Profilbild von Besserwisser

Besserwisser

Lesejury-Mitglied
offline

Besserwisser ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Besserwisser über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.04.2024

Feinsinnige und poetische Familienanalyse

Treibgut
0

Im Roman Treibgut von Adrienne Brodeur lernen wir zunächst die Mitglieder einer, auf den ersten Blick, beneidenswerten Familie kennen.

Da ist Adam Gardner (69), brillanter Walforscher kurz vor seiner ...

Im Roman Treibgut von Adrienne Brodeur lernen wir zunächst die Mitglieder einer, auf den ersten Blick, beneidenswerten Familie kennen.

Da ist Adam Gardner (69), brillanter Walforscher kurz vor seiner Pensionierung, sowie sein Sohn Ken (42,) der erfolgreiche Immobilienentwickler auf dem Sprung in den Senat und seine Tochter Abby (38), die schwangere Malerin kurz vor ihrem künstlerischen Durchbruch. Diese, sowie Ken’s Frau Jenny (mit ihren bezaubernden 12-jährigen Zwillingstöchtern Tessa und Franny) werden, in sich abwechselnden, Kapiteln beschrieben, die mit dem jeweiligen Namen betitelt sind.

In vier Monaten ist der 70. Geburtstag des egozentrischen Patriarchen und so strebt alles auf diesen Tag zu.

Broudaine beschreibt ihre Protagonistin so treffend, daß man das Gefühl hat, bereits jeden von ihnen schon Jahre zu kennen.

Exquisite Landschafts- und Naturbeschreibungen bereichern diese kluge Familienanalyse, der es nicht an Humor fehlt. Klug und immer genau auf den Punkt.

Schon zu Anfang läßt uns die Autorin hinter die Fassade blicken:

Adam versucht mit Psychopharmaka seine bi-polare Störung zu steuern, Ken ist traumatisiert vom Tod seiner Mutter als er vier Jahre alt war und seine einzige Motivation ist, es den anderen zu zeigen, da er als Kind gemoppt wurde und nie die Anerkennung seines Übervaters bekam. Abby ist verhuscht und ohne Selbstvertrauen. Der Grund dafür wird sich noch zeigen. Zudem kriselt es in Ken’s Ehe mit Jenny.

Schnell treten weitere Protagonisten hinzu: Steph (38), Polizistin aus einfachen Verhältnissen, die erst jüngst, als sie zum ersten Mal Mutter wurde, erfahren hat, daß sie die Frucht eines Fehltritts von Adam ist, der aber davon keine Ahnung hat. Sie ist lesbisch und mit Toni verheiratet.

Das bedingungslose Akzeptieren dessen, was Eltern und Familie einem Kind zumuten, ist ein Überlebensmechanismus, der sich im Laufe der Evolution zur Arterhaltung herausgebildet hat. Die Natur sagt, Hauptsache überleben, schließlich kann sich auch ein stark traumatisierter Mensch im Erwachsenenalter noch reproduzieren und zur Erhaltung der Spezies beitragen.

Wie stark unsere Kindheitstraumata unser Handeln als Erwachsene beeinflussen, ist das Kernthema dieses großartigen Romans.

In einer Art Schälvorgang legt die Autorin Schicht um Schicht frei, bis die (Kindheits-) Traumata zum Vorschein kommen. Doch findet dies nicht in einer theoretisch-verkopften Analyse statt, sondern die Autorin versteht es meisterhaft alles locker fließend zu beschreiben und offenzulegen, indem sie uns einfach am Leben, Fühlen und Denken der Protagonisten teilhaben läßt. Dazwischen werden, wie von einem unsichtbar im Hintergrund arbeitenden Metronom, immer wieder Wahrheiten gesetzt, die genau ins Schwarze treffen.

Der Roman spielt auf Cape Cod einer Landzunge, die in den Atlantischen Ozean ragt, mit seiner reichen maritimen Geschichte, traditionellen Fischerdörfern, einer lebendigen Kunstszene und einer sommerlichen Flut von Touristen und Walbeobachtern. Die Bewohner sind geprägt vom Meer und seinen Gezeiten. Ein ständiges Fließen und Verändern, das sich auch auf die Menschen auswirkt.

Den ganzen Roman hindurch bezaubert uns die Autorin auch mit einfühlsamen Stimmungs- und Naturbeschreibungen, die sie organisch und ganz nebenbei einfließen läßt und so werden wir wie auf einer Woge durch die Handlung getragen und haben als Lesende das Gefühl, uns tatsächlich dort aufzuhalten.

Die Beschreibung der Figuren kommt so natürlich und lebensecht daher, daß diese uns nach kürzester Zeit vertraut sind.

Adrienne Brodeur bringt das Kunststück fertig, uns sowohl die Tablettensucht des manischen Adam, als auch die Traumata und tiefsitzenden Verletzungen von Ken und Abby so zu beschreiben, wie sie von diesen zu Beginn des Romans empfunden werden: Als Selbstverständlichkeit, als eine Unwichtigkeit mit der man sich nicht sonderlich zu beschäftigen braucht. Traumata scheinen immer mit Verdrängung einherzugehen.

