Cover-Bild Pi mal Daumen
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 15.08.2024
  • ISBN: 9783462004250
Alina Bronsky

Pi mal Daumen

Roman | Lieblingsbuch der Unabhängigen 2024

Ausgezeichnet als Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen 2024

Bestseller-Autorin Alina Bronsky legt eine Komödie über zwei Menschen vor, die aus unterschiedlichen Welten stammen – und am Ende nicht mehr ohne einander sein wollen. Warmherzig, rasant und höchst unterhaltsam.

Sie begegnen sich zum ersten Mal in einer Vorlesung: Der hochbegabte Oscar ist 16, hat einen Adelstitel und ist noch nie mit der U-Bahn gefahren. Moni Kosinsky hat drei Enkel, mehrere Nebenjobs und liebt knalligen Lippenstift und hohe Absätze. Sie ist fest entschlossen, sich heimlich den Traum von einem Mathe-Studium zu erfüllen.

Doch im Hörsaal wird Moni für eine Putzfrau gehalten und belächelt. Wie kommt sie dazu, sich für eines der schwierigsten Fächer überhaupt einzuschreiben? Und woher kennt sie den berühmtesten Professor der Uni?

Bald muss nicht nur Oscar feststellen, dass Monis Verstand und Beharrlichkeit größer sind als ihre Wissenslücken. Denn Mathematik schert sich nicht um Fragen der Herkunft, des Alters und des Aussehens. Oscar dagegen kämpft mit dem Alltag und findet ausgerechnet in der warmherzigen Moni eine Vertraute, die seinem Leben eine entscheidende Wendung gibt. Bald verbindet die beiden Außenseiter eine Freundschaft, die niemand für möglich gehalten hätte. 

Ein leichtfüßiger, raffinierter, tragikomischer Roman über eine schillernde Heldin und eine ungewöhnliche Freundschaft, die weit über Fragen nach der vierten Dimension und schlechtes Mensa-Essen hinaus durchs Studium und Leben trägt.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.08.2024

Witzig und kurzweilig, wenn auch zu oberflächlich und zu viele Klischees

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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Unerwarteterweise trifft der 16-jährige adelige und hochbegabte Autist
Oscar bei einer Mathematik-Einführungsvorlesung auf Moni, eine über 50-jährige Großmutter mit ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Unerwarteterweise trifft der 16-jährige adelige und hochbegabte Autist
Oscar bei einer Mathematik-Einführungsvorlesung auf Moni, eine über 50-jährige Großmutter mit vielfältigen familiären Aufgaben und mehreren Jobs, die sich heimlich an der Universität eingeschrieben hat, um sich einen Lebenstraum zu erfüllen. Für Oscar steht fest: Diese Frau ist hier eindeutig fehl am Platz. Oder? Es ist der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: psychische Krankheiten, Autismus, Misogynie, S+xismus, Klassismus, Tod, toxische Beziehung, Mutterschaft, Trauer, Diskriminierung
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: B+tch

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Universität & Leben als Studierende:r
- Autismus & Hochbegabung
- Mathematik
- Gegensätze ziehen sich an
- ungewöhnliche Freundschaft
- Milieustudie („Ober- und Unterschicht“)
- LGBTQAI+-Repräsentation (M|M)
- Mental Load & Care-Arbeit (als Großmutter)
- strukturelle Diskriminierung an der Uni
- Familie
- Humor

Lieblingszitate

„Im Mathestudium mit Schulwissen anzukommen war, als wollte man mit einer Sandkastenschaufel versuchen, einen See auszugraben.“ Seite 12

„In der U-Bahn wusste ich sofort wieder, warum ich öffentliche Verkehrsmittel mied. Es waren nicht nur die seltsamsten Leute darin, sie schauten mich auch noch an, als hätten sie noch nie eine Person mit Gummihandschuhen gesehen.“ Seite 58

„‘Wenn ich jetzt auch noch anfange, Ansprüche zu stellen…‘
[…]
„‘Es geht nicht um Ansprüche, sondern um Lebensrealitäten.‘“ Seite 67

„Irgendwann hörte ich auf, den Fliederduft wahrzunehmen. Was nur bedeuten konnte, dass ich dabei war, mich an sie zu gewöhnen.“ Seite 31

Meine Rezension

Eigentlich hatten mich Titel und Klappentext auf den ersten Blick gar nicht angesprochen, doch als ich in die Leseprobe hineinlas, war es um mich geschehen und mein Interesse geweckt! Und wenn mir der Schreibstil gefällt, stimmt für mich schon einmal viel bei einem Buch – aber war auch der ganze Rest überzeugend?

