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Veröffentlicht am 25.08.2024

Von wegen perfekte Vorstadt-Idylle

Der Honigmann
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Im Droemer Verlag erscheint Peter Huths Roman "Der Honigmann".

Im beschaulichen Ort Fischbach siedeln sich junge Familien an, um ihre Kinder fern der Hektik und Kriminalität des Stadtlebens aufwachsen ...

Im Droemer Verlag erscheint Peter Huths Roman "Der Honigmann".

Im beschaulichen Ort Fischbach siedeln sich junge Familien an, um ihre Kinder fern der Hektik und Kriminalität des Stadtlebens aufwachsen zu lassen. Die Bewohner freunden sich an, treffen sich zum Grillen und fühlen sich sehr wohl. Ein neues Laden-Café mit Dekoartikeln wird eröffnet, in dem der "Honigmann" Honig aus Rumänien und andere Produkte anbietet. Das Geschäft wird gut angenommen, die Frauen kaufen dort Geschenke, trinken Cappuccino und die Kinder Kakao, jeder fühlt sich wohl. Doch es dauert nicht lange, bis ein Verdacht über die Vergangenheit des Ladenbesitzers die Runde macht. Die Gerüchteküche brodelt und die Fischbacher möchten ihre Vorortidylle bewahren. Deshalb sind sie bereit, sie zu verteidigen, koste es was es wolle.

Als unbeteiligte Beobachterin lerne ich aus unterschiedlichen Perspektiven die vielseitig skizzierten Bewohner näher kennen und erfahre ihre persönliche Einstellung und nehme dadurch die Entwicklung im Ort wahr, die sich allmählich aufbaut und immer mehr zuspitzt. Die Idylle Fischbach droht zu kippen, können die Bewohner die Situation entschärfen und kann der Honigmann bleiben?

Es war für mich sehr spannend, zu beobachten, wie Ängste aufkommen und sich das Meinungsbild und die Aktionen der "Fischbacher" entwickeln und sich manche Menschen, ohne selbst mehr zu wissen, dem allgemeinen Widerstand anschließen. Die Vielzahl der Perspektiven und Personen haben mich mit ihren unterschiedlichen Gedanken und Lebenskonzepten etwas von der Haupthandlung weg geführt. Es wäre klarer und brisanter gewesen, wenn sich der Autor auf wenige Figuren konzentriert hätte.

Peter Huth zeigt in seinem Buch ein brisantes Thema, durch das Menschen in ihrer Wahrnehmung wenig Rücksicht auf Einzelne nehmen und auf ihre eigenen Vorteile und auf die heimische Idylle bedacht sind. Der Honigmann wird vom Täter zum Opfer, denn die Bewohner sind verunsichert, verstört und voller Hass gegen den vermeintlich Bösen. Dabei sind sie selbst alle nicht perfekt und haben ihre Eigenheiten, Angewohnheiten und Laster.

Die erwähnten Figuren zeigen Menschen jeder Einstellung und bilden damit einen Querschnitt der Gesellschaft ab. Es ist interessant zu beobachten, wie hier durch Spekulationen ein Stein ins Rollen gebracht wird, der Demonstration und Ausgrenzung nach sich zieht und die Frage nach verbüsster Schuld und zweiter Chance immer mehr in den Hintergrund gerät. Ich war bis zum Ende gespannt, wie die Geschichte ausgehen würde. Es wird eine gesellschaftliches Bild aufgezeigt, das in der heutigen Zeit aktueller denn je ist.


Eine aufrüttelnde Gesellschaftsstudie, die mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

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Veröffentlicht am 23.08.2024

Liebe, Leid und Gelati!

Bella Famiglia
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Im Aufbau Verlag erscheint der Roman Bella Famiglia von Nico Mahler.

München, 1966: Sofia träumt bei ihren wöchentlichen Besuchen in der Eisdiele Bella Italia sehnsüchtig von der großen Liebe und vom ...

Im Aufbau Verlag erscheint der Roman Bella Famiglia von Nico Mahler.