So findet im Verlauf des Buches gleichzeitig auch beim Leser der Erkenntnisprozess der traumatisierten Protagonisten statt, daß es sich bei dem, was in ihrer Kindheit stattfand, um alles andere als Lappalien handelt und daß die Traumata so schwerwiegend sind, daß sie das gesamte Leben und Handeln als Erwachsene zu bestimmen und überschatten scheinen. Diese Autorin schaut genau hin, und nicht wieder weg, sobald es zu unangenehm wird.

Wie beim Essen nehme ich mir auch beim Lesen gerne Zeit, um den Genuß zu strecken. Doch dieses Buch habe ich verschlungen.

Der Stil ist fließend, so natürlich und unaufdringlich und selbstverständlich wie das Ein- und Ausatmen des Meeres mit Ebbe und Flut. Die an genau passender Stelle eingestreuten Bemerkungen sind klug und witzig, was einem als Leser leider selten begegnet.

Die Dialoge sind so lebensecht und figurenspezifisch, daß die direkte Rede (in meinen Augen die Königsdisziplin beim Schreiben) von den Lesenden an keiner Stelle als störend empfunden wird.

Die Autorin beschenkt uns den ganzen Roman hindurch mit klugen und poetischen Metaphern.

Hier eine kleine Leseprobe für die poetische Sprache, die uns durch den Roman trägt und die klugen Erkenntnisse, die uns als Lesende zu Teil werden:

„Er hielt sich die (Fechterschnecken-) Schale ans Ohr, horchte ihrer Stimme, diesem Nachhall von Zeit und Wahrheit, und sah den Jungen – sein jüngeres, lange verschwundenes Ich – das Gleiche tun. Und so, die Schale an ihrer beider Ohren, versank Adam in der sanften Glückseligkeit des Schlafs, lauschte dem uralten Zwiegespräch zwischen Mathematik und Magie, zwischen Leben und Tod.“

So ganz nebenbei und sehr klug behandelt die Autorin auch Fragen der bildenden Kunst und des künstlerischen Ringens und Schaffens. Eine unbedingte Bereicherung.

Wenn wir ein Buch kaufen, dann ist das dem Buchen einer Reise ähnlich. Vorher können wir uns entscheiden, ob wir es tun oder nicht. Doch dann müssen wir großenteils akzeptieren, wo wir hingeführt werden und was uns gezeigt wird. Im Leben gibt es kein Recht auf Vollkommenheit und so ist es durchaus möglich, daß wir einen wunderbaren, unvergesslichen Urlaub erleben und dennoch das für den Abschluß der Reise groß angekündigte Feuerwerk recht mau ausfällt.

So hat die Autorin in meinen Augen bei der Beschreibung des großen Ereignisses des 70. Geburtstages von Adam, auf den ja im Buch alles zusteuert, eine große Chance vertan, indem sie die tragische Komik, die sich durch das Aufeinanderprallen der verschiedenen Charaktere und Erwartungshaltungen ergibt, zu wenig zelebriert. Schade, wo sie doch den ganzen Roman über gezeigt hat, über welch klugen und feinsinnigen Humor sie verfügt.

Schreibende müssen nicht jede aufgeworfene Frage eines Romans beantworten, man darf durchaus das ein oder andere offen lassen. Doch wenn sich ein Buch dadurch auszeichnen läßt, daß sich die Wahrheitsliebe und Aufklärung als einer der roten Fäden durch das Werk zieht, dann kann man als Autorin nicht einfach am Ende die Beantwortung der Kernfrage nur andeuten, sie muß explizit und unmissverständlich ausgesprochen werden. Man kann sich dann auch nicht einfach hinter US-amerikanischer Prüderie verstecken, um Leser nicht zu verprellen, denen es unangenehm wäre, wenn sie nicht die Möglichkeit bekämen, eine unangenehme Wahrheit zu verdrängen. Daß man als Leser will, daß eine so bedeutende Frage vom Autor nicht unbeantwortet bleibt, hat nichts mit voyeuristischer Neugier zu tun, sondern ist dem Umstand geschuldet, daß die Lesenden ein Recht auf diese Wahrheit haben, um das Geschehene beurteilen und einordnen zu können.

Mir erscheint es ein wenig so, als wäre der Autorin gegen Schluß zu, etwas die Puste ausgegangen.

Wie leider so oft, beschreiben der Klappentext und die Kurzbeschreibung auf der Rückseite des Umschlages den Charakter des Buches nicht ganz zutreffend. Das Buch ist wesentlich reichhaltiger, als man nach dieser Beschreibung erwartet.

Nicht nur der exzellente Inhalt, sondern auch die Gestaltung des Buches mit den türkisfarbenen Vorsatzblättern und dem stimmig zum Inhalt gestalteten Schutzumschlag mit einer Strandszene mit Himmel und Meer in verschiedenen Türkisschattierungen, sowie die professionelle sehr gute typographische Gestaltung, lassen mich den Roman mit Freude in meinem Regal mit den Lieblingsbüchern unterbringen.