Ja, durchaus! Für mich war es das erste Buch von Alina Bronsky und ich war sofort begeistert und sehr angetan von ihrer leichtfüßigen, unglaublich angenehm lesbaren Sprache voller treffender, schöner und witziger Vergleiche. Die Autorin ist definitiv eine sehr gute Geschichtenerzählerin und hat das Schreibprinzip „show, don’t tell“ verstanden! Zu sagen, dass die Mathematik nie zu meinen großen Leidenschaften gehört hat, wäre eine maßlose Untertreibung – trotzdem empfand ich die hier geschilderten und meiner Einschätzung nach (vielleicht liege ich aber auch vollkommen daneben!) gut recherchierten mathematischen Probleme und Themen als faszinierend und interessant, sodass SOGAR ICH ihnen etwas abgewinnen und die Begeisterung für dieses Fach nachvollziehen konnte. In den Beschreibungen des Uni-Lebens habe ich mich (zumindest teilweise, die enge Beziehung zu den Professor:innen ist etwas unglaubwürdig) wiedergefunden und mich an meine eigene Zeit als Studentin zurückerinnert. Nach der Lektüre habe ich übrigens auch so viel Lust wie nie zuvor auf ein Zweistudium!

„Pi mal Daumen“ handelt von einer ungewöhnlichen Freundschaft, von Familie und Gegensätzen, die sich anziehen, aber die Autorin traut sich auch noch an ein weiteres, sehr wichtiges Thema heran: Chancengleichheit und fehlende Familienfreundlichkeit im Studium. Denn leider werden durch das jetzige, oft „lernfeindliche“ System jene benachteiligt, die in einer Familie die Care-Arbeit leisten, Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder nebenher noch andere Verpflichtungen (z. B. einen Vollzeitjob) haben. So müssen viele dieser Leute (meist leider immer noch Frauen) trotz Potential und Interesse irgendwann aufgeben und abbrechen und können nicht das leisten, wozu sie eigentlich fähig wären – wodurch uns als Gesellschaft viele kluge Köpfe verloren gehen.

Großartig fand ich die schlagfertigen, schnellen Dialoge, den Humor und die Situationskomik, die genau meinen Geschmack getroffen und mich immer wieder zum Lachen gebracht haben – und das will schon etwas heißen, denn ich bin diesbezüglich sicher ein schwieriges Publikum. Überzeugt haben mich auch der Spannungsbogen, durch den mir nie langweilig wurde, und die teilweise doch ziemlich unerwarteten Wendungen. Positiv überrascht war ich davon, dass es im Buch sogar eine LGBTQAI+-Repräsentation (M|M) gibt. Am Ende wird es dann sogar noch etwas übernatürlich und rätselhaft – muss man mögen, aber mich hat es nicht wirklich gestört.

Für fünf Sterne und den Lieblingsbuchstatus hat es dann aber doch nicht gereicht. Dafür blieb die Geschichte, die stellenweise durchaus als Milieustudie gesehen werden kann, insgesamt doch ein wenig zu oberflächlich, waren mir die Figuren zu überzeichnet (wodurch sie weniger „echt“ und dreidimensional wirkten) und die Darstellung sowohl der privilegierten, reichen, gebildeten „Oberschicht“ als auch der sozial benachteiligten, armutsgefährdeten, ungebildeten „Unterschicht“ zu klischeehaft. Deutlich kritischer ist hier natürlich Letzteres zu betrachten, weil so natürlich diverse Vorurteile befeuert werden und neue Nahrung bekommen: Monis Familie wird überwiegend als laut, chaotisch, ungebildet bis dumm, schlecht gekleidet, faul, dick (Fatshaming inklusive!) und überfordert von der eigenen (großen) Kinderschar dargestellt.

