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Fannie

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Veröffentlicht am 24.09.2024

Vielseitiger True Crime-Roman mit zwei jugendlichen Heldinnen

Unser Buch der seltsamen Dinge
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Miv und ihre Freundin Sharon sind Ende der Siebzigerjahre gerade ins Teenageralter gekommen. Trotz der Tatsache, dass die beiden Mädchen grundverschieden sind, verbindet sie eine enge Freundschaft. Sie ...

Miv und ihre Freundin Sharon sind Ende der Siebzigerjahre gerade ins Teenageralter gekommen. Trotz der Tatsache, dass die beiden Mädchen grundverschieden sind, verbindet sie eine enge Freundschaft. Sie leben im nordenglischen Yorkshire. Margaret Thatcher ist seit Kurzem Premierministerin, und ganz Nordengland lebt in Furcht vor einem Serienmörder, der seit 1975 sein Unwesen treibt, aber einfach nicht zu fassen ist. Da beschließt Miv, selbst Ermittlungen anzustellen, um dem Mörder auf die Spur zu kommen. Gemeinsam mit Sharon macht sie sich auf die Suche nach dem Yorkshire Ripper. Ein gefährliches Unterfangen, wie die beiden Mädchen bald feststellen werden. Ihre Beobachtungen notieren sie in ihr „Buch der seltsamen Dinge“.

Eben dieses Buch ist der Namensgeber für den Titel des ersten Romans aus der Feder der englischen Autorin Jennie Godfrey. Erst in diesem Jahr erschien ihr Debüt unter dem Originaltitel „The List of Suspicious Things“. Ins Deutsche übersetzt hat „Unser Buch der seltsamen Dinge“ Susanne Keller. Am 15. August 2024 wurde die deutsche Ausgabe bei dtv veröffentlicht.

Die Frage, in welches Genre das Buch am besten passt, lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Jennie Godfrey hat mit ihrem Erstling einen Roman mit Jugendbuch-Anteilen verfasst, der auf einer True Crime-Story basiert und gleichzeitig einen authentischen geschichtlichen Abriss eines unruhigen Landes Ende der Siebzigerjahre zeichnet. „Unser Buch der seltsamen Dinge“ ist ein vielseitiger Roman, der ein ganzes Füllhorn von Themen beinhaltet und dadurch nie auch nur den leisesten Hauch von Langeweile aufkommen lässt.

In Jennie Godfreys Roman scheinen außerdem einige biografische Erlebnisse der Autorin eingeflossen zu sein. Immerhin kannte ihr Vater den Yorkshire Ripper Peter Sutcliffe persönlich. Peter Sutcliffe tötete im Zeitraum von 1975 bis 1980 13 Frauen auf brutale Weise, verletzte außerdem acht weitere Frauen schwer und führte die Polizei lange Zeit an der Nase herum. 1981 konnte er dann schließlich geschnappt werden.

Die Autorin schildert die nachvollziehbare Angst der jungen Mädchen, die sich vor einem Schatten an der Straßenecke fürchten und darauf achten, möglichst nicht allein unterwegs zu sein, sehr einfühlsam. Vor dem Hintergrund der steten Bedrohung lässt Jennie Godfrey allerdings nicht zu, dass sich die Mädchen in Panik zu Hause einigeln. Sie haben trotzdem Spaß, sind zum ersten Mal verliebt, neugierig, schließen neue Freundschaften und lassen sich vom Ripper nicht ihr Leben diktieren. Gut so, denn sonst wäre das Buch wohl ziemlich öde geworden.

Mit beeindruckender Leichtigkeit versetzt Jennie Godfrey ihre Leser in die aufgeladene Atmosphäre des Englands Ende der Siebzigerjahre. Die verhasste Premierministerin Thatcher, the milk snatcher, strich den Schulkindern die Pausenmilch (worauf wohl auch der schwarze Vogel mit den Milchflaschen auf dem Cover anspielt), während die Textilfabriken verfallen, die Arbeitslosigkeit weiter steigt und Fremdenfeindlichkeit an der Tagesordnung ist.

Das Städtchen, in dem Miv und Sharon leben, beschreibt Jennie Godfrey so bildreich, dass man förmlich an der Seite der Freundinnen an typischen Reihenhäuschen und verlassenen Fabrikgebäuden vorbeiläuft. Die Tristesse, das Grau des Alltags, transportiert die Autorin ganz wunderbar. Auch die Eigenheiten der Bewohner von Yorkshire und ihr ganz besonderer Dialekt spielen natürlich eine Rolle im Roman.

Kurzum: Jennie Godfrey hat ein großartiges Buch geschrieben, das durch Vielseitigkeit, Authentizität und Atmosphäre glänzt und in dessen Mittelpunkt zwei starke Mädchen stehen, die sich neben der Schwierigkeit des Erwachsenwerdens mit einer ganzen Reihe weiterer Probleme und sogar einem Mörder auseinandersetzen müssen.

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Veröffentlicht am 28.08.2024

Unverzichtbarer Reisebegleiter

DuMont Reise-Taschenbuch Reiseführer Rügen, Hiddensee & Stralsund
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Das Dumont-Reise-Taschenbuch „Rügen, Hiddensee & Stralsund“ hat sich in unserem Ostsee-Urlaub absolut bewährt. Allerhand interessante Beiträge unter der Rubrik „Magazin“ über Geschichte und Gesellschaft, ...

Das Dumont-Reise-Taschenbuch „Rügen, Hiddensee & Stralsund“ hat sich in unserem Ostsee-Urlaub absolut bewährt. Allerhand interessante Beiträge unter der Rubrik „Magazin“ über Geschichte und Gesellschaft, umfangreiches Kartenmaterial zum Herausnehmen, ein kleines Wörterbuch Plattdeutsch – Deutsch und traumhafte Fotos sind es, die das Reise-Taschenbuch zu dem machen, was es ist: Eine perfekte Mischung aus Reiseführer und Urlaubs-Lesebuch, in dem man nicht nur dann gerne blättert, wenn man mit der Planung des nächsten Urlaubstags beschäftigt ist.

Zum Glück gibt es aktuell noch 34 weitere Titel, denn zukünftig werden die DuMont-Reise-Taschenbücher für mich wohl zu unverzichtbaren Urlaubsbegleitern werden.

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Veröffentlicht am 28.08.2024

Humorvoll, wehmütig und Very British: Ein ganz besonderer Roman zum Miträtseln

Das größte Rätsel aller Zeiten
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Clayton Stumper ist der älteste 25-Jährige der Welt. Aber das ist wohl auch kein Wunder, denn schließlich ist er in der Gemeinschaft der Rätselmacher aufgewachsen. Das ist eine illustre Gesellschaft, die ...

Clayton Stumper ist der älteste 25-Jährige der Welt. Aber das ist wohl auch kein Wunder, denn schließlich ist er in der Gemeinschaft der Rätselmacher aufgewachsen. Das ist eine illustre Gesellschaft, die 1979 gegründet wurde und inzwischen aus lauter Rätsel-Enthusiasten weit jenseits der Achtzig besteht – und eben aus Clayton selbst. Er wurde als Baby vor dem Eingang von Creighton Hall gefunden, einem alten Herrenhaus, in dem die Gemeinschaft der Rätselmacher einer Kommune gleich lebt. Als Pippa Allsbrook, die Gründerin der Gemeinschaft und Claytons Ziehmutter, stirbt, hinterlässt sie Clayton allerhand mysteriöse Aufgaben in Form von Rätseln, die er lösen muss, um zu erfahren, woher er kommt und wer seine leiblichen Eltern sind. Eine ebenso knifflige wie aufregende Schnitzeljagd beginnt, die das Landei in die Metropolen London und Amsterdam führt. Das titelgebende größte Rätsel aller Zeiten löst man eben nicht mal so nebenbei.

Samuel Burrs Debütroman „Das größte Rätsel aller Zeiten“, gerade frisch erschienen im DuMont Buchverlag am 13. August 2024, ist ein ganz besonderes Buch. Es unterhält nicht nur wunderbar mit einer perfekten Mischung aus Humor und Wehmut, der Leser kann sogar eifrig selbst miträtseln, indem er beispielsweise gemeinsam mit Hauptperson Clayton Kreuzworträtsel löst.

Der Roman, in Großbritannien unter dem Originaltitel „The Fellowship Of Puzzlemakers“ erschienen, wurde von Übersetzer Karl-Heinz Ebnet so fantastisch ins Deutsche übertragen, dass nichts vom britischen Charme dieser Geschichte verloren geht. Natürlich wird jede Menge Tee getrunken und auch die ewig währende Debatte, ob zuerst die Marmelade oder die Clotted Cream auf die traditionellen Scones gestrichen wird, darf nicht fehlen. Hinreißend und Very British!

Am Anfang hatte ich die Sorge, ob ich all die Rätselmacher, die in der Kommune in Bedfordshire leben, auseinanderhalten kann, aber die war unbegründet. Samuel Burr hat so viele schillernde und einzigartige Charaktere geschaffen, dass es einem nicht schwerfällt, da durchzublicken. Außerdem kann man jederzeit zum Mitgliederverzeichnis der Gemeinschaft auf Seite 7 zurückblättern. Die Dialoge der handelnden Personen sind filmreif! Wie aus der Pistole geschossen unterhalten sich die Protagonisten.