Das Buch erhält von mir 4,5 von 5 Sternen. Gerne hätte ich die 5 Sterne vergeben, doch muß ich einen halben Stern für die nur angedeutete Beantwortung der Kernfrage und das Verschenken der Steilvorlage bei der Geburtstagsparty in Abzug bringen.

Eine der Botschaften dieses Buches ist für mich, daß sich eine Familie nicht primär über das gemeinsame Blut definiert, sondern über die Liebe, die die Menschen einander geben und, daß ein liebevoller Mensch in bescheidenen Verhältnissen ein besseres Familienoberhaupt ist, als ein egozentrisches Genie.

Diese sensible, unbeschwerte und dennoch tiefschürfende Beschreibung einer Familie mit ihrer strukturellen Problematik, wie sie ähnlich in vielen Familien vorkommt, ist ein überaus kluges und wahrhaftiges, poetisches Kleinod. In meinen Augen daher eine unbedingte Leseempfehlung.

Die Autorin Adrienne Brodeur ist eine US-amerikanische Schriftstellerin und Redakteurin, bekannt für ihre Memoiren und ihre Arbeit als Literaturagentin. Sie ist Autorin des Bestsellers "Wild Game: My Mother, Her Lover, and Me" (2019), in dem sie ihre eigene Erfahrung aufarbeitet, als ihre Mutter eine Affäre mit ihrem Stiefvater begann und sie in ihre Geheimnisse einbezog. Brodeur ist auch Mitgründerin und ehemalige Executive Director der Aspen Words, einer gemeinnützigen Organisation, die sich der Förderung von Literatur und Schreibkunst verschrieben hat.

Der Roman Treibgut von Adrienne Brodeur umfasst 464 Seiten und ist 2024 zum Preis von 24,- Euro bei Kindler erschienen. Das Original in englischer Sprache erschien 2024 unter dem Titel Little Monsters bei Random House 2024 als Taschenbuch und bei Hutchinson Heinemann als Hardcover.

Weitere Bücher von Adrienne Bordeur in deutscher Übersetzung:

Wild Game – Meine Mutter, ihr Liebhaber und ich (2020)

Das Männer-Camp (2007)

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.08.2024

Mit der richtigen Einstellung aus dem Altsein das Beste machen !

Wenn du schon hundert wirst, kannst du genauso gut auch glücklich sein
0

In diesem schönen kleinen Büchlein gibt der emeritierte Arzt und Psychiater und Vater von vier Kindern wertvolle Tipps, wie wir mit der richtigen Einstellung das Beste aus Altwerden und Altsein machen.

Ohne ...

In diesem schönen kleinen Büchlein gibt der emeritierte Arzt und Psychiater und Vater von vier Kindern wertvolle Tipps, wie wir mit der richtigen Einstellung das Beste aus Altwerden und Altsein machen.

Ohne rosarote Brille blickt der fast 90- jährige selbstkritisch auf ein beruflich fast zu ausgefülltes Leben zurück, das zu einem gerüttelt Maß auch aus Krieg, Gefängnis, Armut und Entbehrungen bestand und läßt uns an seinen Erfahrungen und Erkenntnissen teilhaben, die von Empathie und Menschenliebe getragen sind.

Dankbar sein. Sich und anderen verzeihen lernen. Neugierig bleiben. Nicht über Unveränderbares klagen und jammern. Und so vieles mehr !

Mein ständiger innerer Kommentar beim Lesen war „Klug und richtig, aber haben wir das alles nicht bereits irgendwo schon mal gehört.“ Doch genau das ist die Stärke dieses Büchleins. Hier doziert kein Zen-Meister, der die letzten zwanzig Jahre auf einer Bergzinne im Kopfstand verbracht hat, sondern ein ganz normaler Mensch mit seinen Alltagssorgen spricht über das Altwerden, das Altsein, den Tod und wie er mit der Angst vor ihm umgeht. Spricht aufrichtig von den Fehlern, die er im Leben gemacht hat und noch macht und wie der falsche Umgang mit Vergangenem und Gegenwärtigem verhindern kann, daß wir im Alter glücklich sind.

Doch nicht die Tatsachen, die wir nicht ändern können, sind es, die uns am Glücklichsein im Alter hindern, sondern unsere Einstellungen zu diesen Tatsachen. So wie es auch in jungen Jahren falsche Einstellungen waren, die uns am Glücklichsein hinderten, was entschuldbar war, denn es fehlte an Erfahrung.

Dieses Buch ist auf jeden Fall jedem ans Herz zu legen, der nach einem ausgefüllten, überwiegend auf den Beruf und die berufliche Stellung konzentrierten Leben, sich nun mit dem Verlust der beruflichen Wichtigkeit seiner Person konfrontiert sieht, der, in der Regel, mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben einhergeht.

