Freunde finden jenseits der 30
Hot Mess"Hot Mess" reiht sich recht nahtlos in die Tradition der jüngeren irischen Unterhaltungsliteratur mit ernstem Twist ein, ist aber die junge, problembewusstere Freundin der Romane von Marian Keyes & Co, ...
"Hot Mess" reiht sich recht nahtlos in die Tradition der jüngeren irischen Unterhaltungsliteratur mit ernstem Twist ein, ist aber die junge, problembewusstere Freundin der Romane von Marian Keyes & Co, da er besonders auch darauf eingeht, wie schwerwiegend und belastend die ständige Social Media-Bereitschaft sein kann. Lexie, Joanne und Claire sind drei junge Frauen um die 30, die sich einsam unter ihren bisherigen Freundinnen durchs Leben in Irlands Hauptstadt Dublin kämpfen und dabei völlig unerwartet einander und sich selbst finden. Während Lexie wegen ihres Berufs als Podcasterin und Influencerin an eine zunehmend lieblose und wenig empathische Freundin gekettet scheint, fühlt sich Claire von ihrer WhatsApp-Freundesgruppe isoliert, während Joanne durch die Geburt ihres Sohnes zur kompletten Außenseiterin geworden ist. Diese drei Einzelschicksale verfolgt der Roman sehr ausführlich (manchmal vielleicht etwas zu umfassend) und verbindet sie schließlich überzeugend.
Trotz der Längen, die der Text ab und an aufweist, ist er überaus unterhaltsam, was sicherlich auch daran liegt, dass die Figurenkonzeption in höchstem Maße authentisch und überzeugend ist. Sicherlich ist der ein oder andere Charakterzug etwas übertrieben (Joanne bewegt sich beständig am Rande des Überschnappens, was in ihrer Situation aber verständlich ist) oder wird zu oft wiederholt wie in Claires Fall, deren anfängliches, ewiges Kreisen um sich selbst den Leser recht ermüdet, da man zu dem Zeitpunkt einfach zu wenig über die Hintergründe weiß. Letztlich sorgen aber gerade diese Extreme auch dafür, dass man die Figuren besser versteht und sehr viel Empathie für die drei Frauen entwickelt - Identifikationspotenzial mit den Protagonistinnen ist auf die ein oder andere Weise für jeden vorhanden, denn Enttäuschungen in Freundschaften sind ja leider keine Seltenheit. So bietet "Hot Mess" unter all seinem Humor und seiner Leichtigkeit doch auch die weise Aussage, dass nicht alle freundschaftlichen Beziehungen für die Ewigkeit gemacht sind und dass es durchaus sinnvoll und lohnenswert sein kann, sich nach dem 30. Geburtstag nochmal auf neue Menschen einzulassen. Lexie, Joanne und Claire sind auf jeden Fall so lebensecht in ihren Nöten und Krisen, Hoffnungen und Traurigkeiten, dass man sich sehr gern mit ihnen beschäftigt, mit ihnen mitleidet und mitfühlt.
Inhaltlich ist besonders die Auseinandersetzung mit der Einflussgröße Social Media gelungen. Die Abhängigkeit von positiven Kommentaren, Likes und Sichtbarkeit, sowie die negativen Effekte, wenn diese ausbleiben - all das wird sehr ausgewogen und einprägsam dargestellt. Dabei ist der Roman nicht didaktisch ausgerichtet oder überaus kritisch in dieser Hinsicht, das Leben mit Instagram & Co. wird einfach nur überzeugend und nachvollziehbar dargestellt und schärft ein weiteres Mal das Bewusstsein für die Künstlichkeit der virtuellen Welt - denn wahre Freunde, die den Alltag teilen und dafür keinen Filter verwenden, findet man am Ende des Tages eben doch nicht unbedingt online.
"Hot Mess" ist ein Unterhaltungsroman, der viel Nähe zu seinen Protagonistinnen aufbaut, der einen tief in das Leben seiner Figuren hineinzieht und es durchgehend versteht, Interesse für Lexie, Joanne und Claire und ihre jeweiligen Handlungsstränge zu wecken. Man hätte den Roman sicherlich um einige Seiten, Wiederholungen und Spiralen kürzen können, aber die kleinen Langatmigkeiten sind entschuldbar. So bleibt die Geschichte der drei Frauen ein sehr guter Unterhaltungsroman, der auch außerhalb der intendierten Zielgruppe der 25-35jährigen für vergnügliche und nachdenkliche Lesestunden sorgt.