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Veröffentlicht am 31.03.2024

Zu offensichtlich

Weiße Wolken
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Leider hat mich dieser Roman nicht überzeugen können. Zu oft wird für mich das Erzählprinzip „show, don‘t tell“ verletzt. Sicher, anfangs ist es ganz amüsant, den sozialen Stand der älteren Schwester Dieo ...

Leider hat mich dieser Roman nicht überzeugen können. Zu oft wird für mich das Erzählprinzip „show, don‘t tell“ verletzt. Sicher, anfangs ist es ganz amüsant, den sozialen Stand der älteren Schwester Dieo an ihrem gelben Fjällräven-Rucksack ablesen zu können, während ihre jüngere Schwester Zazie mit Signalwörtern postkolonialer Theorie um sich wirft und auf social media nachschaut, wie sie sich möglichst antifaschistisch schick machen kann. Allerdings wirken viele Beschreibungen, z.B. regelmäßig von Männern mit Apple Watches, dadurch unauthentisch und oberflächlich, auch wenn dadurch die oberflächliche Welt kritisiert werden soll. Ähnlich ging mir das mit einigen Dialogen: Warum erzählt Zazie vorweg, dass sie in letzter Zeit über transgenerative Traumata nachgedacht hat anstatt dieses einfach nach und nach deutlich werden zu lassen?

Ich hatte oft das Gefühl, dass einerseits viel Vorwissen über postkoloniale Theorie und auch Fremdsprachen wie Französisch vorausgesetzt wurde (interessanterweise wurde aber Wolof als Sprache nicht unübersetzt zitiert, was ich dann gut gefunden hätte), andererseits zu viel erklärt wurde, was auch so deutlich geworden wäre oder wo eine Leerstelle vielleicht auch interessant gewesen wäre. Ich denke, mir hätte ein Sachbuch der Autorin besser gefallen.

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Veröffentlicht am 09.02.2024

Beziehungsroman mit Spannung

Janes Roman
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Catherine Cussets Roman "Janes Roman" entfaltet eine fesselnde Geschichte, in der die Protagonistin Jane Cook, eine angesehene Professorin für französische Literatur, plötzlich mit einem Manuskript konfrontiert ...

Catherine Cussets Roman "Janes Roman" entfaltet eine fesselnde Geschichte, in der die Protagonistin Jane Cook, eine angesehene Professorin für französische Literatur, plötzlich mit einem Manuskript konfrontiert wird, das jedes Detail ihres Lebens akribisch beschreibt. Die Unbekannte oder der Unbekannte hinter diesem Werk offenbart ein beunruhigendes Maß an Kenntnis über Janes innerste Gedanken und ihre intimsten Beziehungen der letzten Jahre. Im Zentrum des Romans stehen vor allem das Manuskript und damit Janes Suche nach beruflichem, akademischem Erfolg und einer liebevollen Beziehung.

Was mich zunächst irritierte, war die leicht angestaubte Atmosphäre des Romans, der vor über 20 Jahren erstmals veröffentlicht und nun neu übersetzt wurde. Themen wie Abtreibung, Heirat und Frauenrolle werden heute in der Literatur oft aus einer anderen, weniger traditionellen Perspektive betrachtet. Teilweise schimmert Kritik an Janes verstaubter Haltung durch, dennoch findet im Roman hierzu eher keine Entwicklung statt. Trotzdem ließ mich die Neugier nicht los, wer hinter diesem Manuskript steckt und wie Janes Geschichte enden würde.

Die Übersetzung enttäuschte mich an einigen Stellen, insbesondere als das N-Wort auftauchte. Es wäre einfach gewesen, eine weniger diskriminierende Formulierung zu wählen, die den Sinn des Textes nicht verändert hätte. Solche sprachlichen Entscheidungen trüben für mich den Lesegenuss und lenken von der eigentlichen Handlung ab.

Trotz dieser Kritikpunkte entwickelte die Geschichte einen Sog. Mit jedem Kapitel wuchs meine Spannung, während Jane versuchte, den Verfasser des Manuskripts zu enträtseln. Die komplexe Dynamik zwischen Jane, den Männern in ihrem Leben und den Verdächtigen hielt mich bis zur letzten Seite gefesselt. Das hatte sogar ein bisschen „Yellowface“-Vibes - vielleicht wurde der Roman deshalb dieses Jahr neu übersetzt? Insgesamt ist "Janes Roman" von Catherine Cusset ein fesselnder, wenn auch inhaltlich leicht veraltet wirkender, sehr französischer und akademischer Beziehungsroman, der den Leser dennoch in seinen Bann zieht.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Paranoia

Das Philosophenschiff
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"Das Philosophenschiff" von Michael Köhlmeier führt die Leser durch die bewegte Lebensgeschichte der Architektin Anouk Perleman-Jacob. Die Geschichte, die sich hauptsächlich um die Zeit der bolschewistischen ...

"Das Philosophenschiff" von Michael Köhlmeier führt die Leser durch die bewegte Lebensgeschichte der Architektin Anouk Perleman-Jacob. Die Geschichte, die sich hauptsächlich um die Zeit der bolschewistischen Revolution dreht, fasziniert durch den historisch belegbaren Hintergrund. Die Ereignisse auf einem der "Philosophenschiffe", das Anouk und andere Intellektuelle ins Exil führt, basieren allerdings nicht auf historischen Fakten.

Die Erzählung wirft einen Blick auf das Misstrauen zwischen den Menschen, das die Protagonistin auch nach der Überfahrt begleitet. Dieser Aspekt verleiht dem Roman eine tiefgründige Dimension, da die Charaktere ständig im Zwiespalt zwischen Loyalität und Verdächtigungen stehen. Dieser historische Hintergrund war für mich der interessante Kern des Romans.

Die Sprache der Hauptfigur, die mit langen, hypotaktischen Sätzen, Exkursen, vielen russischen historisch belegten und nicht belegten Namen um Authentizität bemüht ist, habe ich jedoch mitunter als anstrengend empfunden. Insgesamt hatte mir der Roman zu wenig Figurenentwicklung und Handlung.

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Veröffentlicht am 02.09.2024

Anstrengend

Mord in der Charing Cross Road
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Die Ankündigung des Romans „Mord in der Charing Cross Road“ von Henrietta Hamilton verspricht einen spannenden Krimi im Londoner Antiquariatsmilieu der 1950er Jahre. Leider konnte das Buch meine Erwartungen ...

Die Ankündigung des Romans „Mord in der Charing Cross Road“ von Henrietta Hamilton verspricht einen spannenden Krimi im Londoner Antiquariatsmilieu der 1950er Jahre. Leider konnte das Buch meine Erwartungen nicht erfüllen. Es ist unklar, warum dieser Roman von 1956 nun neu aufgelegt und von Dorothee Merkel übersetzt wurde, denn in meinen Augen fehlen ihm viele Qualitäten, die einen klassischen Kriminalroman ausmachen.

Ein zentrales Problem des Romans ist die Erzählweise. Über weite Strecken werden Begebenheiten lediglich wiedergegeben, anstatt sie anschaulich zu schildern. Dieses häufige Verletzen des Erzählprinzips „Show, don’t tell“ führt dazu, dass die Handlung flach bleibt und das Lesen der vielen Details anstrengend ist. Auch die Charakterzeichnung lässt zu wünschen übrig. Die Hauptfiguren Sally Merton und Johnny Heldar bleiben oberflächlich und unnahbar, was bedauerlich ist, da der Roman den Auftakt einer ganzen Reihe um dieses Ermittlerduo darstellt. Die Nebendarsteller:innen, von denen es zudem viel zu viele gibt, gewinnen ebenfalls keinerlei Tiefe. Dadurch wirken viele ihrer Handlungen unmotiviert und die Figuren selbst bleiben blass und eindimensional. Dies zeigt sich auch in der unglaubwürdigen Liebesgeschichte zwischen Sally und Johnny, die völlig überraschend und nicht überzeugend kommt. Zudem entsprechen beide Figuren typischen Geschlechterklischees, die heutzutage eher veraltet wirken und den Roman zusätzlich altbacken erscheinen lassen.

Insgesamt hat mich „Mord in der Charing Cross Road“ enttäuscht. Im Vergleich zu Klassikern des Genres, wie etwa den Werken von Agatha Christie, fehlt „Mord in der Charing Cross Road“ die sorgfältige Konstruktion und die Raffinesse in der Erzählung. Ich frage mich wirklich, warum Klett-Cotta sich zur Neuauflage der Reihe entschieden hat - sonst gefallen mir die Romane des Verlags nämlich fast ausnahmslos. Einen weiteren Band dieser Reihe werde ich aber garantiert nicht lesen.

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Veröffentlicht am 21.08.2024

Hat mich nicht erreicht

Leming
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TW: Suizid, Tod. Dieser Roman hatte mich mit der Ankündigung „Tschick trifft auf Nick Hornbys A Long way Down im Setting von The End of the F***ing World“ sehr neugierig gemacht, leider hat er mich jedoch ...

TW: Suizid, Tod. Dieser Roman hatte mich mit der Ankündigung „Tschick trifft auf Nick Hornbys A Long way Down im Setting von The End of the F***ing World“ sehr neugierig gemacht, leider hat er mich jedoch überhaupt nicht berührt. Es scheint, als bemüht sich der Roman sehr, genau diese Vorgaben zu erfüllen, ohne jedoch eine eigene Sprache zu finden, sodass am Ende alles oberflächlich abgehandelt auf mich wirkte. Nur das Nachwort im Namen des Autoren hat mich schließlich emotional erreicht.
Es geht um drei Außenseiter, die nach Ungarn aufbrechen, um sich umzubringen. Der Roadtrip erinnert tatsächlich an Tschick, allerdings ohne dass die Nebencharaktere wirklich Tiefe bekommen. Erzählt wird in einer ähnlich derben Sprache, die auf mich jedoch oft aufgesetzt und unauthentisch wirkte - dort redet kein Teenager, sondern es schimmert ein Erwachsener durch, der versucht, wie ein Teenager zu schreiben. Während Wörter wie „behindert“ reflektiert werden, werden „bitch“ und „normal“ einfach verwendet, ohne dass das irgendwie ironisch gebrochen wird o.Ä. Auch Trauer und Verzweiflung wurden für mich weder ernst noch ironisch dargestellt, sodass die Darstellung vor allem oberflächlich und bemüht wirkt.
Positiv: Die Geschichte wird flüssig erzählt, ich habe sie trotz Genervtheit zwischendurch zügig weglesen können. Das Nachwort und die zur Verfügung gestellten Informationen zu Hilfsmöglichkeiten fand ich auch gelungen.

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