Sorry, aber … – Ein humorvoller und kritischer Blick auf unsere Entschuldigungskultur
Sorry, aber ...In „Sorry, aber ... Eine Verzichtserklärung an das ständige Entschuldigen“ setzt sich Tara-Louise Wittwer kritisch mit unserer Kultur des ständigen Entschuldigens auseinander. Die Autorin, bekannt durch ...
In „Sorry, aber ... Eine Verzichtserklärung an das ständige Entschuldigen“ setzt sich Tara-Louise Wittwer kritisch mit unserer Kultur des ständigen Entschuldigens auseinander. Die Autorin, bekannt durch ihren erfolgreichen Instagram-Account „wastarasagt“ und ihr Buch „Dramaqueen“, legt in ihrem neuen Werk den Fokus auf die Frage, warum insbesondere Frauen sich oft unnötig entschuldigen und wie sich dies auf ihre Selbstwahrnehmung und gesellschaftliche Stellung auswirkt. Wittwer, die in Berlin als Autorin und Content Creatorin lebt, nutzt ihre Expertise in Kulturwissenschaften, um tiefgehende Einblicke in dieses gesellschaftlich relevante Thema zu geben.
Inhaltsangabe
Das Buch beginnt mit der Beobachtung, dass viele Menschen, besonders Frauen, sich häufig und oft unnötig entschuldigen. Sätze wie „Sorry, dass ich störe“ oder „Sorry, ich muss mal durch“ sind allgegenwärtig, doch Wittwer fragt: Ist das wirklich notwendig? Sie untersucht die Ursachen und Konsequenzen dieser Angewohnheit und beleuchtet dabei die Rolle von Geschlecht, sozialen Netzwerken und kulturellen Normen. Die Autorin hinterfragt, ob Entschuldigungen überhaupt immer angebracht sind oder ob sie nicht vielmehr oft unüberlegt und reflexartig ausgesprochen werden, um Schuldgefühle loszuwerden oder Konflikte zu vermeiden. Im Buch wird auch die historische Entwicklung des Entschuldigens thematisiert, sowie der Einfluss von Religion und Kultur auf unser Verständnis von Entschuldigung.
Meinung
Auf „Sorry, aber ...“ war ich besonders gespannt, da das Buch viel Aufmerksamkeit und Hype in den sozialen Medien erhalten hat. Nach der Lektüre muss ich jedoch sagen, dass ich den Hype nicht vollständig nachvollziehen kann. Inhaltlich bietet das Buch zweifellos wertvolle Einblicke und Anregungen, die zum Nachdenken anregen. Besonders lobenswert ist, dass die Autorin viele Begriffe und Konzepte erklärt, die für Leser:innen älterer Generationen oder weniger internetaffine Personen vielleicht nicht sofort verständlich wären. Dadurch wird deutlich, dass Wittwer den Anspruch verfolgt, wirklich alle Leser:innen mitzunehmen, was ich sehr schätze.
Jedoch muss man den Schreibstil der Autorin mögen, um das Buch vollends genießen zu können. Wittwer schreibt oft nicht eindeutig, sondern webt viel Sarkasmus und Ironie in den Text ein. Dies fand ich nicht immer einfach zu verstehen und es könnte für manche Leser:innen anstrengend sein, zwischen den Zeilen zu lesen, um den eigentlichen Kern der Aussage zu erfassen.
Ein besonders cooler und mutiger Zug war die Entscheidung, das gesamte Buch im generischen Femininum zu schreiben. Dies passt gut zu Wittwers feministischer Grundhaltung, auch wenn ich die Argumentation dahinter nicht vollständig teile. Schließlich geht es bei inklusiver Sprache nicht nur darum, zwei Geschlechter anzusprechen, sondern die gesamte Geschlechtervielfalt abzubilden, beispielsweise durch die Verwendung von Gendersternchen oder Doppelpunkten.
Sehr gut gefallen haben mir die kurzen, prägnanten Kapitel, die das Buch übersichtlich und leicht lesbar machen. Leider wirkt das Buch an einigen Stellen etwas repetitiv, da manche Punkte immer wieder aufgegriffen werden. Hier hätte es meiner Meinung nach nicht immer weitere Wiederholungen gebraucht, um den Kontext zu verstehen oder einen Bezug herzustellen.
Ein weiteres Highlight des Buches sind die Triggerwarnungen zu Beginn von Kapiteln, die potenziell belastende Inhalte behandeln. Dies zeigt die Sensibilität der Autorin gegenüber den Bedürfnissen ihrer Leser:innen.
Das Buch ist insgesamt sehr persönlich und humorvoll gehalten, was es angenehm zu lesen macht. Es liest sich teilweise fast wie ein Tagebuch, in dem Wittwer einen inneren Monolog führt. Diese persönliche Note zieht sich durch das ganze Buch und sorgt für Authentizität. Besonders nachdem ich die Autorin in einem Podcast gehört habe, kann ich bestätigen, dass das Buch in genau dem gleichen Stil geschrieben ist, in dem Wittwer spricht – authentisch, sympathisch und selbstreflektiert.
Allerdings war das Kapitel „Entschuldigung im religiösen Kontext“ für mich zu unvollständig, da es fast ausschließlich den Bezug zum Katholizismus herstellt. Hier hätten mich auch andere Religionen interessiert. Zudem fand ich es schade, dass das Thema Diskriminierung nicht in Verbindung mit Intersektionalität genannt wurde. Stattdessen spricht das Buch von „Mehrfachdiskriminierung“, was möglicherweise der Übersetzung geschuldet ist. Der Begriff „Intersektionalität“ ist im Deutschen ja leider noch nicht sehr verbreitet.
Fazit
„Sorry, aber ...“ ist ein lesenswertes Sachbuch, das wichtige Fragen aufwirft und viele interessante Einblicke bietet. Trotz einiger stilistischer und inhaltlicher Schwächen schafft es Tara-Louise Wittwer, ein gesellschaftlich relevantes Thema auf humorvolle und persönliche Weise zu beleuchten. Das Buch ist unterhaltsam und regt gleichzeitig zum Nachdenken an. Ich vergebe 4 von 5 Sternen und empfehle es allen, die sich für gesellschaftliche und feministische Themen interessieren und bereit sind, sich mit den eigenen Entschuldigungsgewohnheiten kritisch auseinanderzusetzen.