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Veröffentlicht am 16.09.2024

Drei Schwestern in drei Metropolen trauern um die Vierte im Bunde

Blue Sisters
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Blue Sisters von Coco Mellors ist das zweite Buch der Autorin. Bereits ihren Debütroman Cleopatra und Frankenstein habe ich sehr gern gelesen, ihr zweites Werk konnte mich noch mehr begeistern.
Die Handlung ...

Blue Sisters von Coco Mellors ist das zweite Buch der Autorin. Bereits ihren Debütroman Cleopatra und Frankenstein habe ich sehr gern gelesen, ihr zweites Werk konnte mich noch mehr begeistern.
Die Handlung dreht sich um die vier Schwestern Avery, Bonnie, Nicky und Lucky. Avery, 33, ist die Älteste und Lucky, 26, die Jüngste. Nicky ist an einer Schmerzmittelüberdosis gestorben. Obwohl bereits ein Jahr seit ihrem Tod vergangen ist, sind ihre drei Schwestern nach wie vor in tiefer Trauer. Hinzu kommen Schuldgefühle, da sich alle drei vorwerfen, Nicky nicht rechtzeitig geholfen zu haben.
Avery ist Anwältin und lebt mit ihrer Frau Citi in London. Citi möchte ein Kind, Avery nicht. Bonnie, 31, war Profi-Boxerin. Nach Nickys Tod hat sie ihre erste Niederlage bei einem Boxkampf erlitten, seitdem hat sie ihre Profikarriere aufgegeben und arbeitet als Türsteherin in Los Angeles.
Lucky, 26, ist Model, sie ist flatterhaft, alkohol- und drogensüchtig. Sie leidet am meisten unter dem Verlust ihrer Schwester, da die beiden Jüngsten sich besonders nahestanden.
Die drei Schwestern werden vor ihrer Mutter informiert, dass diese beabsichtigt, die Wohnung, in der Nicky in New York gelebt hatte, zu verkaufen. Vorher sollen die Schwestern die Wohnung leerräumen.
Während der Wohnungsauflösung geraten die drei aneinander, sie überhäufen sich gegenseitig mit Vorwürfen, der Streit eskaliert.
Den Schreibstil der Autorin mit wenigen Beschreibungen und vielen Dialogen mag ich sehr. Die Protagonistinnen sind authentisch und gut charakterisiert, so dass ich ihre Beweggründe und Gedankengänge gut nachvollziehen konnte. Sie waren mir alle drei nicht sympathisch, Nicky war die einzige „normale“ Schwester. Ich finde es furchtbar traurig und tragisch, dass ihr nicht geholfen und sie von Schmerzmitteln abhängig wurde.
Besonders hervorheben möchte ich die tollen Schauplätze des Romans: New York, Los Angeles und London. Gerne empfehle ich das Buch allen Leser*Innen von Familien- und Frauenromanen.

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Veröffentlicht am 10.09.2024

Aufarbeitung einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung

Der Morgen nach dem Regen
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Der Roman spielt auf mehreren Zeitebenen, die Kapitel sind aus der Sicht von Johanna oder ihrer Tochter Elsa geschrieben.
Johanna, Anfang 60, hat das Haus ihrer Tante Toni in Sankt Goar am Rhein geerbt. ...

