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Veröffentlicht am 24.11.2024

Freunde finden jenseits der 30

Hot Mess
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"Hot Mess" reiht sich recht nahtlos in die Tradition der jüngeren irischen Unterhaltungsliteratur mit ernstem Twist ein, ist aber die junge, problembewusstere Freundin der Romane von Marian Keyes & Co, ...

"Hot Mess" reiht sich recht nahtlos in die Tradition der jüngeren irischen Unterhaltungsliteratur mit ernstem Twist ein, ist aber die junge, problembewusstere Freundin der Romane von Marian Keyes & Co, da er besonders auch darauf eingeht, wie schwerwiegend und belastend die ständige Social Media-Bereitschaft sein kann. Lexie, Joanne und Claire sind drei junge Frauen um die 30, die sich einsam unter ihren bisherigen Freundinnen durchs Leben in Irlands Hauptstadt Dublin kämpfen und dabei völlig unerwartet einander und sich selbst finden. Während Lexie wegen ihres Berufs als Podcasterin und Influencerin an eine zunehmend lieblose und wenig empathische Freundin gekettet scheint, fühlt sich Claire von ihrer WhatsApp-Freundesgruppe isoliert, während Joanne durch die Geburt ihres Sohnes zur kompletten Außenseiterin geworden ist. Diese drei Einzelschicksale verfolgt der Roman sehr ausführlich (manchmal vielleicht etwas zu umfassend) und verbindet sie schließlich überzeugend.

Trotz der Längen, die der Text ab und an aufweist, ist er überaus unterhaltsam, was sicherlich auch daran liegt, dass die Figurenkonzeption in höchstem Maße authentisch und überzeugend ist. Sicherlich ist der ein oder andere Charakterzug etwas übertrieben (Joanne bewegt sich beständig am Rande des Überschnappens, was in ihrer Situation aber verständlich ist) oder wird zu oft wiederholt wie in Claires Fall, deren anfängliches, ewiges Kreisen um sich selbst den Leser recht ermüdet, da man zu dem Zeitpunkt einfach zu wenig über die Hintergründe weiß. Letztlich sorgen aber gerade diese Extreme auch dafür, dass man die Figuren besser versteht und sehr viel Empathie für die drei Frauen entwickelt - Identifikationspotenzial mit den Protagonistinnen ist auf die ein oder andere Weise für jeden vorhanden, denn Enttäuschungen in Freundschaften sind ja leider keine Seltenheit. So bietet "Hot Mess" unter all seinem Humor und seiner Leichtigkeit doch auch die weise Aussage, dass nicht alle freundschaftlichen Beziehungen für die Ewigkeit gemacht sind und dass es durchaus sinnvoll und lohnenswert sein kann, sich nach dem 30. Geburtstag nochmal auf neue Menschen einzulassen. Lexie, Joanne und Claire sind auf jeden Fall so lebensecht in ihren Nöten und Krisen, Hoffnungen und Traurigkeiten, dass man sich sehr gern mit ihnen beschäftigt, mit ihnen mitleidet und mitfühlt.

Inhaltlich ist besonders die Auseinandersetzung mit der Einflussgröße Social Media gelungen. Die Abhängigkeit von positiven Kommentaren, Likes und Sichtbarkeit, sowie die negativen Effekte, wenn diese ausbleiben - all das wird sehr ausgewogen und einprägsam dargestellt. Dabei ist der Roman nicht didaktisch ausgerichtet oder überaus kritisch in dieser Hinsicht, das Leben mit Instagram & Co. wird einfach nur überzeugend und nachvollziehbar dargestellt und schärft ein weiteres Mal das Bewusstsein für die Künstlichkeit der virtuellen Welt - denn wahre Freunde, die den Alltag teilen und dafür keinen Filter verwenden, findet man am Ende des Tages eben doch nicht unbedingt online.