Auch aus feministischer Sicht haben mich die vielen Klischees gestört: Moni studiert zwar als Frau Mathe, ja, aber sie ist AUCH der INBEGRIFF der „multitaskenden“, sich selbst für alle aufopfernde, sich um alle kümmernde Großmutter (die laut Buch alle Leute sofort „adoptiert“), auch sonst sind es in diesem Buch fast immer die weiblichen Figuren, die für die Care-Arbeit und Mental Load zuständig sind, die Matheprofessoren sind natürlich männlich, die Schulsekretärin weiblich, es wird auch der Eindruck vermittelt, dass eine Frau im mittleren Alter ohne Make-up unerträglich anzusehen sei usw. Eine gewisse unterschwellige Kritik an dieser ungleichen Verteilung der unbezahlten Arbeit kann man herauslesen, wenn man will, aber sie ist so subtil, dass die meisten Leser:innen (die dafür nicht sensibilisiert sind und sich mit dem Thema noch nie näher beschäftigt haben) drüberlesen und nicht weiter darüber nachdenken werden. Das ist schade, hier hätte ich mir klarere Worte gewünscht!

Außerdem hatte der Protagonist ein paar Seiten an sich, die mich abgestoßen haben: Er ist zwar irgendwie sympathisch, aber gleichzeitig auch unendlich privilegiert, teilweise sehr egozentisch (was sich auch im Schreibstil durch die stellenweise gehäufte Verwendung von „Ich…“ am Satzanfang spiegelt) und arrogant (anderen Studienrichtungen und Menschen gegenüber) und äußert immer wieder s+xistische und misogyne Sätze, ohne es zu merken. Beispiel: Monika spricht in einer Szene mit einer anderen Mathestudentin und er vermutet, dass sie wohl über ein Kuchenrezept reden – denn über was sonst sollten zwei Frauen sich unterhalten? Ihr hört mich seufzen. Auch sonst sind Frauen im Mathestudium wenig sichtbar – es mag aktuell noch der Realität entsprechen, aber hier sollte man doch zumindest in der Literatur gegensteuern und nicht vorhandene Geschlechterstereotype weiter zementieren (was hier passiert), oder? Man merkt, dass der 46-jährigen Autorin teilweise noch das Bewusstsein für schädliche Rollenklischees, Stereotype und S_xismus fehlt, dass sie vieles einfach nicht hinterfragt, sondern als gegeben hinnimmt. Dass sie sich dieses Bewusstsein vor dem nächsten Buch aneignet, würde ich mir wünschen!

Mein Fazit

„Pi mal Daumen“ ist ein kurzweiliger, witziger, leichtfüßiger Roman, der zwar wichtige Themen anspricht, aber dabei etwas zu oberflächlich bleibt und nicht frei von (schädlichen) Klischees und Geschlechterstereotypen ist – dafür ziehe ich einen Stern ab. Wenn man weiß, was man hier erwarten darf (und was eben nicht), kann mensch mit diesem Buch aber trotzdem (wie ich) ein paar unterhaltsame Lesestunden verbringen. Von mir gibt es daher eine Empfehlung!

Bewertung (in Schulnoten)

Cover / Aufmachung: 3 ♥
Idee: 1+ ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 2
Umsetzung: 2
Worldbuilding: 1+ ♥
Einstieg: 1+ ♥
Ende: 2-3
Schreibstil: 1+ ♥
Protagonist: 2-3
Figuren: 2
Spannung: 2
Pacing/Tempo: 2
Wendungen: 1
Atmosphäre: 2
Emotionale Involviertheit: 2
Feministischer Blickwinkel: 3-4
Einzigartigkeit: 2

Insgesamt:

Note 2

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Veröffentlicht am 11.08.2024

Mathematik für Außenseiter

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" Sie werden lachen, aber ich halte Sie nicht für besonders doof. Ich halte Sie für ineffizient."

Inhalt

Der 16-jährige Oscar sitzt in den Mathematikvorlesungen, weil er ein Überflieger ist, der bereits ...

" Sie werden lachen, aber ich halte Sie nicht für besonders doof. Ich halte Sie für ineffizient."

