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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.11.2017

Spannend umgesetzter Krimi, der menschliche Probleme und Krankheiten aufzeigt!

Vergessen
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"Erinnerung ist wie ein Spiegel, in dem wir die erblicken, die nicht mehr bei uns sind." Zitat

Dieser Kriminalroman hat mich neben der spannenden Suche nach einem psychopathischen Entführer besonders ...

"Erinnerung ist wie ein Spiegel, in dem wir die erblicken, die nicht mehr bei uns sind." Zitat

Dieser Kriminalroman hat mich neben der spannenden Suche nach einem psychopathischen Entführer besonders mit der Tatsache beeindruckt, wie hier die Alzheimer-Erkrankung der Großmutter Ruth beschrieben wird. Der Thematik nähert sich Elke Pistor sehr feinfühlig und verdeutlicht eindringlich den Spagat, dem Verena neben ihrer Arbeit im privaten Umgang mit Ruth ausgesetzt ist.

Die Krimihandlung ist spannend aufgebaut, es beginnt mit einem fesselnden Prolog über die Entführung der kleinen Mia. Aus Mias Sicht erfährt der Leser von Zeit zu Zeit neue Einblicke, die ihr schlimmes Schicksal deutzlich machen.

Generell ist der Krimi gut aufgebaut, die Todesfälle sind mysteriös und der Plot wird unterhaltsam mit Privatem der Kommissare aufgefüllt. Auch wenn man alsgeübter Krimileser schon ahnen kann, wer hinter allem steckt, so gibt es doch interessante Aspekte, die den Fall näher durchleuchten.

Verena Irlenbusch erscheint mir sehr sympathisch, sie kümmert sich rührend um ihre Großmutter. Die Probleme mit einer schleichenden Alzheimererkrankung kann man als Leser nahe miterleben. Aber auch ihr neuer Kollege Christoph durchlebt gerade eine schwere Zeit, daher gestaltet sich ihre Zusammenarbeit nicht ganz einfach. Im Verlauf der Handlung wachsen sie aber näher zusammen, das lässt auf weitere Teamarbeit hoffen.

Das Mordmotiv hat krankhafte Gründe, diese erklärt Elke Pistor in ihrem Nachwort.

"Vergessen" kann ich allen empfehlen, die unblutige Krimis mögen, gern in Privates der Ermittler eintauchen und spannende Unterhaltung lieben.

Veröffentlicht am 08.11.2017

Ein außergewöhnlicher Krimi, etwas melancholisch und eine intensive Sprache

Der namenlose Tag
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Friedrich Ani hat in diesem anspruchsvollen Krimi mit seinem Ex-Kommissar Jakob Franck eine ungewöhnliche Figur beschrieben, die besondere Charakterzüge und Angewohnheiten besitzt. Franck, seit 2 Monaten ...

Friedrich Ani hat in diesem anspruchsvollen Krimi mit seinem Ex-Kommissar Jakob Franck eine ungewöhnliche Figur beschrieben, die besondere Charakterzüge und Angewohnheiten besitzt. Franck, seit 2 Monaten pensioniert, ist jemand, der von Berufs wegen den Tod der Opfer übermittelte und den Angehörigen in ihrer Trauer beistand, indem er einfühlsam ihren Geschichten zuhörte.

Er nennt es Gedankenfühligkeit, wenn er die Gedanken der Täter oder Opfer nachvollzieht. Ich würde es Bauchgefühl nennen und vielleicht eine psychologische Aufarbeitung der Geschehnisse. Auf jeden Fall verfolgen ihn diese Gedanken über die Todesfälle bis in sein Heim, seine Ehe ist seit längerer Zeit geschieden und richtige Hobbies hat Franck bis auf Internet-Poker auch nicht. So hat er viel Zeit und schnell erwacht sein Ermittlerinstinkt und sein Interesse an dem Fall und er nimmt die Nachforschungen im Fall der 17jährigen Esther Winther auf.

Mit Einfühlsamkeit und Fingerspitzengefühl kommt Franck an Wahrheiten heran, die eigentlich verschwiegen wurden, baut Barrieren ab, wenn Angehörige die Mauern ihres Schweigens nicht brechen wollen. Er fühlt tief in ihr Innerstes, ohne auszufragen oder zu bedrohen. Manchmal ist er einfach nur da und die Personen öffnen sich ihm.

Auch im vorliegenden Fall von Esther gibt es viel Schweigen und den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs als Motiv für den Selbstmord. Feinfühlig werden auch nach 20 Jahren in den Beteiligten Erinnerungen geweckt und so kommt langsam Licht ins Dunkel.

Der Erzählstil des Autors ist sprachlich brillant und zeigt deutlich seine literarischen Fähigkeiten. Er verwendet eine unaufgeregte Sprache und füllt die Geschichte mit einer melancholisch wirkenden Atmosphäre. Ruhig, mit tiefgründigem Blick auf und hinter die Fassade der Menschen und mit fast philosophischen Betrachtungen ergründet der Protagonist den vorliegenden Fall. Dazu gibt es lange verschachtelte Sätze, es werden Personen befragt, die in irgendeiner Form mit der Toten zu tun hatten. Diese Fülle ist manchmal etwas erschwerend zu lesen, denn nicht alle Befragten haben Kenntnis von weiterführenden Spuren. Aber so ist die Realität bei Ermittlungen nun mal.

Jakob Franck wird mir mit seiner Art wie er auf fremde Menschen zugeht und für sie da ist, sympathisch. Man bewundert ihn für diese Fähigkeit. Dabei ist er kein fröhlicher oder positiv wirkender Mensch, sondern einfach ein ruhiger Zuhörer. Eigentlich wünscht man ihm privates Glück, doch das passt stilistisch nicht in die düstere Szenerie der Mordermittlungen des Friedrich Ani hinein. Hoffen wir auf weitere Fälle, die Licht in dunkle Geheimnisse bringen.

Dieser außergewöhnliche Krimi besticht durch den speziellen Ermittler und seine beeindruckende individuelle Sprache. Ein Hauch von Melancholie schwebt über der Geschichte, auf die man sich lesetechnisch einlassen sollte.

Veröffentlicht am 08.11.2017

Gartenkrimi, der es in sich hat! Wie Ingrid Noll lässt auch Elinor Bicks hier Frauen morden!

Silberregen
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Nun habe ich alle drei Bände dieser Krimireihe gelesen und wurde wieder spannend und gut unterhalten.
Lore Kukuk ist um die 60, besitzt heilkundliches Wissen und steht mit der modernen Technik auf Kriegsfuss. ...

Nun habe ich alle drei Bände dieser Krimireihe gelesen und wurde wieder spannend und gut unterhalten.
Lore Kukuk ist um die 60, besitzt heilkundliches Wissen und steht mit der modernen Technik auf Kriegsfuss. Doch deshalb besucht sie mit ihrem Bekannten Erich einen Computerkurs. Doch auch Handys sind ihr völlig fremd. Als die Spur einiger Einbrüche in Lores Umgebung zu einem Reiseunternehmen mit Seniorenfahrten führt, spielt Lore für Kommissar Roland Otto und dessen Assistenten Brenneisen den Lockvogel.

Die Charaktere sind wieder mit viel Sinn für Besonderheiten und mit spürbaren Emotionen beschrieben. Lore, Otto und Brenneisen kennt man schon vom ersten Band Lavendelbitter. Nun gesellen sich noch ein paar spezielle Typen hinzu. Völlig unerwartet, nistet sich das dürre Menchen Opa Gersprenz bei Lore ein. Sie bewirtet und bemuttert ihn, obwohl sie ihn nie zuvor gesehen hat. Außerdem hat sie einen neuen Gärtner, der in ihrem Garten wahre Wunder bewirkt.

Die Krimihandlung in diesem Buch dreht sich auch um das Privatleben der Hauptfiguren und entwickelt sich eher beschaulich, aber dennoch interessant. Denn hinter der Fassade so einiger harmloser Personen verbirgt sich so manche böse Seele.
Auch Lore ist nicht ohne, sie vermag mit ihrem Wissen über Heilpflanzen nicht nur zu helfen. Hier darf man besonders gespannt sein.

Auch dieses Mal werden Heilpflanzen vorgestellt und es gefallen mir die Informationen über die Wirkung von bestimmten Pflanzen, die je nach Dosierung heilend oder vergiftend ausfallen können.
Man kann doch immer noch dazulernen.



Unterhaltsam, witzig und gut geschrieben, so kann man es kurz zusammenfassen. Dabei sind die Todesfälle die eigentlichen Knaller der Handlung.

Veröffentlicht am 08.11.2017

Ein tiefgründiger Krimi in der Weihnachtszeit

Tannenglühen
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"Wer sich einmal in den Fängen der Justiz befand, blieb verdächtig. Das war ein Makel, der dem Menschen anhaftete wie eine chronische Krankheit." Zitat Seite 126


Die Autorin ist promovierte Juristin ...

"Wer sich einmal in den Fängen der Justiz befand, blieb verdächtig. Das war ein Makel, der dem Menschen anhaftete wie eine chronische Krankheit." Zitat Seite 126


Die Autorin ist promovierte Juristin und so bringt sie auch über ihre Protagonistin Franziska Ferstl einiges an Fachwissen in die Handlung ein. Die Strafverteidigerin Ferstl informiert während ihrer Ermittlungen mehrfach über das Strafmaß, bestimmte Holding-Grundsätze und diverse juristische Fachbegriffe und das gibt dem Krimi ein sehr authentisches Bild.

Franziska ist fast 60, fährt eine Harley und ist eine starke Persönlichkeit, resolut und nicht besonders sympathisch. Sie ist eine Frau, die es gewohnt ist, sich zu behaupten und nicht schnell klein beigibt. Manchmal ist sie ein wenig arrogant und von oben herab. Doch das mag daran liegen, dass sie sich seit über 30 Jahren in dieser Männerdomäne behaupten musste. Auf jeden Fall setzt sie sich für ihren Kompagnon und langjährigen Freund Max aufopfernd ein. Auch zu ihrer Nichte und ihrem Neffen hat sie ein freundschaftliches Verhältnis.


Die Charaktere sind gut beschrieben, es gibt auch Figuren, denen man nicht über den Weg trauen würde und einige, die ihre eigenen Vorteile und Interessen rigoros durchsetzen wie Bianca oder der russische Mafia-Chef. Ich konnte besonders mit Gerti und Tinchen gut mitfühlen.


Vom Schreibstil her liest sich alles sehr flüssig, es gibt unterhaltsame Passagen aus dem Privatleben Franzis und einige schwierige Tathintergründe, die tief in kriminelle Offshore-Geschäfte hinein gehen, aber gut verständlich gemacht werden.


Ich habe die Ermittlungen interessiert mitverfolgt, die Spannungskurve bleibt auf einem mittelmäßigen Level, es ist nicht unbedingt ein Nervenkitzel zu spüren.

Was ich besonders vermisst habe, ist die weihnachtliche Atmosphäre, die diesen Krimi untermalen sollte. Bis auf die Tatwaffe, eine Tannenbaum-Lichterkette und einige weihnachtlich anmutende Getränke wie Glühwein und Punsch, sowie die Spitzbuben von Gerti und Eierlikörkugeln, zu denen es übrigens in Anhang die passenden Rezepte gibt, fehlt mir hier der Bezug zum Fest. Das hätte man etwas stimmungsvoller einbauen können.



Diesen Krimi kann ich jedem weiterempfehlen, der tiefgründige und spannende Geschichten mag.

Veröffentlicht am 05.11.2017

Zeitgeist, Sprache und Boxerszene wirken authentisch

Fat City
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"An El Dorado...standen an den warmen Sommerabenden Hunderte von Erntehelfern und Arbeitslosen herum. Sie unterhielten sich, schauten herum, ließen sich von einer Bar in die nächste treiben, in Spielhallen, ...

"An El Dorado...standen an den warmen Sommerabenden Hunderte von Erntehelfern und Arbeitslosen herum. Sie unterhielten sich, schauten herum, ließen sich von einer Bar in die nächste treiben, in Spielhallen, Imbissbuden, Billardsalons, Schnapsläden und Kinos..." Zitat Seite 105

Billy Tully ist einer von vielen, die ihrem Wunsch nach dem großen Glück hinterherrennen. Fat City ist sein Ziel. Er versucht es mit Boxen, hat Erfolg, dann aber wieder eine Durststrecke von Niederlagen zu überstehen. Auch seine Beziehungen zu Frauen sind nicht von Dauer. Die große Liebe erkennt er erst, als es dafür zu spät ist.

Das Buch ist in einer melancholisch klingenden Sprache verfasst und es liest sich dem Zeitgeist entsprechend sehr stimmig, am Beispiel einiger junger Männer werden die Probleme von Tagelöhnern und Erntehelfern spürbar deutlich gemacht. Sie brauchen Geld, nehmen jede Arbeit auf, um über die Runden zu kommen und versaufen dann ihr hart verdientes Geld oder gehen in den Spielsalon. Ein wahrer Teufelskreislauf für den, der sich hier nicht im Griff hat.

Die Übersetzung finde ich super gelungen, man spürt nicht nur den Zeitgeist, sondern hört auch die einfache und grobe Sprache der Kalifornischen Arbeiter. Man sieht die Tagelöhner in großen Pulks nach Jobs anstehen und erlebt die schwere körperliche Arbeit authentisch mit. Besonders die Boxszenen wirken sehr realistisch und man meint, direkt am Ring dem Kampf zuzuschauen. Jedoch erscheint mir die gesamte Story als zu trist. Der Traum vom Glück zerplatzt wie eine Seifenblase, der Protagonist bleibt mit seinen Träumen auf der Strecke. So hart schlägt das Leben zu, die Suche nach dem persönlichem Glück verliert sich irgendwo zwischen Boxring, Hilfsarbeiterjobs und Sauftouren. Auch mit den Frauen hat er kein Glück, zu unstet ist sein Charakter, zu wage sein Gefühl für eine dauerhafte Bindung.

Es ist nicht nur ein amerikanischer Traum, von ganz unten nach oben zu gelangen. Vom Tellerwäscher zum Millionär, dieses Ziel ist zu schaffen. Wie aktuell diese Thematik ist, das merkt man gerade in der heutigen Zeit wieder nur allzu deutlich.
Für bildungsarme Schichten bieten sich gerade im Sport viele Chancen, den Sprung nach oben zu gewinnen. Wer hier Erfolge zeigt, kann es schaffen, sich seinen sicheren Platz im Leben zu erkämpfen. Aber auch wer einmal oben war, kann umso tiefer wieder fallen. Jedoch, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Diese interessante Milieustudie aus Amerika zeigt Menschen mit der Hoffnung auf das persönliche Glück, sie wollen den Weg von ganz unten nach oben zu schaffen.