München, 1966: Sofia träumt bei ihren wöchentlichen Besuchen in der Eisdiele Bella Italia sehnsüchtig von der großen Liebe und vom Zauber Venedigs. Der Besitzer der Eisdiele Lorenzo kennt aus eigener Erfahrung wie hart das Leben in Italien sein kann. Seine Familie lebt im Val di Zoldo, dem Tal der Eismacher, wo existentielle Nöte den Menschen vieles abverlangte. Auch Lorenzo verließ eines Tages das Tal, die Gründe nagen heute noch schwer an ihm.

In "Bella Famiglia" lässt uns Nico Mahler an den schwierigen Lebensumständen einer Eismacherfamilie teilhaben.

Der erste Erzählstrang lässt uns ab 1899 in die Erlebnisse einer Eismacherfamilie eintauchen. Das kleine Tal bot für seine Bewohner karge Lebensbedingungen, um seine Familie über Wasser zu halten, nahm Großvater Tonino in benachbarten Ländern unterschiedliche Arbeiten an. Die Tradition des Eismachens sollte ihnen schliesslich eine Existenzgrundlage bieten, denn es war auch in Österreich und Deutschland sehr begehrt.

Die zweite Zeitebene beleuchtet ab 1966 Sofias Leben, sie ist Erzieherin in einem Kinderheim, hat eine gescheiterte Ehe hinter sich und träumt von dolce vita in Venedig. Im Eissalon Bella Italia lernt sie Lorenzo kennen, der häufig niedergeschlagen aussieht, ein Eigenbrötler mit traurigem Gesicht. Nach und nach lernt sie ihn und die Geschichte seiner Familie näher kennen und Lorenzo zeigt, dass er auch Freude empfinden kann.

Nico Mahler erzählt auf eindrucksvolle und berührende Weise von einer italienischen Familie, die stellvertretend für viele Italiener steht, die sich aus finanzieller Not heraus als Gastarbeiter verdingen mussten, um die Familie zu ernähren. Das Leben in der Ferne war nicht einfach und für die Menschen durch die örtliche Trennung auch schwer zu ertragen, das lässt Melancholie aufkommen. Doch die Geschichte macht nicht nur Trauer und Leid sichtbar, sie feiert auch die Liebe, das Leben und die Kunst des Eismachens. Und sie lässt Hoffnung aufkommen, weil es viele Menschen geschafft haben, neuen Mut zu entwickeln und sich vom Leben nicht unterkriegen lassen.


Die Charaktere sind vielschichtig und lebensecht gezeichnet und ich habe ihre Schicksale gespannt verfolgt. Dieser berührende, schön erzählte Roman ist mir sehr nahe gegangen! Von der Handlung her hat mich der Erzählstrang in der Vergangenheit besonders gepackt, während die Geschichte mit Sofia etwas schwächer ausfällt.

Die heutigen Glücksgefühle beim Essen von Gelati sind verknüpft mit vielen Schicksalen der Eismacher, die schwierige Lebensumstände überwinden mussten, Leid und Schmerz ertrugen und dennoch nicht die Hoffnung verloren.


Eine Geschichte, die uns die Existenzängste einer italienischen Familie aufzeigt, aber auch die Liebe und das Leben feiert. Ein berührender und doch so schöner Roman, der reichlich Appetit auf Eis macht!


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Veröffentlicht am 06.08.2024

Sensibilisiert Kinder für Nachhaltigkeit und Umweltschutz!

Ich bin deine Erde
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Im Penguin Junior Verlag erscheint das Bilderbuch "Ich bin deine Erde" von Annette Langen mit Illustrationen von Sandy Lohß. Das Buch richtet sich an Kinder ab 2 Jahren.

Unsere Erde ist ein wunderschöner ...

Im Penguin Junior Verlag erscheint das Bilderbuch "Ich bin deine Erde" von Annette Langen mit Illustrationen von Sandy Lohß. Das Buch richtet sich an Kinder ab 2 Jahren.

Unsere Erde ist ein wunderschöner Planet, der Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen bietet. Leider ist die Umwelt immer mehr gefährdet. Doch es gibt einiges, was wir machen können, um das Ökosystem Erde für alle Lebewesen und Pflanzen lebenswert zu erhalten.


