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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.09.2024

Interessante Idee, flache Umsetzung

Die Mitternachtsbibliothek
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Was wäre, wenn es zwischen Leben und Tod eine Bibliothek gäbe?
In der jedes Buch ein Leben beinhaltet, das du führen würdest, hättest du dich an einem bestimmten Punkt anders entschieden.
Und nun hast ...

Was wäre, wenn es zwischen Leben und Tod eine Bibliothek gäbe?
In der jedes Buch ein Leben beinhaltet, das du führen würdest, hättest du dich an einem bestimmten Punkt anders entschieden.
Und nun hast du Zugriff auf all diese Bücher.

Matt Haig schickt seine Protagonistin Nora in genau dieses Gedankenexperiment: Nach ihrem Suizid findet sie sich in der sogenannten Mitternachtsbibliothek wieder.
Ich fand die Idee dahinter sehr spannend, die Frage “Was wäre, wenn …?” hat sich wohl schon jeder einmal vor großen Entscheidungen gestellt.
Auch Nora wird gezwungenermaßen mit dem Schmetterlingseffekt konfrontiert, sie entdeckt, dass schon die kleinsten Abweichungen die größten Veränderungen bewirken können.
Leider fand ich den Teil, in dem Nora verschiedene Versionen ihres Lebens ausprobiert, irgendwann ziemlich zäh. Der Autor hat es nicht geschafft, uns richtig mit abtauchen zu lassen, die Beschreibungen sind zu oberflächlich.
Auch die Charaktere sind eher flach und zweckmäßig als lebendig dargestellt. Gerade Nora nimmt man nicht ab, dass sie Mitte 30 sein soll. Sie liest sich wie eine Jugendliche, höchstens junge Erwachsene. Die Dialoge (vor allem mit der Bibliothekarin) wirken sehr gestellt und zielführend.
Das ganze Buch erinnert eher an einen Jugendroman und als solchen würde ich es auch empfehlen. Für Menschen, die sich gerade in der Selbstfindungsphase befinden, ist er sicherlich inspirierend, für andere sind die philosophischen Ausflüchte maximal Küchenweisheiten.
Das Ende war vorhersehbar, passte aber gut zur ganzen Geschichte.

Insgesamt also ein Buch, welches zwar ein interessantes Grundthema hat, sich aber eher für Leserinnen von Jugendromanen eignet. Vor 10-15 Jahren hätte es mir sicherlich sehr gut gefallen, gerade auch die Botschaft, aus heutiger Sicht kann ich dem seichten Schreibstil und der oberflächlichen Behandlung von Charakteren und Thematik leider nicht mehr allzu viel abgewinnen. ⭐️3/5⭐️

Übersetzt von Sabine Hübner

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Veröffentlicht am 28.08.2024

Spannende erste, schwache zweite Hälfte

Sing, wilder Vogel, sing
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Irland, im Jahr 1849: Die Hungersnot hat die Bevölkerung fest im Griff. Als beinahe ihr ganzes Dorf zugrunde geht, gelingt der jungen Honora die Flucht nach Amerika.
Doch auch hier ist sie weit entfernt ...

Irland, im Jahr 1849: Die Hungersnot hat die Bevölkerung fest im Griff. Als beinahe ihr ganzes Dorf zugrunde geht, gelingt der jungen Honora die Flucht nach Amerika.
Doch auch hier ist sie weit entfernt vom Glücklichsein. Sie kämpft sich von einer Misere in die nächste, gibt nicht auf, um sich ihren großen Traum zu erfüllen: Freiheit.

Jacqueline O'Mahony behandelt in ihrem Roman “Sing, wilder Vogel, sing” ein bedeutendes Kapitel der irischen Geschichte: die große Hungersnot im 19. Jahrhundert. Interessant ist dabei die Wahl der Protagonistin. Es geht um eine junge Frau, die schon immer anders war, der von Geburt an eingeredet wurde, sie stünde unter einem Fluch und die sich nie verstanden gefühlt hat.
Leider finde ich sie etwas überzeichnet: sie kann alles, weiß alles, überlebt alles, sodass sie irgendwann einfach nicht mehr glaubhaft ist. Ein paar Schwächen hätten ihrer Authentizität meiner Meinung nach ganz gutgetan.
Der Irland-Teil des Buches ist intensiv, dramatisch und fesselnd. Man fühlt mit den Charakteren mit und kann deren Verzweiflung geradezu greifen.
Dann folgt die Flucht und der Amerika-Teil und die Atmosphäre ist verschwunden. Hier wird alles nur noch sehr oberflächlich behandelt, man fühlt als Leserin nicht mehr mit und man hat den Verdacht, die Autorin wolle zu viele Themen in zu wenig Seiten quetschen.
Der Schreibstil O'Mahonys ist angenehm poetisch, die Ausdrucksweise sehr gewählt und metaphorisch. Leider doppeln sich einige Formulierungen.

Insgesamt ist es ein Roman mit einem interessanten Thema und einer besonderen Protagonistin, der mich allerdings nicht überzeugen konnte. Nach dem mitreißenden Anfang dachte ich, dies könnte ein Fünf-Sterne-Buch werden, so sind es leider nur ⭐️3/5⭐️.

aus dem irischen Englisch von pociao und Roberto de Hollanda

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Veröffentlicht am 08.08.2024

Berührende Liebesgeschichte, die aber nicht in die Tiefe geht

Ava liebt noch
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Mutter werden und sich selbst nicht verlieren. Darüber kann Ava nur lachen. Als Mutter von drei Kindern stellt sie ihre eigenen Bedürfnisse schon seit Jahren hinten an und funktioniert wie auf Autopilot.
Als ...

Mutter werden und sich selbst nicht verlieren. Darüber kann Ava nur lachen. Als Mutter von drei Kindern stellt sie ihre eigenen Bedürfnisse schon seit Jahren hinten an und funktioniert wie auf Autopilot.
Als der 19 Jahre jüngere Kieran auftaucht, verliebt sie sich und findet nach und nach zu sich selbst zurück.

“Ava liebt noch” ist ein Roman, dessen Klappentext so viel mehr verspricht als eine schnöde Liebesgeschichte; Mutterschaft, gesellschaftliche Erwartungen an diese, Mental Load, Gender-Care-Gap und weitere aktuelle feministische Themen scheinen im Mittelpunkt zu stehen.
An dem Punkt wurde ich etwas enttäuscht, denn stattdessen dreht es sich doch hauptsächlich um die Liebesgeschichte zwischen Ava und Kieran. Das ganze Thema Mutterschaft gehört zwar zu Ava, kommt meiner Meinung nach aber etwas zu kurz.

Die Geschichte zwischen den beiden ist definitiv bewegend, schön fand ich, dass wir sie über mehrere Jahre begleiten und ihre persönlichen Entwicklungen beobachten können.
Dies hätte auch gerne etwas ausführlicher geschehen können, in der zweiten Hälfte werden Schlag auf Schlag Episoden abgearbeitet und man fragt sich, ob diese für die Geschichte wirklich alle wichtig sind. Alles verläuft sehr glatt. Außerdem verliert man an diesen Stellen schnell den Überblick über das aktuelle Alter der beiden, weil nur so durch die Jahre gesprungen wird. Hier hätte ich mir vielleicht weniger, dafür intensiver beschriebene Ereignisse gewünscht, denn die Autorin schafft es wunderbar, Gefühle zu transportieren und braucht dieses übertriebene Tempo überhaupt nicht, um ihre Leserinnen am Ball bleiben zu lassen.
Etwas schade ist die Tatsache, dass gerade in den ersten Jahren zwischen Kieran und Ava hauptsächlich von ihren körperlichen Begierden berichtet wird und man sich als Leser
in lange fragt, ob Kieran für Ava nur zur Lustbefriedigung dient oder doch mehr dahintersteckt.
Auch Ralf, Avas Ehemann, wurde mir zu einseitig und ignorant dargestellt. Er ist der Buhmann in einer Geschichte, die keinen gebraucht hätte und dem man nicht uneingeschränkt die ganze Schuld zuschieben sollte.
Gut herauszulesen war jedoch der innere Konflikt Avas, die stets irgendwo zwischen Muttersein und ihren eigenen Bedürfnissen gefangen ist. In der letzten Szene fasst sie es sehr gut in Worte.

Insgesamt ist es eine doch eher seichtere Liebesgeschichte mit wichtigen Themen, die leider nicht genug besprochen werden, um in die Tiefe zu gehen. Dennoch hat es mich gut unterhalten und die Autorin hat einen leichten, gut zu folgenden Schreibstil. ⭐️3/5⭐️

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Veröffentlicht am 01.07.2024

Etwas wirr

Zierfische in Händen von Idioten
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Schleswig-Holstein, 1996: Ein Zufall sorgt dafür, dass Tobi, Georg, Lisa und Scholzen sich gemeinsam auf einen Roadtrip nach London machen, um Georgs totgeglaubte Mutter zu finden. Viele Gemeinsamkeiten ...

