Kinderverschickung während des 2. Weltkriegs und die Folgen - oberflächlich, unfokussiert und distanziert geschildert
Und dahinter das MeerAls der Krieg London erreicht und deutsche Bomben über die Stadt fallen, beschließen Millie und Reginald Thompson, ihre elfjährige Tochter Beatrix nach Amerika zu schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. ...
Als der Krieg London erreicht und deutsche Bomben über die Stadt fallen, beschließen Millie und Reginald Thompson, ihre elfjährige Tochter Beatrix nach Amerika zu schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Beatrix wird in Boston von der Familie Gregory liebevoll aufgenommen. Für Mr und Mrs G wird Bea wie eine eigene Tochter und mit ihren "Brüdern" William und Gerald freundet sich Bea schnell an. Auch wenn Bea ihre Heimat vermisst, fühlt sie sich bei den Gregorys geborgen und gewöhnt sich an den wohlhabenden Lebensstil.
Alle wissen, dass Beas Zeit in Amerika endlich ist, doch der Abschied fällt schwer. Bea ist gereift und William ist vielmehr geworden als nur ein Bruder. In London lässt sie die Zeit in Amerika nie ganz los. Während sie versucht, ihr Leben im Nachkriegs-London fortzusetzen, ist ihr Herz noch immer in Amerika.
Der Roman handelt von 1940 bis 1977 und wird mit mehreren größeren Zeitsprüngen aus acht Perspektiven erzählt. Die Abschnitte sind jeweils kurz und werden aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschildert. Ohne eine Ich-Stimme oder Hauptfigur, die insbesondere in Bezug auf Beatrix passend wäre, ist der Schreibstil distanziert. Zudem unterscheiden sich die einzelnen Abschnitte stilistisch nicht von einander, so dass jede Person, unabhängig ihres Alters, Geschlechts oder Situation gleich klingt.
Es gibt wenige Dialoge und wenn dann werden sie überwiegend in kursiver Schrift statt in wörtlicher Rede dargestellt, wobei das einer Stelle nicht konsequent umgesetzt wird. Die nüchterne und wenig lebendige Erzählweise erschwert es, mit den Personen und ihren Schicksalen mitzufühlen, dabei ist die Ausgangslage so tragisch und bewegend.
Anders als gedacht, ist die Kindheit und die unmittelbare Rückkehr in die Heimat England gar nicht der Schwerpunkt. Die Geschichte geht weiter und schildert das Alltagsleben der einzelnen Figuren. Der Erzählton ist melancholisch. Nach einer fröhlichen Kindheit während des Krieges sind die Erwachsenenjahre schwermütig. Kein Charakter ist glücklich.
Durch die vielen Akteure und die Jahrzehnte, die erzählt werden, hat die Geschichte keinen klaren Fokus. Zu große Zeitsprünge, die Auslassung von eigentlich rührenden Szenen (Abschied aus Heimat, Verlassen lieb gewonnener Menschen, Wiedersehensfreude versus Anpassungsstörung) die Erschwernis, auch nur einem Charakter nahe zu kommen, machen das Lesen schwerfällig und lassen die Geschichte insgesamt zu banal erscheinen. Dem Schicksal der Verschickungskinder wird dieser Roman nicht gerecht.
Die Nachkriegsjahre werden bis auf Todesfälle als tragische Höhepunkte belanglos und frustrierend langweilig erzählt. Das Potenzial einer emotionalen und bewegenden Geschichte wird nicht ausgeschöpft. Auch die Liebesbeziehungen finden außer Sehnsuchtsgefühlen keinen richtigen Platz.