"Hot Mess" ist ein Unterhaltungsroman, der viel Nähe zu seinen Protagonistinnen aufbaut, der einen tief in das Leben seiner Figuren hineinzieht und es durchgehend versteht, Interesse für Lexie, Joanne und Claire und ihre jeweiligen Handlungsstränge zu wecken. Man hätte den Roman sicherlich um einige Seiten, Wiederholungen und Spiralen kürzen können, aber die kleinen Langatmigkeiten sind entschuldbar. So bleibt die Geschichte der drei Frauen ein sehr guter Unterhaltungsroman, der auch außerhalb der intendierten Zielgruppe der 25-35jährigen für vergnügliche und nachdenkliche Lesestunden sorgt.



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Veröffentlicht am 14.08.2024

Eine fantastische Liebeskomödie

Wolke Sieben ganz nah
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Delphi Bookham – was ein Name – ist eine eher unfreundliche Zeitgenossin. Sie selbst würde sich nie so beschreiben, aber nachdem sie unfreiwillig im Jenseits gelandet ist und von ihrer Mentorin eine letzte ...

Delphi Bookham – was ein Name – ist eine eher unfreundliche Zeitgenossin. Sie selbst würde sich nie so beschreiben, aber nachdem sie unfreiwillig im Jenseits gelandet ist und von ihrer Mentorin eine letzte Chance auf die Liebe und das Leben bekommen hat, wird immer deutlicher, dass sie weder Familie noch Freunde hat. In „Wolke Sieben ganz nah“ schildert Kirsty Greenwood auf hinreißende Art und Weise, wie aus dem leicht antisozialen Mauerblümchen eine gut vernetzte, engagierte und liebevolle Freundin wird, die nebenbei in einer klassischen, aber deshalb nicht minder unterhaltsamen, enemies-to-lovers-Story die große Liebe findet. Delphi ist die typische Antiheldin des Liebesromans, peinliche Situationen eingeschlossen, dabei aber überaus liebenswert und sehr nachvollziehbar und menschlich konzipiert. Dazu ist ihr love interest einfach so, wie man sich ihn wünscht. Begleitet werden die beiden von einem wirklich großartigen Aufgebot an verrückten, spleenigen und besonderen Nebenfiguren, die für sehr viele lustige, rührende und aberwitzige Situationen sorgen – kurzweilige Lektüre garantiert.

Durch seine absurde und fantastische Ausgangssituation bekommt der Roman einen ganz besonderen Twist. Eigentlich sind der Tod und das Jenseits ja alles andere als eine geeignete Zutat für einen leichtfüßigen Liebesroman, doch auch diese Hürde nimmt die Autorin mit bemerkenswerter Nonchalance und schafft es so, dem Romance-Genre einen frischen Anstrich zu verpassen. Die Story selbst unterhält bestens, bringt zum Lachen, rührt an und animiert zum Weiterlesen – ein wunderbares Lesevergnügen zum Abschalten und Genießen.

Zum Ende hin schwächelt der Text ein wenig. Er scheint nicht recht zu wissen, wie er zum Schluss kommen, überspannt die Glaubwürdigkeit hinsichtlich der „realen“ Welt (was natürlich angesichts der ganzen Geschichte ein etwas merkwürdig anmutender Kritikpunkt zu sein scheint) und braucht bis zum letzten Satz einfach zu lang. Dennoch: „Wolke Sieben ganz nah“ hat mir außerordentlich gut gefallen. Als Urlaubsbuch und Entspannung-am-Wochenende-Buch ist diese RomCom perfekt geeignet.

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Veröffentlicht am 13.06.2024

Hach, wie schön!

Was der Morgen bringt
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Hach, es ist doch einfach wunderbar, wenn ein Roman einfach nur schön und wohltuend ist! Und genau das ist „Was der Morgen bringt“ von Eva Ibbotson – ein Roman für die Seele, eine wunderbare Liebesgeschichte ...

