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Veröffentlicht am 23.09.2024

Allerlei Wissenswertes rund um Pilze

Mushroom Fever
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MEINE MEINUNG
Bereits ein kurzer Blick in das im KOSMOS Verlag erschienenen Sachbuch "Mushroom Fever – Über die Liebe zu Pilzen und wo du sie findest" von Moritz Schmid macht deutlich, dass der Autor nicht ...

MEINE MEINUNG
Bereits ein kurzer Blick in das im KOSMOS Verlag erschienenen Sachbuch "Mushroom Fever – Über die Liebe zu Pilzen und wo du sie findest" von Moritz Schmid macht deutlich, dass der Autor nicht nur wichtige Informationen und interessantes Hintergrundwissen rund um Pilze vermitteln möchte, sondern auch eine tiefe Wertschätzung für die Natur.
Der ehemalige Werbefotograf Schmid hat einen äußerst erfolgreichen deutschen Instagram-Kanal (@intothewoods_mushrooms), auf dem er als „Pilzfluencer“, ausgewiesener Fungi-Kundiger und erfahrener Pilzcoach eine stetig wachsende Fangemeinde an seiner Pilz-Leidenschaft und Naturliebe teilhaben lässt. Als besonderes Highlight versteht er es hervorragend sein Fachwissen und fotografisches Talent zu vereinen und die einzigartige Schönheit der Pilze und Natur in atemberaubend stimmungsvollen wie originellen Bildern einzufangen. So präsentiert sich sein Buch als ein höchst eindrucksvolles sehr ästhetisch ansprechendes Prachtexemplar, das man immer wieder gerne in die Hand nimmt.
Der Autor nimmt uns auf seine spannenden Streifzüge durch die Wälder zu den besten Pilzplätzen mit und zugleich auf eine faszinierende Reise ins Wunderland der Pilze. Auf unterhaltsame und gut verständliche Weise entführt er uns in eine Welt voller Überraschungen, denn das Universum der Pilze ist größer, vielfältiger und erstaunlicher, als man es sich überhaupt vorstellen mag. Schmids Pilzbegeisterung spürt man deutlich auf jeder Seite und inspiriert dazu, die spannende, ganz eigene Welt der Pilze selbst zu erkunden.
Bereits die kurzen inspirativen Texte TAG IN DEN PILZEN und PERFEKTE FORMEL ZUM GLÜCK auf dem anschaulich aufbereiteten Umschlagklappen machen neugierig auf den neuen Trend, der uns so manche Glücksmomente bescheren und vielleicht auch unser Leben bereichern könnte. Daneben findet man dort ein interessantes Autorenporträt, 7 TIPPS ZUR PILZSUCHE sowie TIPPS ZUR ZUBEREITUNG.
Im vorangestellten ersten Teil erhalten wir eine Menge allgemeine Informationen zu den Pilzen als evolutionsgeschichtliche Wunderwerke mit erstaunlichen Superkräften und einer unfassbaren Vielfalt sowie ein anschaulich und locker präsentiertes Grundlagenwissen rund ums Sammeln von Pilzen mit vielen wertvollen Tipps und Tricks.
