Wenn Dein "Freund und Helfer" zu Deinem ärgsten Feind wird
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Nachdem ich den Klappentext des Buches studiert hatte und feststellte, dass die Geschichte in Hamburg spielt, dachte ich, es könnte sich lohnen, dieses Buch zu lesen. Ich kenne die Vorgänger-Fehler nicht, weshalb ich wenige Erwartungen haben konnte und völlig unvoreingenommen begann das Buch zu lesen.
Handlung
Frederik kommt in seine Heimatstadt Hamburg zurück, hat Vorsätze, was er verändern und welchen Erlebnissen er sich stellen will, nachdem er vor ihnen geflohen war. Hier erwarten ihn neben seinem besten Freund Niklas unterschiedlichste Menschen. Neue Kollegen, die seinen Vater und dessen furchtbare Machenschaften kannten und ihn immer wieder darauf ansprechen, seine Mutter, die offenbar ihr Leben völlig umkrempeln will und jemand, der sein Leben zerstören will.
Zunächst nehmen die Dinge ihren Lauf, er behauptet sich in der neuen Klinik durch Fachwissen und Engagement und findet auch den Weg zu seinem Freund zurück. Dieser hat seine ganz eigenen Probleme, die aus der gemeinsamen Vergangenheit resultieren, aber dennoch erhalten sich die beiden Männer ihre Freundschaft, die im Verlauf der Zeit schon viele Hürden überstehen musste.
Immer öfter und intensiver wird er jedoch mit seiner Vergangenheit konfrontiert bis sich die Situation dahin gehend zuspitzt, dass ihn seine Vergangenheit mit ganzer Wucht einholt und diese Begegnung beinahe tödlich verläuft.
Meine Meinung
Dieses Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend! Selbst wenn man die Vorgänger-Fehler nicht kennt, kann man der Geschichte folgen. Sie ist mit Rückblenden gespickt, die einen ahnen lassen, was in der Vergangenheit passiert sein muss, wie nachhaltig Frederiks und Niklas‘ gemeinsame Vergangenheit ist. Natürlich sind die Rückblenden nicht so ausführlich, dass man darauf verzichten könnte, die anderen Bücher zu lesen, aber sie genügen um die aktuelle Story zu verstehen und sich nicht in Unverständnis zu verheddern.
Frederik und Niklas verbindet eine lange Freundschaft, die aufgrund gemeinsamer Erlebnisse so massiv zu sein scheint, dass nichts sie ernsthaft erschüttern könnte. Diesen Umstand bringt die Autorin mit gekonnten Formulierungen und der Inszenierung von Situationen zum Ausdruck, in denen sich jeder wiederfinden kann. Frederik und Niklas sind so normal wie Du und ich, haben einen Beruf und ein privates Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. Nach ein paar Seiten bekommt der Leser das Gefühl, als könnte man ihnen an der nächsten Straßenecke – oder eben in der Notaufnahme von St Georg oder im UKE – begegnen.
Das Krankenhausleben scheint mir – als jemandem, der mal Patient war, aber ansonsten keinen Einblick hinter die Kulissen hat – glaubhaft beschrieben. Fachbegriffe werden am Ende des Buches erklärt und die Hektik auf den Fluren der Notaufnahme bzw. bei den Einsätzen des Notarztes wird toll beschrieben. Man kann kaum so schnell lesen, wie sich die Spannungsbögen aufbauen.
Die ganz persönlichen Probleme und Konflikte kann man ausgesprochen gut nachempfinden. Es gelingt A.R. Klier ohne viele ausschmückende oder dramatische Details intensive Emotionen zu beschreiben, sodass der Leser mit den Protagonisten mitfühlen kann.
Die Welle der Vergangenheit baut sich über Frederik immer weiter auf. Der Leser kann diesem Verlauf wunderbar folgen und mitfiebern und in dem Moment, in dem die Welle über ihm zusammen bricht, möchte man nur noch, dass Frederik überlebt, denn DAS hat er gewiss nicht verdient. Bis zu einem bestimmten Punkt im Buch bleibt auch der Leser im Ungewissen, wer diese Welle maßgeblich aufbaut. Irgendwann kommt der aha-Effekt und danach möchte man nur die Frage nach dem Warum beantwortet haben.
Die Autorin arbeitet mit ständigen Perspektivwechseln, die Figuren entwickeln sich alle parallel bis der Moment kommt, an dem sich ihre Wege kreuzen. Es gelingt ihr, die einzelnen Passagen ausführlich genug zu halten, damit der Leser etwas Neues erfährt, aber dennoch kurz genug, dass er den roten Faden nicht verloren hat, wenn die Geschichte an anderer Stelle wieder einsetzt. Ich mag diese Art der parallelen Entwicklung sehr.
A.R. Kliers Schreibstil ist locker und leicht zu lesen. Man kann sich auf die Geschichte konzentrieren und in sie eintauchen, anstatt verschachtelte Sätze mehrfach lesen zu müssen, um ihren Sinn zu verstehen.
Details streut sie gekonnt ein, ohne ihnen den Vorrang zu geben. Wer in Hamburg lebt, weiß ziemlich genau, wo sie sich gerade befindet. Aber sie bleibt im Vordergrund immer bei der Handlung. Das gefällt mir ausgesprochen gut.
Die charakteristischen Eigenschaften von Mann und Frau werden perfekt beschrieben. Ich fand es herrlich beim Lesen öfter mal den Gedanken zu haben „Typisch Mann“ oder „Typisch Frau“ – wir kennen es alle und finden uns wohl gerade deshalb in ihren Figuren wieder.
Fazit
Alles in allem ein Roman, der sich zu lesen lohnt, selbst wenn man mit Krankenhäusern vielleicht nicht allzu viel anfangen kann und die Vorgänger-Fehler nicht kennt. Es geht um menschliche Höhen und Tiefen, um das Verarbeiten (oder auch das Verdrängen) von Traumata und in aller erster Linie um die Freundschaft zweier Männer und wie viel wert diese ist.
Es ist eine gänzlich neue Erfahrung einen Krimi zu lesen, bei dem die Tat am Ende passiert! Ein Grund mehr den nächsten Teil dringend in die Hand zu nehmen, denn es gibt noch so viel, was ich wissen will.