Cover-Bild Der Bademeister ohne Himmel
(89)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
23,00
inkl. MwSt
  • Verlag: ROWOHLT Kindler
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 16.07.2024
  • ISBN: 9783463000688
Petra Pellini

Der Bademeister ohne Himmel

«Es gibt Bücher, die lange nachhallen. Dieses ist so eines. Steht auf meiner persönlichen Bestsellerliste jetzt ganz oben.» (Christine Westermann)


Linda ist fünfzehn und würde am liebsten vor ein Auto laufen. Doch noch halten zwei Menschen sie davon ab: ihr einziger Freund Kevin, der daran verzweifelt, dass die Welt am Abgrund steht. Und Hubert, sechsundachtzig Jahre alt, ein Bademeister im Ruhestand, der seine Wohnung kaum mehr verlässt, Karotten toastet und auf seine Frau wartet, die vor sieben Jahren verstorben ist. Dreimal wöchentlich verbringt Linda den Nachmittag bei Hubert, um die polnische Pflegerin Ewa zu entlasten, die mit durchaus eigenwilligen Mitteln ihren Beruf ausübt. Feinfühlig und spielerisch begegnet Linda Huberts fortschreitender Demenz und versucht, den alten Bademeister im Leben zu halten. Bis das Schicksal ihre Pläne durchkreuzt …

Petra Pellini erzählt mit Wärme und Humor vom Erwachsenwerden und Vergessen und von einer einzigartigen Freundschaft.

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.08.2024

Das langsame Verschwinden

0

„Ich werde vor ein Auto laufen. Die Menschen werden sich um mich scharren und mit weit aufgerissenen Augen auf meine blutenden Wunden starren. … Die Welt wird stillstehen und endlich wird es jemand aussprechen: ...

„Ich werde vor ein Auto laufen. Die Menschen werden sich um mich scharren und mit weit aufgerissenen Augen auf meine blutenden Wunden starren. … Die Welt wird stillstehen und endlich wird es jemand aussprechen: Das Mädchen braucht Hilfe!“ (S. 7) Linda ist 15 und unglücklich, plant ihren Selbstmord. Nur der demente ehemalige Bademeister Hubert und ihr bester Freund Kevin halten sie bisher davon ab. „Kevin kennt mich. Hubert jedoch kennt meine Geheimnisse.“ (S. 7/8), denn bei Hubert kann sie sicher sein, dass er die schon im nächsten Augenblick wieder vergessen hat. Montag-, Mittwoch- und Samstagnachmittag verbringt sie mit ihm, damit dessen polnische 24-Stunden-Pflegekraft Ewa auch mal frei hat. Dann spielt sie einfache Spiele mit Hubert und macht ihm Essen. Wenn er einen schlechten Tag hat, tut sie so, als wäre sein Wohnzimmer das Freibad und sie würde darin schwimmen, zeigt ihm YouTube Videos über Freibäder oder Rudi Carrells „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“. In der Schule ist sie keine Leuchte, aber bei Hubert scheint sie intuitiv zu wissen, wie sie ihn erreichen kann und findet mit viel Feingefühl und Kreativität Lösungen für neue Probleme. Darum fällt es ihr auch so schwer zu begreifen, dass Huberts Zustand trotz aller Bemühungen immer schlechter wird.
Kevin ist ihr dabei leider keine Hilfe. Er ist extrem schlau, steigert sich allerdings in seine Angst vor dem Ende der Erde rein, hat immer die aktuellen Werte zum CO2-Ausstoß und der Erderwärmung parat. Er will, dass endlich alle aufwachen und was tun, das große Ganze ist wichtiger als Hubert.
Ewa, die polnische Pflegekraft, ist froh, wenn Linda kommt, denn auch sie braucht mal eine Pause. Sie liebt ihre extrem anspruchsvolle Arbeit am Patienten zwar, versucht, mit Gebeten, alten Weisheiten und Naturheilmitteln zu helfen, aber verhindern kann sie Huberts langsames Verschwinden nicht. Und vielleicht wäre danach endlich mal Zeit für ein eigenes Leben, für ihr eigenes Glück – zu lange schon sucht sie einen Mann, der es gut mit ihr meint.
Und dann ist da noch der Nachtfalter, wie Linda Huberts Tochter nennt. Die bezahlt zwar gut, kümmert sich ansonsten aber kaum um ihren Vater und macht Ewa und Linda Vorwürfe, wenn Hubert stürzt o.ä.

