Ein Buch voller Sensibilität, Schmerz und Loyalität von einer unfassbar begabten Autorin
TaumelnIch bin komplett geflasht von „Taumeln“, obwohl ich anfangs aufgrund des wechselnden Erzähltempos nicht unbedingt damit gerechnet habe, dass es so ein Highlight wird. Aber was Sina Scherzant hier geschrieben ...
Ich bin komplett geflasht von „Taumeln“, obwohl ich anfangs aufgrund des wechselnden Erzähltempos nicht unbedingt damit gerechnet habe, dass es so ein Highlight wird. Aber was Sina Scherzant hier geschrieben hat, ist einfach nur bemerkenswert.
Zuerst einmal finde ich das Buch selbst wunderschön und haptisch richtig besonders. 💚
Inhaltlich geht es primär um die Suche nach Hannah, die seit 2 Jahren verschwunden ist. Und genauso lange begibt sich eine Gruppe von einander eigentlich fremden Personen rund um ihre Schwester Luisa jeden Samstag in den Wald und sucht sie.
Im Laufe der Handlung wird aber zunehmend klar, dass es gar nicht so sehr um Hannahs Verschwinden geht. Vielmehr dreht sich die Geschichte um die einzelnen Personen dieser Zweckgemeinschaft und darum, warum sie trotz aller Aussichtslosigkeit so beständig zusammenkommen. Scherzant stellt mit ganz viel emotionaler Sensibilität menschliche Einzelschicksale heraus, sodass die anfänglichen Nebenfiguren immer mehr zu Protagonist*innen werden.
Die Sprache des Romans ist bildlich, manchmal metaphorisch, die Tempi wechselnd und der Schreibstil phasenweise ausschweifend - Sätze über eine Seite sind keine Seltenheit. Das machte es mir mitunter schwer, gedanklich nicht den Faden zu verlieren, daher gebe ich auch nicht ganz die volle Punktzahl. Doch gleichzeitig bekommt das Buch dadurch an den richtigen Stellen eine Atemlosigkeit, die mich in die Handlung hineingesaugt hat.
Zu den Figuren konnte ich unterschiedlich viel Nähe aufbauen, aber wenn, dann war sie zerschmetternd. Die Autorin beschreibt die schlimmsten Zustände im Leben mit so viel Feingefühl, dass ich mehrfach zu Tränen gerührt war. Parallel dazu werden aber auch moralische Fragen universellen Mitgefühls und gesellschaftlicher Verantwortung behandelt.
Das Buch thematisiert die ganz verschiedenen Formen von Einsamkeit in unserer Gesellschaft, bietet aber auch Momente der Loyalität an, die richtig heilsam wirken. Achtet auf die Triggerwarnungen, aber lest „Taumeln“ unbedingt, wenn ihr euch emotional mitnehmen lassen wollt von einer Geschichte mit viel Aua-Aua, aber auch ein bisschen Heile-Heile. 🥺
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TW:
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häusliche Gewalt, Panikattacken, Depression, Vernachlässigung von Kindern