Es gibt so viele andere gute Bücher mit dieser Thematik.
My Body is a CageAls Betroffene greife ich oft zu Romanen, die psychische Probleme aufgreifen; mit denen AutorInnen für ein bisschen mehr Achtsamkeit und Aufmerksamkeit sorgen (können). Weil unsichtbare Erkrankungen auch ...
Als Betroffene greife ich oft zu Romanen, die psychische Probleme aufgreifen; mit denen AutorInnen für ein bisschen mehr Achtsamkeit und Aufmerksamkeit sorgen (können). Weil unsichtbare Erkrankungen auch heute noch viel zu häufig abgetan, nicht verstanden werden und sich jede mentale „Störung“ so vielfältig und individuell äußert, wie die verschiedenen Geschichten geschrieben sind.
Und dann gibt es Bücher, in denen zwar Worte aneinandergereit wurden, doch ohne etwas zu sagen. Bedauerlicherweise zählt „𝐌𝐲 𝐁𝐨𝐝𝐲 𝐢𝐬 𝐚 𝐂𝐚𝐠𝐞“ für mich in diese Kategorie. Dass sich diese vermeintlich poetische, halbgar und unfertig anmutende Story an Jugendliche richtet, ist besonders enttäuschend.
Lara Schützsack beweist ohne Frage ein lyrisches Talent, weiß mit verschnörkelten Worten umzugehen und in Bildern zu erzählen. Auch der melancholische Ton sowie die düstere, beklemmende Atmosphäre waren den Intentionen dieses Romans angemessen. Aber erst auf den letzten 40 Seiten gab es einen Hauch Gefühl, Zeitdruck und Verzweiflung.
Malina, die ihre Angst um ihre Schwester auf ungesunde Art kompensiert, als „einfaches Kind“ hinten ansteht; Isa, die versucht, ihrer Verzweiflung mit Kälte und Zwang Ausdruck zu verleihen, und Frieder, der sich ruhig distanziert. Diese und weitere Arten, um mit der bedrohlichen, schweren Situation umzugehen, habe ich selbst in meinem Umfeld erlebt – und doch waren die Charaktere in diesem Büchlein flach und substanzlos, wie der Verlauf und die Erkrankung(en).
Weder gab es eine authentische Darstellung von Lucindas „Problemen“ und dem Befinden der Familie noch eine Aufarbeitung der zahlreichen Konflikte oder des Traumas, das sich im Verlauf zusätzlich in deren Leben schleicht. [Wobei ich hier den Sinn hinterfrage: Wenn das, was der Fokus sein soll, schon nicht greifbar ausgearbeitet wurde, wieso dann noch einen Schocker draufsetzen?]
Ebenfalls fehlte die bemühte, verständnisvolle Unterstützung seitens der Eltern, der Drang, verstehen zu wollen.
Da aus der Perspektive von Malina erzählt wird – die ihre große Schwester nicht nur vergöttert, sondern regelrecht in einer Co-Abhängigkeit gefangen ist – bekommen die LeserInnen keinen Eindruck von dem, was in der Älteren vorgeht. Hier und da wird zwar ersichtlich, dass diese psychisch krank ist – Depressionen, Essstoerung, Stimmungsschwankungen und Lebensmüdegedanken- sowie äußerungen –, sich mit Manipulation und Lügen durch das Familienleben windet, jedoch mangelt es an Mehr. Einem Bezug.
Man könnte vermuten, dass zumindest die erzählende Schwester Raum, Kontur bekommt?! Aber nein, auch deren Empfindungen bleiben verborgen, ist sie doch hauptsächlich Betrachterin von Geschehen und Veränderungen. Damit hält die Autorin nicht nur konstant eine wirre Ungewissheit aufrecht, sondern schafft auch Distanz.
Blass. Blass bleiben die Figuren, blass bleiben die Emotionen. Probleme sind deutlich vorhanden, doch keines wird besprochen oder gar gelöst; vage Andeutungen in einem Text, der nichts zu Ende bringt, ausführt oder erklärt, sorgen weder für Verständnis, Identifikation noch dazu, sich einzufühlen. Wie erwähnt gibt es eine weitere Komponente, die – wahrscheinlich anstelle eines klaren Abschluss' – unbedingt eingebracht werden musste, definitiv nicht ohne ist, aber unstimmig wirkt.
Ich lese seit über der Hälfte meines Lebens Bücher zum Thema Essstoerung und selten hat mich ein Roman, der Aufmerksamkeit schaffen sollte, derart fragend zurück gelassen.
⚠️ Außerdem muss gesagt werden, dass es sich bei diesem Buch um eine NEUAUFLAGE handelt. „My Body is a Cage“ erschien bereits vor ca. zehn Jahren unter dem Titel „Und auch so bitterkalt“.
🌺 Ihr sucht ein Buch mit einer Aussage, in dem es um liebende Schwestern geht, um den Kampf und die Tragik der Essstörung sowie die zerstörerischen Auswirkungen auf Familie/Umfeld? Dann solltet ihr euch „𝐖𝐚𝐬 𝐟𝐞𝐡𝐥𝐭 𝐰𝐞𝐧𝐧 𝐢𝐜𝐡 𝐯𝐞𝐫𝐬𝐜𝐡𝐰𝐮𝐧𝐝𝐞𝐧 𝐛𝐢𝐧?“ von Lilly Lindner anschauen. Einfühlsam, schmerzhaft und ECHT.