Doch auch alle anderen werden von diesem Rezeptbuch fürs Glücklichsein im Alter profitieren, in dem von jedermann einfach anzuwendende Lebens-Rezepte für eine gute ehrliche Küche angeboten werden und keine philosophische Haute Cuisine oder esoterische Molekularküche.

Der Autor ist Süd- Koreaner und die koreanische Gesellschaft ist gerade erst dabei, die Ära der Kultur der individuellen Überarbeitung und langen Arbeitszeiten hinter sich zu lassen, insofern mag manches nicht so ganz auf die deutsche Lebenswirklichkeit zutreffen in der das Thema Work-Life-Balance ja bereits in den 1990er Jahren populär wurde. Doch gerade Führende auch bei uns würden vermutlich auch heute noch überwiegend von Work-Work-Balance sprechen. Unterschiede in gesellschaftlichen Gepflogenheiten der Koreaner und Europäer sind vorhanden, aber die Erkenntnis, wie man mit diesen umgehen sollte, damit sie uns im Alter nicht belasten, können die Lesenden problemlos auf ihre eigene Lebenswirklichkeit übertragen.

Viele von uns werden sich im Autor stellenweise wiedererkennen. In diesem Buch sind viele kluge Sätze und Erkenntnisse und manche Weisheit zu finden, aber nie aus dem Munde eines Meisters, sondern eines bescheidenen Menschen, der sich seiner Unzulänglichkeit bewußt ist.

Folgender Satz ist für mich ein Schlüsselsatz in diesem Buch:

„ Ich habe gelernt das Leben in seiner ganzen herrlichen Durchschnittlichkeit zu schätzen.“

Ich denke, das trifft den Nagel auf den Kopf und ist der Schlüssel zur Zufriedenheit. Egal ob im Alter oder in jungen Jahren. Denn alles jenseits der Durchschnittlichkeit ist teuer bezahlte Illusion, sofern es überhaupt existiert.

Noch zwei Sätze erlaube ich mir hervorzuheben :

„Wenn wir lernen, uns auf ein einfaches Leben einzulassen, kann uns das im Alter befreien.“

„Im Alter ist Einfachheit unsere beste Freundin“

Dies bezieht er auf alle Lebensbereiche, also auf das Materielle aber auch auf die Gestaltung von Beziehungen, die Abläufe des Alltags, die Gedankenwelt, usw.

Das Buch ist in fünf Abschnitte eingeteilt:

Die bittere Wahrheit über das Älterwerden
Die Welt ohne Bedauern verlassen
Geheimnisse für ein glückliches Leben
Die Vorteile des Alters
Ab heute glücklich und zufrieden

Das schön gestaltete 238 Seiten umfassende gebundene Büchlein ist mit einem Nachwort der Übersetzerin Suphil Lee Park versehen, welche die Übersetzung aus dem Koreanischen ins Englische vorgenommen hat.

Aus dem Englischen ins Deutsche hervorragend übersetzt von Sabine Schulte.

Das Buch ist eine Leseempfehlungen für Menschen jeden Alters.

Das Buch ist im Juni 2024 bei Rowohlt erschienen und kostet 20,- Euro.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.04.2024

Eine lockere Liebesgeschichte zweier besonderer Menschen. Ein kluges Buch.

The Happiness Blueprint
0

The Happiness Blueprint von Ally Zetterberg

Ein amüsantes, kluges, lockeres Buch in dem wir viel über das Innenleben zweier Menschen erfahren, die in ihrem Empfinden und Verhalten nicht der gesellschaftlichen ...

The Happiness Blueprint von Ally Zetterberg

Ein amüsantes, kluges, lockeres Buch in dem wir viel über das Innenleben zweier Menschen erfahren, die in ihrem Empfinden und Verhalten nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen.

Die 26-jährige Schwedin Klara lebt in London, ist eine neurodivergente Chaotin und Diabetikerin und muß nun ohne Fachkenntnisse dafür sorgen, daß die kleine Baufirma ihres Vaters Peter, während seiner Krebsbehandlung, nicht den Bach runtergeht.

Währenddessen versucht der 29-jährige gutaussehende Schwede Alex den Unfalltod seines Bruders zu verarbeiten, an dem er sich mitschuldig fühlt.

Um aus seiner Depression zu kommen, bewirbt sich Alex in Peters Firma um die Stelle als Tischler und Klara stellt ihn ein, ohne zu ahnen, daß der Ring an seinem Finger nicht sein Ehering ist, sondern der seines verstorbenen Bruders.

Schon bei der ersten Begegnung funkt es zwischen den beiden Sonderlingen, doch Klara geht auf Abstand, da sie meint er sei verheiratet. Und Alex deutet ihre Zurückhaltung als Desinteresse.

So sind sie wie zwei gleichpolige Magnete die durch den Ehering wie durch eine unsichtbare Kraft auf Abstand gehalten werden und finden erst sehr spät im Roman zueinander, als sich das Missverständnis aufklärt.

