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Veröffentlicht am 11.08.2024

Jüdisch sein heute

Juli, August, September
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Die Eltern der Kunstexpertin Lou kamen mit ihr aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland, als sie ein Kind war. Ihre verstorbene Großmutter Rosa hat als jüdisches Mädchen den Holocaust überlebt und ...

Die Eltern der Kunstexpertin Lou kamen mit ihr aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland, als sie ein Kind war. Ihre verstorbene Großmutter Rosa hat als jüdisches Mädchen den Holocaust überlebt und landete dann mit ihrer Schwester bei Verwandten in Baku, später siedelten Teile der Familie nach Deutschland, andere nach Israel über. Lou ist nun mit Sergej verheiratet, einem recht erfolgreichen Pianisten, der ebenfalls Jude ist. Allerdings pflegen sie einen sehr säkularen Lebensstil und die gemeinsame Tochter Rosa hat noch nie eine Synagoge betreten. Dann reist Lou auf Wunsch ihrer Mutter mit ihr und der kleinen Rosa in ein All Inklusive Hotel auf Gran Canaria, um dort den 90. Geburtstag von Maya, der Schwester ihrer Oma zu feiern. Dazu reisen auch die Familienmitglieder an, die seit Jahrzehnten in Israel leben. Man begegnet sich teils mit einer ordentlichen Dosis Skepsis, ist sich trotz des Verwandtschaftsgrads ziemlich fremd, versucht sich aber auch gegenseitig zu übertrumpfen und es kommt immer wieder zu heiklen Situationen. Und Lou weiß nicht wirklich, ob sie sich ihnen zugehörig fühlen soll, ob sie sich selbst überhaupt noch als Jüdin sieht, wie es mit den russischen Wurzeln aussieht und was von der Geschichte ihrer Oma überhaupt stimmt. Schließlich führt sie diese Erfahrung nach Tel Aviv.

Der Titel des Buches hat meine Neugierde geweckt und, auch wenn auf den ersten Blick nicht ersichtlich, steht dieser im Zusammenhang mit Lous Geschichte, da der Roman nach den Monaten Juli, August und September in drei Bereiche eingeteilt ist. Im Juli geht es um Lous Leben in Berlin, im August um die Reise nach Teneriffa und im September ist der Handlungsort dann Tel Aviv. Ich fand die Lektüre dann auch sehr interessant, da ich mehr über das Leben säkularer Jüd:innen erfahren habe und ich auch den Konflikt, in dem Lou steckt, gut nachvollziehen konnte. Der Schreibstil war gut lesbar, teils auch etwas ins sarkastische gehend, sodass der Roman trotz manch ernster Hintergründe auch humorvolle Passagen aufwies, insbesondere, wenn es um Konflikte in der Familie geht, die jede:r von uns kennt, egal aus welchem Kulturkreis man stammt.

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Veröffentlicht am 11.08.2024

Weg aus dem Elend?

Im Nordwind
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Ich habe bereits die vorangegangenen historischen Romane von Miriam Georg gerne gelesen und umso mehr freute ich mich über ihren neuesten Roman "Im Nordwind", der der erste Teil einer weiteren Dilogie ...

Ich habe bereits die vorangegangenen historischen Romane von Miriam Georg gerne gelesen und umso mehr freute ich mich über ihren neuesten Roman "Im Nordwind", der der erste Teil einer weiteren Dilogie ist. Das Cover lässt bereits vermuten, dass auch dieser wieder im Hamburg vor gut 100 Jahren spielt und, dass die Protagonistin kein besonders leichtes Leben hat, wie gut an ihrer Mimik erkennbar ist.

Die Geschichte spielt dann auf zwei Zeitebenen (Ende der 1890er Jahre und 1912/13). Alice wächst im Schausteller-Milieu auf und wird dann quasi an ein Pastorenehepaar "verkauft". Auch mit ihrem Ehemann hat sie dann kein Glück, er misshandelt sie schwer. Nach der Geburt ihrer Tochter würde sie sich am liebsten von ihm scheiden lassen, was damals aber absolut unüblich oder eher so gut wie unmöglich war. Sie geht ein sehr hohes Risiko ein, ihre Tochter Rosa an ihren brutalen Ex-Mann zu verlieren. Unterstützung bekommt sie dennoch vom Anwalt John Reeven, der aus einer angesehenen Hamburger Familie stammt und eigentlich verlobt ist. Und anscheinend ist sein Interesse nicht ausschließlich beruflicher Natur.

Mir hat dieser historische Roman sehr gut gefallen. Ich mag Hamburg und finde es immer sehr spannend, mehr über das Leben in der Hansestadt in der jüngeren deutschen Vergangenheit zu erfahren. Und grundsätzlich war es interessant, am Beispiel von Alice mitzubekommen, wie wenig Rechte Frauen noch vor gut 100 Jahren hatten. Nichtsdestotrotz ist Alice eine starke und mutige Frau, die sich nicht unterkriegen lässt, was sie zu einer beeindruckenden Protagonistin macht. Der Schreibstil war gut lesbar und die historischen Fakten wirkten sorgfältig recherchiert.

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Veröffentlicht am 11.08.2024

Abschied auf Raten

Der Bademeister ohne Himmel
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Bei diesem Roman hat mich das Cover direkt angesprochen. Unter dem Titel konnte ich mir zunächst wenig vorstellen, aber, nachdem ich das Buch gelesen habe, erscheint er mir sehr passend gewählt.

Protagonistin ...

