Die Geschichte eines Landstrichs am Beispiel seiner Frauen
Die Frauen von MaineJ. Courtney Sullivan nimmt die Leser mit in den Norden der USA, in den Bundesstaat Maine, New England. Die hübschen Küstenstädtchen, die prachtvollen viktorianischen Häuser, der traumhaft schöne Indian ...
J. Courtney Sullivan nimmt die Leser mit in den Norden der USA, in den Bundesstaat Maine, New England. Die hübschen Küstenstädtchen, die prachtvollen viktorianischen Häuser, der traumhaft schöne Indian Summer – das verbinden Touristen mit diesem Landstrich.
Die Autorin erzählt dessen Geschichte am Beispiel von Frauen, die dort gelebt haben. Verbindendes Element ist ein altes, viktorianisches Haus auf den Klippen, in dem Generationen von Frauen miteinander auf irgendeine Weise interagiert haben.
Da ist die neureiche Genevieve, die das Haus umbauen lässt, und für einen Pool illegal einen alten Familienfriedhof entfernen lässt, was im wahrsten Sinne des Wortes die Geister der Vergangenheit heraufbeschwört.
Da ist Jane, die das verfallene viktorianische Haus als Teenager bewunderte und als Zufluchtsstätte aufsuchte – nicht wissend, dass es auch mit ihrer eigenen Familiengeschichte verbunden ist.
Da ist Hannah, die Frau eines Kapitäns, die vor Jahrhunderten in diesem Haus auf die Rückkehr ihres Mannes wartete – und von der Klippe aus mit ansehen musste, wie sein Schiff sank, kurz bevor es den Heimathafen erreichte.
Und da ist Eliza, die zur religiösen Gemeinschaft der Shaker gehört und Hannah als Dienstmädchen unterstützt – und sehr schnell sehr viel mehr für Hannah wird als nur eine Haushaltshilfe.
Kunstvoll verwebt die Autorin die Geschichten der Frauen von Maine, die das Leben rund um das Haus auf den Klippen prägten und in die Gegenwart führten. Es werden viele Themen angeschnitten, die die Geschichte des Landstrichs maßgeblich beeinflussten – so zum Beispiel auch die der indigenen Bevölkerung und ihres kulturellen Erbes. Als Leser bekommt man einen Einblick, wie mit diesen Menschen umgegangen wurde, wieviel Unrecht ihnen wiederfahren ist, aber auch, wie schwer es für die heutigen Nachfahren ist, diese leidvolle Geschichte aufzuarbeiten.
Mit dem Thema Geister und Reinkarnation begibt sich die Autorin auch ein wenig in spirituelle Gefilde. Dass ihre Geschichte auch diesbezüglich gut recherchiert ist, kann man dem Nachwort entnehmen. Die im Roman geschilderten Szenen beruhen auf umfangreichen Recherchen dazu, wie ein sogenanntes Medium arbeitet und versucht mit Verstorbenen in Kontakt zu treten. Auch die geschilderte spirituelle Großveranstaltung ist nicht allein der Fantasie der Autorin entsprungen.
Will man diesen Roman genießen, sollte man Aufgeschlossenheit gegenüber spirituellen Themen mitbringen, sich für amerikanische Geschichte interessieren und die doch anspruchsvolle Konstruktion des Romans nicht scheuen. Dadurch, dass die Geschichten der Frauen doch sehr miteinander verwoben erzählt werden, ist aufmerksames Lesen gefordert, obwohl es sich um einen Unterhaltungsroman handelt. Ich selbst empfand das Lesen teilweise als etwas mühsamer als bei vergleichbaren Geschichten, wobei ich nicht richtig benennen kann, woran das lag. Vielleicht war es die Struktur des Romans, vielleicht waren es die vielen Personen, die alle in irgendwelchen Verbindungen zueinander standen.
Mir hat es viel Spaß gemacht, den Roman und mit ihm die Geschichte Maines zu entdecken. Ich wurde durch das Buch behutsam auf die sensiblen Themen in der Geschichte des Landstrichs aufmerksam gemacht und das Buch wird mir in guter Erinnerung bleiben.