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Veröffentlicht am 12.08.2024

Mathematik verbindet

Pi mal Daumen
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Für den 16jährigen hochbegabten Oscar adliger Abstammung erfüllt sich endlich ein Traum, er beginnt heute sein Mathematik-Studium und hofft, dem von ihm schon lange verehrten berühmtesten Mathematiker ...

Für den 16jährigen hochbegabten Oscar adliger Abstammung erfüllt sich endlich ein Traum, er beginnt heute sein Mathematik-Studium und hofft, dem von ihm schon lange verehrten berühmtesten Mathematiker Deutschlands, Daniel Johannsen, dort zu begegnen. Die erste Vorlesung hat bereits begonnen, als eine schrille, schon ältere Frau polternd neben ihm Platz nimmt. Oscar hält sie zunächst für eine Putzfrau, die sich hierher verirrt hatte. Doch bald muss er sich eines Besseren belehren lassen. Moni Kosinsky erfüllt sich nach entbehrungsreichen Jahren als Mutter ebenfalls den Traum des Mathe-Studiums, obwohl ihr wichtige Grundkenntnisse fehlen. Diese hat Oscar reichlich, während es ihm an Erfahrung im Alltag mangelt. Als beide die Schwächen des jeweils anderen erkennen, entsteht zunächst eine Notgemeinschaft zwischen ihnen, in der sie sich gegenseitig unterstützen. Bald jedoch entwickelt sich daraus eine mütterliche Freundschaft und Vertrautheit, die auch ihr weiteres Leben beeinflussen wird …

Alina Bronsky (der Name ist ein Pseudonym) ist eine russisch-deutsche Schriftstellerin. Sie wurde 1978 in Swerdlowsk in der UdSSR geboren. Als sie 12 Jahre alt war, wanderte ihre Familie nach Deutschland aus. Sie arbeitete später als Werbetexterin und Redakteurin beim Darmstädter Echo, nachdem sei ein begonnenes Medizinstudium abgebrochen hatte. Alina Bronsky ist Mutter von vier Kindern. Ihr Ehemann und Vater ihrer ersten drei Kinder verunglückte 2012 tödlich in den Walliser Alpen. Heute lebt sie mit dem Theater- und Filmschauspieler Ulrich Noethen, von dem sie eine Tochter hat, in Berlin-Charlottenburg.

Obwohl das Thema Mathematik eine Hauptrolle spielt, lässt sich die Geschichte auch ohne mathematische Kenntnisse fließend lesen. In kurzen Kapiteln kommt Oscar als Ich-Erzähler zu Wort, dessen jugendliche, unausgegorene Meinung oft zum Schmunzeln Anlass gibt. Zwei Sonderlinge finden sich zusammen zu einer unkonventionellen Freundschaft, wie sie nicht alle Tage vorkommt. Der Schreibstil der Autorin ist mit feinem Humor durchzogen, jedoch immer dezent der jeweiligen Situation angepasst. Alles klingt sehr real, nichts ist überzogen. Die Charaktere sind in ihrer Unterschiedlichkeit sehr fein gezeichnet und wirken, wie auch die gesamte Handlung, sehr realistisch. Einige interessante und unerwartete Wendungen gegen Ende des Geschehens geben dem Leser Anlass zum Nachdenken.

Fazit: Eine interessant erzählte Geschichte, eine Mischung aus Tiefsinn und Humor – empfehle ich gerne weiter!

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Veröffentlicht am 03.08.2024

Ein Kindheitstrauma der Mutter wird zum Problem ihres Kindes

Kleine Monster
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Pia und Jakob werden in die Schule ihres Sohnes bestellt, es soll einen Vorfall mit einem Mädchen gegeben haben. Was sie dort hören können sie zunächst nicht glauben, ihr Luca ist doch erst sieben Jahre ...

Pia und Jakob werden in die Schule ihres Sohnes bestellt, es soll einen Vorfall mit einem Mädchen gegeben haben. Was sie dort hören können sie zunächst nicht glauben, ihr Luca ist doch erst sieben Jahre alt. Was kann ein Kind in diesem Alter schon schlimmes anstellen? Doch als Luca auf Nachfragen der Eltern eisern schweigt, kommen Pia erste Zweifel. Sie erinnert sich an ihre Kindheit, an die Abgründe in ihrer Familie und an das innige Verhältnis zu ihren beiden Schwestern. Plötzlich misstraut sie ihrem kleinen Sohn, überwacht ihn und lässt ihn nicht mehr aus den Augen. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn verschlechtert sich zusehends …

Jessica Lind geb. 1988 in St. Pölten, ist eine österreichische Schriftstellerin und Drehbuchautorin, die mit dem Gewinn des Literaturwettbewerbs „Open Mike 2015“ bekannt wurde. Sie wuchs in Niederösterreich auf und lebt heute in Wien. „Kleine Monster“ ist ihr zweiter Roman.

Die Geschichte beginnt recht spannend und weckt die Erwartung, etwas über Lucas Verhalten und die Hintergründe zu erfahren. Leider wird dieser Aspekt zugunsten von Pias Trauma in ihrer Kindheit vernachlässigt. Einen Zusammenhang zwischen dem Tod ihrer Schwester und ihrer heutigen skeptischen Haltung gegenüber Luca und seinem möglicherweise boshaften Tun, konnte ich dabei nicht feststellen. Dies bewirkt, dass einige Fragen offen bleiben und die anfängliche Spannung allmählich abflaut. Ein Grund, dass Pia an der Unschuld ihres Sohnes zweifelt, ist für mich nicht ersichtlich.

Dennoch finde ich das Buch ganz gut gelungen. Die familiären Verhältnisse sind intensiv beschrieben und gut nachvollziehbar, wenn auch die Personen etwas emotionslos wirken. Der Schreibstil ist gut lesbar, die immer wieder auftauchenden österreichischen Ausdrücke hemmen den Lesefluss nur wenig. Etwas anstrengend jedoch ist der häufige, meist abrupte Wechsel von Gegenwart zu Vergangenheit, da man sich immer neu orientieren muss. Am Ende bleiben einige Fragen offen. Der Schluss der Geschichte ist überraschend, wirkt aber nicht in sich abgeschlossen, da das Geschehen in eine ganz andere Richtung abweicht.

Fazit: Ein interessantes, gut geschriebenes Thema, aus dem man noch etwas mehr hätte herausholen können.

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Veröffentlicht am 07.07.2024

Es ist nie zu spät

Man sieht sich
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Friederika und Robert kennen sich seit 1988, seit er neu in die Schule gekommen ist. Sie verlieben sich sofort ineinander, aber keiner getraut sich es dem anderen einzugestehen. Nach dem Abitur trennen ...

Friederika und Robert kennen sich seit 1988, seit er neu in die Schule gekommen ist. Sie verlieben sich sofort ineinander, aber keiner getraut sich es dem anderen einzugestehen. Nach dem Abitur trennen sich zunächst ihre Wege, bis zu einer zufälligen Begegnung im Winter 2002. Frie ist inzwischen Mutter einer kleinen Tochter und Robert hat Karriere als Musiker gemacht. Die alten Gefühle sind sofort wieder da, aber nach einer kurzen Episode trennen sie sich abermals. Im Sommer 2022 ist Frie, sie ist nun bald fünfzig, auf dem Weg zum 30-jährigen Abi-Treffen. Ihre Gedanken schweifen zurück, erinnern sich an Robert, den sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hat. Wird er auch da sein? Was wird passieren? Werden sie nun endlich zueinander finden?

Julia Karnick, geb. 1970 in Hamburg, ist eine freiberufliche Autorin. Nach dem Abitur absolvierte sie eine journalistische Ausbildung und ist seit Jahren für BRIGITTE und FÜR SIE als Kolumnistin tätig. 2022 schrieb sie ihren ersten Roman, der zum SPIEGEL-Bestseller wurde, ihr zweiter Roman „Man sieht sich“ ist seit dem 13.6.24 auf dem Markt. Die Autorin ist verheiratet, hat einen Sohn und eine Tochter, und lebt in Hamburg.

Wer hat sich nicht schon gefragt was wohl wäre, wenn man sich früher einmal anders entschieden hätte oder wie es wäre, wenn man plötzlich seine Jugendliebe wieder treffen würde? Ein interessantes Thema, das die Autorin in diesem Roman großartig umgesetzt hat, realistisch und durchaus nachvollziehbar. Warum können zwei Menschen, die sich immer als beste Freunde bezeichnen, einfach nicht zueinander finden? Warum können sie über alles reden, nur nicht über ihre Liebe? Julia Karnick lässt uns teilhaben an der wunderbaren Freundschaft der beiden Protagonisten, mit all seinen Höhen und Tiefen. Wir lernen ihr Elternhaus kennen, begleiten sie vom Teenager bis ins reife Erwachsenenalter und hoffen immer, dass aus ihnen endlich ein Paar wird. Wann endlich werden sie die Hürden, die ihnen das Leben in den Weg stellt, überwinden können und sich zu ihrer Liebe bekennen?

Fazit: Ein unterhaltsamer Roman über verpasste Gelegenheiten und neue Chancen, den ich mit Vergnügen gelesen habe und gerne weiter empfehle!

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Veröffentlicht am 26.06.2024

Klagelied einer verlorenen Liebe

Bleib
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Wie schon so oft wollten die Erzählerin S. und ihr Geliebter M. wieder ein romantisches Wochenende in einem abgelegenen Chalet am See in den Bergen verbringen. Doch diesmal sollte es anders kommen, M. ...

Wie schon so oft wollten die Erzählerin S. und ihr Geliebter M. wieder ein romantisches Wochenende in einem abgelegenen Chalet am See in den Bergen verbringen. Doch diesmal sollte es anders kommen, M. verstirbt völlig unerwartet und S. bleibt voller Verzweiflung mit ihrem Schmerz zurück. Nein, sie ist nicht bereit ihren Geliebten gehen zu lassen, solange sie ihn sieht ist er für sie noch da. Sie lebt mit ihm, redet mit ihm, schläft bei ihm und setzt seinen Leichnam nach einigen Tagen ins Auto, um mit ihm ein letztes Mal eine Fahrt an die Orte zu unternehmen, die sie beide so sehr geliebt hatten. Nebenbei schreibt sie Briefe, in denen sie über die große Liebe zwischen ihr und M. erzählt, an eine Person, von der sie hofft, dass sie ihren Schmerz verstehen kann – an M.s ahnungslose Ehefrau.

Adeline Dieudonné, geb. 1982 in Brüssel, ist eine belgische Schriftstellerin, Filmproduzentin und Theaterschauspielerin. Sie lebt mit ihren beiden Töchtern in Brüssel.

Eine beklemmende Geschichte, die uns die Autorin hier präsentiert. Sie überlässt das Erzählen der Hauptfigur, deren Namen (S.) wir nur einmal als Signatur am Ende des letzten Briefes erfahren. Realistisch ist diese ungewöhnliche Handlung nicht, sondern erinnert eher an ein Schauermärchen oder einen wilden Traum. Spannung erhält das Geschehen weil man ahnt, dass es nicht gut ausgehen kann und man deshalb dem Ende bzw. einer Lösung entgegen fiebert. Außer der Protagonistin, in deren Gedanken und Gefühle man tief eintauchen kann, werden die anderen Charaktere nicht differenziert ausgeleuchtet.

S. blickt zurück auf vorangegangene Beziehungen, auf Männer die sie verletzten und missbrauchten, und auf ihre Liebe zu M., bei dem sie erstmals das Gefühl hatte, akzeptiert zu werden und selbstbestimmt leben zu dürfen. Dass sie dies alles, einschließlich intimster sexueller Handlungen mit M., an dessen ahnungslose Ehefrau schreibt ist nur so zu erklären, dass sie ihren großen Schmerz mit jemand teilen will, der ähnlich wie sie fühlen muss. Was die Betrogene dabei empfindet, bleibt leider außen vor.

Fazit: Es braucht starke Nerven und ein robustes Gemüt, um diese Geschichte zu verdauen, bei der die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen. Meine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 06.05.2024

Freiheit contra Mutterliebe

Eine Frau
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Sibilla Aleramo, geb. 1876 in Alessandria Prov. Piemont, gest. 1960 in Rom, war eine italienische Schriftstellerin, Dichterin und Feministin. Ihre Kindheit verbrachte sie in Mailand, bevor die Familie ...

Sibilla Aleramo, geb. 1876 in Alessandria Prov. Piemont, gest. 1960 in Rom, war eine italienische Schriftstellerin, Dichterin und Feministin. Ihre Kindheit verbrachte sie in Mailand, bevor die Familie in ein Dorf im Süden Italiens zog, wo der Vater in einer Glasfabrik den Direktorenposten erhalten hatte. Mit knapp 15 Jahren arbeitete sie bereits als Assistentin im Büro ihres Vaters. Dort lernt sie auch einen zehn Jahre älteren Mann kennen, den sie im Alter von 17 Jahren trotz ihrer Zweifel an der Liebe heiratet. Bald wird ihr Sohn geboren, der zum Mittelpunkt ihres Lebens wird und sie für das öde Landleben entschädigt. Später zieht die Familie nach Rom, wo sie das lange vermisste kulturelle Leben und etwas persönliche Freiheit erfährt. Dort nimmt sie eine journalistische Tätigkeit für die sozialistische Wochenschrift L’Italia femminile auf, wo sie auch einige bedeutende Persönlichkeiten der Zeit kennen lernt. Doch dann wird ihrem Mann die Direktorenstelle, die bisher ihr Vater innehatte, in der Glasfabrik im Dorf angeboten …

Dieser autobiografische Roman „Eine Frau“ (orig. „Una Donna“ aus dem Jahre 1906), der in den 1970er Jahren schon einmal ins Deutsche übersetzt wurde, liegt jetzt in einer etwas moderneren Neuübersetzung von Ingrid Ickler vor und ist im Eisele-Verlag erschienen. Das Buch schildert die ersten fünfundzwanzig Jahre eines Frauenlebens in Italien im ausgehenden 19.Jahrhundert/Anfang 20.Jahrhundert, das ziemlich genau der Vita der Autorin entspricht. Sie schildert darin neben mehr oder weniger dramatischen Ereignissen auch ihre Zerrissenheit, ihre Gedanken, ihre Gefühle und ihre Zweifel, betrachtet aufmerksam ihr Umfeld und kritisiert die Gesellschaft. Ihre Sprache ist lebhaft, feinsinnig und bildreich, die Ausdrucksweise und Formulierung oft theatralisch, was wohl der damaligen Zeit entspricht. Sie will etwas anderes als das, was man seinerzeit von einer Frau erwartet, und muss deshalb eine schwerwiegende Entscheidung treffen …

Ein Nachwort von Elke Heidenreich trägt entscheidend dazu bei, das Buch und besonders die Gefühle der Frau besser zu verstehen.

Fazit: Es ist die Geschichte vieler Frauen, die auch heute noch mental und finanziell von Männern abhängig sind und von diesen ausgenutzt werden. Lesenswert!

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