Inhalt

Der 16-jährige Oscar sitzt in den Mathematikvorlesungen, weil er ein Überflieger ist, der bereits in der Grundschule mit Primzahlen jonglieren konnte, auch wenn er keinerlei Sozialleben pflegt und autistische Züge besitzt. Seine neue Studienbekanntschaft, hat einen ganz entscheidenden Vorteil, sie schafft es den unterzuckerten jungen Mann mit einem Frühstück zu versorgen und nebenbei den kränkelnden Enkelsohn zu beruhigen und wissenschaftliche Aufgaben mit Tiefgang zu lösen, obwohl sie doch so überhaupt keinen Plan vom Leben zu haben scheint.

Wie es Moni zum Mathematikstudium in ihrem fortgeschrittenen Alter verschlagen hat, will Oscar einfach nicht in den Sinn. Mit einer hysterischen Tochter, drei Enkeln, einem sehr speziellen Lebensgefährten und mehreres Jobs, wird sie die Schönheit der Mathematik doch nie begreifen. Wann auch? Ihr Leben scheint ein einziges Chaos zu sein, mit hunderttausend Ansprüchen und keinerlei Zielstellung. Erst als Moni die einzige Bestnote in einer Klausur schreibt, bekommt es Oscar mit der Angst zu tun. Wie kann es sein, dass diese Frau so gut ist? Und schon hat er sein nächstes Forschungsobjekt gefunden. Doch Moni gibt es nur mit all ihren Anhängen und so muss Oscar in den sauren Apfel beißen und aus seinem Schneckenhaus herauskommen.

Meinung

Ich bin großer Fan der in Berlin lebenden Autorin, die mich schon mit zahlreichen Romanen ausgesprochen gut unterhalten konnte. Und dieser hier war mir auf Anhieb sehr sympathisch. Er hat auch so passende Parallelen zu meinem eigenen Leben, schließlich widmet sich der nerdige Hauptprotagonist der Mathematik und meine Tochter beginnt dieses Jahr ebenfalls mit diesem Studium - allerdings nur das verpönte Lehramt, also für Oscar ein absolutes No-Go!

Die Story ist nicht sonderlich tiefgründig, dafür mit wirklich herzerwärmenden Dialogen ausgestattet. Man kann Moni nur bewundern und Oscar wächst einem ganz schnell ans Herz, so das man die Interaktion zwischen den beiden und die skurrilen Alltagssituationen direkt miterleben kann. Ich mag Bücher, bei denen das Identifikationspotential so hoch ist wie hier - zwei konträre Charaktere, die durch Zufall zueinander finden und sich einfach mögen, selbst oder gerade deshalb, weil sie so besonders sind.

Das Studium von Moni Kosinsky verändert nicht nur die gestandene Frau, sondern vor allem den jungen Mann, der es sich bald zur Aufgabe macht, die vielbeschäftigte Frau durch das Studium zu manövrieren. Zwischen den Zeilen stecken dann gut greifbar einige Lebensweisheiten, die jedoch kaum an die Oberfläche kommen, weil der Leser mit Lachen beschäftigt ist. Die Grundaussage des Buches ist wunderbar positiv und lebensbejahend.

Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne, für ein echtes Gute-Laune-Buch mit Wohlfühlfaktor. Wer spezielle Typen mit sonderbaren Ansichten und verqueren Hobbys mag, oder einfach Menschen, die andere wie eigene Kinder aufnehmen und mit Wärme und Zuwendung verwöhnen, kommt hier definitiv auf seine Kosten. Den einen Stern Abzug begründe ich mit der übersichtlichen Story. Da hätte es gerne noch den ein oder anderen Schwenk in eine andere Richtung geben dürfen, aber da Oscar als Erzähler fungiert und der für Zwischenmenschliches bisher so gar kein Verständnis hatte, ist das durchaus glaubwürdig. Ich freue mich schon jetzt auf das nächste Buch der Autorin und empfehle dieses hier guten Herzens weiter.

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Veröffentlicht am 07.08.2024

Ist man je zu alt, um noch dazuzulernen?

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Der Klappentext von „Pi mal Daumen“ verspricht das „Porträt einer selbstlosen Frau“ und die Erzählung der „späten Selbstfindung einer Großmutter“ und hätte ich nicht angesichts der Autorin zunächst blind ...

Der Klappentext von „Pi mal Daumen“ verspricht das „Porträt einer selbstlosen Frau“ und die Erzählung der „späten Selbstfindung einer Großmutter“ und hätte ich nicht angesichts der Autorin zunächst blind einen Blick in den Anfang des Romans geworfen, würde es mich krass verblüfft haben, dass hier der junge Oscar als Ich-Erzähler auftritt und wir die gemeinte Frau und Großmutter aus seinem Blickwinkel dargestellt bekommen. Die Buchbeschreibung hätte mich da eigentlich entweder einen neutralen Erzähler oder Moni als Erzählerin erwarten lassen.
Oscar ist 16, adelig, hochintelligent und hat nicht nur schon vor Langem beschlossen, Mathematik studieren zu wollen, sondern sein Studium komplett durchgeplant – Moni ist Anfang 50, prollig, hochempathisch und hat sich nun (heimlich) für das Mathematikstudium eingeschrieben, von dem sie schon seit Langem träumte: Gleich bei ihrer ersten Begegnung nimmt sie Oscar ein wenig unter ihre Fittiche, der keinen Hehl aus seiner Überzeugung macht, ihre Einschreibung würde nur kurzzeitig Bestand haben, zumal Mathematik zu den Studienfächern zählt, die prinzipiell einen enormen, und rapiden, Schwund an Studierenden haben. Oscar bleibt unsicher, ob Moni sich nicht doch einfach nur unbefugt ins Auditorium geschlichen hat, und ist völlig verärgert, dass Moni dem Studium nicht so viel Raum einräumt wie er; Moni ist es hingegen unverständlich, wie Oscars Eltern ihren „Kleinen“ so einfach allein in die große, weite Welt hinaussenden konnten, denn Oscar hat nicht nur eindeutige autistische Züge, sondern ihm ist auch anzumerken, in welch geschützter privilegierter Blase er aufgewachsen ist und wie wenig er vom „normalen“ Durchschnittsleben weiß.

Damit wartet „Pi mal Daumen“ also mit zwei Hauptfiguren auf, von denen man denkt, dass sie definitiv voneinander profitieren könnten (Moni könnte etwas mehr an sich denken anstelle sich ständig für Andere aufzuopfern; Oscar könnte hingegen sozialer werden), von denen man aber auch bezweifelt, ob sie nicht doch viel zu sehr Feuer und Eis sein werden als dass sie einen längeren Kontakt zueinander halten, von einer Freundschaft aufzubauen ganz zu schweigen, könnten.
Tatsächlich entwickelt sich die Freundschaft hier wohl auch hauptsächlich aus Monis Mutterinstinkt und Oscars Faszination für Moni, hinter deren Studium er ein Geheimnis sieht, das er unbedingt ergründen will, und die er zwar zu dumm für die Uni hält, die zu seiner Überraschung aber doch auch häufig „Geistesblitze“ hat oder über zig Ecken und Kanten denkend zu den richtigen Ergebnissen kommt. Auch Moni zweifelt an ihrer Intelligenz; in ihrer Familie wären nunmal alle dumm; wobei Oscar nach den ersten Begegnungen mit Monis Enkeln Zweifel an dieser Theorie zu entwickeln beginnt, was ihn in Folge nur weiter herausfinden lassen will, wieso man dort in der Familie so bestimmt darauf pocht, mit Zahlen einfach nix anfangen zu können.

„Pi mal Daumen“ zeigt definitiv eine persönliche Weiterentwicklung beider Figuren, wobei mich Oscars Über-Frage „Wer ist Moni überhaupt?“ immer weniger interessiert hat; da hat es mich schließlich sogar ein bisschen genervt, dass er Monis Biografie so genau enthüllen wollte – war zwar schön, dass er neben der Mathematik da eindeutig auch noch ein anderes Interesse entwickelte, aber zum Einen wirkte Moni auf mich von Anfang an nicht dumm, sondern eher da genial-raffiniert, wo Oscar eben genial-rational war, und zum Anderen blieb mir auch unklar, was er eigentlich teils sehr aufwändig herauszufinden hoffte. Da gab es diverse Szenen, in denen ich dachte, er könnte auch einfach mal fragen – kurioserweise erhält er einige Antworten letztlich tatsächlich genau so, und zwar völlig beiläufig. Klar spiegelt das auch Oscars eigene Entwicklung wider, von einem, der sich eigenbrötlerisch durch zig alte Unterlagen in Archiven wühlt, zu einem, der Betreffende auch einfach mal bzgl. seiner Fragen zu deren Lebensläufen anspricht und sozusagen „sozialgesellschaftlicher“ agiert, aber mir war das alles zum Ende hin etwas zu langgezogen. Auch der (meiner Meinung nach letztlich einfach überflüssige) Epilog hat mir völlig missfallen; mit einem Teil davon hatte ich schon frühzeitig gerechnet, aber (kein Spoiler! auch wenn’s vielleicht so klingt) Mehrdimensionalität passte zwar zum mathematischen Thema, das sich wie ein roter Faden durch den Roman zog, jedoch erschien mir eher ein Mischmasch aus verschiedenen, auch spirituellen, Ebenen kreiert worden zu sein, der einfach nur „literarisch wunderschön“ klingen sollte; generell hat mich der Schluss des Romans eh ein wenig enttäuscht. Das war eines dieser Enden, das mir so vorkam als habe der/die Verfassende irgendwann selbst gemerkt, dass sich die Handlung inzwischen reichlich zog und sie nun zu einem flotten Abschluss kommen lassen wollen, und dabei dann leider alles etwa zerhackt.

Ich habe „Pi mal Daumen“ wirklich gerne gelesen, bis fast zum Schluss, aber der Schlussteil hat es mir dann doch reichlich verhagelt; mein Bronsky-Lieblingsroman wird dies deswegen definitiv nicht werden; ich runde in meiner persönlichen Lesewertung (3,8*) da ganz knapp auf vier Sterne auf.

Veröffentlicht am 05.08.2024

Menschliche Symbiose

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Alina Bronskys Roman "Pi mal Daumen", das Buch erscheint im Kiepenheuer & Wisch Verlag.

Oscar Maria Wilhelm Graf von Ebersdorff ist 16 Jahre, hochbegabt und startet ein Mathematik Studium, bei dem er ...

Alina Bronskys Roman "Pi mal Daumen", das Buch erscheint im Kiepenheuer & Wisch Verlag.

Oscar Maria Wilhelm Graf von Ebersdorff ist 16 Jahre, hochbegabt und startet ein Mathematik Studium, bei dem er die auffällige Kommilitonin Moni kennenlernt. Sie ist 53 Jahre alt, mehrfache Großmutter und hat mehrere Jobs. Aber auch ihr liegt die Mathematik am Herzen und sie möchte sich noch spät beweisen.

Der Roman wird aus Oscars Sichtweise erzählt, der zunächst glaubt, Moni wäre keine Mitstudierende, sondern Kantinenpersonal und so belächelt er sich auch, als sie in den Vorlesungen auftaucht. Doch mit der Zeit erkennt er Monis liebenswerte und hilfreiche Art und staunt nicht schlecht, welche familiären Aufgaben und Jobs sie auch noch übernimmt. So unterschiedlich Oscar und Moni auch sind, sie bilden eine Arbeitsgruppe, von der beide profitieren und es entwickelt sich daraus sogar eine tiefere Freundschaft.

Mein Eindruck vom privilegierten Oscar hat sich im Laufe der Geschichte mit seiner persönlichen Entwicklung gewandelt. Anfangs ist er der typische Hochbegabte, der Mathe-Nerd, dessen Intellekt ihn anderen überlegen macht und der nur bestrebt ist, eine berühmte Mathekoryphähe kennen zu lernen. Zum Teil lassen sich bei ihm autistische Züge erkennen, denn im Umgang mit anderen Menschen geht er auf Distanz. Doch die auffällige, beliebte, lebensnahe und arbeitssame Moni zeigt ihm, wie das wahre Leben läuft. Sie lebt ihm andere Ebene vor und zeigt, dass auch Frauen im gehobenen Alter Fähigkeiten und Träume haben, für die sie bereit sind, alles zu geben. Im wahren Leben ist Moni diejenige, die ihm haushoch überlegen ist.

