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Veröffentlicht am 09.09.2024

Unterhaltsam mit einigen Längen

Die Abschaffung des Todes
6

Es kann sein, dass man dieses Buch gerne liest, wenn man ganz ohne Erwartungen herangeht. Ich habe mit visionärer Science Fiction voller Überraschungen und Hochspannung gerechnet und das findet man hier ...

Es kann sein, dass man dieses Buch gerne liest, wenn man ganz ohne Erwartungen herangeht. Ich habe mit visionärer Science Fiction voller Überraschungen und Hochspannung gerechnet und das findet man hier noch nicht einmal im Ansatz.

Der Science Fiction Teil ist im Grunde nur der Anlass für ein paar kluge Gedanken zum Sinn des Lebens und eher ein Gedankenexperiment als wirklich futuristische Handlung. Da suchen ein paar Visionäre Investoren für ein Forschungsprojekt. Sie behaupten, den Schüssel für ewiges Leben gefunden zu haben, theoretisch.

Praktisch ist ihre Idee nicht ganz so neu, wie sie möchten (ich habe Ähnliches schon mehrfach gelesen). Zwei Science Fiction Autoren haben mit der gleichen Idee gespielt und mussten sie aufgeben. Einer ist tot, der andere verschwunden. James Windover, Herausgeber einer elitären Zeitung, wird beauftragt herauszufinden, was da los ist und damit beginnt eine gefahrvolle Suche und eine Verfolgungsjagd, die den Hauptteil des Buches bestimmen.

Gut gefallen hat mir die Idee dieser Zeitung. Die Windover View in Amsterdam möchte neutral berichten, recherchiert akribisch und verfasst dann ihre Berichte so knapp und unvoreingenommen wie möglich. Nur ganz Reiche können sich diesen Service leisten, da kann man nur neidisch sein. Das Team ist eine eingespielte Gruppe von Nerds und Spezialisten und wenn nichts mehr geht, geht Fine telefonieren, die wickelt jeden ein.

Dieser Teil des Buches hat mir großen Spaß gemacht, alles andere kam mir etwas zäh vor. Es gibt ewig lange technische oder philosophische Betrachtungen zum Wesen und Sinn des Lebens, zur Funktion des Gehirns und eine unendliche Verfolgungsjagd im James-Bond-Stil (es fließt Blut, aber sie haben immer Glück, wundersame Technik und Fluchtfahrzeuge am Start).

Das neue Buch von Andreas Eschbach liest sich leicht und bietet gute Unterhaltung, es ist allerdings nicht mein Lieblingsbuch des Autors.

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Veröffentlicht am 19.08.2024

Unfreiwillig komisch

Das Lied des Propheten
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Dieses Buch ist Atmosphäre pur, das muss man ihm lassen. Wenn man die unfreiwillige Komik dieses schwer verschraubten Erzählstil ausblenden kann, kann es einen wirklich berühren. Die Geschichte ist zwar ...

Dieses Buch ist Atmosphäre pur, das muss man ihm lassen. Wenn man die unfreiwillige Komik dieses schwer verschraubten Erzählstil ausblenden kann, kann es einen wirklich berühren. Die Geschichte ist zwar nicht sonderlich innovativ, aber mitreißend leidvoll.

In Nordirland ist plötzlich ein Terrorregime an der Macht, das einen Bürgerkrieg ausgelöst hat mit allen Konsequenzen. Die Infrastruktur bricht zusammen, Nahrung wird knapp, Strom gibt es nur manchmal und Ehemänner verschwinden. So auch der von Eilish, die sich plötzlich alleine mit vier Kindern durchschlagen muss.

Was hier passiert, kennt man eigentlich schon alles, originell ist diese Katastrophe nicht, durchaus plastisch beschrieben, aber nichts Neues. Eilish ist eher hilflos als eine spannende Figur. Sie scheint die Letzte zu sein, die den Ernst der Lage sieht und kassiert die Rechnung dafür. Als Leserin möchte man ihr andauernd zurufen: Mach die Augen auf, du dumme Nuss.

Der Erzählstil ist eigen und poetisch, allerdings überschreitet er ständig sowohl die Kitschgrenze als auch die Grenzen des guten Geschmacks.

„Sie betrachtet ihn mit einem geschmerzten Lächeln.“

„Die Uhr im Flur schickt sich sirrend zum Läuten an.“

„…, beider Willen in stummer Gegnerschaft verkeilt.“

„Sie will in diesem Nullraum des Schweigens bei ihm bleiben.“

So etwas scheint vielen zu gefallen. Ich finde es grausig und musste leider ständig an unpassenden Stellen lachen.

Die Lobeshymnen auf dieses Buch kann ich nicht verstehen. Ich finde es wenig originell und nahezu unlesbar. Es hilft ein wenig, wenn man die Hörbuchversion hört. Kaja Sesterhenn liest es tapfer und unbeirrt 8 Stunden und 29 Minuten lang. Man kann sich zurücklehnen, sich amüsieren und wundern.

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Veröffentlicht am 28.07.2024

Manchmal ist weniger mehr

Anna O.
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Anfangs hat mir das Buch gut gefallen. Die Geschichte ist finster, originell und ein bisschen spooky.

Anna Ogilvy liegt seit vier Jahren im Koma. Sie soll zwei Menschen getötet haben, während sie geschlafwandelt ...

Anfangs hat mir das Buch gut gefallen. Die Geschichte ist finster, originell und ein bisschen spooky.

Anna Ogilvy liegt seit vier Jahren im Koma. Sie soll zwei Menschen getötet haben, während sie geschlafwandelt ist. Oder war sie wach? Warum schläft sie jetzt und wacht nicht auf? Der Fall ist ein Rätsel, das die Medien seit Jahren beschäftigt, Anna O. ein Mysterium, Dornröschen mit blutiger Vergangenheit. Benjamin Prince, forensischer Psychologe, soll Licht in den Fall bringen.

Unterschiedliche Protagonisten erzählen uns ihren Blick auf die Ereignisse und werden auch von unterschiedlichen Sprechern vorgetragen. Leider passt die männliche Stimme überhaupt nicht gut zur Figur von Ben, der den Hauptteil erzählt und den attraktiven Helden abgeben soll. Der sonore Märchenerzählerton nimmt ihm einiges an Charme.

Die Geschichte selbst ist verzwickt, rätselhaft, gemäßigt spannend und hat mir zu etwa zwei Dritteln gut gefallen. Dann holt sie aus zum großen Showdown, der ein Feuerwerk an falschen Fährten, vermeintlichen Klärungstheorien und überraschenden Wendungen abbrennt. Nach der zweiten hatte ich keine Lust mehr, es geht aber noch ewig weiter und braucht noch stundenlange Erklärungen, um das mittlerweile recht wackelige Logikgerüst zu stützen.

Dieses Buch hatte das Zeug zu einem originellen Thriller, hat sich aber gegen Ende verlaufen. Manchmal ist weniger mehr.

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Veröffentlicht am 24.06.2024

Von Schein und Sein

Die Perserinnen
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Sie sind speziell, die Perserinnen, die Frauen der Familie Valiat, die in Amerika leben, seitdem im Iran das Regime gewechselt hat. Sie waren zur Zeit des Schahs die Oberschicht, privilegiert, snobistisch, ...

Sie sind speziell, die Perserinnen, die Frauen der Familie Valiat, die in Amerika leben, seitdem im Iran das Regime gewechselt hat. Sie waren zur Zeit des Schahs die Oberschicht, privilegiert, snobistisch, elitär. Jetzt sind sie nur noch snobistisch und versuchen so zu tun, als wäre nichts.

Jede Einzelne erzählt aus ihrem Leben und von ihrer Familie. Wie sie zueinander stehen, variiert, je nach Erzählerin. Und wie sie sich in Amerika eingerichtet haben, variiert auch.

Ihre Geschichten drehen sich viel um Schein und Sein. Als sich Elisabeth als junges Mädchen in den Chauffeurssohn verliebte, war die Beziehung unstandesgemäß und konnte nur heimlich gelebt werden. Wer ist eigentlich der Vater ihrer Töchter?