Wie der Titel schon sagt, spricht die Erde die Kinder direkt an und erklärt die Probleme. Sie braucht die Hilfe der Menschen und zeigt, worauf es beim Umweltschutz ankommt. Das schafft die Erkenntnis dafür, wie alles Leben in der Natur miteinander verbunden ist und nur in einem gesunden System einwandfrei funktioniert. Gemeinsam lässt sich Umweltschutz auch durchsetzen, man muss nur wissen, wie!

Die dicken Pappseiten und das handliche Format sind genau richtig für kleine Kinderhände und die vielen Klappen verlocken zum Nachschauen.

Die Erde bietet Platz für Menschen, Tiere, Berge, Seen, Meere, viele Pflanzen und hohe Bäume. Hinter den Klappen gibt es noch viel zu entdecken und das weckt Neugierde und macht Spaß.

So wird beschrieben, wie jeder Einzelne Abgase vermeiden kann und warum zuviel Verkehr die Erde aufheizt und krank macht. Trinkwasser ist ein kostbares Gut, deshalb sollten wir es nicht verschwenden.

Bei Thema Mülltrennung gibt es eine passende Abbildung, die genau zeigt, welcher Müll in welche Tonne gehört. So lernen Kinder für ihren Alltag und bekommen schon früh ein Bewusstsein für nachhaltiges Verhalten.

Bei den Illustrationen in diesem Kinderbuch fallen die gedeckten Farben auf, was auf die umweltfreundliche Materialnutzung zurückzuführen ist. Trotzdem sind die Bilder sehr ansprechend und das matte Cover spricht mit den vielen Details sofort an.

Positiv anzumerken ist die nachhaltige Herstellung des Buches, das zu 100 % recycelbar ist, indem mineralölfreie Druckfarben, umweltfreundlicher Leim und wasserlöslicher Dispersionslack verwendet werden. Die Bücher werden in Europa gedruckt, lange Transportwege werden so vermieden.


Mit erkennbaren Hilfestellungen und Erklärungen wird hier Umweltschutz sinnvoll und kindgerecht erklärt und zum Mitmachen aufgefordert!

Veröffentlicht am 06.08.2024

Wunderschön illustrierte philosophische Lebensbetrachtung

Der kleine Hirtenjunge
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Im Kösel Verlag erscheint "Der kleine Hirtenjunge", eine philosophische Erzählung von Regina Linke, die sie mit Illustrationen im Stil der traditionellen Gongbi-Malerei versehen hat.

"Manchmal braucht ...

Im Kösel Verlag erscheint "Der kleine Hirtenjunge", eine philosophische Erzählung von Regina Linke, die sie mit Illustrationen im Stil der traditionellen Gongbi-Malerei versehen hat.

"Manchmal braucht man nur ganz kleine Dinge tun. Und das kann alles verändern." Zitat S. 51

Ein kleiner Junge fühlt sich wie ein winziges Element in einer riesengroßen Welt. Doch dann entdeckt er mit seinen Freunden, dem Ochsen und dem Kaninchen, die wichtigen Dinge des Lebens. Diese Figuren stehen als Symbol für Taoismus, Buddhismus und Konfuzianismus und stellen die drei Säulen der chinesischen Philosophie dar. In Gesprächen tauschen sich die drei Hauptfiguren über die Liebe, Verbundenheit und Mitgefühl aus und strahlen damit Glück, Lebensfreude und Harmonie aus, die auch traurige Momente als Teil des menschlichen Lebens einschließen. Denn zum Glück gehören alle menschlichen Gefühle hinzu.

Regina Linke startet mit einem erklärenden Vorwort, sie hat das Buch wunderschön illustriert und zeigt traditionelle asiatische Landschaften, deren Anblicke einfach verzaubern. In ihren Bildern stellt sie die Freundschaft zwischen Kind, Ochse und Kaninchen dar und lässt die Liebe und Zusammengehörigkeit zwischen Großvater und Enkel sichtbar werden und die liebevolle Hilfe und Unterstützung zwischen Jung und Alt.

Inhaltlich rankt sich die fernöstlich wirkende Erzählung um Lebensfreude, Freundschaft, Mitgefühl und Verbundenheit. Wer diese Dinge für sich erkennt und lebt, führt ein glückliches Leben. Das sind die Grundpfeiler der Liebe und der Menschlichkeit.

Durch die fernöstlichen Lebensweisheiten ist das Buch sehr tiefgründig und auch wenn manches offensichtlich ist, ist es eher für Erwachsene geeignet als für Kinder.
Meisterhaft illustrierte philosophische Lebensbetrachtung über ein harmonisches Miteinander. Denn Glück kann man verdoppeln und sogar vervielfältigen, wenn man es teilt.

Ein zauberhaft illustriertes Buch zum Betrachten, Nachdenken und Innehalten.

Veröffentlicht am 05.08.2024

Menschliche Symbiose

Pi mal Daumen
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Alina Bronskys Roman "Pi mal Daumen", das Buch erscheint im Kiepenheuer & Wisch Verlag.

Oscar Maria Wilhelm Graf von Ebersdorff ist 16 Jahre, hochbegabt und startet ein Mathematik Studium, bei dem er ...

Alina Bronskys Roman "Pi mal Daumen", das Buch erscheint im Kiepenheuer & Wisch Verlag.

Oscar Maria Wilhelm Graf von Ebersdorff ist 16 Jahre, hochbegabt und startet ein Mathematik Studium, bei dem er die auffällige Kommilitonin Moni kennenlernt. Sie ist 53 Jahre alt, mehrfache Großmutter und hat mehrere Jobs. Aber auch ihr liegt die Mathematik am Herzen und sie möchte sich noch spät beweisen.

Der Roman wird aus Oscars Sichtweise erzählt, der zunächst glaubt, Moni wäre keine Mitstudierende, sondern Kantinenpersonal und so belächelt er sich auch, als sie in den Vorlesungen auftaucht. Doch mit der Zeit erkennt er Monis liebenswerte und hilfreiche Art und staunt nicht schlecht, welche familiären Aufgaben und Jobs sie auch noch übernimmt. So unterschiedlich Oscar und Moni auch sind, sie bilden eine Arbeitsgruppe, von der beide profitieren und es entwickelt sich daraus sogar eine tiefere Freundschaft.

Mein Eindruck vom privilegierten Oscar hat sich im Laufe der Geschichte mit seiner persönlichen Entwicklung gewandelt. Anfangs ist er der typische Hochbegabte, der Mathe-Nerd, dessen Intellekt ihn anderen überlegen macht und der nur bestrebt ist, eine berühmte Mathekoryphähe kennen zu lernen. Zum Teil lassen sich bei ihm autistische Züge erkennen, denn im Umgang mit anderen Menschen geht er auf Distanz. Doch die auffällige, beliebte, lebensnahe und arbeitssame Moni zeigt ihm, wie das wahre Leben läuft. Sie lebt ihm andere Ebene vor und zeigt, dass auch Frauen im gehobenen Alter Fähigkeiten und Träume haben, für die sie bereit sind, alles zu geben. Im wahren Leben ist Moni diejenige, die ihm haushoch überlegen ist.

Mir war schnell klar, dass in diesem Buch Moni meine Lieblingsfigur ist, weil sie zwischenmenschliche Kontakte fest in ihr Leben einplant und auch für diese Menschen da ist. Das merkt Oscar am eigenen Leib und entwickelt gewisse Zugehörigkeitsgefühle, die manchmal auch Eifersucht aufzeigen.

Da sich Oscars Leben ja an der Uni abspielt, beeinhaltet der Roman auch mathematische Themen und so wird mit Formeln jongliert und Gedankengänge über vierdimensionale Politope erörtert oder über die Taylor-Formel diskutiert. Das habe ich persönlich inhaltlich eher ausgeblendet, Mathefreaks können sich hier aber sicher gedanklich inspirieren lassen. Mich haben diese Themen aber nicht von der Botschaft des Romans abgelent, der darauf abzielt, zu zeigen, wie sich Menschen auch trotz großer Unterschiede näher kommen, sich unterstützen und gegenseitig akzeptieren und schliesslich zu einem Wir-Gefühl kommen.

Es gibt viele Szenen, die sich interessant lesen lassen und dir mit Humor und Leichtigkeit die Entwicklung und Tiefe von menschlichen Kontakten aus verschiedenen Lebensmodellen sichtbar machen. Das ist es doch, was uns Menschen ausmacht!


Ein sehr unterhaltsamer Roman, der das zwischenmenschliche Leben in der Vordergrund rückt.