Dann sind da noch Klaras Mutter und ihre Schwester Saga, mit denen der familiäre Austausch primär über Zoom-Konferenzen stattfindet.

Moderne Medien nehmen in diesem Roman eine Schlüsselrolle ein. Es wird beispielhaft gezeigt wie auch die Mitglieder einer weitverstreuten Familie durch Internet und Smart Phone in Kontakt bleiben können. Zudem googelt Klara quasi alles und der Austausch mit Alex findet vornehmlich über einen gemeinsamen digitalen Terminkalender statt.

Ally Zetterberg hat einen wundervoll lockeren Schreibstil, natürlich und sehr humorvoll, ohne flapsig oder beliebig zu werden und sie versteht es dennoch die Ernsthaftigkeit der Probleme aller Beteiligten zu thematisieren.

In sich abwechselnden Kapiteln beschreiben Alex und Klara die Entwicklung jeweils aus ihrer Sicht. Auch das macht das Buch interessant und amüsant.

Als Leser ist man sofort drin in der Geschichte, die Charaktere tauchen binnen kürzester Zeit lebensecht auf. Dies erreicht die Autorin mit dem Stilmittel, das am besten dafür geeignet ist, sie läßt ihre Figuren sprechen. Und wenn die Protagonisten etwas sagen, dann genau so, wie es ihrem Charakter entspricht.

Das Buch ist voller kluger Erkenntnisse, die locker und wie nebenbei rübergebracht werden.

Ich habe die fast 400 Seiten in einem Rutsch durchgelesen und auch das mir persönlich etwas zu schmonzettige Happy End, hat das Leseerlebnis nicht geschmälert.

Es gibt Buchtitel, die lassen sich kaum übersetzen ohne zu verlieren, doch was hätte eigentlich gegen „Blaupause für‘s Glück“ gesprochen ?

Die Covergestaltung hat mir nicht besonders gefallen und bringt den Character des Buches, in meinen Augen, nicht gut rüber. Da reißt es dann auch nicht der poolblaue Farbschnitt raus. Auf den Untertitel Liebe und andere Baustellen hätte man ruhig verzichten können.

Ich würde sagen, das Buch ist für alle von 16 bis 116 Jahre ein Gewinn.
Dieses unterhaltsame, humorvolle, ehrliche und kluge Buch erhält von mir 4 Sterne.
Ich hätte gerne alle 5 Sterne vergeben, da mir das Buch in Bezug auf Neurodivergenz die Augen geöffnet hat. Doch der Fünfte Stern geht leider für die, zwar sehr amüsante, doch letztendlich doch zu kritisierende (weiblich-)chauvinistische Tendenz des Buches drauf.

Ally Zetterberg, „The Happiness Blueprint – Liebe und andere Baustellen“ ist 2024 erschienen bei rohwolt Polaris und
kostet 16,-


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.04.2024

Liebe in Zeiten der Familie

Wir bleiben noch
0


Von der ersten Zeile an hat mich dieses Buch mitgenommen. Der Schreibstil ist gut. Es liest sich flüssig. Die Charaktere sind glaubhaft und lebensnah, genauso wie auch die Dialoge. Gewürzt mit trokenem ...


Von der ersten Zeile an hat mich dieses Buch mitgenommen. Der Schreibstil ist gut. Es liest sich flüssig. Die Charaktere sind glaubhaft und lebensnah, genauso wie auch die Dialoge. Gewürzt mit trokenem englischen Witz mußte oft schmunzeln oder lachen.

Im Zentrum steht das Leben des Mittvierzigers Victor in den Jahren 2018 bis 2019. Ich sah immer Hugh Grant vor mir. Er ist im Begriff, sich nach 8 Jahren von seiner Frau Iris zu trennen, da der nicht erfüllte Kinderwunsch die Beziehung zersetzt hat. Noch bevor die Trennung sauber vollzogen ist, gestehen sich er und seine Cousine Karoline gegenseitig ihre Liebe ein. Bis zum Ende handelt dann das Buch vom Lieben und Leben der beiden und ihrem Sich-Abfinden damit, daß der Zug in Sachen eigene Kinder abgefahren ist und ihren Schwierigkeiten mit dem Rest der Familie, also mit seinen Eltern und mit ihren Eltern und ihrer Schwester, die ihre Beziehung aufgrund der verwandtschaftlichen Nähe als "abartig" bezeichnen.

Urli, die Großmutter von Viktor ist standhafte Sozialdemokratin und gibt den beiden noch ihren Segen, bevor sie stirbt. Das Verhältnis der beiden zum Rest der Familie wird zusätzlich dadurch belastet, daß Urli im Testament ihrem Enkel Victor alleine ihr Haus vermacht. Ein älteres kleines Haus auf dem Lande.

Das Buch ist eine schöne angenehm zu lesende Paar- und Familienstudie und zudem gibt es einen Einblick in die Verfasstheit der österreichischen Gesellschaft 2018/2019.