Hach, es ist doch einfach wunderbar, wenn ein Roman einfach nur schön und wohltuend ist! Und genau das ist „Was der Morgen bringt“ von Eva Ibbotson – ein Roman für die Seele, eine wunderbare Liebesgeschichte mit Charakteren, die man am liebsten sofort in einer Netflix-Serie sehen würde, dabei ist die Story aber, allein schon wegen des historischen Kontexts, alles andere als oberflächlich.

Der Roman spielt unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg: die Jüdin Ruth Berger lebt in Wien; im Gegensatz zu ihren Eltern, die Österreich bereits verlassen haben, ist ihr die Flucht nicht gelungen. Als der englische Wissenschaftler Quin Sommerville, der ihrem Vater freundschaftlich verbunden ist, ihr anbietet sie pro forma zu heiraten, damit sie legal ausreisen kann, geht sie auf das Angebot ein, nichtahnend, dass es nicht so einfach sein wird, dieses Arrangement wieder aufzulösen.

Eva Ibbotson hat mir mit ihrer Liebesgeschichte auf jeder Seite Freude bereitet, auch wenn der Text sprachlich manchmal nah an der Jugendliteratur vorbeischrammte, das ein oder andere Klischee eingefügt wurde und auch einige Wendungen vorhersehbar waren. „Was der Morgen bringt“ ist sehr viel Gefühl und Liebe, einfach etwas fürs Herz, aber eben auch von seinem Personal her gut erdacht. So kann Quin Sommerville es beinahe mit Jane Austens Mr. Darcy aufnehmen, er gehört auf jeden Fall zu den Romanhelden, die man so schnell nicht vergisst. Zwar könnte man die Figurenkonzeption dahingehend kritisieren, dass sie vielleicht etwas zu stark auf stereotype Darstellungen setzt, aber Ibbotson gibt sich so viel Mühe mit ihren Figuren, betrachtet selbst die kleinste Nebenfigur, wie z.B. die unsympathische Psychologin aus Breslau, noch mit liebevoller Aufmerksamkeit, dass man mühelos über etwaige Reduzierungen auf hervorstechende Eigenschaften hinwegsehen kann.

Dazu unterhält und fesselt die Geschichte, denn die Verwicklungen des Herzens und die Tatsache, dass man als Leser die Missverständnisse und Irrungen der Protagonisten amüsiert durchschaut, bieten ein abwechslungsreiches und kurzweiliges Lesevergnügen und das alles spielt sich wahlweise vor der immer gut funktionierenden Kulisse Londons oder der dramatisch-wilden Küstenlandschaft Northumberlands im Norden Englands ab – tatsächlich ist „Was der Morgen bringt“ einer der wenigen Romane, die ich in diesem Jahr fast ohne Unterbrechungen durchgelesen habe und den ich schließlich mit einem etwas wehmütigen Seufzer zuklappte, denn „Hach, es war einfach schön!“ Meine romantische Seele konnte jubilieren und bittet den Kampa-Verlag um mehr Eva Ibbotson!


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Veröffentlicht am 04.11.2023

Abgrund und Alltag in Carthago Nova

Ich, Sperling
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Wer nach einem gemütlichen historischen Wohlfühl-Schmöker sucht, sollte die Finger von „Ich, Sperling“ lassen, denn der Roman ist harter Tobak, aber guter.
James Hynes taucht mit seinem Protagonisten ...

Wer nach einem gemütlichen historischen Wohlfühl-Schmöker sucht, sollte die Finger von „Ich, Sperling“ lassen, denn der Roman ist harter Tobak, aber guter.
James Hynes taucht mit seinem Protagonisten der vielen Namen (Maus, Antinoos, Antiochus, Pusus) tief in eine Identitätssuche ein, die sich in Carthago Nova (dem heutigen Cartagena/Spanien) entspinnt, während das Römische Reich in seinen letzten Zügen liegt. Pusus, mittlerweile gealtert und nun Jakob genannt, erinnert sich an seine Kindheit in der hispanischen Hafenstadt, die alles andere als angenehme Erinnerungen beinhaltet. Wie könnte sie auch? Auf einem Sklavenschiff in der Stadt gelandet, von dem Dominus eines Bordells gekauft, wächst der kleine Junge zwischen den Wölfinnen genannten Prostituierten auf, verrichtet erst Botendienste und Küchenarbeiten bis er schließlich selbst zur Wölfin wird.