Der Autor erzählt die Geschichte in zwei parallelen Strängen – einerseits beleuchtet er die Gründungszeit der Gemeinschaft von 1979 an bis zum Jahr 1991, als Säugling Clayton in der ominösen Hutschachtel entdeckt wird, während der andere Erzählstrang sich der Gegenwart widmet. Wie bei einem Puzzle setzen sich nach und nach die Teile zusammen – bis hin zur wirklich überraschenden Auflösung.

„Das größte Rätsel aller Zeiten“ ist ein wunderbarer Roman, der die Themen Freundschaft, Liebe und Selbstfindung auf mitreißende Art und Weise in den Fokus stellt. Es ist ein Buch zum Wegträumen aus dem Alltag, denn die Geschichte ist so lebendig und bildhaft erzählt, dass man sich selbst unter den ausladenden Ästen der großen Trauerweide im Labyrinth von Creighton Hall wähnt.

Mein Fazit: Dieses Buch macht unglaublichen Spaß und niemals wird die Story öde – das perfekte Geschenk für liebe Menschen, die gern lesen, und auch für sich selbst.

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Veröffentlicht am 28.08.2024

Unheimlich, düster und absolut fesselnd: Mein Buch des Jahres!

Das Haus in dem Gudelia stirbt
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Das Setting: unheimlich. Die Charaktere: unverwechselbar. Der Schreibstil: mitreißend. Fazit: Mein Buch des Jahres!

Im Juni 2024 versinkt das kleine Örtchen Unterlingen in den Wassermassen einer Jahrhundertflut. ...

Das Setting: unheimlich. Die Charaktere: unverwechselbar. Der Schreibstil: mitreißend. Fazit: Mein Buch des Jahres!

Im Juni 2024 versinkt das kleine Örtchen Unterlingen in den Wassermassen einer Jahrhundertflut. Die Bewohner flüchten, werden evakuiert. Eine aber bleibt zurück, als Einzige: Gudelia Krol. Sie ist verwitet, bereits über achtzig Jahre alt und kämpft sich ohne fließendes Wasser und ohne Strom durch einsame Tage und Nächte. Für sie steht fest, dass sie ihr Haus nicht verlassen wird. Zumindest nicht lebend.

Die Wassermassen reißen alles mit sich, was sich ihnen in den Weg stellt. Häuser, Autos, Verkehrsschilder, die Schweine von Bauer Becker – und auch zwei Menschen. Mit gefesselten Händen treiben die beiden Leichen an Gudelias Haus vorbei. Sie ist nicht nur die einzige Übriggebliebene in ihrer Wohnsiedlung – sie ist auch die einzige Zeugin in einem offensichtlichen Tötungsdelikt. Doch wird man der alten Frau glauben?

Mit „Das Haus in dem Gudelia stirbt“ debütiert der Autor Thomas Knüwer heute, am 21. August 2024, im Bielefelder Pendragon Verlag. Und wie! Düstere Endzeitstimmung liegt über seinem Buch, in dem sich viele Szenen auf dem Unterlingener Friedhof abspielen. Der Tod ist ein ständiger Begleiter in diesem Roman.

Thomas Knüwer erzählt die unfassbare Geschichte einer starken Frau, die 1987 mit dem gewaltsamen Tod ihres Sohnes und während ihrer langjährigen Ehe mit einem Alkoholiker, der 1998 starb, vom Schicksal hart geprüft wurde.

Als „packend“ und „fesselnd“ werden spannende Bücher gern inflationär beschrieben, doch wenn ein Buch diese beiden Bezeichnungen wirklich und wahrhaftig verdient hat, dann „Das Haus in dem Gudelia stirbt“. Man kann das Buch schlicht nicht aus der Hand legen. Ja, auch das ist ebenfalls eine gerne genommene Metapher bei Buchrezensionen, aber in diesem Fall gibt es keine treffendere Formulierung.

Die angenehm kurzen Kapitel spielen abwechselnd in Gudelias Schicksalsjahren 1987, 1998 und 2024. Ermittler existieren in diesem fulminanten Krimi-Schicksals-Thriller nur als Komparsen am Rande – und das ist gut so. Gudelia ist eine so interessante Hauptfigur, dass ihr Leben und das ihrer kleinen Familie völlig genügt, um die Spannung von Anfang bis Ende aufrechtzuerhalten.