Wie in vielen Ländern ist auch in Österreich die Gesellschaft nach rechts gerückt. Aufhänger dafür sind die Flüchtlinge. Tatsächlich ist es aber die Sattheit einer ganzen Generation, die, in jungen Jahren, als sie noch nichts hatten, links waren und nun im Renten- und Vorrentenalter um ihre Pfründe und ihre Bequemlichkeit fürchtend ins konservative Lager gewechselt sind.

Mich hat die Liebesgeschichte der beiden leicht traurig gestimmt, da sie nur sich haben, keine Freunde und die ganze Familie gegen sich. Ein Buch, das ich nur empfehlen kann und ich bin froh, es im Tauschregal entdeckt zu haben, nachdem ich in der Ketten-Buchhandlung eine Stunde lang vergeblich nach einem guten Buch gesucht habe.

Für einen 5. Stern hat es bei mir nicht ganz gereicht, aber beinahe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.08.2024

Toxische Mütter ermatten im Tanz um das goldene Kalb

Die Perserinnen
0

Meine schwierige Aufgabe besteht darin, Ihnen den Roman „Die Perserinnen“ von Sanam Mahloudji schmackhaft zu machen, denn er ist lesenswert, ohne sie gleichzeitig abzuschrecken, denn er hat seine Schwächen.

„Die ...

Meine schwierige Aufgabe besteht darin, Ihnen den Roman „Die Perserinnen“ von Sanam Mahloudji schmackhaft zu machen, denn er ist lesenswert, ohne sie gleichzeitig abzuschrecken, denn er hat seine Schwächen.

„Die Woche war eine einzige Cartoon- und Drogenparty gewesen, bis vor einer Stunde, als ich meine Tante Shirin gegen Kaution aus dem Gefängnis von Aspen holen musste, wo sie wegen versuchter Prostitution festgehalten wurde“

So beginnt der Roman und dies ist die umgreifende Klammer in der Ist-Zeit im Jahr 2009. Ich kann Ihnen aber schon verraten, die Autorin schildert uns am Ende des Buches zwar noch den Prozeß, den Richterspruch allerdings enthält sie uns vor und überlässt Shirins letztendliches Schicksal der Phantasie der Lesenden.

Um diesem Buch gerecht zu werden, sollte man es nicht vom Ende her rezensieren und so beziehe ich mich nachfolgend zunächst nur auf den ersten von drei Teilen, , also auf die ersten 110 Seiten, dieses Romans:

Die Iranerin SHIRIN Valiat verläßt mit ihrem Mann HOUMAN, ihrem Sohn MOHAMMED, ihrem Bruder NADER, sowie ihrer Schwester SIMA und deren Säugling BITA in den Revolutionswirren 1978 in letzter Minute den Iran in Richtung USA. Ihre sechsjährige Tochter NIAZ läßt sie, mehr ungewollt, als gewollt, bei ihrer Mutter ELIZABETH, der Großmutter der kleinen Niaz, zurück, ging man doch davon aus, daß man bald zurückkehrt, sobald sich die Lage im Heimatland wieder beruhigt hat. Zur Sicherheit hat jede der Exilantinnen etliche Millionen auf Schweizer Konten gebunkert und noch eine Handvoll Diamanten im Gepäck.

Nun aber schreiben wir bereits das Jahr 2009, Shirin ist mittlerweile 54 Jahre alt und wird im US-amerikanischen Nobelskiort Aspen der Anbahnung zur Prostitution verdächtigt. In 25 sich abwechselnden Kapiteln kommen nun Elizabeth, Shirin, Bita, Niaz und Sima zu Wort und schildern Kindheit, Jugend, Ist-Zeit und die Familienverhältnisse aus ihrer Sicht.

Abgestoßen hat mich weniger die teils explizite Sprache, sondern vielmehr die Dekadenz und die verstörende Empathie- und Lieblosigkeit, die bei den Frauen dieser Familie vorherrscht. Der grenzenlose Dünkel dieser Familie, die unter dem Schah zu den reichsten Irans gehörte, beruht nicht nur auf ihrem jahrhundertealten Reichtum, sondern auch auf ihrer Abstammung von einem großen persischen Kriegshelden. In der Diaspora allerdings wird hemmungslos gekokst, gesoffen, fremdgegangen, das Geld verschleudert und das Gastland Amerika und die Amerikaner zutiefst verachtet. Es schockierte mich, mit welcher Selbstverständlichkeit sich Shirin vor ihrem Sohn Mohammed, der mittlerweile auch schon Mitte 30 ist, nackt auszieht und von diesem ihren noch sehr gut erhaltenen Körper bewundern läßt, um dann den Augenblick seiner Geburt zu schildern: „..Eines Tages bin ich aufs Klo, um zu kacken, und zack, da warst du.“