Shirin ist in Amerika eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Ihre Anzeige wegen Prostitution kann nur ein Scherz sein. Und Nias musste im Iran bleiben, hat sich aber schnell zur Drogenexpertin entwickelt.

Sie führen alle irgendein Doppelleben, zeigen der Welt das Gesicht, das sie sehen möchte und denken sich ihren Teil. Genau den erzählen sie aber uns in einer gnadenlosen Offenheit. Plötzlich nehmen sie kein Blatt mehr vor den Mund und lästern und kriteln und schmeißen uns ihren ganzen Frust vor die Füße. Wie sie sich hier präsentieren, ist ganz weit entfernt von dem Ideal einer braven muslimischen Frau. Diese Frauen sind Hyänen, nehmen sich, was sie wollen und heucheln Sanftmut.

Grundsätzlich bekommt man die tragische Geschichte einer Familie erzählt, die zwischen zwei Kulturen im Niemandsland lebt. Es könnte hoch interessant sein, leider habe ich viel zu wenig verstanden.

Das Hörbuch wird wirklich toll von verschiedenen Sprecherinnen gelesen, nur gibt es kaum Orientierungshilfen. Es wechseln ständig die Erzählerinnen, die Zeit und der Ort und man bekommt nur selten Hinweise. Dieses Buch muss man wahrscheinlich lieber lesen als hören.

Am Ende habe ich das Gefühl, eine ganz besondere Flüchtlingskultur kennengelernt zu haben, allerdings hält sich mein Mitleid in Grenzen.

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Veröffentlicht am 10.06.2024

Eher seltsame Märchenadaptation

Cascadia
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Dieses Buch müsste eigentlich genau meins sein. Ich liebe Märchen und Märchenadaptationen, „Schneeweißchen und Rosenrot“ ist ein ungewöhnliches Thema und die Autorin schreibt toll. Vielleicht ist in diesem ...

Dieses Buch müsste eigentlich genau meins sein. Ich liebe Märchen und Märchenadaptationen, „Schneeweißchen und Rosenrot“ ist ein ungewöhnliches Thema und die Autorin schreibt toll. Vielleicht ist in diesem Fall das Thema doch etwas sehr gewöhnungsbedürftig.

Da leben zwei Schwestern mit ihrer kranken Mutter allein im Wald, sind bitterarm aber fleißig. Als Elena eines Tages die Tür öffnet, steht ein Bär vor ihr, ein riesiger Grizzly, der in dieser Gegend gar nicht sein dürfte. Während ringsherum alle geschockt und beängstigt sind, empfindet Elena eine seltsame Faszination für das wilde Tier und versucht, sich mit ihm anzufreunden.

Das ist schräg, dafür muss man aber Verständnis aufbringen, um dieses Buch zu mögen. Die Figuren werden mit viel Hintergrund versehen. Man lernt die ganze Familie und ihre Geschichte gut kennen. Elena, Sam und ihre Mutter sind sympathisch und haben es nicht leicht. Umso merkwürdiger ist es, wenn die brave Elena plötzlich ausschert und eine Obsession für diesen Bären entwickelt. Dafür bekommen wir keine Erklärung, das ist einfach so. Auswirkungen hat es allerdings schon, sogar weitreichende.

Hier ist im Grunde das Spiel mit dem Feuer das Thema: Kann man sich wirklich mit einem wilden Tier anfreunden? Ist das leichtsinnig oder bereichernd? Sollte man einschreiten oder beobachten? Alles gute Fragen. Ich frage mich allerdings eher: Haben wir heutzutage nicht andere Sorgen und mag tatsächlich irgendjemand das Märchen von Schneeweißchen und Rosenrot, wenn der Bär ein Bär und kein verzauberter Prinz ist?

Von diesem Buch hatte ich mir viel versprochen, stehe am Ende aber etwas ratlos vor einer wirklich seltsamen Geschichte, hübsch erzählt, aber sehr seltsam.

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