Mir war schnell klar, dass in diesem Buch Moni meine Lieblingsfigur ist, weil sie zwischenmenschliche Kontakte fest in ihr Leben einplant und auch für diese Menschen da ist. Das merkt Oscar am eigenen Leib und entwickelt gewisse Zugehörigkeitsgefühle, die manchmal auch Eifersucht aufzeigen.

Da sich Oscars Leben ja an der Uni abspielt, beeinhaltet der Roman auch mathematische Themen und so wird mit Formeln jongliert und Gedankengänge über vierdimensionale Politope erörtert oder über die Taylor-Formel diskutiert. Das habe ich persönlich inhaltlich eher ausgeblendet, Mathefreaks können sich hier aber sicher gedanklich inspirieren lassen. Mich haben diese Themen aber nicht von der Botschaft des Romans abgelent, der darauf abzielt, zu zeigen, wie sich Menschen auch trotz großer Unterschiede näher kommen, sich unterstützen und gegenseitig akzeptieren und schliesslich zu einem Wir-Gefühl kommen.

Es gibt viele Szenen, die sich interessant lesen lassen und dir mit Humor und Leichtigkeit die Entwicklung und Tiefe von menschlichen Kontakten aus verschiedenen Lebensmodellen sichtbar machen. Das ist es doch, was uns Menschen ausmacht!


Ein sehr unterhaltsamer Roman, der das zwischenmenschliche Leben in der Vordergrund rückt.

Veröffentlicht am 04.08.2024

Witzig, mit mehr Tiefgang als anfänglich erwartet

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Long story short: Oscar, 16 Jahre, Graf von Ebersdorff und Moni, 53 Jahre, Großmutter mit mehreren Jobs, lernen sich beim Mathe-Studium kennen. Die Geschichte wird ausschließlich aus Oscars Sichtweise ...

Long story short: Oscar, 16 Jahre, Graf von Ebersdorff und Moni, 53 Jahre, Großmutter mit mehreren Jobs, lernen sich beim Mathe-Studium kennen. Die Geschichte wird ausschließlich aus Oscars Sichtweise erzählt, sodass von Anfang an klar ist, dass Moni für ihn hier völlig fehl am Platze ist. Aus der anfänglichen Skepsis entwickelt sich dann allerdings schnell eine Freundschaft.

Es gibt sicherlich viele Ebenen, auf denen man die Charakterentwicklung Oscars beurteilen kann. Ich habe mal wieder die feministische Brille auf und damit sieht man vor allem eines: Dass Oscar als 16-jähriger upper class Angehöriger, das Gedankengut und Machtstreben der weißen Männer und patriarchale Strukturen im 21. Jahrhundert (und leider wahrscheinlich darüber hinaus) aufrecht hält. Er kommt gar nicht auf den Gedanken, dass Moni ein Mathematik-Studium wuppen kann, nur weil sie drei Enkel, drei Jobs, eine Püppi und einen Pit hat. Dass sie ihn, Oscar, defacto locker in die Tasche stecken kann. Während Oscar nun innerhalb der Geschichte eine soziale Entwicklung durchläuft, bleibt diese Frage bis zuletzt bestehen: Werden privilegierte Männer jemals einsehen, dass Frauen ihnen in jeder Hinsicht gleichrangig sind?

Ich glaube ich muss nach diesem Plädoyer gar nicht extra erwähnen, dass Moni hingegen mein Herz von Anfang an erobert hat. Ihr musst du nicht erklären wie das Leben funktioniert (okay, vielleicht wie man die Mensa-Karte auflädt) und trotz ihres wahnsinnig anstrengenden Lebens hat sie gute Laune, ein offenes Ohr und ein Händchen fürs Zwischenmenschliche.

Der Schluss kam mir persönlich etwas zu plötzlich und lässt einige Fragen offen. Ich hätte mir hier eine stärkere Positionierung Oscars gewünscht, die seine Entwicklung abgeschlossen hätte. So bliebt wieder einmal die große Frage wo wir Frauen zur heutigen Zeit in den MINT Bereichen (naja, eigentlich auch nicht nur da) stehen. Das Buch schafft es aber mit Witz und Leichtigkeit eine nicht erwartete Tiefe zu schaffen, was mir sehr gut gefallen hat. Klare Leseempfehlung!