James Hynes schont seine Leser nicht. Das römische Reich mit seinem auf Sklaven beruhenden System wird in seiner Grausamkeit und Brutalität bis ins letzte Detail, also auch bis in die Zellen der Wölfinnen, ausgemalt. Zwar wird auf erotische Schauwerte verzichtet, aber der geschilderte Geschlechtverkehr ist nichts für empfindliche Gemüter.
Ebenso rau wird der Alltag in dem Viertel, in dem die Taverne „Helikon“ liegt, mit seinen Gerüchen und Geräuschen, seinen Gebäuden und seinen Menschen geschildert, sehr plastisch und überaus lebendig– als Leser ist man mittendrin im täglichen Leben einer römischen Provinzstadt und lernt nebenbei ganz viel über römische Gesellschaftsklassen, Handwerker, Handel, Regeln und Gesetze – alles aus der Perspektive derer, die ganz unten im Ansehen stehen und keine Stimme haben.

So beeindruckend dieses tiefe Eintauchen in die Welt der Antike ist – man ist wirklich ganz dicht dran – so grausam, fordernd und brutal ist es zu lesen, wie der Protagonist selbst in seiner grenzenlosen Abhängigkeit in die Prostitution gezwungen wird. Viele Details und Szenen sind unerträglich, verdeutlichen aber wie ausweglos die Situation und wie groß die Ohnmacht und Abhängigkeit von Sklaven war. Inmitten all der Rohheit und Gewalt eröffnen sich allerdings immer wieder Momente großer Zuneigung und Liebe – im Rahmen ihrer Möglichkeiten kümmern sich die Wölfinnen um den Jungen, der so nicht nur etwas Wärme erfährt, sondern auch ein Mindestmaß an Bildung.

Neben der Erkundung der Abgründe der römischen Gesellschaft, ihres opportunistischen Verhältnisses zum frühen Christentum und ihres Alltags, legt Hynes den Fokus auf die eingangs erwähnte Identitätssuche: Wer kann man sein, wenn man seine Wurzeln nicht kennt, nichts über die eigenen Herkunft weiß, nur raten kann, aus welchem Land man kommt? Wer kann man sein, wenn man keinen Namen hat, nur „Junge“ heißt und letztlich ein Objekt ist, das jederzeit wieder auf dem Markt verkauft werden kann? Wie wirken sich Traumata und fehlende Nestwärme, Gewalt und Brutalität, Unfreiheit und dauernde Angst auf das Heranwachsen aus?

Auch wenn der Roman nur eine fiktionale Antwort auf diese Fragen geben kann, ist diese doch überaus überzeugend und nachvollziehbar, nicht zuletzt, weil dem Autor mit seinem Protagonisten eine Figur gelungen ist, die die Sympathie auf sich zieht, mit der man mitleidet und um die man bangt, die sich aber nie selbst bemitleidet, sondern in überaus sachlichem Ton die Begebenheiten der Vergangenheit schildert. Hinzu kommt, dass das erzählende Ich von Beginn an jede Lesererwartung im Keim erstickt und der Roman dadurch schon weitab vom traditionellen historischen Roman mit seiner Tendenz zu vorgezeichneten Handlungskurven und Figurenzeichnung liegt – ich hätte mir lediglich gewünscht, dass man mehr über die Jahre, die zwischen Antinoos und Jakob liegen, erfährt.

Das Carthago Nova aus „Ich, Sperling“ fühlt sich so echt an, wie es nur geht. Mitreißend und spannend wird hier eine Geschichte ausgebreitet, die sich so wohl hunderttausendfach im Römischen Reich zugetragen haben könnte. Sprachlich anspruchsvoll mit sehr viel historischem Hintergrund lässt einen „Ich, Sperling“ sprachlos, erschüttert und beeindruckt zurück. Eine Leseempfehlung, allerdings nichts für zartbesaitete Seelen.