„Bademeister ohne Himmel“ ist sehr poetisch, traurig, berührend, tiefgründig – und gesellschaftskritisch. Da sind zum einen Lindas Probleme in der Schule, die nur angedeutet werden und anscheinend niemanden interessieren, und ihre Flucht zu Hubert, weil sie die Parallelen zwischen ihrem und seinem Leben erkennt. „Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut. … Wir stochern … nicht in der Vergangenheit rum und wir machen keine Pläne für die Zukunft.“ (S. 13) Außerdem mag sie ihn und gibt sich unendlich Mühe, ihm seine Ängste zu nehmen, während seine Welt immer kleiner wird, er es irgendwann nicht mal mehr zum Fenster schafft, um in den Himmel zu sehen.
Gleichzeitig macht Petra Pellini deutlich, dass die Pflege der Eltern eigentlich in die Hände der Angehörigen gehört, damit die Alten in ihrem Zuhause bleiben können, es aber keine Lösung ist, die Betreuung auf eine polnische Billigarbeitskraft und eine 15jährige Schülerin abzuwälzen.
Ich fand es unmenschlich und habe mich gewundert, dass es gesetzlich erlaubt ist, dass Ewa monatelang nur die paar Stunden frei hat, die Linda einspringt, und erst nach Wochen wieder nach Hause nach Polen fahren darf.
Und auch Kevins Vehemenz, mit der er auf den Zustand der Erde verweist und welche Lösung er für sich am Ende findet, macht nachdenklich.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.08.2024

Eine Fünfzehnjährige mit Suizidgedanken trifft auf einen dementen Rentner und es entsteht die allerschönste Beziehung

0

[TW: Demenz, Suizid(-gedanken), Unfall, Tod]

Zum Hörbuch: Das war die bislang beste Sprechperson für mich! Marie-Isabel Walke ist unfassbar talentiert darin, ihre Stimme für die einzelnen Charaktere zu ...

[TW: Demenz, Suizid(-gedanken), Unfall, Tod]

Zum Hörbuch: Das war die bislang beste Sprechperson für mich! Marie-Isabel Walke ist unfassbar talentiert darin, ihre Stimme für die einzelnen Charaktere zu verändern. Ob der polnische Akzent Ewas oder der etwas knurrige Tonfall Huberts - alle kann sie perfekt einfangen, was das Hören zu einem so angenehmen Erlebnis macht. Ich hatte nur bei den erwachsenen Frauen wie Lindas Mutter, dem Nachtfalter oder Kevins Mutter manchmal Schwierigkeiten, sie auseinanderzuhalten. Sie spielen ja aber auch keine so große Rolle. Die Übergänge zwischen den Kapiteln waren flüssig, allerdings hätte es mir geholfen, wenn die Kapitel auch sprachlich benannt worden wären, um organisch Hörpausen einlegen zu können. Alles in allem aber ein echter Hörgenuss und ich muss als Vielleserin zugeben, dass das Erlebnis beim Lesen weniger gut gewesen wäre, weil ich die Stimmen selbst nicht variiert hätte.

Zum Buch selbst: „Der Bademeister ohne Himmel“ ist ein Wohlfühlroman, obwohl er so viele traurige Elemente in sich trägt. 🥺

Die fünfzehnjährige Linda hat konkrete Suizidgedanken, doch Hubert und Kevin halten sie im Leben. Hubert ist dement und wird zuhause von Ewa gepflegt. Die Polin hat ein großes Herz und kümmert sich mit viel Hingabe um ihn. Manchmal scheint sie jedoch Huberts Bedürfnissen in einer Welt, die ihm zunehmend fremd wird, mit ihrer direkten Art nicht ganz nachkommen zu können. Hier kommt Linda ins Spiel, die mit ganz viel Herz, Ernsthaftigkeit und Respekt eine enge Bindung zu ihm aufbaut. Ihr Freund Kevin wiederum leidet unter Weltschmerz und verbringt sehr viel Zeit zurückgezogen vor dem PC.

Petra Pellini hat hier eine so feinfühlige Erzählung geschaffen, die Würde in der Pflege sowie ganz besondere Verbindungen in den Fokus nimmt. Ewa ist bereits eine tolle Pflegerin und wirklich absolut herzliche Figur. Linda hat aber einfach einen so ehrlichen Kontakt auf Augenhöhe zu Hubert, dass ich immer wieder den Eindruck hatte, sie kann auf diesem Wege mehr zu ihm durchdringen. Wenn Hubert sich nicht mehr an seine Hochzeit erinnert, ändert Linda die Strategie und führt ihn mit eigenen Erzählungen wieder auf sicheres Terrain. Befindet sich Hubert wieder in seiner Zeit als Bademeister, bläst sie eben mit ihm Schwimmflügel auf. Nie vermittelt sie ihm das Gefühl, schockiert zu sein über seine Gedächtnislücken und genau das gibt ihm wohl ein Maximum an Sicherheit in dieser für ihn so beängstigenden Welt.

Nebenbei passiert aber auch noch viel mehr. Kevin hat zu kämpfen mit all den immer größer werdenden Krisen. Lindas Mutter hat einen neuen Partner, mit dem diese so gar nichts anfangen kann. Ewa lernt endlich ihre „zweite Hälfte“ kennen. Und Linda läuft tatsächlich vor ein Auto, doch am Ende kommt alles ganz anders als erwartet..

Der Schluss hat mich schockiert, weil ich ihn nicht habe kommen sehen. Dann geht auch alles recht schnell, während die Geschichte vorher deutlich langsamer war. Das passt für mich aber sehr gut, denn die intensive Zeit mit Hubert bewegte sich eben irgendwie in einer anderen Dimension.

Ein wirklich liebevolles Buch zu so schmerzhaften Themen, die von einer Autorin mit viel Erfahrung auf diesem Feld aber hervorragend eingepackt werden. Es hat mich viele Emotionen fühlen lassen und mir wieder bewusst gemacht, wie wichtig menschliche Verbindungen sind.

„Wir gleichzeitig Lebenden sind füreinander von geheimnisvoller Bedeutung.“ ❤️‍🩹

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.08.2024

Abschied auf Raten

0

Bei diesem Roman hat mich das Cover direkt angesprochen. Unter dem Titel konnte ich mir zunächst wenig vorstellen, aber, nachdem ich das Buch gelesen habe, erscheint er mir sehr passend gewählt.

Protagonistin ...

Bei diesem Roman hat mich das Cover direkt angesprochen. Unter dem Titel konnte ich mir zunächst wenig vorstellen, aber, nachdem ich das Buch gelesen habe, erscheint er mir sehr passend gewählt.

Protagonistin des Romans ist die 15-jährige Linda, die wenig mit Gleichaltrigen anfangen kann, abgesehen von Kevin, ihrem einzigen Freund. Dreimal in der Woche verbringt Linda Zeit bei Hubert, einem 86-jährigen ehemaligen Bademeister, der vor sieben Jahren seine Frau verloren hat und unter Demenz leidet. Daher hat seine Tochter die polnische Pflegekraft Ewa engagiert, die bei Hubert wohnt und sich manchmal etwas unkonventionell, aber sehr liebevoll um den alten Mann kümmert. Linda versucht Ewa etwas zu entlasten und Hubert das Leben unter diesen Bedingungen etwas angenehmer zu machen, auch wenn er immer weiter abbaut.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Er beschäftigt sich mit einem sehr wichtigen Thema und bringt dem Leser die Krankheit Demenz näher. Linda geht bewundernswert unverkrampft mit Hubert um und macht oft intuitiv das, was ihm gut tut, obwohl sie keinerlei pflegerische Ausbildung hat. Aber auch ihr tun Hubert und Ewa gut. Die Autorin schildert diese ungewöhnliche Freundschaft sehr anschaulich, sensibel, zugleich aber auch mit einer Prise Humor, ohne, dass es jemals zu plump wird. Der Schreibstil war angenehm und flüssig lesbar. Aber natürlich ist es keine komplett leichte Kost, insbesondere für Menschen, die selbst mit dem Thema Demenz im engeren Umfeld konfrontiert sind oder waren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.08.2024

großartig

0

Die Ich-Erzählerin Linda wurde im Wohnhaus vor einiger Zeit von der Tochter des demenzkranken Hubert angesprochen ob sie dreimal pro Woche ein paar Stunden bei dem kranken Vater verbringen könnte. Damit ...

Die Ich-Erzählerin Linda wurde im Wohnhaus vor einiger Zeit von der Tochter des demenzkranken Hubert angesprochen ob sie dreimal pro Woche ein paar Stunden bei dem kranken Vater verbringen könnte. Damit würde sie der polnischen Pflegerin Ewa feste freie Zeiten ermöglichen. Linda ist erst 15 Jahre alt ist. Ich fand das schon außergewöhnlich, dass man sich in dem Alter darauf einlässt einen alten Menschen zu betreuen/zu besuchen, der nicht mit ihr verwandt ist.

Linda hat ein sehr feines Gespür für Hubert. Sie denkt darüber nach, was er wohl wahrnimmt, ob er sich wohlfühlt und freut sich über kleine Gesten die sie ihm hervorlocken kann. Im Gegensatz zu Huberts Tochter die zum Beispiel bei einem Ausflug nur mit sich und ihrem Handy beschäftigt ist anstatt dem Befinden ihres Vaters Aufmerksamkeit zu schenken.

Ihr eigenes Leben ist eher mühselig. Die Schule nervt, sie kommt mit Mathe nicht gut zurecht. Zu ihrer alleinerziehenden Mutter hat Linda kein gutes Verhältnis. Ansonsten ist ihr nur ein Mensch wichtig, Kevin. Die beiden kennen sich seit Kindertagen, er ist sehr intelligent aber scheitert auch daran seinen Platz im Leben zu finden.

Linda merkt wohl selbst nicht welche große Leistung sie mit ihrer Begleitung erbringt. Und besonders gut tut sie Ewa. Linda ermöglicht ihr nicht nur die paar freie Stunden sondern steht ihr auch in der restlichen Zeit zur Seite mit Nähe und Freundschaft. Nur langsam wird uns Lesern und auch Linda bewusst dass sie sich mit der Struktur und der Auseinandersetzung mit den beteiligten Menschen selbst ein gutes Fundament für ihr weiteres Leben geschaffen hat. Über eine tragische Wendung am Ende bin ich ziemlich erschrocken, kann sie aber doch gut akzeptieren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.08.2024

Nur noch ein Kapitel...

0

Linda ist 15, geht nicht besonders gern zur Schule und denkt oft über das Sterben nach. Befreundet ist sie nur mit einem Jungen. Kevin ist sehr intelligent, aber verzweifelt, weil er zusehen ...

Linda ist 15, geht nicht besonders gern zur Schule und denkt oft über das Sterben nach. Befreundet ist sie nur mit einem Jungen. Kevin ist sehr intelligent, aber verzweifelt, weil er zusehen muss, wie die Welt zugrunde geht. Oft ist Linda bei ihrem Nachbarn Hubert, der an Demenz erkrankt ist und nach dem Tod seiner Frau allein in seiner Wohnung lebt. Er wird von Ewa gepflegt und betreut und dreimal in der Woche wird sie für einige Stunden unterstützt von Linda.
Die Autorin Petra Pellini weiß genau, wovon sie spricht, wenn sie die Geschichte von Linda und Hubert erzählt. Das wundert mich nicht, nachdem ich gelesen habe, dass sie selbst viele Jahre Menschen mit Demenz gepflegt hat. Die Nächstenliebe, die sie in sich trägt, wird in der Geschichte von Linda weitergegeben.
Linda ist sehr feinfühlig. Sie weiß genau, was gut ist für Hubert, welche Wünsche er hat und welche Erinnerungen sie ansprechen muss, um ihn glücklich zu machen.
Mir hat es große Freude gemacht zu erleben, wie liebevoll sie mit Hubert umgeht. Manchmal ist es ein Foto, das sie gemeinsam mit ihm anschaut, mal gibt sie ein paar Hinweise auf früher, als Hubert noch als Bademeister gearbeitet hat. Oder sie spricht von seiner Frau Rosalie, als sei diese nur kurz zum Einkaufen unterwegs.
„Gelegentlich denke ich darüber nach, was ich wem schenken würde. Keine realen Geschenke, die man auspacken kann. Mehr so Spinnereien … Ich würde ihm (Hubert) einen Mittwoch mit Rosalie schenken…“
Das ist nur einer von ganz, ganz vielen wunderschönen und berührenden Sätzen und Gedanken von Linda. Das Buch hat etwas mehr als 300 Seiten und weit über 60 Kapitel, die mich gleichermaßen begeistert haben. Dabei ist es egal, ob Linda zu Hause ist oder allein mit Hubert, ob sie von den Besuchen seiner Tochter erzählt oder sich mit Kevin trifft: Alles ist kurzweilig, mal fröhlich und erfrischend, manchmal traurig und nachdenkenswert.
Bis zum Ende der Geschichte, das ich so nicht erwartet hatte, hatte ich nach jedem Kapitel nur einen Wunsch: Nur noch ein Kapitel…
Sehr gern gebe ich eine Leseempfehlung für ein Buch, das eines der bewegendsten ist von denen, die ich in diesem Jahr gelesen habe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere