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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.08.2024

Ein sonderbarer Sommer

Die Leiche und das Sofa
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Zwei Jugendliche begegnen einander während der Ferien und finden nicht nur eine Leiche, sondern auch die Liebe.
Der Sommer wäre nicht besonders gewesen, die Freunde sind vermutlich verreist, die Tage ziehen ...

Zwei Jugendliche begegnen einander während der Ferien und finden nicht nur eine Leiche, sondern auch die Liebe.
Der Sommer wäre nicht besonders gewesen, die Freunde sind vermutlich verreist, die Tage ziehen dahin, ein fremdes Mädchen taucht auf, ihre Anwesenheit verspricht willkommene Abwechslung, denn auch sie ist allein. „IN DIESEN ZWEI WOCHEN HABE ICH VIEL ZEIT AUF DEM SOFA VERBRACHT UND MIR DIE 180 KANÄLE UND CHRISTIANS VERWESUNGSPROZESS ANGESEHEN.“
Die Graphic Novel entwickelt einen morbiden Charme, wo Schönheit und Grusel nah beieinander liegen - schön empfinden die Protagonisten die einfachen Dinge ihrer Umgebung (ihr Gegenüber inbegriffen), gruselig wird es durch ihre Phantasie und den Fund des toten Jungens.
Der Zeichenstil fängt diese Kontraste zauberhaft ein, und so hat das Buch ambivalente Gefühle bei mir ausgelöst - teilweise war ich nahezu angewidert, teilweise sehr angetan. Am Ende überwiegt die Begeisterung, denn Themen, die Teenager bewegen, von Mobbing über Selbstzweifel bis zur ersten Liebe, werden authentisch verarbeitet und regen zum Nachdenken an, während der Blick an den außergewöhnlichen Zeichnungen hängenbleibt.

Veröffentlicht am 28.07.2024

Wolken am Himmel

Der Bademeister ohne Himmel
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Die 15-jährige Linda kümmert sich um ihren dementen Nachbarn und hat einen guten Weg gefunden, mit ihm umzugehen. „Eigentlich ist es simpel. Entweder man taucht ein in seine Welt oder man lässt es bleiben. ...

Die 15-jährige Linda kümmert sich um ihren dementen Nachbarn und hat einen guten Weg gefunden, mit ihm umzugehen. „Eigentlich ist es simpel. Entweder man taucht ein in seine Welt oder man lässt es bleiben. Gegen ihn zu arbeiten ergibt keinen Sinn, ihm etwas aufzudrängen, erst recht nicht.“ So erschafft sie in seinen vier Wänden Schwimmbadszenarien, um Huberts Zeit als Bademeister wiederaufleben zu lassen.
Der Roman spiegelt die Themen verschiedener Lebensphasen wider: Lindas Hadern mit der Schule oder ihre Freundschaft mit dem Nachbarsjungen, das Suchen ihrer Mutter nach der Liebe oder der Spagat der polnischen Pflegerin zwischen ihrer Arbeit und einem Privatleben. Ewa ist übrigens eine großartige Figur, die durch ihre Ausdrucks- und Denkweise zur Erheiterung beiträgt.
In erster Linie handelt es sich also um ein fröhliches Buch, denn die Protagonisten schaffen es ziemlich gut, mit den Herausforderungen im Alltag mit einem Pflegebedürftigen umzugehen. Zu schön, um wahr zu sein? Vielleicht! Doch es liegt darin so viel Zärtlichkeit und Nächstenliebe verborgen, die die Auseinandersetzung mit dem Alter in ein positives Licht rücken und die trotz der schwierigen Momente Hoffnung machen. Der Autorin ist es gelungen, lebendige Charaktere zu schaffen und die Wolken vom Himmel zu pusten.

Veröffentlicht am 22.07.2024

Wehmut und Schönheit

Das Pfauengemälde
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„Ich starrte auf die Narbe und fühlte mich so voller fremder Geschichten, dass ich nicht wusste, wo noch Platz für meine eigene sein sollte.“ Anas Rückkehr nach Rumänien, um das Erbe ihres Vaters anzutreten, ...

„Ich starrte auf die Narbe und fühlte mich so voller fremder Geschichten, dass ich nicht wusste, wo noch Platz für meine eigene sein sollte.“ Anas Rückkehr nach Rumänien, um das Erbe ihres Vaters anzutreten, offenbart ihr viele Details, die ihr Leben ausmachen, ist sie doch geprägt worden von der Auseinandersetzung mit der politischen Situation des Landes, lokalen Gepflogenheiten und familiären Werten.
Die Handlung löst vielerlei Reaktionen aus - vom Kopfschütteln in Anbetracht der Bürokratie über das Mitfiebern mit der Besucherin bei ihrer Spurensuche bis zum Lachen ob der Herzlichkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Ana von ihrer Familie aufgenommen wird. Rückblenden gewähren außerdem einen Einblick in entscheidende Momente, wie die Flucht aus dem Land, die Grundlage für den aktuellen Handlungsstrang sind.
Rumänische Begriffe verleihen Authentizität in dem sprachlich eingängigen Text, der mich von der ersten Seite an in seinen Bann zog. Es war leicht, sich im Gewusel aus Familie und Freunden zu verlieren und mit der Protagonistin in die Atmosphäre ihres Heimatlandes einzutauchen. Der Roman vermittelt ein Gefühl von Wehmut und Schönheit, so ruhig und bedacht, wie die Puzzleteilchen zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden.

Veröffentlicht am 10.06.2024

Hin und weg

Man sieht sich
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Friederika, kurz Frie genannt, und Robert sind seit Schulzeiten befreundet. Während ihrer Begegnungen in den darauffolgenden dreißig Jahren fragen sie sich immer wieder, ob da mehr sein könnte.
Jede der ...

Friederika, kurz Frie genannt, und Robert sind seit Schulzeiten befreundet. Während ihrer Begegnungen in den darauffolgenden dreißig Jahren fragen sie sich immer wieder, ob da mehr sein könnte.
Jede der beiden Figuren erhält ihre eigene Stimme, mit der wir sie durch ihren Handlungsstrang begleiten. Wir sehen die beiden in Momentaufnahmen, durch die wir sie durchaus gut kennenlernen mit ihren Träumen und Problemen, in ihren Beziehungen und beim Umgang miteinander.
„In der Mitte zwischen den Schlüsselbeinen hat sie eine ausgeprägte Vertiefung, auf die sie stolz ist seit jenem Frühsommerabend vor hunderttausend Jahren, in der Robert plötzlich den Arm nach ihr ausgestreckt und sie berührt hat, nachdem sie in Pottloch baden waren.“
Der Roman ist lesenswert, weil er authentisch die verschiedenen Lebensphasen beleuchtet, weil er liebenswerte Charaktere bei ihrer Entwicklung begleitet, weil der passende Ton für eine ansprechende Lektüre gewählt wurde.

Veröffentlicht am 25.05.2024

Orte und Worte

An einem anderen Ort
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„An einem anderen Ort“ ist die Autorin schon, weil sie ihr Heimatland (die damalige Tschechoslowakei) verlassen hat und nun in Österreich lebt. Darüber hinaus kommt sie viel herum in der Welt. Zdenka Beckers ...

„An einem anderen Ort“ ist die Autorin schon, weil sie ihr Heimatland (die damalige Tschechoslowakei) verlassen hat und nun in Österreich lebt. Darüber hinaus kommt sie viel herum in der Welt. Zdenka Beckers Essays handeln vom Aufbrechen und Ankommen, vom Reisen und Verweilen, vom Zuhören und Kommunizieren.
Das Buch bietet einen bunten Blumenstrauß an Episoden aus vergangenen Zeiten, alltäglichen Begegnungen und Situationen aus dem Schriftstellerleben. So lese ich gespannt von verbotenen Treffen zwischen Slowaken und Österreichern „vor vielen Jahren“, von Gesprächen mit Mitreisenden im Flugzeug oder Lesungen in Asien und der Anpassung an lokale Gegebenheiten.
Die Autorin versteht es, mich mit ihrer Weltoffenheit und Beobachtungsgabe mitzureißen. „Ich schreibe in einer fremden Sprache, die für mich zur zweiten Haut geworden ist. Gern spiele ich mit neuen Worten, verleihe ihnen Eigenschaften, entlocke Gefühle. Ich spaziere durch die Sprachen und erlebe Geschichten, ernste und lustige Geschichten, die mich vereinnahmen.“ Ihre Begeisterung für Sprache ist dem Text und den Wortspielen anzumerken und tut ihr Übriges, um mich für dieses Buch brennen zu lassen. Es ist zudem hochwertig verarbeitet und mit Fotografien von Nikolaus Korab angereichert, die das Gefühl vermitteln, mittendrin zu sein „an einem anderen Ort“.