Thomas Knüwer schaut nicht nur mit entlarvendem Blick hinter die Spitzengardinen der gutbürgerlichen Wohnsiedlung, er geht auch über Grenzen, indem er Unfassbares in ebenso nüchterne wie gewaltige Worte kleidet.

„Das Haus in dem Gudelia stirbt“ sticht auf faszinierende Weise aus den gängigen Geschichten im Spannungsgenre heraus. Kurzum: Ein absolutes Juwel, das mich derart begeistert hat, dass es schon jetzt mein Buch des Jahres ist!

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Veröffentlicht am 13.07.2024

Ein wunderbares Buch über Freundschaft, Hunde und die Frage, wo es noch hingehen soll im Leben

Das Gras auf unserer Seite
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Mit "Tigermilch" gelang Stefanie de Velasco 2013 ein fulminantes Debüt. 2019 wurde "Kein Teil der Welt" veröffentlicht. Mit "Das Gras auf unserer Seite" erschien am 7. März 2024 bei Kiepenheuer & Witsch ...

Mit "Tigermilch" gelang Stefanie de Velasco 2013 ein fulminantes Debüt. 2019 wurde "Kein Teil der Welt" veröffentlicht. Mit "Das Gras auf unserer Seite" erschien am 7. März 2024 bei Kiepenheuer & Witsch der dritte Roman aus der Feder der in Oberhausen geborenen Autorin.

Im Fokus ihrer Geschichte stehen Grit, Charly und Kessie - drei Frauen im "besten Alter", wie man landläufig sagen würde. Soll heißen: Drei Frauen in ihren Vierzigern. Sie befinden sich in einem Alter, das irgendwo dazwischen liegt - einerseits ist es noch nicht zu spät dafür, selbst ein Kind zu bekommen, andererseits ist da schon die Pflegebedürftigkeit der eigenen Eltern. Ja, die drei Protagonistinnen sind also im mittleren Alter, aber von Häkeldeckchen und der Schrankwand in Eiche rustikal glücklicherweise so weit entfernt wie Italien vom aktuellen EM-Titel. (Vielleicht würde dieser Vergleich der spanischstämmigen Stefanie de Velasco ein Schmunzeln entlocken.)

Mit Grit, Charly und Kessie hat die Autorin drei unverwechselbare und originelle Figuren geschaffen, die so gar nicht ins gesellschaftliche Weltbild passen: Nichts mit Ehe, Kindern, Doppelhaushälfte und dem Angekommen-Sein. Stattdessen suchen alle drei noch nach ihrem Platz im Leben. Dabei halten die Freundinnen fest zusammen - was immer da auch kommen möge. In ihrer WhatsApp-Gruppe "Dogville" wird der Leser von "Das Gras auf unserer Seite" Zeuge ihrer offenen, manchmal derben, aber doch immer liebevollen Kommunikation. Die "Dogville"-Nachrichtenverläufe bringen Extra-Schwung in die einzelnen Kapitel und führen dazu, dass man sich den drei Frauen noch näher fühlt. Der Name "Dogville" rührt übrigens von der Liebe des Dreiergespanns zu Hunden. Grit schreibt beispielsweise Verse für Hündinnen, die vor den einzelnen Kapiteln für ein Lächeln auf den Lippen der Leserschaft sorgen.

Jede der Freundinnen hat ihr Päckchen zu tragen, wie man so schön sagt. Während Kessie die Wohnung ihrer Mutter ausräumt, da die alte Dame ins Pflegeheim musste, und Grit sich fragt, ob es wirklich eine gute Idee wäre, in ihrer Beziehung mit Anno den nächsten Schritt zu wagen und mit ihm zusammenzuziehen, steht Charly vor dem Problem, dass sie schwanger ist und nicht genau weiß, von wem.

Vor dieser Ausgangslage begleiten wir als Leser die Freundinnen auf 256 durchgehend unterhaltsamen und amüsanten Seiten. Ins Genre "Frauenroman" lässt sich "Das Gras auf unserer Seite" aber nicht pressen, denn das wäre einfach zu platt. Und platt ist dieses wunderbare Buch überhaupt nicht. Obwohl mit lockerem Mundwerk und herrlich rampensaumäßig erzählt, verbirgt sich doch eine große Frage hinter der Geschichte: Wo soll es noch hingehen in unserem Leben?

Und so stehen wir gemeinsam mit Grit, Kessie und Charly an verschiedenen Weggabelungen des Lebens, sind gespannt, wohin sie abbiegen werden und fiebern mit - bis zum wirklich schönen und kreativen Ende des Buchs.

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