Schmid versteht es hervorragend seine Expertise und langjährigen Erfahrungsschatz äußerst lebendig und unterhaltsam zu vermitteln. Ohne komplizierte Fachwörter und Erklärungen werden wir in kürzester Zeit in den Bann gezogen und erleben dabei für so manches Aha-Erlebnis. Von hilfreicher Ausstattung, Klopftest über zu Infos zum Sammeln von geschützten Arten bis hin zur richtigen Ernte - die behandelten Themen sind höchst vielfältig, geben eine Menge praktische Tipps, vermitteln aufschlussreiche Einblicke und sind sehr anschaulich aufbereitet. Im Kapitel ETHIK DES SAMMELNS unterstreicht der Autor, dass neben einem guten Bestimmungsbuch gerade für Einsteiger auch Hilfestellung durch versierte Pilzsammler oder eine Pilzberatungsstelle wichtig ist, um fatalen Fehlern vorzubeugen. Pilzbestimmung ist sehr anspruchsvoll aber notwendig, da ein Fehler im schlimmsten Fall tödlich ausgehen kann. Daher rät er auch generell von Pilzbestimmungs-APPS ab.
Gekonnt macht Schmid deutlich, dass man die Pilzsuche am besten mit der richtigen Einstellung, viel Geduld und einem gewissen Fachwissen über die richtigen Standorte angehen sollte. Belohnt wird man dann nicht nur mit einem vollen Korb mit kulinarischen Köstlichkeiten, sondern als tollem Nebeneffekt auch mit einem klaren Kopf und glücklichem Herzen. Denn Pilze-Sammeln versteht Schmid als ein ganzheitliches Lebensgefühl, das ihn erdet und als wundervolle Inspirationsquelle dient. Ihm ist es wichtig, unser Gespür für die Zusammenhänge und Kreisläufe der Natur zu schärfen und uns hierfür zu sensibilisieren!
Im eigentlichen Hauptteil, der am grünen Farbschnitt leicht zu erkennen ist, finden wir 20 verschiedene Artporträts, in denen Schmid verschiedene Speisepilze sehr anschaulich und informativ präsentiert. Von bekannten Speisepilzen wie Pfifferling, Steinpilz oder Parasol werden auch weitere schmackhafte, vielleicht weniger geläufige Brüder wie Schwefelporling oder Rötelritterling sehr ausführlich vorgestellt. Zum Abschluss der Portraits findet sich zum besseren Überblick ein kurzer Steckbrief mit den wichtigsten Informationen zu Aussehen, Verbreitung und möglicher Verwechselungsgefahr. Die schönen Farbfotos der Pilze mit ansprechenden Detailaufnahmen in unterschiedlichen Formaten sowie stimmungsvolle Impressionen der Standorte sind ein besonderes Highlight dieses gelungenen Handbuchs und illustrieren den Inhalt hervorragend.
Die atemberaubenden Bilder und anschaulichen Artporträts machen das Buch zu einem ästhetischen Erlebnis.
Abgerundet wird das Buch mit einem alphabetischen Register zum Nachschlagen, einer Zusammenstellung von Giftnotrufzentralen sowie Hinweise zu weiterführender Literatur sowie einem Bildnachweis.
FAZIT
Ein beeindruckendes und inspirierendes Sachbuch, das Pilze als faszinierenden Lifestyle-Trend präsentiert und für einen respektvollen, achtsamen Umgang mit der Natur sensibilisiert. Moritz Schmid verbindet fundiertes Fachwissen mit einer tiefen Leidenschaft für die Natur und herausragendem fotografischem Talent. Weit mehr als ein gewöhnliches Pilzbuch lädt es uns ein die Welt der Pilze mit neuen Augen zu entdecken!

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Veröffentlicht am 22.09.2024

Beeindruckender Roman

Reise nach Laredo
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MEINE MEINUNG
Der berührende Roman "Reise nach Laredo" von dem mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichneten österreichischen Schriftstellers Arno Geiger entführt uns auf eine faszinierende literarische ...

MEINE MEINUNG
Der berührende Roman "Reise nach Laredo" von dem mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichneten österreichischen Schriftstellers Arno Geiger entführt uns auf eine faszinierende literarische Reise, auf der wir an den letzten Lebenswochen des abgedankten Kaisers Karl V. im Jahr 1558 teilhaben.
Dieser tiefgründige Roman ist jedoch weit mehr als ein historischer Roman. Er kann als eine zeitlose Parabel gelesen werden, die existenzielle Fragen aufwirft und zu einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit universellen menschlichen Themen anregt wie Selbstfindung, Identität, Suche nach Sinn und dem wahren Wert des Lebens, Glauben, Sterblichkeit und Loslassen.
Geigers brillanter bildhafter und poetischer Sprachstil und seine atmosphärischen Beschreibungen lassen die Geschichte rasch lebendig werden.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der 58-jährige, einst einflussreiche Herrscher Karl, der sich nach seiner Abdankung ins spanische Kloster Yuste zurückgezogen hat. Vereinsamt und gezeichnet von Krankheit und Alter sieht er dort seinem Tod entgegen. Die Begegnung mit seinem illegitimen elfjährigen Sohn Geronimo wird zum Auftakt einer spontanen nächtlichen Odyssee, die das ungleiche Paar über abenteuerliche Umwege schließlich ans Meer nach Laredo führt.
Geiger gelingt in seinem Roman eine faszinierende Verschmelzung von historischen Fakten und Fiktion. Die Geschichte entfaltet sich auf zwei kunstvoll verwobenen Erzählebenen: Einerseits begleiten wir Karl durch seinen schleichenden Verfall und langsamen Sterbeprozess, wobei uns tiefe Einblicke in sein Seelenleben und seine inneren Kämpfe gewährt werden. Andererseits entführt uns der Autor auf eine phantastische Reise nach Laredo, auf der die Protagonisten mit ihren eigenen inneren Dämonen konfrontiert werden, und die sich vorwiegend in Karls fiebrigen Wahnvorstellungen abspielt. Durch die geschickte Integration surrealer Elemente verwischt Geiger die Grenze zwischen Wirklichkeit und Phantasie. So entsteht ein vielschichtiges Narrativ, das historische Genauigkeit mit literarischer Freiheit vereint und den Leser in seinen Bann zieht.
Die symbolische Spiegelung der historischen letzten Reise von Karl V. von Laredo quer durch Spanien nach Yuste verleiht die dem Roman eine interessante zusätzliche historische Relevanz.
Die einfühlsame Darstellung von Karls Sterbeprozess nicht nur als Ende seines Lebenswegs sondern auch als eine erhellende Reise ins eigene Ich und zur Selbsterkenntnis ist besonders eindrucksvoll gelungen und tief berührend.
Geiger entwirft ein facettenreiches Bild Karls V., das sowohl den einst mächtigen Monarchen als auch den gebrechlichen alten Menschen offenbart. Er zeigt einen Mann, der unter der Last seiner Herrschaft litt und nun, am Ende seines Lebens, mit Schwächen, Zweifeln und Ängsten ringt. Gleichzeitig eröffnet ihm die imaginäre Reise ungeahnte Momente der Leichtigkeit und Freiheit - ein bewegender Kontrast zu seinem bisherigen, von Pflicht und Verantwortung geprägten Dasein.
Geiger verzichtet bewusst auf einen historischen Anhang zu Kaiser Karl V. und seiner Epoche. Diese Entscheidung fordert den Leser zwar heraus, sich selbst um die geschichtliche Einordnung zu bemühen, unterstreicht aber gleichzeitig die zeitlose, allgemeingültige Botschaft des Romans, die über die bloße historische Nacherzählung hinausgeht. Indem der Autor den Protagonisten nicht explizit als Karl V. identifiziert, öffnet er Raum für eine tiefere Deutungsebene: In jedem Menschen steckt ein "zurückgetretener König" - eine Metapher für die Suche nach dem eigenen Ich jenseits gesellschaftlicher Rollen.
FAZIT
Ein feinsinniger und anspruchsvoller Roman, der durch seine psychologische Tiefe und sprachliche Brillanz besticht. Ein beeindruckendes und bereicherndes Leseerlebnis, das tief berührt und zum Nachdenken über die großen Fragen des Lebens anregt!

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Veröffentlicht am 17.08.2024

Geniale Krimiunterhaltung

Mord stand nicht im Drehbuch
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MEINE MEINUNG
Mit „Mord stand nicht im Drehbuch“ ist dem bekannten britischen Schriftsteller und Drehbuchautor Anthony Horowitz erneut ein herrlich unterhaltsamer, spannender und genial konzipierter Kriminalroman ...