Schleswig-Holstein, 1996: Ein Zufall sorgt dafür, dass Tobi, Georg, Lisa und Scholzen sich gemeinsam auf einen Roadtrip nach London machen, um Georgs totgeglaubte Mutter zu finden. Viele Gemeinsamkeiten haben sie nicht, außer dass sie alle Außenseiter sind, jeder auf seine Weise. Mit im Gepäck haben sie außerdem das Aquarium von Tobis Vater - mitsamt den Seepferdchen.

“Zierfische in Händen von Idioten” ist laut verschiedenen Zitaten eine humorvolle und zugleich tiefgründige Hommage an die 90er.
Dem kann ich leider nicht vollends zustimmen.

Erstmal dauert es ziemlich lange, bis die eigentliche Story beginnt und auch dann plätschert sie nur langsam vor sich hin. Der Autor ist so konzentriert darauf, eine Pointe nach der anderen rauszuhauen, dass er dabei den Spannungsbogen der Geschichte vergisst. Der ganze Roadtrip ähnelt eher einer Aneinanderreihung von Gags. Diese haben nicht meinen Humor getroffen, aber das ist ja Geschmackssache.
Als wirklich tiefgründig empfinde ich das Buch auch nicht, zwischendurch stellen sich die Protagonisten zwar philosophische Fragen á la “Sind wir nicht alle nur Zierfische in Händen von Idioten?”, aber es regt nicht zum Nachdenken an oder weckt sonstige Emotionen bei der Leserschaft.
Dass der Roman in den 90ern spielt, vergisst man schnell mal, denn ehrlich gesagt ist das Jahrzehnt absolut austauschbar und irrelevant für die Geschichte, bis auf die Erwähnung einiger 90er-Songs merkt man davon nichts.

Den Titel hingegen finde ich grandios und ehrlich gesagt hat der mich auch zum Kauf des Buches verleitet. Im Nachwort des Autors stellt sich allerdings heraus, dass dieser gar nicht von ihm selbst stammt.

Insgesamt ist es eine nette aber wirre Geschichte, die mich nicht überzeugen konnte.

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Veröffentlicht am 19.05.2024

Seichte Sommerlektüre

Sommerschwestern
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Vier erwachsene Schwestern bekommen von ihrer Mutter eine rätselhafte Einladung nach Holland. Hier waren sie seit zwanzig Jahren nicht, seit dem Sommer, in dem ihr Vater tödlich verunglückte.
Mit gemischten ...

Vier erwachsene Schwestern bekommen von ihrer Mutter eine rätselhafte Einladung nach Holland. Hier waren sie seit zwanzig Jahren nicht, seit dem Sommer, in dem ihr Vater tödlich verunglückte.
Mit gemischten Gefühlen reisen die Schwestern an, neugierig und besorgt, aus welchem geheimnisvollen Grund die Mutter sie an den Ort ihrer Kindheit bestellt hat.

Monika Peetz' "Sommerschwestern" ist eine eher seichte Sommerlektüre. Wir erfahren die Geschichte hauptsächlich aus Yellas Sicht, die zweitjüngste der vier Schwestern und selbst Mutter von zwei kleinen Söhnen.
Sie ist auch am nahbarsten, denn die anderen Protagonistinnen sind sehr übertrieben dargestellt. Peetz wird auf den knapp 300 Seiten nicht müde, direkt zu schreiben, wie extrovertiert und wunderschön die älteste Schwester Doro ist, wie empathisch und rastlos Amelie und wie strukturiert und ordnungsliebend Helen. Damit auch die letzten Leser*innen begreifen, wie unterschiedlich die Charaktere sind. Dies empfand ich als sehr anstrengend.
Dafür spart die Autorin daran, etwas in die Tiefe der Figuren abzutauchen. Am Ende wird zwar alles so einigermaßen abgeschlossen, warum die Schwestern sich so verhalten, wie sie es tun, wird aber nicht deutlich.

Dafür haben mir die Beschreibungen Hollands sehr gefallen, gespickt mit niederländischen Ausdrücken und Eigenarten kommt schnell ein Urlaubsgefühl hoch und es fühlt sich an, als sei man selbst schon an diesem Ort gewesen.

"Sommerschwestern" ist also eine leichte Urlaubslektüre mit holländischem Flair, viel mehr aber auch nicht. Auch wenn Familiengeschichten mich eigentlich immer kriegen, hat mir hier einfach die Tiefe gefehlt.

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