Authentisch, witzig und wichtig.
Shit Bag💩❣𝐒𝐡𝐢𝐭 𝐁𝐚𝐠: 𝐉𝐞𝐝𝐞:𝐫 𝐡𝐚𝐭 𝐞𝐢𝐧 𝐏𝐚𝐞𝐜𝐤𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐳𝐮 𝐭𝐫𝐚𝐠𝐞𝐧
Freya wird ohnmächtig und wacht mit einem deutlich kleineren Dickdarm, dafür mit Narben und einem Stomabeutel, im Krankenhaus auf. Statt einer legendären ...
💩❣𝐒𝐡𝐢𝐭 𝐁𝐚𝐠: 𝐉𝐞𝐝𝐞:𝐫 𝐡𝐚𝐭 𝐞𝐢𝐧 𝐏𝐚𝐞𝐜𝐤𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐳𝐮 𝐭𝐫𝐚𝐠𝐞𝐧
Freya wird ohnmächtig und wacht mit einem deutlich kleineren Dickdarm, dafür mit Narben und einem Stomabeutel, im Krankenhaus auf. Statt einer legendären Jahresabschlussfeier und eines epischen Sommers wartet auf die Schülerin ein Aufenthalt im Poo-Camp und regelmäßiges Kack-Beutel-Wechseln.
Doch damit nicht genug: Gerade ihr Jetzt-nicht-mehr-Freund Lockie Milling lässt den Spitznamen „S̲h̲i̲t̲ ̲B̲a̲g̲“ verlauten – etwas, das sich wie ein Lauffeuer verbreitet –, und ihre besten Freundinnen scheinen mit der Situation genauso wenig zurechtzukommen wie ihre Eltern.
Tja, scheıße gelaufen würde ich meinen. Und genau in diesem Ton erzählt 𝗫𝗲𝗻𝗮 𝗞𝗻𝗼𝘅 eine Geschichte, die auf skurrile Art berührt, zum Nachdenken und laut Lachen bringt.
Wenn die leidenschaftliche Hockeyspielerin auch mit dem Twist ihres Lebens und dem unangenehmen Hauptthema ihrer Ferien struggelt, sich zunächst vehement sperrt, findet sie inmitten der schottischen Highlands so viel mehr als nur neues Selbstbewusstsein und Sicherheit im Umgang mit ihrer Situation. Durch die Erfahrungen der anderen Kinder und Teenager sammelt die 17-Jährige frische Perspektiven und Mut. Sechs Tage, die Überwindung kosten und Vieles verändern. Nicht zuletzt ihre Gefühle, ihre Sichtweise auf das Leben und ihren „Shit Bag“.
Doch nach einer Woche in dieser kleinen Blase, in der Freya vor allem durch aufregende, schweißtreibende Aktivitäten, der augenscheinlich beneidenswerten Mel und Chris lockerem Charme Ablenkung erfuhr, wartet die Realität – und um den Gedanken, weder abnormal noch eklig zu sein, aufrechtzuerhalten, muss sie kämpfen.
Außerdem ist da die Sorge, denn einer ihrer neuen Freunde musste früher zurück in das wahre Leben.
Knox schrieb in einem so modernen, flotten und für das Alter der Charaktere passenden Ton, dass die Seiten rasch dahin flogen. Durch eine direkte Wortwahl, vorstellbare Beschreibungen und Monologe, die vor Sarkasmus tiefen, wirkt das Geschehen trotz des ernsten Themas wie eine ulkige Komödie, die mitreißt und es schafft, innezuhalten und nachzuwirken.
Freyas Gefühle – von Wut, Hilflosigkeit, Scham und Ekel bis hin zu Hoffnung und (Selbst)Akzeptanz – waren echt und nur allzu verständlich, schmiegen sich an die deutliche Entwicklung inkl. der nötigen Rückschritte, die das junge Mädchen im spaßigen Verlauf machen muss.
