Anspruchsvoll mit zu vielen Zeitsprüngen
Nur nachts ist es hellIn "Nur nachts ist es hell" begleiten wir eines der Kinder der Familie Brugger im Mühlviertel, die wir bereits aus "Über Carl reden wir morgen" kennen. Diesmal erzählt die jüngste Schwester Elisabeth aus ...
In "Nur nachts ist es hell" begleiten wir eines der Kinder der Familie Brugger im Mühlviertel, die wir bereits aus "Über Carl reden wir morgen" kennen. Diesmal erzählt die jüngste Schwester Elisabeth aus ihrem Leben. Dabei kommen auch wieder Carl und sein Zwillingsbruder Eugen in Rückblenden vor.
Man muss den Vorgänger jedoch nicht gelesen haben, um den neuen Roman der Autorin zu verstehen, denn Judwith W. Taschler greift sehr oft auf Ereignisse im Vorgänger zurück. Für mich war es fast zu viel, was verraten wurde, falls man "Über Carl reden wir morgen" noch lesen möchte...
Elisabeth blickt zurück auf ihr Leben und erzählt oder schreibt ihre Gedanken für ihre Großnichte nieder. Dabei wird aber nicht chronologisch berichtet. Noch in der Kaiserzeit geboren, ist Elisabeth die Jüngste und das einzige Mädchen der Familie Brugger. Kurz nachdem sie die Matura erfolgreich bestanden hat, beginnt der Erste Weltkrieg. Sie meldet sich als Lazarettschwester und wird in Siebenbürgen eingesetzt. Nach dem Krieg heiratet sie Georg, den kriegsversehrten Kommilitonen ihres gefallenen Bruders Gustav. Die Zeit im Lazarett lässt in ihr den Wunsch aufkommen Medizin zu studieren, was für eine Frau zu dieser Zeit alles andere als einfach war. Auch ihr weltoffener Vater ist damit nicht wirklich einverstanden. Doch Elisabeth ist es Zeit ihres Lebens sehr wichtig, eine eigenständige und emanzipierte Frau zu sein, die sich nur schwer unterordnen lässt. Als Ärztin liegen ihr besonders ungewollte Schwangerschaften und die oftmals lebensbedrohenden Pfuschereien diverser Engelmacherinnen am Herzen. Sie erzählt von ihrer Ehe, großen Verlusten und Familiengeheimnissen.
Neben ihrer eigenen Lebensgeschichte spielen auch die ihrer Brüder eine größerer Rolle, vorallem Eugen rückt diesmal ins Zentrum.
Judith W. Taschler lässt Elisabeth ihre Lebensgeschichte nicht chronologisch erzählen. Sie springt in den Zeiten hin und her, was es mir nicht immer leicht gemacht hat. Manchmal hat man das Gefühl immer wieder einzelne Fragmente erzählt zu bekommen. Das stört etwas den Lesefluss. Es ist, wie schon der Vorgänger, kein Buch, welches man so nebenbei weglesen kann.
Der Schreibstil ist wie immer dicht, detailliert und bildgewaltig, aber auch ein bisschen distanziert. Ihre Charaktere sind wunderbar gezeichnet und haben Tiefe. Ganz nebenbei erfährt man sehr viel über die österreichische Politik in diesen fast achzig Jahren: vom Kaiserreich zur Demokratie, dem Anschluss ans Deutsche Reich, dem Staatsvertrag und den Abzug der vier Großmächte 1955 bis hin ins Jahr 1972.
Mir hat "Über Carl reden wir morgen" besser gefallen. Dazu trägt sicher auch die nicht chronolgisch erzählte Geschichte bei, denn Taschler springt sehr oft in der Zeit. Vorallem die erzählten Kriegserlebnisse waren für mich oftmals für kurze Zeit nicht ganz zuordbar - bis ich wieder wusste, in welchen Krieg und welcher Zeit ich mich befand. Ansonsten aber ein bewegender Roman über eine starke Frau und ihre Familie.
Am Ende gibt es noch den Familienstammbaum der Bruggers, der mit Anton Brugger ab 1828 beginnt.
Fazit:
Nicht unbedingt eine Fortsetzung von "Über Carl reden wir morgen", sondern eine andere Sichtweise der jüngeren Schwester aus dem Hause Brugger. Vorallem aber eine bereichende Lebensgeschichte einer starken Frau, die zwei Kriege miterlebt hat und sich als Ärztin besonders für die Frauen eingesetzt hat. Nicht ganz so stark wie "Über Carl reden wir morgen".