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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.09.2024

Abwechslungsreiche und spannende Reise durch das 17. Jahrhundert

Das Lied des Gaukelspielers
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Auf ungewöhnliche Weise beginnt dieses Buch am Ende der Reise: Eine junge Frau trifft auf den geheimnisvollen Fährmann Balthasar im Jahre 1674, doch wie sind sie beide dort gelandet? Um dies herauszufinden ...

Auf ungewöhnliche Weise beginnt dieses Buch am Ende der Reise: Eine junge Frau trifft auf den geheimnisvollen Fährmann Balthasar im Jahre 1674, doch wie sind sie beide dort gelandet? Um dies herauszufinden springt die Geschichte zurück ins Jahre 1618 und der Leser erwacht zusammen mit Balthasar ohne Erinnerung in einem zerstörten Dorf. Die Suche nach Antworten führt uns einmal quer durch Deutschland und auch in das ferne Venedig, wo schon bald die Pest wüten sollte.

Ich fand es hierbei super spannend, dass man als Leser auf seine Reisen quasi mitgenommen wird und sich ebenso die ganze Zeit fragt, was damals passiert ist. Besonders begeistert war ich von den Perspektivenwechseln, immer wieder werden Abschnitte der Geschichte aus der Perspektive der Nebencharaktere erzählt, denen Balthasar begegnet. Passend zu den Personen ändert sich auch immer der Schreibstil ein wenig, sodass viel Abwechslung gegeben ist und einem die anderen Personen noch mehr ans Herz wachsen. Einige davon trifft man auch später wieder, auch wirkt die Geschichte wie ein großes Puzzle, an dem am Ende alle Teile ihren Platz finden.

Die geschichtlichen Hintergründe sowie die Beschreibung der damaligen Welt wirken ausführlich recherchiert und realistisch, man fühlt sich ein wenig wie auf einer spannenden Zeitreise. Zwar passen die magischen Elemente nicht so ganz zu diesem Realismus, jedoch sind sie nicht aufdringlich und fügen sich gut in den Glauben und die Vorstellungen der Menschen damals ein. Die Darstellung der Glaubenskonflikte und moralischen Probleme fand ich ebenfalls gut gelungen, diese haben auch zum Nachdenken angeregt.
Eine wunderbare Reise durch das 17. Jahrhundert mit interessanten Charakteren, die man so schnell nicht vergisst!

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Veröffentlicht am 09.09.2024

All unsere Alltagslügen

Scandor
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Wie oft antwortet man mit "Gut" auf "Wie gehts dir?", wie oft sagt man aus Reflex "Tut mir Leid"? Der technisch hochentwickelte Lügendetektor bestraft solche kleinen Alltagslügen, die man nicht mal wirklich ...

Wie oft antwortet man mit "Gut" auf "Wie gehts dir?", wie oft sagt man aus Reflex "Tut mir Leid"? Der technisch hochentwickelte Lügendetektor bestraft solche kleinen Alltagslügen, die man nicht mal wirklich als Lügen wahrnimmt, sofort, nämlich mit dem Rauswurf aus dem Spiel um 5 Millionen Euro. 100 Teilnehmer treten gegeneinander an, nur einer kann gewinnen und zahlreiche Challenges und schwierige Situationen überstehen.

Erzählt wird die Geschichte dieses Wettbewerbs abwechselnd aus der Sicht von Tessa und Philipp, was mir stilistisch sehr gut gefallen hat. Man bekommt so mit, wie beide mit den Herausforderungen umgehen und ihre eigenen Lösungen finden. Auch erhält man zwischendurch immer wieder Einblicke in die Fehler der anderen Teilnehmer, was einem gut vor Augen führt, wie schnell man eigentlich lügen kann. Schnell verfällt man als Leser auch in eine vorsichtige Haltung, man hinterfragt sein eigenes Alltagsverhalten und liest das Buch mit einer angenehmen Anspannung. Typisch für Poznanski werden auch schon früh kleine Hinweise gestreut, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Dies sorgt dafür, dass man als Leser super miträtseln kann, man fragt sich permanent "Was steckt dahinter? Was bedeutet dieser Hinweis?".
Hat man einmal angefangen, fällt es auch schwer wieder aufzuhören, man will wissen, was die Auflösung ist.
Ab und zu ziehen sich dagegen kleinere Szenen etwas in die Länge, aber im Großen und Ganzen hat dies meinem Lesespaß nicht geschadet.

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Veröffentlicht am 04.09.2024

Tagebuch des Misstrauens

Kleine Monster
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Während ich zu Beginn nur ein Buch über den Umgang mit schwierigen Kindern erwartete, entwickelte es sich schnell zu einem Einblick in die Seele der Ich-Erzählerin Pia. Als Mutter des in der Schule auffällig ...

Während ich zu Beginn nur ein Buch über den Umgang mit schwierigen Kindern erwartete, entwickelte es sich schnell zu einem Einblick in die Seele der Ich-Erzählerin Pia. Als Mutter des in der Schule auffällig gewordenen siebenjährigen Luca kämpft sie mit dem Schweigen ihres Kindes und in der Folge mit ihren eigenen Dämonen.
Um dies effektiv darzustellen spielt die Geschichte in zwei Zeitebenen: Immer wieder berichtet sie aus der Zeit, als sie selbst noch ein Kind war und durch tragische Umstände ihre kleine Schwester verlor. Dieser Aufbau hat mir besonders gut gefallen, nach und nach erfährt man als Leser mehr Details über ihre Vergangenheit und sammelt Puzzlestücke, die ihr heutiges Verhalten erklären könnten.

Ebenso bin ich ein großer Fan des Schreibstils: Pia erzählt alles so, wie sie es wahrnimmt und interpretiert, sodass man als Leser irgendwann selber anfängt, ihren Worten zu misstrauen. Ist das, was man liest, überhaupt die "Wahrheit"? Lind versteht es, meisterhaft Atmosphären zu schaffen, angepasst an den mentalen Zustand von Pia. Ist sie positiv gestimmt, wirkt auch der Text leichter; wird sie zum Opfer ihres eigenen Misstrauens, fühlt man sich als Leser wie in einem Psychothriller, teilweise sogar mit einem leichten Horrorgefühl.

Falls man zu diesem Buch greift, weil man ähnlich wie in einem Krimi die Auflösung um den anfänglichen "Fall" rund um den Sohn erwartet, wird man hier möglicherweise jedoch enttäuscht werden. Das Buch lässt einiges offen bzw. erlaubt die eigene Interpretation des Geschehenen - wir kriegen nur Pias Sicht, aber trauen wir ihr? Oder den Personen in ihrem Leben?
Mir hat es sehr gut gefallen, zwischen den Zeilen lesen zu müssen und herauszufinden, inwiefern uns Kindheitstraumata noch unser Leben lang beeinflussen und begleiten können.

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Veröffentlicht am 22.08.2024

Emotionale und historisch interessante Familiengeschichte mit Liebe zum Detail

Briefe aus Taipeh
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Diese Graphic Novel entführt den Leser nach China, von der Gegenwart bis zurück ins Jahr 1948. Erzählt wird hierbei die Familiengeschichte des Autors, aber gleichzeitig lernt man auch viel über die Geschichte ...

Diese Graphic Novel entführt den Leser nach China, von der Gegenwart bis zurück ins Jahr 1948. Erzählt wird hierbei die Familiengeschichte des Autors, aber gleichzeitig lernt man auch viel über die Geschichte Chinas. Dies war mir größtenteils neu, aber ich fand es sehr spannend, auf solch unterhaltsame Art mehr darüber zu erfahren.
Auch die kulturellen Aspekte und Traditionen werden gut dargestellt, ohne dabei aufdrängend zu wirken, vielmehr sind sie ein natürlicher Teil der Handlung. Die Erzählabschnitte sind inhaltlich logisch aufgeteilt und man kann dem Geschehen problemlos folgen.
Viele Momente sind sehr emotional, authentisch und berührend - dies wird durch die Zeichnungen und Bildsprache nochmals verstärkt.
Die Zeichnungen selbst sind großartig: Unglaublich viele Details, alles wirkt handgezeichnet, aufwendige Hintergründe und Gestaltung von Menschen und Orten. Man fühlt sich in das Bild hineinversetzt und staunt über all die Kleinigkeiten, die man bei längerer Betrachtung der Zeichnungen entdecken kann. Fish Wu scheint keine Mühe gescheut zu haben, um ein eindrucksvolles Bild zu erschaffen. Zwar sind die Zeichnungen nur schwarz-weiß, aber dies schadet keinesfalls und passt auch gut zu seinem Stil.
Ein Teil seiner Geschichte lebt nun auch in meinem Herzen weiter, denn das ist die Botschaft dieses Buches: Vergesse nicht die Vergangenheit und die Geschichten deiner Familie, und lerne daraus für die eigene Zukunft.

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Veröffentlicht am 06.08.2024

Lebendige Geschichte

Der Salon der kühnen Frauen
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Ich hätte nicht gedacht, dass mich eine Erzählung, die auf historischen Begebenheiten und Personen beruht, so sehr fesseln und berühren könnte. Bin ich noch mit der Erwartung ins Buch gestartet, dass es ...

Ich hätte nicht gedacht, dass mich eine Erzählung, die auf historischen Begebenheiten und Personen beruht, so sehr fesseln und berühren könnte. Bin ich noch mit der Erwartung ins Buch gestartet, dass es eine rein fiktive Geschichte über Märchenerzähler ist, hat sich dies schnell geändert: Die meisten Haupt- und Nebencharaktere gab es wirklich, vor über 300 Jahren, auch die gesellschaftlichen Hintergründe wurden so historisch akkurat wie möglich versucht darzustellen.
Natürlich hat sich die Autorin einige Freiheiten bei der Charakterisierung und der Gefühlswelt ihrer Protagonisten erlaubt, jedoch stört dies absolut nicht, im Gegenteil, die uns fernen Menschen werden so greifbar.

Der Schreibstil ist an vielen Stellen beinahe poetisch, mit vielen schönen Beschreibungen, die einen problemlos in die damalige Zeit versetzen. Ergänzt wird die Erzählung durch viele altbekannte Märchen, deren Ursprung wir verfolgen dürfen und die sich perfekt in das Geschehen einfügen. Doch auch wenn sich der Text gut und schnell lesen lässt, ist dies jedoch keine leichte Lektüre - wenn man sich darauf einlässt, kann man immer wieder innehalten und über das Gelesene nachdenken: Metaphern, Anspielungen, Gesellschaftskritik und viel mehr, gar nicht unähnlich den Märchen. Die Märchen unterhalten den Salon im Buch, aber fordern auch ihren Verstand heraus, genau wie dieses Buch uns unterhält und gleichzeitig herausfordert.

Am Ende des Buches wünscht man sich wie im Märchen auch ein Happy End für die Charaktere im Buch, die diese Märchen erschaffen haben. Ob sie dies bekommen werde ich natürlich nicht verraten, aber ich habe mich selbst dabei ertappt, wie ich das Internet nach ihren wahren Geschichten und dem weiteren Verlauf ihrer Leben durchsucht habe - die Grenze zwischen Fiktion und Realität ist dünn und verschwimmt auch schnell, erzählte Worte tragen viel Macht und gleichzeitig auch Schwäche in sich. Ich werde dieses Buch so schnell nicht vergessen und kann es daher nur weiterempfehlen.

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