Bei diesem Roman hat mich das Cover direkt angesprochen. Unter dem Titel konnte ich mir zunächst wenig vorstellen, aber, nachdem ich das Buch gelesen habe, erscheint er mir sehr passend gewählt.

Protagonistin des Romans ist die 15-jährige Linda, die wenig mit Gleichaltrigen anfangen kann, abgesehen von Kevin, ihrem einzigen Freund. Dreimal in der Woche verbringt Linda Zeit bei Hubert, einem 86-jährigen ehemaligen Bademeister, der vor sieben Jahren seine Frau verloren hat und unter Demenz leidet. Daher hat seine Tochter die polnische Pflegekraft Ewa engagiert, die bei Hubert wohnt und sich manchmal etwas unkonventionell, aber sehr liebevoll um den alten Mann kümmert. Linda versucht Ewa etwas zu entlasten und Hubert das Leben unter diesen Bedingungen etwas angenehmer zu machen, auch wenn er immer weiter abbaut.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Er beschäftigt sich mit einem sehr wichtigen Thema und bringt dem Leser die Krankheit Demenz näher. Linda geht bewundernswert unverkrampft mit Hubert um und macht oft intuitiv das, was ihm gut tut, obwohl sie keinerlei pflegerische Ausbildung hat. Aber auch ihr tun Hubert und Ewa gut. Die Autorin schildert diese ungewöhnliche Freundschaft sehr anschaulich, sensibel, zugleich aber auch mit einer Prise Humor, ohne, dass es jemals zu plump wird. Der Schreibstil war angenehm und flüssig lesbar. Aber natürlich ist es keine komplett leichte Kost, insbesondere für Menschen, die selbst mit dem Thema Demenz im engeren Umfeld konfrontiert sind oder waren.

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Veröffentlicht am 11.08.2024

Gegenwart und Vergangenheit

Die Toten von Veere. Ein Zeeland-Krimi
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Dieser Krimi spielt in den Niederlanden der Gegenwart, aber auch die Vergangenheit zur Zeit der Besatzung durch die Nationalsozialisten spielt eine Rolle.

Liv de Vries, Hoofdinspecteur der Landespolizei ...

Dieser Krimi spielt in den Niederlanden der Gegenwart, aber auch die Vergangenheit zur Zeit der Besatzung durch die Nationalsozialisten spielt eine Rolle.

Liv de Vries, Hoofdinspecteur der Landespolizei wird von ihrem Vorgesetzten nach Zeeland geschickt, um dort in einem Vermisstenfall zu ermitteln. Damit soll sie aus der Schusslinie genommen werden, nachdem sie einen vermeintlichen Islamisten erschossen hat, der in Wirklichkeit nur ein Kleinkrimineller war. Liv soll im Vermisstenfall Rob van Loon ermitteln und stößt dabei schnell auf dessen Vergangenheit in der rechten Szene und einen weiteren Vermisstenfall. Vor vielen Jahren ist nämlich ein Mädchen mit Migrationshintergrund ebenfalls in Veere verschwunden und Rob war verdächtig, etwas damit zu tun zu haben.

Ich fand den Krimi sehr interessant und spannend, da er die Vergangenheit mit der Gegenwart verbindet und dabei auch die sehr aufgeheizte politische Stimmung mit dem Erstarken der Rechtspopulisten in den Niederlanden mit einbezieht. Der Schreibstil war gut lesbar und auch die Charaktere der Ermittelnden waren mir sympathisch. Was den Fall selbst angeht, blieb es lange spannend, was den Täter und insbesondere die Zusammenhänge zwischen damals und heute angeht.

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Veröffentlicht am 30.07.2024

Trümmerliteratur 2.0

Don't kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde Null
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Theresia Graws neuester historischer Roman spielt in Bad Oeynhausen nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Der ehemals mondäne Kurort wurde zum Hauptquartier der britischen Rheinarmee, was zur Folge hatte, ...

Theresia Graws neuester historischer Roman spielt in Bad Oeynhausen nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Der ehemals mondäne Kurort wurde zum Hauptquartier der britischen Rheinarmee, was zur Folge hatte, dass es Bewohner und Geschäftsleute den Ortskern räumen mussten. Auch Anne und der Teil ihrer Familie, der den Krieg überlebt hat, müssen ihr Kurhotel an die britischen Besatzer übergeben und in eine Baracke außerhalb des Zentrums ziehen. Ihre Jugendfreundin Rosalie fängt dagegen schon bald an, für die Briten zu arbeiten, indem sie im Offiziersclub bedient, der sich ausgerechnet im ehemaligen Hotel von Annes Familie befindet.

Nachdem ich schon mehrere historische Romane gelesen habe, in denen es um das Leben in der sowjetischen oder in der amerikanischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg ging, bot dieser Roman noch einmal eine andere Perspektive. Die Autorin schilderte sehr eindrucksvoll, wie es für die Bewohner:innen Bad Oeynhausens war, plötzlich ihre eigene Stadt nicht mehr betreten zu dürfen. Und zu all dem kamen natürlich auch die Entbehrungen der Nachkriegszeit, unter denen alle Menschen zu leiden hatten. Auch das zwiespältige Verhältnis zwischen Deutschen und Briten wird gut deutlich. Zugleich werden die Briten auch sehr vielschichtig dargestellt und nicht darauf reduziert, die Deutschen zu schikanieren. Anne und Rosalie als Protagonistinnen waren mir sehr sympathisch, wie sie trotz alles Leids nie aufgaben. Der Schreibstil der Autorin war gut lesbar und die historischen Begebenheiten wirkten sorgfältig recherchiert.

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