MEINE MEINUNG
Mit „Mord stand nicht im Drehbuch“ ist dem bekannten britischen Schriftsteller und Drehbuchautor Anthony Horowitz erneut ein herrlich unterhaltsamer, spannender und genial konzipierter Kriminalroman aus seiner Krimi-Reihe „Hawthorn ermittelt" gelungen. Er hat einfach ein besonderes Talent für originelle, vielschichtige Fälle und facettenreiche Charakterzeichnung – gewürzt mit viel trockenem britischem Humor.
Auch im vierten Band der Hawthorne-Reihe gelingt es Horowitz hervorragend, Fakt und Fiktion zu einem klassischen Whodunit zu verflechten, indem er als Ich-Erzähler geschickt reale Details aus seinem eigenen Leben und seiner Karriere in die erfundene Handlung einfließen lässt. Genial ist seine selbstironische Darstellung als unbedarfter, um Anerkennung heischender Watson gegenüber Daniel Hawthorn als scharfsinnigem Sherlock Holmes sowie sind seine witzigen Schlagabtausche mit dem exzentrischen, undurchsichtigen Ex-Polizisten mit messerscharfem Verstand. Als besonderes Highlight gerät Horowitz diesmal selbst als ahnungslosen Haupttatverdächtiger in den Fokus von Ermittlungen zu einem abscheulichen Mordfall und verwickelten Verbrechen. Erneut muss er auf den brillanten Hawthorne zählen, um sich trotz erdrückender Indizien entlasten zu können und die Wahrheit ans Licht zu bringen. Während wir beim letzten Fall höchst unterhaltsame Einblicke in den Literaturbetrieb erhielten, bildet nun die Theaterwelt und Horowitz Theaterstück „Mindgame“ die reizvolle Kulisse für die umfangreichen Ermittlungen, bei denen uns eine Menge potenzieller Verdächtiger mit Geheimnissen und möglichen plausiblen Motiven unter den Schauspielern, Mitwirkenden im Umfeld des Theaterstücks und Theaterkritikern präsentiert wird. Horowitz ist es wieder einmal gelungen, einen sehr komplexen und spannenden Kriminalfall zu schaffen, geschickt zahlreiche Hinweise, Finten und irreführenden Nebenhandlungen einzuflechten und die Spannung immer weiter aufzubauen. Dies ist wirklich Rätselspaß vom Feinsten! Sehr unterhaltsam ist es zudem, wie Horowitz die Egos und Befindlichkeiten der unterschiedlichen Charaktere, die Rivalitäten und alltäglichen Dramen auf und hinter der Bühne aufs Korn nimmt. Gespannt verfolgt man Hawthorns cleveren Ermittlungstaktiken, seiner bemerkenswerten Beobachtungsgabe und seinem messerscharfen Verstand – und ist doch mit den eigenen Vermutungen meist auf dem Holzweg. Nach einigen unerwarteten Wendungen enthüllt der großartige Hawthorn schließlich in einem sehr klassisch inszenierten Finale den wahren Täter und deckt souverän die unglaublichen Hintergründe des Falles auf. Horowitz lässt uns trotz weniger ominöser Einblicke ins Privatleben wieder einmal über die wahre Natur des undurchsichtigen Hawthorne und seine mysteriöse Vergangenheit rätseln, sodass wir es kaum erwarten können, mehr über dieses faszinierende sowie höchst unterhaltsame Ermittler-Duo als originelle moderne Variante des berühmten Watson-Holmes-Detektivgespanns zu lesen.

FAZIT
Eine rundum überzeugende, fesselnde und humorvolle Fortsetzung der Krimireihe mit brillanten Charakteren! Äußerst lesenswert!

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Veröffentlicht am 14.07.2024

Rundum gelungene Fortsetzung

Kalmann und der schlafende Berg
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Nach seinem erfolgreichen Roman „Kalmann“ hat der in Island lebende Schweizer Autor Joachim B. Schmidt mit "Kalmann und der schlafende Berg" eine fesselnde und zugleich herzerwärmende Fortsetzung ...

MEINE MEINUNG
Nach seinem erfolgreichen Roman „Kalmann“ hat der in Island lebende Schweizer Autor Joachim B. Schmidt mit "Kalmann und der schlafende Berg" eine fesselnde und zugleich herzerwärmende Fortsetzung vorgelegt, die uns erneut in die faszinierende Welt seines einzigartigen Protagonisten und legendären Sheriff von Raufarhöfn Kalmann Óðinsson eintauchen lässt.
Wie schon beim Auftakt handelt es sich trotz einiger typischer Elemente aus Krimis und Thrillern wie einem Mord und allerlei packende Entwicklungen nicht um einen Kriminalroman im eigentlichen Sinne, sondern ein interessanter Genre-Mix, der mich mit faszinierenden Charakterstudien, der einfühlsamen Beleuchtung aktueller brisanter Themen sowie einem wundervollen Humor sehr begeistern konnte.
Gekonnt hat Schmidt vertraute Elemente aus dem ersten Roman mit einigen neuen Charakteren und Schauplätzen verwoben, wodurch wir einen tiefgründigen Blick auf Kalmanns Welt und seine persönlichen Beziehungen erhalten.
Neben Gesellschaftskritik macht der Autor in dieser tiefgründigen Geschichte vor allem auch auf aktuelle ökologische und politische Themen insbesondere die Problematik der skrupellosen Umweltverschmutzung aufmerksam.
Vor allem lebt der Roman aber von seinem wundervollen Protagonisten Kalmann, der als Ich-Erzähler im Mittelpunkt der Geschehnisse steht und eher unabsichtlich in abenteuerliche und fatale Verwicklungen hineingezogen wird.
Inspiriert wurde die Fortsetzung von Kalmanns Geschichte von realen zeitgeschichtlichen Ereignissen, insbesondere den Unruhen am Washingtoner Kapitol am 6. Januar 2021, wodurch wir uns in recht unerwartete Gefilde begeben. Aber auch dunkle Familiengeheimnisse lassen uns schließlich tief in die Ära des Kalten Kriegs und geheimdienstlichen Machenschaften im Hintergrund abtauchen.
Angesiedelt ist die Geschichte diesmal nicht nur in dem kleinen, schon etwas heruntergekommenen Fischerdorf Raufarhövn im Nordosten Islands, sondern führt uns weit über die bekannten Grenzen in die weite Welt hinaus. So konnte mich der überraschende Einstieg, bei dem wir Kalmann bei einem Verhör im FBI-Hauptquartier in Washington D.C. begegnen, auf Anhieb fesseln.
Mit der ungewöhnlichen Erzählstimme seines liebenswerten Ich-Erzählers, dem abwechslungsreichen Schreibstil und wundervoll poetischen Passagen wurde ich schnell in die Geschichte hineingezogen. Äußerst faszinierend und oftmals auch sehr amüsant ist es, die Welt mit all ihren komplexen Problemen aus Kalmanns einzigartiger Perspektive zu betrachten.
Mit dem 35-jährigen Außenseiter Kalmann hat Schmidt einen wundervollen, sehr vielschichtig angelegten Charakter geschaffen, der einem rasch ans Herz wächst. Es ist sehr erfrischend, die Geschehnisse ungefiltert aus der ungewöhnlichen Sicht dieses grundehrlichen, gutmütigen, eigenbrötlerischen und geistig etwas beeinträchtigen Manns zu erleben, der allerdings manchmal zu Blackouts und unkontrollierbaren Wutausbrüchen mit meist selbstverletzendem Verhalten neigt. Kalmann sorgt so manches Mal mit seinem unkonventionellen, verschrobenen Verhalten für sehr humorvolle Episoden. Zugleich konnte er mich mit seiner kindlichen Naivität, seinem Gespür für Ungerechtigkeiten, guter Beobachtungsgabe und vor allem einer beeindruckend scharfsinnigen Sicht auf das Leben beeindrucken. Ein besonderes Augenmerk legt der Autor auf Kalmanns Beziehung zu seiner Mutter und arbeitet sehr anschaulich ihre Entbehrungen, den aufopferungsvollen Einsatz bei der Erziehung und ihre grenzenlose Liebe für ihren Sohn heraus. Mit viel Feingefühl behandelt Schmidt auch Kalmanns Verarbeitung von Einsamkeit, Verlust und Trauer und der Suche nach einer Vaterfigur in seinem Leben. Sehr authentisch beschreibt er die Auseinandersetzung mit seiner Gefühlswelt und den emotionalen Reifeprozess seines Protagonisten im Laufe der Handlung.
Das faszinierende Setting mit der einzigartigen, kargen isländischen Landschaft, dem unwirtlichen Wetter sowie die verschrobenen Bewohner von Raufarhöfn wird von Joachim B. Schmidt sehr stimmungsvoll und authentisch eingefangen und bildet eine faszinierende, atmosphärisch dichte Kulisse für diesen Roman.
Der Autor versteht es hervorragend, den Spannungsbogen in der anfangs recht ruhigen Geschichte immer mehr anzuziehen. Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und die fesselnde Handlung gipfelt in einem sehr packenden, actionreichen Showdown, bei dem Kalmann erneut zum Helden von Raufarhövn wird.
Ich bin sehr gespannt, ob Kalmanns Geschichte fortgeführt wird und würde mich sehr über einen dritten Kalmann-Band freuen.
FAZIT
Ein tiefgründiger Roman mit einer fesselnden Geschichte und einem wundervollen Protagonisten! Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 12.04.2024

Eine grandiose Neuinterpretation

Demon Copperhead
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Mit dem bewegenden Roman "Demon Copperhead" ist der US-amerikanischen Autorin Barbara Kingsolver eine faszinierende zeitgemäße Neuinterpretation des berühmten Klassikers "David Copperfield" ...

MEINE MEINUNG
Mit dem bewegenden Roman "Demon Copperhead" ist der US-amerikanischen Autorin Barbara Kingsolver eine faszinierende zeitgemäße Neuinterpretation des berühmten Klassikers "David Copperfield" von Charles Dickens gelungen. Angesiedelt ist die spannende und vielschichtige Geschichte jedoch nicht im viktorianischen London sondern in den Appalachen Virginias in der Gegenwart der 1990er und 2000er Jahre. Angelehnt an die Handlung des klassischen Vorbilds von Charles Dickens, schildert die Autorin am Beispiel ihres Protagonisten Demon Copperhead das Schicksal von Kindern und Jugendlichen, die Opfer der verheerenden Opioidkrise in den USA wurden, ihre Eltern verloren haben, eine schwierige Kindheit mit Verlusten und Entbehrungen durchstehen müssen und in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen.
Ähnlich wie David Copperfield durchlebt auch Demon eine schwierige Kindheit und Jugend in Vernachlässigung, bitterer Armut und skrupelloser Ausbeutung in Pflegefamilien und landet schließlich in der Drogensucht. 
Trotz der fesselnden Handlung spart Kingsolver in ihrem Roman nicht an herber Gesellschaftskritik. Sehr eindringlich schildert die Autorin die sozialen Probleme der Appalachen-Region, die geprägt sind von Armut, Drogenmissbrauch und desolaten Verhältnisse in den Pflegefamilien und thematisiert zudem die Perspektivlosigkeit der Bevölkerung und die sozioökonomischen Differenzen zwischen Stadt- und Landleben. Sie zeichnet nicht nur ein schonungsloses und düsteres Bild einer Kindheit und Jugend in sozialer Ausgrenzung sondern auch ein facettenreiches Gesellschaftsporträt, das sehr nachdenklich stimmt.
Die Autorin hat ihrem faszinierenden Protagonisten mit seiner frechen, unverblümten Art eine wundervolle, beeindruckende Erzählstimme verliehen. Sie zeichnet Demon als einen sympathischen, witzigen und lebenstüchtigen Charakter mit einem ungebrochenen Überlebenswillen und einem Herz am rechten Fleck, der sich trotz vieler widriger Umstände durchzukämpfen weiß. Seine vielschichtige Persönlichkeit hat mit tief beeindruckt. Zudem hat die Autorin weitere interessante, sehr lebensnahe Figuren entworfen, die uns aufschlussreiche und authentische Einblicke in das ländliche Milieu der Appalachen und das Leben der „Hinterwäldler“ gewähren.
Hervorragend hat mir auch Kingsolvers frischer, opulenter Erzählstil gefallen, der mich bestens unterhalten konnte.

ZUM HÖRBUCH:
Schauspieler und Hörbuchinterpret Fabian Busch liefert mit seiner kurzweiligen Interpretation des Hörbuchs eine hervorragende Leistung. Seine angenehme und ausdrucksstarke Stimme zieht uns sofort in die Geschichte hinein. Busch versteht es meisterhaft, den Figuren Leben einzuhauchen, sodass man gebannt ihrem Schicksal folgt. Sein jugendliches Sprechtimbre passt perfekt zum Charakter des faszinierenden Protagonisten Demon, den ich gerne noch weiter durch sein ereignisreiches Leben begleitet hätte. Insgesamt bietet Fabian Busch eine beeindruckende Darbietung, die den Hörer vollkommen in den Bann der Geschichte zieht.

FAZIT
Ein großartiger und berührender Roman über ein Leben gegen alle Widerstände. Ein gelungener moderner Klassiker mit einem faszinierenden „Helden“, starken Charakteren und viel Gesellschaftskritik.

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