Diesen Frauen geht es in einer derart penetranten Art und Weise ausschließlich um das Aussehen und Äußerlichkeiten, daß nichts anderes mehr Thema ist. Ohne jeglichen Esprit, Geist oder Gefühl, von Mitgefühl ganz zu schweigen. Lesende werden gequält mit ständigen Beschreibungen des Aussehens, der Gesichtsgestaltung, Kosmetik, Kleidung, Accessoires, Schmuck, Modemarken etc. Natürlich, man kann als Autorin die ständige Beschäftigung der Protagonistinnen mit der Oberfläche des Körpers auch als Metapher für die Oberflächlichkeit ihres Wesens verwenden, doch die Intensität, mit der dies hier betrieben wird, deutet für mich darauf hin, daß es die Autorin nicht schafft, die nötige Distanz zu ihren Figuren einzulegen, was die Begeisterung für Äußerlichkeiten anbelangt. Die Männer werden in diesem Roman fast durchgehend als Witzfiguren dargestellt, Karikaturen ihrer selbst, meist tumbe übergroße Playmobil-Männchen und kaum der Erwähnung wert. Willkommen im Matriarchat der schlechten Art.

Selten hat mich Gelesenes so wenig berührt. Die Autorin ist teilweise sehr um Metaphern bemüht, die aber sehr gewollt und seltsam substanzlos ins Leere laufen, nur wenige treffen ins Schwarze. Überwiegend werden kurze Sätze oder Fragen bezugslos hintereinander gereiht. Ich befürchtete schon, daß sich sowohl der anspruchslose Schreibstil, als auch der belanglose Inhalt über die nächsten gut 300 Seiten von Teil II und Teil III fortsetzten.

Mir kam schon der Gedanke, ob die Autorin womöglich von den iranischen Mullahs bezahlt wurde, um die Kaste des Geldadels unter dem Schah Regime im schlechtest möglichen Licht erscheinen zu lassen. Dieser Abschnitt wäre auch durchaus geeignet, Fremdenhass auf die Orientalen zu schüren oder entstehen zu lassen.

Wir Menschen gewöhnen uns ja erstaunlich schnell an einen Umstand und so kann ich nun nicht mit Sicherheit sagen, ob es darauf zurückzuführen ist oder ob nun im II. und III. Abschnitt tatsächlich der Stil des Buches anspruchsvoller geworden ist.

Auch im II. Teil wird wieder in den Zeiten hin und hergesprungen, was dem Roman aber in keinster Weise Abbruch tut. Diese sich abwechselnden Kapitel aus verschiedener Sicht lesen sich sehr gut. Alle weiblichen Mitglieder der Familie erzählen in der Ich-Form, lediglich in den Kapiteln über Elisabeth weicht die Autorin davon ab. Warum, erschließt sich mir nicht. Obwohl dramatische und ihrem Wesen nach herzzerreißende Geschehnisse geschildert werden, bleibe ich von diesen auch im Rest des Buches seltsam unberührt.

Gegen Ende dieses II. Teils hält die Autorin für die Lesenden aber noch einen absoluten Knaller bereit, diesen werde ich aber nicht einmal andeuten, nur so viel sei verraten, es geht um familiäre Verhältnisse, es platzt quasi die Bombe.

Im III. Teil kommt dann die ganze Familie in der Ist-Zeit, etwa im Jahre 2009, in Amerika zusammen, um Shirin bei ihrem Prozeß zu unterstützen: Oma Elisabeth kommt aus Iran angeflogen mit der mittlerweile 30-jährigen Enkelin Niaz, die Shirin’s Tochter ist. Bita, die Tochter der im Jahre 2006 verstorbenen Sima, die Elisabeths zweite Tochter war. Und, was für eine blöde Frage, selbstverständlich sind keine männlichen Familienmitglieder anwesend. Es gibt noch einen Sohn von Elisabeth, NADER, also den Bruder von Shirin und der verstorbenen Sima, der mit ihnen in die USA gekommen ist. Dieser lebt irgendwo im Süden der USA ein einfaches Leben als Monteur von Klimaanlagen. Ich vermute, daß das Vermögen der Familie sich ausschließlich auf den Konten der weiblichen Mitglieder befindet. Genauer erläutert wird das von der Autorin aber nicht. Allgemein bemerke ich bei zeitgenössischen Belletristen eine zunehmende Vorliebe für die Lücke und eine Neigung dazu, Fragen aufzuwerfen, aber diese unbeantwortet zu lassen. Stilmittel die, dezent eingesetzt, durchaus ihre Berechtigung haben, in Masse auftretend aber lediglich der Bequemlichkeit der Autorinnen und Autoren geschuldet zu sein scheinen. Wurde mir doch tatsächlich erst jüngst von einem deutschen Autor empfohlen, die kommentarlos fehlenden zwei Jahrzehnte im Roman mit meiner eigenen Phantasie auszufüllen, sofern ich darüber verfüge. Wir können also durchaus damit rechnen, daß wir in Bälde im Restaurant die von uns bestellten Speisen selbst aus der Küche zu unserem Tisch tragen oder, falls wir zu den letzten Gästen gehören, nach dem Bezahlen noch schnell durchwischen müssen.