Der Roman spielt auf mehreren Zeitebenen, die Kapitel sind aus der Sicht von Johanna oder ihrer Tochter Elsa geschrieben.
Johanna, Anfang 60, hat das Haus ihrer Tante Toni in Sankt Goar am Rhein geerbt. Mit dem Haus verbindet sie schöne Erinnerungen an ihre Kindheit und gemeinsame Sommer mit ihrer Tochter.
Das Haus ist sehr in die Jahre gekommen und Johanna beschließt, es vom Keller bis zum Obergeschoss renovieren zu lassen. Ihr Nachbar Richard stellt den Kontakt zu Handwerkerbetrieben her und schon kann es losgehen.
Allein in dem großen Haus lässt sie ihr Leben Revue passieren. Fast ihr ganzes Berufsleben hat sie für die Vereinten Nationen in New York gearbeitet. Ihre Aufgabe war es, humanitäre Einsätze in Kriegsgebieten zu koordinieren. Sie war sehr viel unterwegs, und ihr Mann und die gemeinsame Tochter Elsa mussten wochen- und monatelang auf sie verzichten.
Elsa, Anfang 30, ist Anwältin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Genau wie ihre Mutter ist auch sie zielstrebig und erfolgreich, bis sie eines Tages vor einer wichtigen Verhandlung zusammenbricht. Trotz des schlechten Verhältnisses zu ihrer Mutter entschließt sie sich, sich im Haus ihrer Tante zu erholen und neue Kräfte zu sammeln.
Johannas Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie hat ein abenteuerliches Leben geführt, die große Liebe erlebt und einen tragischen Verlust erlitten, ihre Familie ist dabei auf der Strecke geblieben.
Elsa hat mir leidgetan, sie hat ihre Mutter in deren wochen- und monatelanger Abwesenheit schmerzlich vermisst, obwohl ihr Vater sich viel Mühe gegeben hatte, ihr ein Familienleben zu bieten. „Ich hatte ständig Angst um dich. Dass du einem Bombenangriff zum Opfer fällst. Dass du entführt wirst. Oder dass dich jemand aus Versehen erschießt.“ (S. 399).
Ich finde es traurig, dass sie gar nicht versucht, Verständnis für ihre Mutter aufzubringen, schließlich hat sie sich für einen ähnlichen Lebensweg entschieden.
Gut gefallen hat mir, dass sich Tante Toni mit einer Stimme aus dem Jenseits oft zu Wort gemeldet und ihre Meinung kundgetan hatte.
Ich habe mich sehr gefreut, dass Mutter und Tochter sind endlich ausgesprochen und Elsa von der großen Liebe und dem Verlust ihrer Mutter erfahren hatte.
Johannas Leben spielte sich an faszinierenden Handlungsorten wie New York, Jerusalem, Amman, Liberia und natürlich Sankt Goar ab. Aufgrund der detaillierten Beschreibungen hat mich die Autorin ins American Colony Hotel in Ostjerusalem, in die Wüste Jordaniens und ins Hotel Mamba Point in Monrovia versetzt.
Melanie Levensohn hat einen flüssigen, emotionalen Schreibstil, ihre Mutter-Tochter-Geschichte hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Gerne spreche ich eine Leseempfehlung für Leser*Innen von Frauen- und Familienromanen aus.

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Veröffentlicht am 29.08.2024

Zerrissenheit zwischen zwei Welten

Und dahinter das Meer
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Und dahinter das Meer ist die Geschichte von zwei Familien, von denen eine in Boston und die andere in London lebt.
London, 1940: Um ihre elfjährige Tochter Bea vor Bombardierungen zu schützen, beschließen ...

Und dahinter das Meer ist die Geschichte von zwei Familien, von denen eine in Boston und die andere in London lebt.
London, 1940: Um ihre elfjährige Tochter Bea vor Bombardierungen zu schützen, beschließen Millie und Reg, sie zu einer Gastfamilie nach Amerika zu schicken. In Boston wird Bea sehr herzlich bei den Gregorys aufgenommen. Von Anfang an versteht sie sich sehr gut mit den beiden Söhnen William und Gerald. Nancy Gregory hatte sich immer eine Tochter gewünscht und überschüttet Bea mit Herzenswärme, Großzügigkeit und Güte. Schnell lebt Bea sich so gut bei den Gregorys ein, dass sie am liebsten für immer dableiben würde. Die schönste Zeit ihres Lebens verbringt sie im Ferienhaus der Gregorys in Maine.
Derweil wird sie von ihren Eltern schmerzlich vermisst, insbesondere ihre Mutter Millie kann sich nicht damit abfinden, dass Bea in Amerika so glücklich ist. Sobald der Krieg zu Ende ist, holt sie ihre mittlerweile 16jährige Tochter zurück nach London – und das, nachdem Bea sich in William verliebt und die beiden erste zarte Bande geknüpft hatten.
Der Roman erzählt die Geschichte von Bea und Millie und den Gregorys im Zeitraum von 1940 bis 1977 in kurzen Kapiteln, die aus der Sicht von acht Charakteren geschrieben sind: Bea, Millie, Nancy, William, Gerald, Rose, Reg und Ethan. Bea wird Grundschullehrerin und hat einige Liebesbeziehungen, die sie jedoch beendet, sobald von Heirat oder Kindern die Rede ist. Ihr Herz gehört William, der jedoch mittlerweile mit Rose verheiratet ist. Auch William kann Bea nicht vergessen. Glück findet er nur im Zusammensein mit seinen Kindern, im Job und in seiner Ehe findet er keine Erfüllung.
Wir erfahren viel über das Gefühlsleben von Millie und Nancy. Nancy ist eine wunderbare Frau, die Bea genauso innig liebt wie ihre Söhne und Enkelkinder. Millie wiederum hat einen schwierigen Charakter, es dauert Jahre, bis ihr Verhältnis zu Bea besser wird, sie ihre Eifersucht überwindet und akzeptiert, dass die Gregorys für Bea überlebenswichtig sind.
Mich hat der Debütroman von Laura Spence-Ash sehr berührt. Ich konnte Beas Zerrissenheit zwischen England und Amerika sehr gut nachvollziehen. Mein einziger Kritikpunkt ist die Schreibweise der direkten Rede. Ich fand die Schreibweise der Dialoge in kursiver Schrift ohne Leerzeilen störend und bevorzuge die herkömmliche Darstellung mit Anführungszeichen und Leerzeilen. Das Ende hat mir gut gefallen, es hat mich mit den tragischen Verlusten, die Bea im Laufe der Jahrzehnte ertragen musste, versöhnlich gestimmt. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für diesen wunderbaren und sehr atmosphärischen Familienroman.

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Veröffentlicht am 15.08.2024

Mutter-Tochter/Sohn-Beziehungen

Genau so, wie es immer war
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Ein tiefsinniger psychologischer Familien-, Frauen und Beziehungsroman, der sich um die 57jährige Julia, ihre fast erwachsenen Kinder, ihren Mann Mark und das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter Anita ...

Ein tiefsinniger psychologischer Familien-, Frauen und Beziehungsroman, der sich um die 57jährige Julia, ihre fast erwachsenen Kinder, ihren Mann Mark und das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter Anita dreht.
Julia steht an einem Wendepunkt ihres Lebens, ihre 17jährige Tochter Alma steht kurz vor ihrem Highschool-Abschluss und ihr 24jähriger Sohn Ben verkündet, dass er Vater wird und vorher seine Freundin Sunny heiraten will.
Als Julia beim Einkaufen zufällig Helen, einer alten Bekannten, begegnet, denkt sie über die Zeit nach, als Ben ein kleiner Junge und Helen ihre beste Freundin war. Sie erinnert sich an das Ereignis, das dazu geführt hatte, dass sie den Kontakt zu Helen abbrechen musste.
Ben möchte unbedingt Julias Mutter Anita zu seiner Hochzeit einladen. Julia hat seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter. Da sie für ihren geliebten Sohn jedoch alles tun würde, überwindet sie sich und lädt Anita zu der Feier ein.
Julia und Mark führen eine harmonische Ehe. „Dass sie ihn fand, war das größte Geschenk in ihrem Leben. Eigentlich gleicht es einem Wunder, dass sie einander gefunden haben, dass sie einander ausgleichen und gemeinsam so viel durchgestanden haben.“ (S. 244). Doch dann passiert etwas, das zu einer Ehekrise führt.
Die Kapitel spielen abwechselnd in der Gegenwart und der Vergangenheit. Im Jetzt stürzt Julia sich in die Hochzeitsvorbereitungen, obwohl sie von ihrer zukünftigen Schwiegertochter zunächst nicht sehr begeistert ist.
Auch das Geheimnis um Julias selten anwesenden Vater wird enthüllt. Dieser ist aus ihrem Leben verschwunden, als sie elf Jahre alt war.
Der Familienroman hat mir sehr gut gefallen, Julias und Anitas Persönlichkeiten werden psychologisch durchleuchtet und offengelegt. Während des Lesens habe ich mit Julia gelitten, sie hatte eine traurige Kindheit mit einer Mutter, die wenig Zeit für sie hatte, und einem Vater, der nur sporadisch auftauchte und irgendwann ganz aus ihrem Leben verschwunden ist.
Der Roman endet mit Bens und Sunnys Hochzeit. Die Beschreibung von Julias Gefühlen ist sehr emotional, ich war zu Tränen gerührt. Die lange überfällige Aussprache von Mutter und Tochter fand ich großartig. Einen weiteren emotionalen Moment hatte ich am Ende bei der Zusammenfassung der Geschehnisse, die sich in den Jahren nach der Hochzeit ereignet haben. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für diesen großartigen, hochemotionalen Familienroman.

