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Veröffentlicht am 28.10.2024

Und alle so still

Und alle so still
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Es sind Frauen, für die ich Coachings anbiete, und pädagogische Fachkräfte. Es ist nicht nur die Not des Personalmangels, die ich dort sehe und auch in meinem eigenen pädagogischen Arbeitsfeld spüre, sondern ...

Es sind Frauen, für die ich Coachings anbiete, und pädagogische Fachkräfte. Es ist nicht nur die Not des Personalmangels, die ich dort sehe und auch in meinem eigenen pädagogischen Arbeitsfeld spüre, sondern auch die Not der Frauen, die eingeengt werden, denen das Korsett des Patriarchats, unter anderem in Form von Glaubenssätzen, die Luft abschnürt.

Eine Mutter muss für ihre Kinder da sein. Das ist Frauenarbeit. Frauen gehören an den Herd. Wer den Haushalt nicht ordentlich führt, ist keine richtige Frau. Wer keine Kinder möchte, ist keine richtige Frau. Wer das Kind per Kaiserschnitt bekommen hat, hat sich nicht genug angestrengt. Wer keinen Mann hat, keine Kinder bekommen konnte, hat sich nicht richtig angestrengt. Wer keine richtige Frau ist und sich nicht richtig anstrengt ist wertlos.

Das ist nur ein kleiner Auszug dieser Glaubenssätze. Innere Kritiker, die uns Frauen dazu ermuntern uns aufzuopfern. Kleine Teufel, die verlangen, das wir uns verleugnen, alles hinnehmen, was männliche Strukturen uns auferlegen. Ohne den Mund aufzumachen oder noch besser, ohne den Mund gegen diese Strukturen aufzumachen, aber unbedingt gegen andere Frauen. Uns in Konkurrenz zu ihnen sehen. Gegenseitig unter Druck setzen, niedermachen bis wir daran erkranken. Denn Frauengruppen haben eine Stärke, die vom Patriarchat gefürchtet wird.

Das zeigt Mareike in ihrem neusten Roman "Und alle so still", der aktueller nicht sein könnte. Fachkräftemangel in den Care Berufen, weil alle ausgebrannt sind und Frauen, die sich dem entgegen stellen. Oder auch einfach nur zu erschöpft sind, um überhaupt wieder aufzustehen. Ein Gefühl, das jede Mutter, jede Ehefrau, jede Partnerin, jede Pflegekraft, jede pädagogische Fachkraft, kennt.

Mareike zoomt drei verschiedene Biografien aus der Masse. Ruth, die von ihrer Mutter das Pflichtgefühl übernommen hat, weil einer die Drecksarbeit machen muss. Die gelernt hat, dass frau sich nicht zur Wehr setzt und leise und brav alle Aufgaben erfüllt. Nur nicht aus der Reihe tanzen, nur nicht auffallen mit dem Kind, das anders ist, als die anderen und einen Lebensstil erfordert, der körperlich wie geistig erschöpft. Nur nicht klagen. Andere bekommen gar kein Kind. Eben solch ein Leben führt auch Nuris Mutter und er wünscht sich, sie wäre daraus ausgebrochen. Hätte zeigen können was Stärke wirklich bedeutet, um es dann an ihn weiterzugeben. Den Vater dazu bewegen können ein besseres männliches Vorbild zu sein, um vermitteln zu können, dass Stärke nicht bedeutet als Mann keine Gefühle zu zeigen und den ganzen Tag zu schuften, um abends schweigend und erschöpft von der Familie einzufordern, was Familienverbundenheit zum Verstummen bringt. Elins Mutter war anders. Anders als die meisten Mütter. Sie wünscht sich Selbstbestimmung und eine Kämpferin. Doch Elin fühlt sich einsam. Zu allein, um zu kämpfen. Sie braucht Verbindung zu anderen, um sich mit sich selbst verbinden zu können. Und die findet sie. In den Frauen, die dort auf der Straße liegen, wo sie zu erschöpft waren, um aufzustehen oder um zu zeigen was Frauen gemeinsam bewegen können.

Ich habe alle Bücher von Mareike gelesen und bin immer wieder geflasht davon, wie sie immer noch eins oben drauf legt. Sprachlich fand ich "Und alle so still" bombastisch. Inhaltlich eh. Mareike ist ein Vorbild. Eine, an der wir uns orientieren können, wenn wir verunsichert werden. Messerscharf stößt sie ihre Worte bis tief ins Innere. Ich hatte durchweg einen dicken Kloß im Hals und Gänsehaut. Stellenweise habe ich geweint, weil ich all diese Dinge, die im Roman beschrieben werden, so sehr fühle. Bei mir selbst und auch bei den Frauen, mit denen ich arbeite.

Ich wünsche mir, dass alle dieses Buch lesen. Um zu verstehen. Denn verstehen ist die erste Station auf dem Weg zur Veränderung. Und um ihre Wut in Energie umzusetzen. Um zu kämpfen. Um sich selbst und für andere.

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Veröffentlicht am 28.10.2024

Himmelwärts

Himmelwärts
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Seit ich "Miroloi" gelesen habe, bin ich begeistert von der Sprachkunst Karen Köhlers. Ebenso von ihrem klugen Blick auf die Welt. Der Fähigkeit Themen mit Tiefe mit Leichtigkeit zum Gespräch werden zu ...

Seit ich "Miroloi" gelesen habe, bin ich begeistert von der Sprachkunst Karen Köhlers. Ebenso von ihrem klugen Blick auf die Welt. Der Fähigkeit Themen mit Tiefe mit Leichtigkeit zum Gespräch werden zu lassen, zum Nachdenken anzuregen.

Mit "Himmelwärts" trifft sie mich persönlich. So wie Tonis Mutter, ist auch meine Mama viel zu früh verstorben. Ich kenne den Struggle, in dem wir zwischen Verlust und Trauer versuchen wieder aufs Leben aufzuspringen, das sich unaufhörlich weiter dreht. Zäh wie Gummi werden die Bewegungen in Trauer. Freundschaften, Beziehungen, Gespräche schwerfällig und so, als spreche man durch eine Glaswand. Vielleicht habe ich deshalb ein paar Tränen verdrückt, denn Karen Köhler hat mein noch immer nicht ganz verheiltes Herz getroffen, gefüttert, ein kleines bisschen gestopft mit ihren klugen Worten, die humorvoll und tröstend sind.

Wie lässt sich die Lücke der Vermissung füllen? Toni und ihre beste Freundin YummYumm haben eine Idee. Sie entwickeln ein kosmisches Radio, mit dem sie Kontakt zu Tonis Mutter aufnehmen können. Heimlich natürlich, denn den Vater würde das wahrscheinlich noch mehr aus der Bahn werfen - auch er ist noch nicht auf den sich weiterdrehenden Erdball aufgesprungen - und YummYumms Mutter ist sowieso überängstlich. Schwierig mit einem Mädchen mit überbrodelnder Abenteuerlust.

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Veröffentlicht am 28.10.2024

Die Unbändigen

Die Unbändigen
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In diesem Jahr hat mich kein Buch so sehr positiv überrascht wie "Die Unbändigen" von Emilia Hart. Der Roman, der zeigt wie versucht wird die Kraft von uns Frauen seit Jahrzehnten zu unterdrücken und wie ...

In diesem Jahr hat mich kein Buch so sehr positiv überrascht wie "Die Unbändigen" von Emilia Hart. Der Roman, der zeigt wie versucht wird die Kraft von uns Frauen seit Jahrzehnten zu unterdrücken und wie es uns doch gelingt das Wilde in uns, die Kraft, Stärke und Mut, auch in schwierigen Situationen zurückzugewinnen, ist für mich ein absolutes Highlight.

Erzählt wird auf drei Ebenen, in drei verschiedenen Zeitaltern. Altha lebt im Jahr 1619. Sie ist Heilkundig, empathisch, nimmt die emotionalen Schwingungen von Menschen und der Natur um sich herum auf, hilft, handelt. Etwas, das den Männern ihrer Zeit Angst macht. Sie wollen keine starke Frau, wollen keine Konkurrenz, niemanden, dem sie etwas an Macht oder Ruhm abgeben müssen. Altha passt nicht in ihre Köpfe und so wird sie, wie viele Frauen ihres Zeitalters, als Hexe angeklagt. Wir verfolgen ihren Prozess, die Absurdität der Vorwürfe, die man ihr macht. An den Haaren herbei gezogen aus Angstvor ihrer Stärke.

Etwas mehr als 300 Jahre später lebt Violet. Auch sie fühlt sich mit der Natur verbunden, aber nicht mit den Konventionen, die man Frauen ihrer Zeit auferlegen möchte. Gefühlt hat sich in 300 Jahren nichts geändert. Frauen sollen nicht in Männerberufe, Frauen sollen Kinder kriegen, Zuhause bleiben, ihren Männern gehorchen. Violet möchte das nicht. Lehnt sich auf. Gegen ihren Zukünftigen, gegen ihren Vater. Auf ihrer Seite ist die Natur, mit der sie im Einklang ist, mit der sie in Harmonie schwingt.

Wir reisen in die Gegenwart, in der Kate lebt, die in einer modernen aufgeklärten Welt lebt, doch auch sie wird Opfer eines Mannes. Opfer männlicher Gewalt, Opfer eines Systems, das immer noch darauf ausgelegt ist, dass Männern mehr Rechte, mehr Fähigkeiten, mehr Möglichkeiten zugesprochen werden. Ein System, das weiterhin versucht Frauen klein zu halten. Auf der Flucht vor ihrem Lebensgefährten, landet Kate im Weyward Cottage. Einem alten Landgut ihrer Familie. Dort spürt sie die Kraft ihrer Ahninnen, der Natur und findet auch ihre eigene zurück, um sich zur Wehr zu setzen.

"Die Unbändigen" ist ein sehr eindringliches Buch. Düster, berührend und voller Energie. Es ist trotz seines Unterhaltungscharakters ein lehrendes Buch. Eins, dass den Blick schärft, das zu Verbundenheit aufruft, zu Schwesternschaft und zu Mut. Ich kann es nur allen Leserinnen und Lesern ans Herz legen.

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Veröffentlicht am 08.10.2024

Yrsa. Journey of Fate

Yrsa. Journey of Fate (Yrsa. Eine Wikingerin 1)
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War das ein Lesevergnügen! Obwohl natürlich nicht alles vergnüglich ist auf Yrsas Reise, in Yrsas Welt, einer Zeit, in der Frauen wenige Rechte hatte. Wobei ich doch erstaunt war, welch hohen Stellenwert ...

War das ein Lesevergnügen! Obwohl natürlich nicht alles vergnüglich ist auf Yrsas Reise, in Yrsas Welt, einer Zeit, in der Frauen wenige Rechte hatte. Wobei ich doch erstaunt war, welch hohen Stellenwert die Frauen der Wikinger hatten. Zumindest diejenigen, die mit einem Mann verheiratet waren. Am besten mit einem, der was taugt. Anpacken oder kämpfen kann.

So eine Frau möchte Yrsa nicht sein. Nicht werden, obwohl der Schmied Njáll ihr attraktive Angebote macht. Yrsa möchte eine Kriegerin werden. Nicht hilflos sein, nicht abhängig, sondern kraftvoll. Und selbstbestimmt leben und durchs Land ziehen können. Zum Kämpfen kommt sie schneller als geplant, als ihr Bruder Sjalfi verschwindet und sie sich auf die Suche nach ihm macht. Diese wird ihr vor allem durch Njáll erschwert, der so begeistert ist vom Gedanken eine junge Frau wie Yrsa als sein Eigentum bezeichnen zu können, dass er alles mögliche in Gang setzt, um Yrsa zu Finden und zurückzuholen. Im Notfall mit Gewalt.

Yrsa ist eine weibliche Figur, die sowohl in ihre Zeit passt, als auch in die Moderne zu transferieren ist. Sie setzt sich zur Wehr gegen patriarchale Strukturen, die ihr auf vielfältige Weise begegnen. Yrsa trotzt ihnen aus eigener Stärke heraus und dem Willen ihren Weg zu gehen und holt ihre Stärke nicht - wie so oft in historischen oder fantastischen Romanen - aus den Verletzungen, die ihr zugeführt werden und das gefällt mir besonders. Sie ist nicht frei von Narben und Scham, die ihr durch Männer zugefügt wurde, aber ihre Kraft trägt sie in sich und dort holt sie diese auch heraus, um ihren eigenen Weg zu gehen.

Historikerin Alexandra Bröhm erzählt eine gut recherchierte und authentisch erzählte Geschichte einer jungen Frau, in die sie die Traditionen und Gebräuche, sowie den Lebensstil der Menschen zur Zeit der Wikinger mit einfließen lässt. Das macht den Roman so wunderbar lebendig und äußerst spannend. Passend zum Buch postet Alexandra Bröhm auf ihrem Instagramkanal kleine Beiträge über die historischen Fakten, die im Roman verarbeitet werden. Sehr spannend und informativ.

"Yrsa. Journey of Fate" ist für mich in diesem Jahr ein Highlight im Genre historische Romane und ich freue mich sehr, dass es einen weiteren Band geben wird, der voraussichtlich im Juli 2025 erscheinen wird.

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Veröffentlicht am 30.08.2024

Beklemmende Macht des Patriarchats

Alle wissen hier alles
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Frau kennt diese Art Wunden, erkennt sie, wenn eine andere Frau sagt, sie sei gegen einen Schrank gelaufen. Die Treppe herunter gefallen. Sie sei nun mal tollpatschig. Das Abwerten der eigenen Person, ...

Frau kennt diese Art Wunden, erkennt sie, wenn eine andere Frau sagt, sie sei gegen einen Schrank gelaufen. Die Treppe herunter gefallen. Sie sei nun mal tollpatschig. Das Abwerten der eigenen Person, das sich so normal anfühlt, weil es ihnen ständig vom Gegenüber vor Augen geführt wird. Auch Martina weiß, wie es ist der körperlichen Überlegenheit eines Mannes ausgeliefert zu sein und weil sie vielleicht auch noch so ein kleines ungesundes Helfersyndrom hat, nimmt sie Kasia kurzerhand mit nach Hause, als diese morgens mit einem dicken Bluterguss vor der Stirn die Tochter in den Kindergarten bringt.

Damit zieht Martina eine Kettenreaktion in Gang, mit der sie nicht gerechnet hat. Einem Mann einfach so die Frau nehmen, für deren Unterdrückung er jahrelang gearbeitet hat. Wo kommen wir denn da hin? Was Mareike Krügel mit Sarkasmus versucht aufzulockern, fühlt sich dennoch beklemmend an. Weil so viel Realität darin steckt. So viel: ja, so könnte es tatsächlich laufen. So viel: ja so mahlen die Mühlen des Patriarchats.

Martina und Kasia sind Opfer der männlichen Macht auf verschiedenen Wegen. Man glaubt ihnen weniger, als den Männern, sie werden gemieden und auch innerhalb der Frauenbeziehungen, die sie über die letzten Jahre aufgebaut haben, gibt es sie: die Strukturen des Patriarchats, die dafür sorgen, dass Frauen nicht nur hilfsbereit aufeinander zu gehen und sich unterstützen, sondern dass eine Kluft zwischen sie getrieben wird. Aus der Ohnmacht wird die Wut aufeinander, das Misstrauen gegenüber anderen Frauen, statt Verbundenheit ausleben zu können.

Es war beklemmend zuzusehen, wie Martina und Kasia immer mehr Selbstbestimmung entzogen wurde, wie sie mehr oder weniger gezielt manipuliert wurden, wie ich mit ansehen musste, wie sie ins Verderben laufen, ohne etwas dagegen tun zu können. Wie man ihre Aussagen gegen sie verwendete, weil man modern denken will und gleichzeitig so altmodisch darin verharrt, was schon immer irgendwie funktioniert hat. Veränderung, Auflehnung kostet Kraft.

Mareike Krügel zeigt hier Strukturen auf, in denen wir uns alle befinden. Frauen wie Männer in unterschiedlicher Form. Um aus der Opferrolle in die Selbstermächtigung zu kommen, bedarf es Bücher wie diese, die unser Wissen erweitern, unseren Blick schulen für die Situationen, in den wir klein gehalten werden, in denen das Patriarchat um seinen Verlust an Kontrolle bangt. Gut, dass wir Bücher mit solchen Geschichten, Bücher von Frauen haben, die uns mit Wissen, mit Aufklärung, ein Werkzeug an die Hand geben, das fundamental wichtig ist, um etwas zu verändern.

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