringen und dazu beitragen, ihr Verhalten in der Gegenwart und nicht zuletzt auch den Eheschluss zu einem Mann, den sie nie liebte, zu erklären. Ihre Kindheit/Jugend fiel düsterer aus, als ich zu Beginn des Romans erwartet habe, doch es entwickelt sich schleichend und ist kein plötzlicher Stimmungsbruch. Ebenso kommt die Romanze nicht von jetzt auf gleich zustande, doch an der ein oder anderen Stelle ging es mir angesichts von Alice‘ Vergangenheit etwas zu schnell. Aber es ist schließlich weniger ein Liebesroman als ein historischer Roman oder sogar Familienroman, deshalb handelt es sich hier nur um Jammern auf hohem Niveau. Besonders die Konfrontation mit historischem Ehe- und Scheidungsrecht hat mir sehr gut gefallen und ist ausgezeichnet von der Autorin recherchiert und vermittelt worden. Der Gerichtstermin war unterhaltungsmäßig einer der Höhepunkte für mich, was mich total überrascht hat, weil ich Gerichtsshows im Fernsehen immer totlangweilig finde. Und hier bin ich nun und hoffe auf mehr solcher Szenen im nächsten Band. Als letzten Punkt möchte ich noch knapp die Tochter Rosa ansprechen: sie liest sich wirklich wie ein Kind ihres Alters mitsamt den dazugehörigen Macken. Das hat mir gut gefallen, weil grade junge Kinder in Romanen immer wieder irritierend unaltersgemäß auftreten.
Alles in allem, große Empfehlung an alle Leser historischer Romane.

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