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Veröffentlicht am 14.08.2024

Die Zerstörung der Kleinstadtidylle

Der Honigmann
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Der Honigmann ist ein Roman über die Zerstörung einer Kleinstadtidylle, der mir sehr gut gefallen hat.
Tim und Fine mit Tochter Carla, Katja und Robert mit Nick und Justus sowie Albert und Louisa mit ihren ...

Der Honigmann ist ein Roman über die Zerstörung einer Kleinstadtidylle, der mir sehr gut gefallen hat.
Tim und Fine mit Tochter Carla, Katja und Robert mit Nick und Justus sowie Albert und Louisa mit ihren drei Kindern wohnen in einer kleinen idyllischen Siedlung. Hinter den Gärten fließt der Fischbach, der auch Namensgeber des Ortes ist. Die Kinder sind im Grundschulalter und spielen miteinander bei regelmäßig stattfindenden gemeinsamen Grillabenden. Sie besuchen die nahe gelegene Friedrichschule - „Hier und nirgendwo anders war Bullerbü.“
Neben der Schule hat ein kleiner Laden aufgemacht, in dem ein älterer Herr Honig in allen Variationen und Dekoartikel verkauft. Katjas und Roberts Sohn 10jähriger Sohn Justus hilft gern in dem Lädchen aus, da er sich sehr gut mit dem „Honigmann“ versteht.
Eines Tages stellt eine Mutter der Friedrichschule, die sich für Bienen und die Imkerei interessiert, Nachforschungen über den Honigmann an. Dabei kommt heraus, dass er vorbestraft ist und im Gefängnis war.
Fine erstellt eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „Fischbach-Mütter“ für „alle Mütter, die sich von dem Honigmann bedroht fühlen. Wir müssen etwas tun. Bevor etwas geschieht! Bitte teilt, dass es diese Gruppe gibt.“ - Die Hetzjagd auf den Honigmann beginnt.
Neben den „Fischbach-Müttern“ und Vätern beteiligen sich noch viele andere Menschen an der Hetzkampagne: Der Dorfpolizist, der aus der Großstadt gekommen ist und daran gewöhnt ist, in Fischbach eine ruhige Kugel zu schieben, der Schuldirektor mit seiner Stellvertreterin und der Besitzer der Dorfkneipe.
Dann geschieht etwas, das zu einer 180-Grad-Wendung führt: Der Täter wird zum Opfer und Fine zur Angeklagten.
Der Autor gewährt tiefe Einblicke in die Psyche der drei Paare, ihre Gedanken und Handlungen. Der Honigmann selbst kommt nicht zu Wort, was mich aber nicht gestört hat.
Der Schreibstil ist relativ nüchtern, aber authentisch, ab der Hälfte konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen, da ich unbedingt erfahren wollte, wie die Geschichte endet. Der Epilog bildet einen schönen Abschluss. Wer Einblicke in die stetige Zerstörung einer Idylle bekommen möchte, wird an Der Honigmann seine/ihre Freude haben.

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