Ich mochte sie, ihre humorvoll-bissige Art, mit diesem Los umzugehen, und ja, auch ihre oft inpulsiven und unfairen Reaktionen. In einem Alter, in dem man sich unsterblich fühlt, Ziele hat, Partys und die Liebe will, Vergleiche mit anderen dazugehören und der eigene Selbstwert an Äußerlichkeiten gemessen wird – ist eine Krankheit, die so einen intimen Vorgang derart öffentlich macht und nicht viel von Privatsphäre hält, maximal verstörend.
Dass Darmerkrankungen vor niemandem halt machen – weder vor KönigInnen noch PremierministerInnen, nicht vor kleinen Kindern oder Sportgrößen – macht die Autorin in ihrem Buch genauso deutlich, wie sie den Hinweis verlauten lässt, dass es sich lohnt, das Verdauungssystem und sämtliche Probleme mit diesem zu entabuisieren. Darüber zu reden. Die eigene Scham und Befangenheit zu überwinden.
„Camp-Kıll-me“ hat nicht nur langsam Freyas Optimismus geweckt, ihre Einstellung verändert, sondern ihr auch gezeigt, was echte Freundschaft bedeutet; dass sie selbst mit einem Scheıßbeutel, mit all den (sichtbaren) körperlichen Auswirkungen und Einschränkungen ihrer – jeder – Erkrankung begehrenswert und perfekt ist. Dass sie die Wahl hat und mehr ist, für jeden mehr sein sollte, als nur eine Option, als eine Kranke.
Bräuchten wir nicht alle genau so einen Ort? Der uns zuruft, dass, egal was wir mit und in uns tragen, wie (un)vollkommen, lädiert unser Antlitz ist, wie wütend und gemein wir auch manchmal sein mögen (…) wir genau richtig sind?
Und die Gesellschaft, die immer 100 % Leistung, 100 % Perfektion verlangt, auf dem vollkommen falschen Weg ist?
Offenheit, Akzeptanz und Aufklärung sind im Umgang mit sensiblen Themen essentiell und unglaublich wichtig. Genau wie Respekt, den wir allen Menschen entgegenbringen sollten.
Es finden sich in diesem Buch viele Fragen und Antworten über Darmerkrankungen, die unterschiedlichen Arten und Behandlungsmethoden; Know-how über das gesamte Prozedere bis hin zu wissenswerten Fakten über den Stomabeutel und dessen Versorgung. Zusätzlich bekommen wir einen kleinen Überblick über äußerliche und psychische Symptome bzw. Veränderungen und lernen taffe Figuren kennen, die greifbar mit ihren variierenden Charaktereigenschaften und Problemen eingebracht wurden.
Abgesehen all der Information und des sehr unterhaltsamen, aufregenden Verlaufs warten auch Friendship- and Lovestorys auf uns. Manche toxisch, voller Enttäuschung, andere enden mit Verständnis oder einfach zuckersüß. Oft musste ich lachen, schmunzeln und mich mit freuen; war durchweg begeistert von der authentischen Handlung mit all ihren Wahrheiten und Wendungen. Auch wenn ich mit meinem Magendarmtrakt zufrieden bin, konnte ich viel aus „Shit Bag“ mitnehmen.
Die optischen, verbildlichten Darstellungen des Stomas, Handhabung und Umgang mit dieser medizinisch faszinierenden Lösung ließen mich nicht kalt. Einfache Erklärungen schließen Wissenslücken, und ich bin sicher, dass sich viele Betroffene in Freyas persönlichem Konflikt wiederfinden; Xena gibt jedoch auch interessierten Menschen etwas mit und sorgt mit ihrem Debüt hoffentlich für mehr Achtsamkeit und Sensibilität.
𝗪𝗶𝗿 𝗮𝗹𝗹𝗲 𝗺𝘂𝗲𝘀𝘀𝗲𝗻 𝗞𝗮𝗰𝗸𝗲𝗻. 𝗦𝗰𝗵𝗲𝗶ß 𝗱𝗿𝗮𝘂𝗳, 𝘄𝗶𝗲.