Lektionen aus dem Krematorium (Buchuntertitel).
Inhalt und meine Meinung:
Dieses Buch ist meiner Meinung nach eine Mischung aus Autobiografie und Sachbuch; denn zum Einen berichtet die Autorin aus ihrem Berufsalltag quasi von Beginn ihrer „Lehrjahre“ ...
Inhalt und meine Meinung:
Dieses Buch ist meiner Meinung nach eine Mischung aus Autobiografie und Sachbuch; denn zum Einen berichtet die Autorin aus ihrem Berufsalltag quasi von Beginn ihrer „Lehrjahre“ als sie ihren ersten Tag ihrer Stelle als Krematoriumsfachkraft nach ihrem Studium der mittelalterlichen Geschichte antrat; und zum Anderen lässt sie sehr viele Informationen über den Umgang mit dem Tod in anderen Kulturen einfließen, so dass das Buch überaus informativ ist.
Insgesamt lässt das Buch sehr tief auf den sehr empathischen Umgang der Autorin bei ihrer täglichen Arbeit im Krematorium mit den Lebenden, bei den Beratungsgespräche mit den Hinterbliebenen, und den sehr humanen Umgang mit den Toten schließen.
„Wir bemühen uns nach Kräften, den Tod an den Rand unseres Daseins zu verdrängen, indem wir die Toten hinter rostfreien Stahltüren wegschließen, die Kranken und Sterbenden in Krankenhauszimmer auslagern.“ (S. 9)
„Wir verbergen den Tod so perfekt, dass man fast glauben könnte, wir seien die erste Generation von Unsterblichen.“ (S. 9)
„Doch das Verdrängen des Todes ist kein Segen, weil wir unsere Ängste lediglich unter die Oberfläche verbannen.“ (S. 9)
Der Sprachstil der Autorin ist angenehm locker, zuweilen sogar „flapsig“, was das Dargebotene immer mal wieder angenehm auflockert: „diese Mittelalterheinis hatten schwer einen an der Waffel“ (S. 98 über Hexen, deren Prozesse und Verurteilungen), aber dies täuscht nicht darüber hinweg, dass sie echt Nachdenkenswertes beschreibt.
Bspw. über Bestattungsriten in andern Kulturen.
Sehr interessant fand ich die Ausführungen zu dem Volk der Wari', die den Endokannibalismus praktizierten (d.h. Sie aßen rituell die Körperteile ihrer Verstorbenen):
Denn nach dem Tod eines Dorfbewohners „gingen Verwandte des Verstorbenen durchs Dorf und rissen aus jeder Hütte einen Holzpfahl, worauf das Dach der jeweiligen Behausung herabsackte - […] eine visuelle Mahnung, dass der Tod die Dorfgemeinschaft ins Wanken gebracht hatte.“ (S. 80).
Die Autorin berichtet viel, ausführlich und auf interessante Weise aus ihrem Arbeitsleben und den dazugehörigen Handhabungen, dass z.B. die Toten aus den Krankenhäusern abgeholt werden, usw.
„Die Menschen in der Kühlung hätten sich in der Welt der Lebenden wohl kaum miteinander abgegeben – der ältere Schwarze mit dem Herzinfarkt, die Weiße mittleren Alters, die ihrem Gebärmutterhalskrebs erlegen, und der junge Hispano, der nur ein paar Häuserblocks vom Krematorium erschossen worden war. Der Tod hatte sie zu einer Art UN-Versammlung zusammengeführt, einem offenen Gespräch über das Ende ihrer Existenz.“ (S. 25).
Ich war beim Lesen zu Tränen gerührt über die Lebensgeschichte einer Mutter beim Beratungsgespräch zur Bestattung ihres Sohnes; da sie ihren Sohn schon unzählige Male zuvor zu Grabe getragen hatte: Als er mit den Drogen angefangen hatte, als er das erste Mal in den Knast gewandert war, bei seinem ersten, zweiten, sechsten Rückfall, jedes Mal, wenn er verschwunden war (S. 111).
Fazit: Absolut lesens- und nachdenkenswert!
Denn: „Jeder muss sein eigenes Arrangement mit dem Ende treffen.“ (S. 238)