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Veröffentlicht am 28.08.2024

Inspirierend - multiperspektivisch - zum Nachdenken anregend

Denkende Affen?
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"Denkende Affen" von Stephanie Clasemann ist ein hochspannendes Sachbuch über die Natur des Menschen. Es nimmt uns auf eine unterhaltsame und inspirierende Reise mit, bei der wir als Lesende angeregt werden, ...

"Denkende Affen" von Stephanie Clasemann ist ein hochspannendes Sachbuch über die Natur des Menschen. Es nimmt uns auf eine unterhaltsame und inspirierende Reise mit, bei der wir als Lesende angeregt werden, über viele spannende Fragen nachzudenken, z.B. was ist überhaupt Wissen? Kann ich etwas wirklich sicher wissen? Welche Menschenbilder und Weltbilder gibt es und wie wirken sich diese darauf aus, wie ich mich in der Welt wahrnehme? Was sagen Neurowissenschaften und Religionen zur Natur des Menschen? Was hat es mit spirituellen Erfahrungen und anderen Bewusstseinswelten auf sich?

Ich habe schon einige Bücher gelesen, die sich jeweils mit einzelnen dieser Themen beschäftigt haben... aber noch kein einziges, das alle davon so klug und differenziert vorstellt, mit interessanten Geschichten verständlich macht und miteinander verbindet. Dieses Buch zeichnet ganz besonders aus, dass es überhaupt nicht dogmatisch ist und keine bestimmte Weltsicht vermitteln möchte, sondern tatsächlich offen und vorurteilsfrei den bunten Pluralismus an Weltanschauungen darstellt und nachvollziehbar macht, den es tatsächlich gibt. Damit wirkt es gerade in einer eher polarisierten Zeit sehr wohltuend und verbindend.

Wir begegnen z.B. Karl Popper und seinem kritischen Rationalismus genauso wie John Bowlby und Mary Ainsworth und ihrer Bindungstheorie, dem Dalai Lama, Simone de Beauvoir und Simone Weil, Sokrates und Plotin, der amerikanischen Neurowissenschaftlerin Lisa Miller und ihrer Forschung zur Verbindung von Spiritualität und der Bewältigung von Depressionen, sowie dem Medium Varda Hasselmann und ihren Archetypen der Seele. Dabei erhalten wir einen kurzen, prägnanten Einblick in die jeweiligen Ideen und Weltbilder, der Lust auf Weiterrecherchieren macht.

Besonders mochte ich die kleinen Geschichten und Fallbeispiele, die überall ins Buch eingebaut sind, z.B. zur Insel der Gehörlosen (Wie würde sich die menschliche Wahrnehmung und Weltsicht verändern, wenn keiner mehr hören könnte? Und wie würde man dann damit umgehen, wenn man nach langer Zeit mal wieder jemand Hörenden treffen würde? Könnten wir überhaupt glauben, dass er einen Sinn mehr hat als wir?) oder zum Vogelfänger (jemand möchte Papageien vor dem Vogelfänger retten und bringt ihnen einen Satz bei, mit dem sie sich gegenseitig warnen sollen... aber Worte, ohne den Inhalt zu verstehen, erreichen ihr Ziel nicht... als Gleichnis für mystische Erfahrungen und die Schwierigkeit von deren Weitergabe bei der Institutionalisierung von Religionen).

Ich kann das Buch also allen von Herzen empfehlen, die sich für Philosophie, Psychologie, Religion, Spiritualität und ähnliche Themen interessieren und einen offenen Geist haben oder entwickeln möchten. Es ist ein sehr bereicherndes, unterhaltsames und kluges Buch und liefert nicht nur viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren, sondern auch im Anhang Literaturhinweise, um die angesprochenen Themen bei Interesse zu vertiefen.

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Veröffentlicht am 28.08.2024

Vom Licht, das wir mit einem Menschen verlieren... und vom Licht, das bleibt

Wohin das Licht entflieht
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"Wohin das Licht entflieht" ist ein Buch über Emmy, die ihre geliebte ältere Schwester durch Suizid verloren hat. Emmy ist 16, besucht eine auf Musik spezialisierte Schule, eifert ihrer Schwester nach, ...

"Wohin das Licht entflieht" ist ein Buch über Emmy, die ihre geliebte ältere Schwester durch Suizid verloren hat. Emmy ist 16, besucht eine auf Musik spezialisierte Schule, eifert ihrer Schwester nach, bewundert sie und möchte in ihre Fußstapfen treten. Beth ist 21, und seit fünf Jahren Mitglied einer bekannten Girlband, und als solche reich und beliebt, aber auch von den Medien und bösartigen Internetkommentaren verfolgt, hatte mehrere Aufenthalte in Entzugskliniken hinter sich, war in einer tiefen Krise und verzweifelt, und hat in dieser Situation keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als sich das Leben zu nehmen.

Wir lernen Emmy unmittelbar nach dem Suizid ihrer Schwester kennen und begleiten sie durch die ersten Tage danach, und dann durch die darauf folgenden Wochen und Monate. Wir erleben sie in ihrem Umfeld, spüren ihre zunehmende innere Verhärtung und Entfremdung von Eltern, Freundinnen und Partner, die widersprüchlichen Gefühle, die unmittelbare, tiefe Trauer, die alles verzehrende Wut und die Suche nach Schuldigen. Und doch gibt es auch so viele lichte Momente, so viel Verbindung zwischen Emmy und den Menschen, die um sie kämpfen, so viel tiefe Liebe, die spürbar ist, und schließlich doch eine sehr hoffnungsvolle Entwicklung in Richtung Zukunft.

Sehr gut gefallen hat mir auch die multimediale Gestaltung des Buches: wir erleben die Geschehnisse nicht nur aus Emmys Sichtweise, sondern durch WhatsApps, Medienartikel und vieles mehr kommt eine vielschichtige Perspektive hinein. Diese Gestaltung macht es auch sehr angenehm und kurzweilig zu lesen und ist gleichzeitig ein guter Spiegel eines weiteren Themas des Buches: der Welt der (a)sozialen Medien und was diese insbesondere mit den Menschen macht, die in der Öffentlichkeit stehen sowie der Themen öffentliche Person(a) - für die Öffentlichkeit war Emmys Schwester nicht Beth, sondern Lizzie - vs. private Person.

Ich habe selbst als Jugendliche einen nahen Angehörigen durch Suizid verloren und war auch deshalb sehr neugierig auf dieses Buch. Von Anfang an hat es mich absolut gepackt, weil ich sehr schnell gespürt habe: hier schreibt eine Autorin, die echt weiß, wovon sie spricht. Die nicht nur klischeehafte Vorstellungen im Kopf hat, wie es sein könnte, jemanden durch Suizid verloren zu haben, sondern die das echt nachfühlen kann. Auf der Suche nach einer Antwort darauf, woher das kommt, ob aus eigener Erfahrung oder einer ungewöhnlich tiefen Empathiefähigkeit (vielleicht auch beidem), habe ich einen Artikel der Autorin gefunden, indem sie diese Frage beantwortet: sie hat selbst einen guten Freund durch Suizid verloren. Wer darüber mehr lesen will, sucht am besten nach "Paper aeroplanes from this side of the wall - lessons of love and loss on the death of a friend" von Sara Barnard.

Dieses Buch empfiehlt sich für alle, die bereit sind, sich auf ein so tiefes und dunkles Thema einzulassen und die gerne nachfühlen möchten, wie es sein kann, jemanden durch Suizid zu verlieren, und durch welches breite Spektrum an heftigen Gefühlen man dabei gehen muss. Es ist für mich weit mehr als ein Jugendbuch, ich finde es auch für Erwachsene sehr interessant zu lesen.

Mit seiner so authentischen Darstellung des Themas kann es auch dabei helfen, all jenen, die das Glück hatten, so eine schlimme Erfahrung nicht selbst machen zu müssen, zu vermitteln, wie es davon Betroffenen gehen kann... und damit insgesamt für mehr Verständnis für Trauernde und besonders für Hinterbliebene nach Suizid sorgen. Damit empfehle ich es auch insbesondere allen Menschen in sozialen Berufen (z.B. Lehrkräften, Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen,...) als Weiterbildung und Empathietraining. Trotz des dunklen Themas ist es auch ein Buch mit vielen hoffnungsvollen Momenten tiefer menschlicher Verbindung, Humor und überwiegend sehr sympathischen Figuren. Ein tolles Buch und definitiv eines meiner Jahreshighlights - absolute Empfehlung!

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Veröffentlicht am 27.08.2024

Der Genozid an den Armeniern und der Versuch einer Vergeltung

"Ich habe getötet, aber ein Mörder bin ich nicht"
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Mit "Ich habe getötet, aber ein Mörder bin ich nicht" hat Birgit Kofler-Bettschart ein sehr wichtiges Sachbuch über ein oft vergessenes Kapitel der Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts geschrieben: den ...

Mit "Ich habe getötet, aber ein Mörder bin ich nicht" hat Birgit Kofler-Bettschart ein sehr wichtiges Sachbuch über ein oft vergessenes Kapitel der Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts geschrieben: den Völkermord an den Armeniern durch die Türken, und die Vergeltungsaktion Nemesis einiger junger armenischer Männer danach, Anfang der 1920er.

Der Völkermord an den Armeniern durch die Türken während des 1. Weltkrieges ist - wie man auch in diesem gut recherchierten Buch sieht - eine vielfältig belegte historische Tatsache und etwas, wovon sogar Hitler Kenntnis hatte und was er als Rechtfertigung für seine eigenen abscheulichen Taten genommen hat, von ihm ist offenbar die Aussage belegt, dass ja auch der Völkermord an den Armeniern nach zwei Jahrzehnten niemanden mehr interessiere. Gleichzeitig ist es nach wie vor im Kontakt mit der Türkei ein heikles politisches Thema und wird dort nicht unter dieser Bezeichnung diskutiert, geschweige denn aufgearbeitet. Umso mehr Chapeau, Frau Kofler-Bettschart, sich diesem wichtigen Thema anzunehmen.

Das Buch ist grundsätzlich sehr wertig gestaltet, mit Landkarten der entsprechenden Gebiete ganz am Anfang, einem Interview einer Armenien- und Genozidspezialistin ganz am Ende, und einer sehr sorgfältig dokumentierten Darstellung sowohl des Völkermords an den Armenien als auch der Vergeltungsaktion Nemesis. Für Lesende, die sich bisher noch nicht viel mit dem Thema beschäftigt habe, ist es durchaus anzuraten, das Interview der Spezialistin ganz am Anfang zu lesen, dann lässt sich auch der Rest des Buches noch einmal besser verstehen und einordnen.

Den größten Teil des Buches nehmen die verschiedenen Vergeltungsaktionen ein. Mutige, entschlossene junge armenische Männer (gelegentlich unterstützt von wenigen Frauen, wobei die Rächer selbst ausschließlich Männer waren) haben sich - zeitweise durch den kurz unabhängigen Staat Armenien unterstützt - zur Geheimaktion Nemesis zusammengeschlossen und eine Liste der 100 am schwersten an der Planung des Völkermordes Beteiligten erstellt, um so viele wie möglich von diesen zu ermorden... einerseits aus Rache, andererseits, damit diese nicht noch weitere Verbrechen gegen das armenische Volk planen konnten. Monate- bis jahrelang wurden die Betreffenden ausspioniert, verfolgt und auf eine günstige Gelegenheit für die Attentate gewartet.

So gelang es, zumindest einige der Drahtzieher des Völkermordes auszuschalten - und gleichzeitig, das war ein weiteres Ziel - die Weltöffentlichkeit auf den Völkermord an den Armeniern aufmerksam zu machen, etwa im Rahmen der vielbeachteten Gerichtsprozesse nach zweien der Attentate, in denen nicht nur das Attentat an sich, sondern vor allem auch der historische Kontext eine große und medial stark rezipierte Rolle spielten.

Es ist ein Buch, das beim Lesen schon einiges an Mitdenken und Aufmerksamkeit fordert. Insbesondere, wenn man mit dem Thema noch nicht viele Berührungspunkte hatte. Wenn man sich darauf einlässt, ist es aber ein sehr gut recherchiertes und spannend geschriebenes Buch zu einem wichtigen Thema, das viel Wissen vermittelt, das dabei hilft, auch die Konflikte in der Kaukaususregion, etwa im Herbst 2023 um Berg-Karabach, noch einmal besser einordnen und verstehen zu können. Es hilft auch dabei, den 1. und 2. Weltkrieg mit all ihren Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den dahinterstehenden Militärbündnissen in einem noch einmal differenzierteren Licht zu sehen: so hatten etwa Deutschland und Österreich-Ungarn schon beim Völkermord der Türken an den Armeniern im 1. Weltkrieg eine unrühmliche Rolle, da sie diesen aufgrund des Bündnisses mit der Türkei ebenfalls zu leugnen versuchten.

Aufgrund des Themas ist es natürlich kein Unterhaltungsbuch für gemütliche Lesestunden, sondern ein sehr heftiges, hartes Buch zu sehr schlimmen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zu lesen, auf welch brutale Art im Rahmen des Völkermordes selbst Zivilisten, Frauen, Kinder und Greise unbarmherzig vernichtet wurden, ist zutiefst erschütternd, und reiht sich in andere unvorstellbare Verbrechen der Menschheitsgeschichte ein, steht diesen in nichts nach. Umso tröstlicher, dass zumindest ein paar der Verantwortlichen nicht ungestraft davon gekommen sind, hier mein Respekt vor der mutigen Operation Nemesis, die ich tatsächlich auch, dem Zitat eines der Attentäters entsprechend, nicht als Mörder im herkömmlichen Sinne ansehen würde (die Operation war, mit wenigen Ausnahmen, auch immer sehr bestrebt, keine Unschuldigen zu verletzen).

Gleichzeitig ist es auch im Rahmen der Prävention und des Einsatzes für Frieden und Völkerverständigung so wichtig, darüber Bescheid zu wissen. Ich wünsche dem Buch deshalb eine breite Leserschaft und dem Thema eine differenzierte Diskussion, speziell auch in Schulen, was leider aufgrund bekannter Gründe nicht einfach sein wird.

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Veröffentlicht am 27.08.2024

Ein Buch über bedingungslose Liebe, Mut und Resilienz

Hauptsache geliebt
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Die meisten Frauen, die schon einmal schwanger waren, kennen den Spruch "Hauptsache gesund", der oft so locker-flapsig dahergesagt wird. Meistens geht es dabei darum, dass das Geschlecht des Kindes nicht ...

Die meisten Frauen, die schon einmal schwanger waren, kennen den Spruch "Hauptsache gesund", der oft so locker-flapsig dahergesagt wird. Meistens geht es dabei darum, dass das Geschlecht des Kindes nicht so wichtig wäre, denn am wichtigsten sei, dass es gesund sei. Wir wünschen uns ja alle ein gesundes Kind, für das Kind und für uns selber... natürlich... oder?

Und doch... manche Kinder sind nicht gesund. Manches davon kann schon während der Schwangerschaft festgestellt werden und dann stehen die Eltern oft vor schwierigen Entscheidungen.

"Hauptsache geliebt" ist die wahre Geschichte einer bedingungslosen Liebe einer Mutter für ihr Kind... auch und gerade wenn dieses Kind eben nicht gesund ist... und lange nicht klar ist, auch nach der Geburt, welche Beeinträchtigungen es dauerhaft davon tragen wird, wie es sich entwickeln wird und sogar, ob es überhaupt überleben wird. Und doch!

Diese Mutter liebt ihr Kind so sehr, sie ist an seiner Seite, sie kämpft für das Kind, schon in der Schwangerschaft und dann danach, setzt sich wie eine Löwin für die besten Behandlungen ein und nimmt uns in diesem Buch mit durch diese berührende Zeit. Beim Lesen hoffen und bangen wir mit dem Kind, dass es überlebt... und es überlebt!

Im ersten Teil des Buches begleiten wir die Mutter und ihr (drittes) Kind durch Schwangerschaft, Geburt und die schwierige Zeit danach, mit langen Spitalsaufenthalten und Hoffen und Bangen um das Leben des Kindes.

Es ist auch ein sehr persönliches Buch über die Bewältigung einer Krise und über Resilienz. Die Autorin nimmt uns mit auf ihren Weg, teilt ihre persönlichen Gedichte, Erinnerungen, Tagebucheinträge, Märchen, ein inneres Gespräch mit dem Tod und vieles mehr. Das hat eine wichtige Rollenvorbildfunktion und damit zeigt die Autorin: so habe ich das gemacht, als ich durch eine schwere Krise gegangen bin. Das sind Anregungen, aus denen du dir mitnehmen kannst, was dich anspricht, wenn du Anregungen brauchst, um selbst eine Krise zu bewältigen. Damit macht sie Hoffnung und Mut.

Im zweiten Teil des Buches finden sich weitere Anregungen und Methoden zur Bewältigung von Krisen, wie Atemtechniken, Achtsamkeitsübungen, innere Verbindungen und Imaginationen, heilsame Mantras und kreative Schreibübungen.

Und schließlich endet das Buch zutiefst hoffnungsvoll mit einer Liste zum Thema "Mein reich gewordenes Leben".

Mich hat dieses Buch zutiefst berührt und ich ziehe meinen Hut vor der unbedingten Lebensbejahung und immerwährenden Hoffnung auch in dunklen Zeiten, die die Autorin in diesem Buch vermittelt. Diese Geschichte macht auch mir Hoffnung, dass ich - egal, welche Zeiten kommen, ganz besonders in Bezug auf die Themen Schwangerschaft, Geburt und Kinder-Haben - auch ich in mir die Ressourcen finden kann, diese gut zu bewältigen. Danke dafür!

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Veröffentlicht am 27.08.2024

Tiefgründige Einführung in die mystische Sufi-Tradition Usbekistans - ein besonderer spiritueller Reiseführer

Heiliges Usbekistan
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"Heiliges Usbekistan - auf den Spuren großer Sufis" von Stephanie Clasemann ist viel mehr als ein Reiseführer. Auf über 350 Seiten werden wir intensiv in die Sufi-Tradition Usbekistans eingeführt. Bevor ...

"Heiliges Usbekistan - auf den Spuren großer Sufis" von Stephanie Clasemann ist viel mehr als ein Reiseführer. Auf über 350 Seiten werden wir intensiv in die Sufi-Tradition Usbekistans eingeführt. Bevor ich das Buch gelesen habe, hatte ich weder von Sufismus noch von Usbekistan sonderlich viel Ahnung, beide waren für mich eher weiße Flecken auf meiner mentalen und spirituellen Landkarte. Nun habe ich ein differenziertes Bild von beidem bekommen und so richtig Lust darauf, das Land zu bereisen.

Das Buch beginnt mit einer Einführung in die wichtigsten Begriffe des Sufismus (z.B. Dhikr, eine Anrufung der heiligen Namen Gottes, aus dem Herzen heraus und oft still). Wir erfahren, dass es dabei um die "weibliche Seite des Islam" geht, nicht um strenge Regeln oder Äußerlichkeiten, sondern um Mystik, Gotteserleben und die innere Zuwendung zu Gott. Sufismus wird üblicherweise von einem Lehrer (sheikh) an seine Schüler weitergegeben und erfordert von den Schülern viel Hingabe und Demut, ist aber nach außen hin sehr offen und tolerant.