Shirin, die Hauptfigur, ist das perfekte Stereotyp der reichen, verwöhnten, arroganten, geist- und empathielosen Orientalin. Natürlich gibt es diese auch in der US-amerikanischen und europäischen Ausführung, dann eher in blond, doch zu finden sind sie alle an ähnlichen Orten wie Aspen, St. Moritz, Gstaad, St. Tropez, Acapulco oder auf Sylt. Würde man ihnen ihr Geld nehmen, hätte man vermutlich stinknormale Proleten vor sich. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch.

Die Kapitel in denen NIAZ aus Iran berichtet oder SIMA aus dem Jenseits, zeugen von mehr Tiefe und Reflexion. Doch emotional berührt oder mit Erkenntnissen in Erstaunen versetzt wurde ich in diesem Roman nur an ganz wenigen Stellen.

Doch, eine Stelle hat mich zutiefst berührt, und zwar, als Elisabeth ihrer Enkelin Niaz gesteht, daß deren Mutter Shirin sie sehr wohl mit in die USA nehmen wollte. Ich wünschte die Autorin hätte auch an anderer Stelle des Romans mit derartiger Verve erzählt.

Gerade die Szenen und Beschreibungen des teils grotesken Verhaltens der Exilantinnen in der Diaspora hätte der Autorin breiten Raum geboten, die Lesenden wenigstens zum Lachen zu bringen. Hier hat die Autorin eindeutig eine Chance vertan. Die Finger meiner beiden Hände reichen leider aus, um die Stellen aufzuzählen, an denen ich spontan lachen mußte.

Was mich anbelangt, so kann und werde ich mich nicht dem derzeitigen Trend anschließen, eine Frau die sich verhält wie ein Mann, den jeder aufgrund seines Verhaltens als Arsch bezeichnen würde, als „Starke Frau“ zu bezeichnen.

Interessante Einblicke in das Alltagsleben in Iran unter dem totalitären Mullah-Regime erhalten wir, wenn in einem Kapitel Niaz, die bei der Oma geblieben ist, zu Wort kommt. Mich wunderte z.B., daß Elizabeth Valiat immer noch Eigentümerin riesiger Ländereien in Iran ist und diese nicht schon längst vom Regime dem Volk übertragen wurden. Die Antwort liegt darin, daß sich nur so der einzelne Funktionär des Regimes, unter Vorwand einer fadenscheinigen Anklage, bereichern kann.

Ich hätte mir als Leser noch mehr Einblicke in die Lebenswelt der Menschen unter dem Terrorregime der Mullahs gewünscht, aber ich denke, daß auch die Autorin sicher noch Familie in Iran hat und es daher lieber nicht auf die Spitze treiben wollte.

Eine Sternebewertung fällt mir bei diesem Roman besonders schwer. Genau genommen glaubte ich beim Lesen eine Adventsbeleuchtung neben mir zu haben, die abwechselnd ein bis vier von fünf Sternen aufblinken ließ.

Ich komme zu keinem Schluß, ob die mangelnde emotionale Tiefe und relative Humorfreiheit von der Autorin bewußt so gestaltet wurde oder ob sie es schlichtweg nicht besser kann. Der nächste Roman von Sanam Mahloudji wird mir hoffentlich in diesem Punkt Klarheit verschaffen. Gemäß dem Grundsatz „In dubio pro reo“ bleibt mir also nichts anderes übrig, als 4 Sterne zu vergeben, obwohl es gefühlt eigentlich nur dreieinhalb sind.

Das Cover ist sehr schön gestaltet in gemalter Weise, wie ich es liebe. Im Klappentext einen Rechtschreibfehler zu übersehen ist eigentlich eines großen Verlages wie Piper nicht würdig. Auch der Text beschenkt uns mit einigen Rechtschreibfehlern, die ihrem Wesen nach von keiner noch so intelligenten KI entdeckt werden können. Hier sollten Verlage vielleicht doch wieder dazu übergehen, ein wenig Geld in die Hand zu nehmen, um ein Buch vor der letztendlichen Drucklegung noch einmal von einem befähigten Menschen durchlesen zu lassen.

Ich empfehle Ihnen, diesen Roman trotz eventuell auftretender innerer Widerstände zu Ende zu lesen und sich diesen dann ein zweites Mal vorzunehmen oder sich die Kapitel einzeln zu Gemüte zu führen. Davon, dieses Buch zu verschenken, ohne den Inhalt zu kennen, würde ich allerdings abraten, denn das Wort „Kacke“ wird inflationär gebraucht. Ich vermute allerdings, daß dies auf einem kulturellen Missverständnis beruht. Im Orient ist der Sprachgebrauch ein sehr blumiger und so finden Körperausscheidungen bei Flüchen, Beschimpfungen oder wenn man einer Aussage eine besondere Intensität verleihen will, mannigfaltige Anwendung. Diese eins zu eins ins Deutsche zu übersetzen wäre aber unangebracht. Doch ist dies in diesem Roman offensichtlich geschehen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere