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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.12.2024

Was ist Traum, was ist Realität

Unmöglicher Abschied
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Die Schriftstellerin Gyeongha hat seit Monaten Albträume und befasst sich bereits mit Suizidgedanken, als sie von ihrer Freundin Inseon, einer Fotografin, eine SMS erhält mit der Bitte, sofort zu ihr zu ...

Die Schriftstellerin Gyeongha hat seit Monaten Albträume und befasst sich bereits mit Suizidgedanken, als sie von ihrer Freundin Inseon, einer Fotografin, eine SMS erhält mit der Bitte, sofort zu ihr zu kommen. Nach einem Arbeitsunfall liegt diese in Seoul im Krankenhaus. Sie bittet Gyeongha ihr Haus auf der Insel Jeju aufzusuchen, um den dort zurückgebliebenen kleinen weißen Papagei Ama zu versorgen. Als sie auf der Insel ankommt, bricht ein heftiger Schneesturm los – der Weg zu Inseons Haus wird zum Albtraum und Gyeongha wird bald von Geistererscheinungen aus der Vergangenheit heimgesucht …

Han Kang ist eine koreanische Schriftstellerin, die 1970 in Gwangju, Südkorea, geboren wurde. Ihr erster Roman erschien bereits 1994 - einem internationalen Publikum wurde sie mit dem 2016 im Aufbau Verlag erschienenen Roman „Die Vegetarierin“ bekannt. Han Kang erhielt 2016 den Man Booker International Prize und wurde 2024 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Die Autorin lebt in Seoul.

Die Sprache und Ausdrucksweise der Autorin sind von ungeheurer Kraft und Intensität. Zu Beginn ist die Handlung noch sehr real und gut nachvollziehbar, wird aber etwa zur Hälfte des Buches mehr und mehr verwirrend. Ein Feuerwerk aus Erinnerungen, Erzählungen, Tagträumen und Phantastereien überschüttet den Leser. Was ist real, was ist Phantasie? Oder ist es doch nur ein Alptraum? Dazwischen eingeflochten sind Gespräche, Briefe und Erinnerungen an den Korea-Krieg, an das Grauen und an verschwundene Angehörige. Die Geschichte entwickelt einen unheimlichen Sog dem man sich nicht entziehen kann, weil man sich gezwungen sieht, immer weiter zu lesen. Alles taucht ab, verschwimmt zwischen stürmischen Winden, eisigem Schneetreiben, tiefer Dunkelheit und gleißender Helle.

Fazit: Ein Buch, das mich tief erschüttert und depressiv gestimmt hat und das ich aus diesem Grunde nicht empfehlen möchte. Hier sollte jeder frei entscheiden, ob er das lesen will oder nicht. Deshalb kann ich auch nur 3* vergeben.

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Veröffentlicht am 01.12.2024

On and Off – Up and Down

Okaye Tage
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Die junge Schwedin Sam lebt vorübergehend in London, wo sie ein Praktikum in einer angesagten Marketing-Agentur absolviert. Auf einer Party lernt sie Luc kennen, der nach dem Studium noch keine Arbeit ...

Die junge Schwedin Sam lebt vorübergehend in London, wo sie ein Praktikum in einer angesagten Marketing-Agentur absolviert. Auf einer Party lernt sie Luc kennen, der nach dem Studium noch keine Arbeit gefunden hat und inzwischen seinen Lebensunterhalt als Verkäufer in einer kleinen Boutique bestreitet. Die beiden so gegensätzlichen Menschen verlieben sich und gehen eine Beziehung ein, obwohl ihnen klar ist, dass Sam bald wieder nach Stockholm zurückgehen wird …

Die Autorin des Buches, Jenny Mustard, geb. 1985 in Schweden, lebt heute in London. Sie ist auf Social Media als vegane Food-Bloggerin und Fashionista unterwegs, wo sie über 600.000 Follower hat. Ihr Debütroman „OKAY DAYS“ wurde 2023 veröffentlicht und erschien 2024 beim Eichborn-Verlag unter dem Titel „OKAYE TAGE“ auf Deutsch. Ihr zweiter Roman, „WHAT A TIME TO BE ALIVE“ wird 2025 erscheinen.

Den Schreibstil der Autorin möchte ich als sehr angenehm bezeichnen, während mich die Schreibweise im Text doch sehr irritierte. Die Anführungszeichen bei wörtlicher Rede sind sehr willkürlich gesetzt, auffällig oft wird das Wort „okay“ verwendet und das Gendern ist meist unpassend oder überflüssig – um nur einiges zu nennen. Die Kapitel schildern das Geschehen abwechselnd aus Sams und Lucs Perspektive und sind mit noch verbleibenden Tagen bis zu einem bestimmten Ereignis überschrieben. Dadurch soll wohl eine gewisse Spannung erzeugt werden, die jedoch durch die Vorhersehbarkeit stark gemildert wird. Von Charme und Witz, wie in der Buchbeschreibung angekündigt, habe ich nichts gespürt, auch die vermeintliche Lösung des Problems der Beiden am Ende lässt mich unzufrieden zurück.

Fazit: Evtl. mögen Teens an diesem Roman Gefallen finden, der älteren Generation kann ich ihn nicht empfehlen.

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Veröffentlicht am 08.11.2024

Ein Dorf, eine Pastorin und ein Mädchen im Koma

Vielleicht hat das Leben Besseres vor
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Während die Menschen im Dorf mit den Vorbereitungen zum alljährlichen Spargelfest beschäftigt sind, liegt das seit einem Unfall als Baby geistig behinderte Mädchen Raffaela im nahen Krankenhaus im Koma. ...

Während die Menschen im Dorf mit den Vorbereitungen zum alljährlichen Spargelfest beschäftigt sind, liegt das seit einem Unfall als Baby geistig behinderte Mädchen Raffaela im nahen Krankenhaus im Koma. Sie wurde bewusstlos in einem Graben liegend aufgefunden. Die Polizei hat sich eingeschaltet und Volker Janssen vom LKA führt die Befragungen durch. Die Gerüchteküche brodelt, doch keiner weiß wirklich, was vorgefallen ist. Wurde das Mädchen Opfer einer brutalen Gewalttat? Auch Anna von Betteray, die geschiedene Pastorin des Ortes, wird von Sorgen geplagt. Ihre Schwester Maria kämpft schon seit längerer Zeit vergeblich mit ihrer Alkoholsucht, ihr 14Jähriger Neffe Sascha vermisst seine Mutter und sucht bei Anna nach Halt, und Annas Mutter versucht bei jeder Gelegenheit, sie mit einem Adligen zu verkuppeln …

Anne Gesthuysen, geb. 1969 in Geldern, ist eine deutsche Schriftstellerin, Journalistin und Fernsehmoderatorin. Von 2002 bis 2014 moderierte sie das ARD-Morgenmagazin, danach widmete sie sich ganz der Schriftstellerei. Bereits 2012 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, bis heute folgten vier weitere. Die Autorin ist mit Frank Plasberg verheiratet und Mutter eines Sohnes.

„Vielleicht hat das Leben Besseres vor“, das am 7.11.2024 bei Kiepenheuer & Witsch erschienene neueste Buch von Anne Gesthuysen, gehört zu den schwächsten, die ich bisher von ihr gelesen habe. Schon zu Beginn wird man mit einer Fülle von Personen und Namen überhäuft, was den Einstieg in das Geschehen sehr erschwert. Die meisten der zahlreichen Nebenfiguren sind zwar recht originell, bleiben aber blass und oberflächlich – humorvolle Szenen sind selten. Es werden im „Dorfklatsch“ sehr viele mehr oder weniger aktuelle Themen behandelt, so dass das Drama um Raffaela, um die es laut Buchbeschreibung ja hauptsächlich gehen sollte, tatsächlich in den Hintergrund tritt.

Wirkliche Gefühle erfährt man in einer Rückblende, in der Erinnerungen von Raffaelas Mutter lebendig werden. Seit ihr Baby damals verunglückte, durch den Sturz eine Hirnblutung erlitt und seitdem geistig stark eingeschränkt ist, kämpft sie unentwegt mit ihren Schuldgefühlen. Dieser Teil der Geschichte berührt besonders, da man im Nachwort erfährt, dass die Autorin ein ähnliches Erlebnis hatte, das glücklicherweise ohne Folgen geblieben ist.

Fazit: Ein Buch, das an die vorangegangenen der Autorin nicht heranreicht und das ich deshalb nur bedingt empfehlen kann!

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Veröffentlicht am 06.10.2024

Okkultismus und Hellseherei

Das Wohlbefinden
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Ihre verzweifelte Wohnungssuche während des Corona-Lockdowns 2020 führte Vanessa nach Beelitz, wo vor den Toren Berlins auf dem Gelände der ehemaligen Arbeiter-Lungenheilstätte eine neue luxussanierte ...

Ihre verzweifelte Wohnungssuche während des Corona-Lockdowns 2020 führte Vanessa nach Beelitz, wo vor den Toren Berlins auf dem Gelände der ehemaligen Arbeiter-Lungenheilstätte eine neue luxussanierte Wohnsiedlung entstanden ist. Durch einen glücklichen Zufall kommt Vanessa in den Besitz des Manuskripts für ein Buch, das ihre Urgroßmutter Johanna Schellmann, eine einst bekannte Schriftstellerin, bei ihrem Tod 1967 ihrem jungen Pfleger hinterlassen hat. Darin schreibt sie über ihre Freundschaft mit der hellseherisch begabten Anna, die 1908 Patientin in Beelitz war und nach ihrer Heilung im Hause Schellmann aufgenommen wurde. Durch Annas okkulte Fähigkeiten erhoffte sich Johanna Inspirationen für ihr neues Buch …

Ulla Lenze, geb. 1973 in Mönchengladbach, ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie studierte Musik und Philosophie, lebte eine Zeitlang in Indien und war 2004 auf Einladung des Goethe-Instituts Stadtschreiberin in Damaskus und 2010 Writer-in-Residence in Mumbai. Bisher schrieb sie sechs Romane, für die sie etliche Auszeichnungen und Stipendien erhielt. Ihr neuester Roman „Das Wohlbefinden“ (2024) hat es auf die Liste der Nominierten zum Deutschen Buchpreis 2024 geschafft. Heute lebt Ulla Lenze als freie Schriftstellerin in Berlin.

Wie schon aus der Inhaltsangabe ersichtlich, spielt der Roman in drei verschiedenen Zeitebenen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als sich die Wissenschaft mehr und mehr mit Okkultismus befasste, trifft Johanna in Beelitz auf Anna, 1967 in Berlin ist Johanna bereits dement und wird von dem jungen Pfleger Klaus betreut, und 2020 schließlich sucht Urenkelin Vanessa in Beelitz nach einer neuen Bleibe. Der Makler ist zufällig der Sohn von Klaus, der ihr nun Johannas Manuskript als Familienerbe übergeben kann. Der Kreis schließt sich. Die Besonderheit dabei ist, dass die Autorin Schreibstil und Sprache ganz gut den jeweiligen Zeiten angepasst und die Dialoge darauf abgestimmt hat.

Leider konnte mich die Geschichte nicht mitreißen. Es wird zwar viel geweint und immer wieder mal gelitten, aber Emotionen konnte ich trotzdem keine verspüren. Vielleicht lag es daran, dass mir die Frauen allesamt unsympathisch waren. Einige Teile der Handlung empfand ich als sehr konstruiert, Zufall und glückliche Fügung als auffällig erdichtet. Völlig überstürzt kam dann noch ein unrundes Ende, das mich ebenfalls nicht zufriedenstellen konnte.

Fazit: Ein durchaus interessantes Thema, das leider nicht konsequent umgesetzt wurde. Dennoch von mir 3 wohlwollende Sterne.

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Veröffentlicht am 27.08.2024

Lebensgeschichten

Der Apfelbaum
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Christian Berkel, der Autor und Ich-Erzähler, besucht seine jetzt im Alter demente Mutter Sala, um in ihren noch klaren Momenten mehr über seine Familie und seine Vorfahren zu erfahren. In Bruchstücken ...

Christian Berkel, der Autor und Ich-Erzähler, besucht seine jetzt im Alter demente Mutter Sala, um in ihren noch klaren Momenten mehr über seine Familie und seine Vorfahren zu erfahren. In Bruchstücken erzählt sie ihm von ihrer Kindheit, von ihren Eltern, seiner jüdischen Großmutter Iza Prussak und seinem atheistischen Großvater Johannes Nohl, der später wegen seiner Homosexualität von den Nazis zu Zwangsarbeit verurteilt wurde, während seine inzwischen von ihm geschiedene Frau Iza in einer Todeszelle fünf Jahre lang mit ihrer Hinrichtung rechnen musste. Hauptperson in Christian Berkels Geschichte ist jedoch deren Tochter Sala (seine Mutter), die nach ihrer Flucht vor den Nazis über verschiedene europäische Länder schließlich mit ihrer kleinen Tochter Ada bei einem Kinderarzt in Leipzig Unterschlupf findet. Nach dem Krieg lebt sie einige Jahre in Buenos Aires und nimmt dann mit ihrem Jugendfreund Otto Berkel, der jetzt als HNO-Arzt in Berlin lebt, wieder Kontakt auf. Damals durfte sie ihn wegen ihrer jüdischen Abstammung nicht heiraten. Ist nun der Weg frei und der Kreis kann sich schließen? …

Der Autor Christian Berkel ist ein bekannter deutscher Schauspieler. Er wurde 1957 in West-Berlin geboren und ist mit der Schauspielerin Andrea Sawatzki verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne.

Mit „Der Apfelbaum“ gibt der Schauspieler sein Debüt als Autor. Das Buch zu beurteilen fällt mir wirklich nicht leicht.

Dass Berkel viel Fantasie hat, hat er hier bewiesen, dennoch konnte mich die Geschichte nicht packen. Es wird zu Beginn im Buch damit beworben, dass Christian Berkel „den spannungsreichen Roman seiner Familie erzählt“, während auf der nächsten Seite folgendes zu lesen ist: „Dieses Buch ist ein Roman, wenn auch einige seiner Charaktere erkennbare Vor- und Urbilder in der Realität haben, von denen das eine oder andere biografische Detail übernommen wurde. Dennoch sind es Kunstfiguren. Ihre Beschreibungen sind ebenso wie das Handlungsgeflecht, das sie bilden, und die Ereignisse und Situationen, die sich dabei ergeben, fiktive.“

Unter diesem Gesichtspunkt konnte ich auch keinen Bezug zu den Personen finden und empfand deren Handlungsweisen als sehr konstruiert. Die wilden Sprünge zwischen den Zeiten - mal sind wir im Hier und Heute und erleben die Gespräche des Autors mit der Mutter, dann folgen Episoden anderer Familienmitglieder zu verschiedenen früheren Zeiten - konnten mich ebenso wenig begeistern wie auch das Sprachkonstrukt. Auf kurze Sätze folgen ellenlange, die sich oft über eine halbe Buchseite hinziehen, gefolgt von langatmigen, nichtssagenden Passagen. Vieles wirkt für mich erfunden und auf Effekthascherei bedacht. Das Geschehen nimmt keine Fahrt auf und plätschert so vor sich hin, spannende und interessante Passagen werden abrupt unterbrochen, um mit einer anderen Person in einer anderen Zeit fortzufahren. Gegen Ende zu überstürzen sich die Ereignisse, auf wenigen Seiten findet das Geschehen einen mehr oder weniger plausiblen Abschluss.

Fazit: Ein Buch, das mich nicht packen konnte, dem ich jedoch aufgrund der fantasievollen Thematik noch drei Sterne geben kann.

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