Profilbild von EmmaWinter

EmmaWinter

Lesejury Star
offline

EmmaWinter ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit EmmaWinter über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.10.2024

Trollalarm!

Die Nachricht
0

Ruth ist eine gestandene Frau. Seit einigen Jahren Witwe, mit zwei fast erwachsenen Söhnen und einer Stieftochter mit Baby. Gerade hat sie sich wieder eingerichtet in ihrem Leben, hat jemanden neues kennengelernt, ...

Ruth ist eine gestandene Frau. Seit einigen Jahren Witwe, mit zwei fast erwachsenen Söhnen und einer Stieftochter mit Baby. Gerade hat sie sich wieder eingerichtet in ihrem Leben, hat jemanden neues kennengelernt, da beginnen die bösartigen Nachrichten in ihr Leben zu brechen. Es geht um ihren verstorbenen Mann, der sie ja sowieso verlassen wollte, um sie, um ihren neuen Freund. Die Hassnachrichten vergiften langsam ihr Leben und treiben Keile zwischen Ruth und ihre Freunde, denn auch diese erhalten anonyme Texte.

Die Geschichte entwickelt einen Sog. Zunächst scheinen die Nachrichten und das Leben von Ruth parallel zu verlaufen. Einerseits das Leben auf dem Land, in dem Holzhaus, das ihr verstorbener Mann selbst gebaut, mit Freunden und der Familie und einem neuen Liebesglück. Dann die bösartigen Nachrichten, die an ihr kratzen, sie verunsichern, denen sie machtlos gegenübersteht. Dann verquicken sich die beiden Bereiche immer mehr und die Botschaften beeinflussen Ruths gesamtes Leben.

Doris Knecht schreibt darüber, dass Opfern immer noch oft zumindest eine Mitschuld gegeben wird. Dass wohl schon irgendwas dran sein wird an solchen Beschimpfungen, dass provoziert worden sein muss, was auf einen zurückfällt, dass das ja alles gar nicht so schlimm sei. Es ist spannend zu lesen, wie sich die Situation zuspitzt und man fühlt sich selbst ganz hilflos dabei. Mir hat das Buch gut gefallen und gleichzeitig auch Angst gemacht, weil es zeigt, wie schnell man zum Opfer werden kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.10.2024

A la vôtre!

Reiner Wein
0

Es ist immer wieder schön, nach Saint Denis zurückzukehren und am Tisch von Bruno und seinen zahlreichen Freunden und Freundinnen Platz zu nehmen: Im reizenden Périgord besitzen viele Ausländer Ferienhäuser; ...

Es ist immer wieder schön, nach Saint Denis zurückzukehren und am Tisch von Bruno und seinen zahlreichen Freunden und Freundinnen Platz zu nehmen: Im reizenden Périgord besitzen viele Ausländer Ferienhäuser; umso ärgerlicher, wenn diese liebevoll eingerichteten Sommerresidenzen ausgeräumt werden. Bruno, Chef de police, hat jedoch nicht nur mit den Diebstählen von Antiquitäten zu tun, sondern muss einen brutalen Mordfall aufklären und wird zudem in einen historischen Bahnraub hineingezogen. Schließlich mischt sogar der britische Geheimdienst mit.

Wie immer gelingt Walker ein schöner Mix aus Kriminalfall und kulinarischer Handwerkskunst, garniert mit historischen bzw. politischen Details. In seinem sechsten Abenteuer wird Bruno über eine alte Banknote an den Bahnüberfall von Neuvic erinnert. 1944 konnte die französische Résistance über zwei Milliarden französische Francs an sich bringen. Der Verbleib des Geldes ist noch heute in weiten Teilen ein Rätsel. Ist es am Ende Bruno, der dem Geld auf die Fährte kommt?

Dieser Band konnte mich nicht so fesseln, wie die Vorgänger. Ich kann gar nicht so genau sagen warum. Irgendwie fehlte mir die Leichtigkeit und das Lebensgefühl der anderen Bände. Dennoch für Périgord-Fans ein schönes Buch mit hoch interessanten historischen Elementen.