Es werden viele wichtige Sufi-Persönlichkeiten vorgestellt und ihr Leben, ihre Entwicklung und Erkenntnisse in spannender Weise beschrieben, sowohl allgemein am Anfang des Buches als auch dann durch das ganze Buch hindurch die wichtigsten Persönlichkeiten der jeweiligen Stadt (verbunden mit einer Beschreibung der entsprechenden Sehenswürdigkeiten, z.B. Denkmäler und Grabstätten). Auch auf Frauen im Sufismus - von denen es ebenfalls einige bedeutende Persönlichkeiten gegeben hat - wird in einem Extra-Kapitel eingegangen.

Besonders interessant habe ich die Kapitel gefunden, in denen die Verbindung zwischen Osten und Westen aufgezeigt wurde und erklärt wurde, wie sowohl sufisches Gedankengut über verschiedene Kulturmittler (z.B. Llewellyn Vaughan Lee und Irina Tweedie), die bei Sufis gelernt hatten, in den Westen getragen wurde, als auch wie große Persönlichkeiten des Westens - auch wenn sie keine Sufis waren - ganz ähnliche Traditionen gelebt und gelehrt haben (z.B. die christlichen Mysteriker*innen Hildegard von Bingen, Meister Eckhart, Teresa von Avila). Somit zeigt sich hier sehr schön, wie ähnlich sich die mystischen Traditionen in ihrem spirituellen Kern sind.

Überhaupt ist es ein sehr religionsverbindendes Buch, das immer wieder diese Parallelen aufzeigt, gemäß dem Zitat des Sufi Rumi, dass es in Wahrheit nur ein einziges Licht geben würde, das durch verschiedene Fenster scheine (Gott bzw. die göttliche Wahrheit, durch verschiedene Religionen und deren Propheten übermittelt).

Wer äußerlich (oder auch im Inneren) nach Usbekistan reisen will, findet im Buch ebenfalls ausführliche Informationen dazu. Die verschiedenen Städte Usbekistans, z.B. Buchara, Chiwa, Termez, Sharisabz, Samarkand oder Tashkent, werden durch bildhafte Beschreibungen der bekanntesten Sehenswürdigkeiten lebendig vorgestellt. Auch hier sind die Informationen wiederum verflochten mit der jeweiligen Sufi-Tradition und ergänzt um interessante historische Informationen (z.B. zu Dschingis Khan, seinen Feldzügen und Nachkommen, zur Seidenstraße, zur Verbreitung des Islam, zu den verschiedenen Herrschern, aber auch zur Sowjetzeit und ihren Spuren...), inspirierende spirituelle Gleichnisse und Fabeln sowie um wunderschöne Bilder.

Ganz am Ende finden sich noch praktische Informationen zur Reise. Gut zu wissen ist, dass Usbekistan offenbar zumindest bis jetzt ein relativ unkompliziert (Menschen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz brauchen für Aufenthalte unter 30 Tagen kein Visum), günstig und sicher zu bereisendes Land ist, auch für Frauen, und sich auch die offizielle Vertretung des Landes dem Tourismus immer mehr öffnet und diesen aktiv fördert.

Ich kann das Buch allen, die sich entweder für Usbekistan oder für Sufismus - eine sehr interessante und im Westen oft wenig bekannte Seite des Islam - interessieren, wärmstens ans Herz legen. Es ist ein tiefgründig recherchiertes, persönliches, liebevoll gestaltetes und religionsverbindendes, wunderschönes Buch. Mich hat es auch eingeladen, meine eigene Spiritualität zu reflektieren, und ich werde sicher auch in Zukunft immer wieder mal zu diesem Buch greifen, um mich von den vielen schönen Gleichnissen, Geschichten und Fabeln inspirieren und zum Nachdenken anregen zu lassen.

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