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Veröffentlicht am 12.09.2023

Der Familie auf der Spur

Porträt auf grüner Wandfarbe
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Das „Porträt auf grüner Wandfarbe“ hätte ich ja zu gern einmal selbst gesehen, am liebsten natürlich in seiner angestammten Umgebung auf dem Gutshof nahe Köslin an der Ostsee. Da ergeht es mir wie der ...

Das „Porträt auf grüner Wandfarbe“ hätte ich ja zu gern einmal selbst gesehen, am liebsten natürlich in seiner angestammten Umgebung auf dem Gutshof nahe Köslin an der Ostsee. Da ergeht es mir wie der etwas blass geratenen Protagonistin Gwen, die völlig unvermutet nach der Wende von ihrer Tante Lily zu einer Reise auf den Spuren ihrer Familie nach Polen ermuntert wird und dabei so manches Beziehungsgeflecht, Geheimnis und Schmuckstück zutage fördert.

Elisabeth Sandmann nimmt den Leser mit auf eine Expedition durch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu einer detektivischen Schnitzeljagd durch Familienschweigen, falsche Annahmen und Entfremdungen. Aufgespannt wird diese kurzweilige und faszinierende Familiensaga zwischen bildhübschen, detailliert beschriebenen Kulissen wie Oxford, Schloss Elmau, Salzburg und der Ostsee, Orte, die Dreh- und Angelpunkte in der Familienhistorie sind.

Bevölkert wird der Roman von einer Vielzahl von Personen, denen die Autorin viel Zeit widmet. Während die flamboyante Großmutter Ilsabé mitunter etwas überzeichnet erscheint, kann man sich mit allen anderen Figuren (trotz leicht stereotyper Tendenzen) sehr gut anfreunden. Besonders erfrischend ist, dass es in diesem Roman mal keinen unsympathischen Bösewicht von der Stange gibt. Die Tragödien, der Kummer und das Leid, die die Familie heimsuchen, sind allesamt dem zeitlichen Kontext und der politischen Lage geschuldet. So kann man sich mit dem Figurenpersonal durchweg zuhause fühle, sich an den verschiedenen Handlungssträngen erfreuen und rätseln, welche Wendung das Schicksal wohl als Nächstes bereithält, auch wenn so manche Entwicklung sich zunehmend andeutet und daher nicht zu überraschen vermag. In diesen leichten Kritikpunkt spielt auch der Eindruck hinein, dass der Roman an einigen Stellen zu deutlich konstruiert ist. Zwar passt bei der Handlung ein Puzzlestück ins andere, aber der Fluss des Geschehens wird zu stark in den Dienst der Konstruktion gestellt – es muss sich schließlich alles irgendwie am Ende fügen. Mich persönlich hat dies nicht gestört, ich war eher von dem sehr übertriebenen Teegenuss der Figuren irgendwann genervt.

Für mich ist „Porträt auf grüner Wandfarbe“ ein süffiger, sehr gut lesbarer, niemals langweiliger Schmöker mit sympathischen Figuren, einem Hauch Nostalgie und malerischen Settings, der einem herrliche Lesestunden zum Abtauchen bescheren kann. Im Vergleich zu vielen anderen Romanen des Genres bietet er deutlich mehr Abwechslung, ist ansprechend konzipiert und stimmt mit seinem Thema des Verlusts durchaus nachdenklich. Ich hätte am Ende zwar auch mit sehr viel weniger Happy End leben können, aber vermutlich fordert dieser Roman einen solchen Abschluss, um der Trauer des Lebens etwas entgegensetzen zu können. Eine Leseempfehlung für Liebhaber von üppigen Familiensagas mit Niveau, die jedoch damit leben können, dass die Überraschungen, die die Vergangenheit bietet, begrenzt sind.

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