In großen Teilen als Hörbuch gehört, wieder wunderbar charmant gelesen von Johannes Steck.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2024

Von Valencia nach München

Blutorangen
0

Warum gibt es ein Foto, auf dem Maites Vater, der unnahbare Spanier Francisco, eine deutsche Wehrmachtsuniform trägt? Unverhofft wird die Erasmus-Studentin in München mit der Geschichte ihrer Familie in ...

Warum gibt es ein Foto, auf dem Maites Vater, der unnahbare Spanier Francisco, eine deutsche Wehrmachtsuniform trägt? Unverhofft wird die Erasmus-Studentin in München mit der Geschichte ihrer Familie in Valencia und der ihres Landes unter Franco konfrontiert. Über ihren neuen Freund Carlos, der ebenfalls spanische Wurzeln hat, lernt sie dessen Großvater Antonio kennen, der ihr von seiner Flucht aus Spanien erzählt. Aber erst nach fast 15 Jahren erfährt Maite die ganze Wahrheit.

Wusstet Ihr, dass es eine Kultur der Zitrusgrafik gab? In Salzgitter gibt es gar ein Museum, das sich den Orangenpapieren widmet. Die Orangen spielen im Debütroman von Verena Boos eine wichtige Rolle. Das Hauptanbaugebiet in Spanien liegt rund um Valencia und von dort gelangen die Früchte auf den Großmarkt in München. In beiden Orten spielt ein Großteil der Handlung. Nicht nur der Handel mit Orangen verbindet die beiden Länder in diesem Roman, sondern auch die Diktatoren Franco und Hitler. Das deutsche Flugzeuggeschwader "Legion Condor" unterstützt Franco 1937, dieser revanchiert sich 1941 im Krieg gegen die Sowjetunion mit der "Blauen Division". Dieses dunkle Kapitel der Geschichte wird beispielhaft anhand der Familien von Antonio und Francisco auf eindringliche Weise dargestellt.

Ich habe ein bisschen gebraucht, um in die Geschichte hineinzufinden. Einerseits liegt das am Schreibstil der Autorin, den ich als spröde, knapp, schnörkellos und ein wenig sperrig empfinde, andererseits am Aufbau der Handlung. Gemeinsam mit Maite decken wir langsam, Schicht für Schicht, die Geschichte hinter den beiden Männern auf. Wir bewegen uns zwischen drei Zeitblöcken (1939-42, 1990 und 2004) und vielen Namen und es dauert, bis man sich gedanklich sortiert hat.

Insgesamt kann ich das Buch sehr empfehlen, es ist eindringlich und aufrüttelnd geschrieben, voller interessanter und gut recherchierter Informationen. Die Figuren und ihre Gefühle sind lebendig geschildert, in all ihrer Unsicherheit, Angst und Trauer.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2024

Freundinnen

Es wird Zeit
0

Judith, Zahnarztgattin und Mutter dreier erwachsener Kinder, fällt rückwärts in das Grab von Wilma und Herbert Kallensee und löscht ein ewiges Licht. So verläuft das zufällige Wiedersehen mit ihrer einst ...

Judith, Zahnarztgattin und Mutter dreier erwachsener Kinder, fällt rückwärts in das Grab von Wilma und Herbert Kallensee und löscht ein ewiges Licht. So verläuft das zufällige Wiedersehen mit ihrer einst besten Freundin Anne - nach 20 Jahren Sendepause. Insgesamt kommt es gerade ziemlich dicke für Judith: Der 50. Geburtstag ist nicht mehr weit, ihre Mutter ist verstorben, das Elternhaus will verkauft werden, die Jungs sind ausgezogen, der Gatte schnarcht und dann taucht Anne wieder auf und ist krank.

Mein erster Roman von Ildikó von Kürthy, der mich überrascht hat. Ich habe ihn gerne gelesen bzw. in großen Teilen auch gehört. Gelesen von der Autorin und von Nina Petri, die die traurigen Stellen interpretieren musste, weil von Kürthy "schon bei der Winnetou-Melodie weinen muss". Kenn ich! - Sehr sympathisch!

Es geht um das Älterwerden und den Umgang damit, es geht um Krankheit, Tod, Vertrauen, Liebe und vor allem um Freundschaft. Wenn Judith über ihr Leben, ihr Aussehen, ihr Gewicht etc. jammert, dann natürlich auf hohem Niveau, allerdings ist das wirklich amüsant zu lesen und wer ungefähr in Judiths Alter ist, könnte sich öfter ertappt fühlen. Klar gibt es auch Slapstick-Einlagen oder klamaukige Szenen, aber es hält sich die Waage mit dem Ernst, der in diesem Buch zu finden ist. Es gibt ziemlich viele Zufälle, einiges ist vorhersehbar, aber das hat mich (in diesem Fall) nicht gestört, weil die Geschichte und seine Figuren sympathisch sind. Judith ist schon eine anstrengende Protagonistin, aber ich bin gerne an ihrer Seite geblieben. Mein Lieblingscharakter ist der völlig überdrehte Erdal, der als klischeehafter Wirbelwind durch die Seiten fegt. Mein neues Lieblingswort übrigens: Maulwurfstextilien. Da hab ich laut gelacht: Unterwäsche, die keinesfalls ans Tageslicht gelangen darf. "Man würde sie mit einem Spaten erschlagen." (S. 140)

Also, wer einen flott geschriebenen Roman sucht, der gut unterhält, ein ernstes Thema in humorige Watte packt und einen am Ende doch eine Träne abringt, sollte hier zugreifen. Wer den Humor der Autorin nicht mag, sollte es lassen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.07.2024

Eine Erbschaft mit Folgen

Das Erbe
0

Mona, die in Berlin als Bauzeichnerin arbeitet, ist eigentlich mit ihrem Leben ganz zufrieden, wenn nicht die ewigen Querelen mit ihrer Familie in München wären. Unverhofft wird sie Alleinerbin ihrer Großtante, ...

Mona, die in Berlin als Bauzeichnerin arbeitet, ist eigentlich mit ihrem Leben ganz zufrieden, wenn nicht die ewigen Querelen mit ihrer Familie in München wären. Unverhofft wird sie Alleinerbin ihrer Großtante, die eigentlich von Monas Mutter beerbt werden sollten. Nun gehen die Streitereien erst richtig los. Allerdings hat Mona wesentlich mehr geerbt, als es zunächst den Anschein hat und die Probleme mit ihrer Mutter sind nur die geringsten.

Wieder ein Roman, der ewig auf meinem SUB lag und den ich dann ganz schnell gelesen habe. Ein leichter Schmöker, genau richtig für die Sommerferien. Hier findet sich eine spannende und interessante Geschichte über eine Erbschaft, die ihre Wurzeln in der NS-Zeit hat und deswegen moralisch höchst fragwürdig ist. Es geht um Zwangsverkauf, gutgläubigen Erwerb und Rückerstattung.

Mehr als ein Ferienbuch darf man jedoch nicht erwarten, die Charaktere sind sehr klischeehaft und wer gut ist, ist richtig gut und wer böse ist, der … naja. Auch weiß man schnell, was das große Geheimnis der Geschichte ist. Aber wenn man weiß, auf was man sich einläßt, kann man diese, sich aus verschiedenen Perspektiven und Zeiträumen langsam zusammensetzende Geschichte wirklich gut lesen.

Am Ende findet sich als Anhang eine Zeittafel zur Judenverfolgung und Anmerkungen zur Rückerstattung von Vermögen.

Was mich besonders gereizt hat, diesen Roman zu lesen, war zu erfahren, wie die Autorin letztlich das moralische Dilemma der Erbin lösen wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere